SXEU31 DWAV 071800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 07.07.2021 um 18 UTC

Markante Wettererscheinungen:
Mit Trogannäherung ab Donnerstag wieder vermehrt Gewitter und Starkregenfälle
bis in den Unwetterbereich. Nur kurze Ruhephasen (z.B. Nacht zum Samstag,
Samstag im Osten und Süden).

Synoptische Entwicklung bis Samstag 12 UTC

Aktuell … befindet sich Deutschland auf der Vorderseite eines stark
amplifizierten Höhentrogs über Westeuropa, dessen Drehzentrum über der
nördlichen Nordsee zu finden ist. Dort korrespondiert es – noch – mit dem arg
ins Alter gekommenen Tief ZYPRIAN, der mit einem Kerndruck von wenig unter 1010
hPa inzwischen ´ne ordentliche Plauze angesetzt hat (man erinnere sich, zur
Blütezeit waren es 990 hPa) und wohl bald in die ewigen Jagdgründe sommerlicher
Sturmtiefs abtauchen wird.

Vorderseite hin, Vorderseite her, im Bodendruckfeld steigt der Luftdruck leicht
an (NVA vorderseitig eines extrem flachen, mit der südwestlichen Höhenströmung
nordwärts durchwandernden Rückens), so dass sich die das Azorenhoch und ein
Russlandhoch (CORNELIEKE) verbindende Brücke noch etwas kräftigt. Profitieren
tut davon insbesondere die Nordhälfte, wo die sporadische abendliche
Restkonvektion alsbald das Zeitliche segnet und sich auch sonst die
Quellbewölkung mehr und mehr auflöst. Dabei geht die Temperatur auf 17
(unmittelbar an der See) bis 10°C (unweit der nördlichen Mittelgebirgsschwelle)
zurück, in einigen typischen Senken vielleicht sogar noch etwas darunter. Dazu
bilden sich in Gewässernähe einige flache Nebelfelder.

Synoptisch interessanter gestaltet sich der Ablauf im Süden des Landes, der auf
die Rückseite des o.e. flachen Rückens unter leichte PVA gelangt. Diese reicht
aus, um die schlummernde Luftmassengrenze (gemeint ist die Kaltfront, die uns
gestern und in der vergangenen Nacht ost-südostwärts überquert hat) zu
reaktivieren respektive die feuchte und mit etwas MU-CAPE versehene Biskayaluft
zu heben. Aus den Alpen und der Schweiz heraus greifen Regenfälle und einzelne
Gewitter auf Bayern und BW über, die sich in der Nacht nord-nordostwärts
ausbreiten. Hinsichtlich der Details hat jedes Modell so seine eigene
Vorstellung, aber es ist davon auszugehen, dass das Thema „Starkregen“ den
Punctum saliens ausmacht, und das nicht nur gewittrig und z.T. auch mehrstündig.
Ein präventives Warnmanagement mit längerer Vorlaufzeit erscheint dabei sehr
schwierig, so dass Vieles auf klassisches Nowcastwarnen hinausläuft. Eventuell
kann man am Abend auf Basis von ICON-D2-EPS für die zweite Nachthälfte für den
Raum Bodensee/Allgäu eine mehrstündige markante Starkregenwarnung herausgeben.

Donnerstag … wird´s mal wieder kompliziert und sehr unruhig, ja man möchte
sagen regelrecht lästig für das wetterwarnende Personal. Dabei sei gleich an
dieser Stelle vorausgeschickt, dass die genauen Abläufe auch so kurz vor den
Ereignissen immer noch ziemlich unscharf daherkommen, als wüssten auch die
Modelle nicht so recht, was geht und was nicht. Mit Hilfe konzeptioneller
Überlegungen könnte sich das Ganze wie folgt abspielen, aber wie heißt es so
schön nach Ziehung der Lottozahlen: „Ohne Gewähr“!

Das Einfache zuerst, die Potenzial-und Druckverteilung. Während sich bodennah
oberflächlich betrachtet eher wenig tut, sprich, wir den Tag weiterhin innerhalb
der diagonal von SW nach NE exponierten Hochdruckbrücke verbringen, rückt in der
Höhe der Trog etwas dichter an den Vorhersageraum heran. Genau genommen ist es
der Südteil, der sich vorsichtig progressiv verhält, so dass der gesamte Komplex
am Ende des Tages eine leicht negative Achsstellung aufweist. Ob es
schlussendlich sogar zu einer Abtropfung des an Wellenlänge einbüßenden Troges
kommt, ist zwar möglich, nach derzeitigen Simulationen aber eher
unwahrscheinlich.
Auf alle Fälle wird die alternde atlantische Luftmasse mit Annäherung des Troges
(auf dessen Vorderseite wir aber noch bleiben) in der Westhälfte von oben her
leicht labilisiert (LR mit -0,6 bis -0,65 K/100 m allerdings sehr moderat) bei
gleichzeitig andauernder Anfeuchtung (Anstieg PPW auf 25 bis 30 mm, lokal auch
darüber, spez. Grundschichtfeuchte um 10 g/kg). Das sind zwar alles andere als
„Mega-Werte“, gleichwohl reicht es, um mit Hilfe von etwas solarem Energieinput
(am wenigsten im davon im Südwesten) einige hundert Joule pro Kilogramm
weitgehend ungedeckeltes ML-CAPE zu generieren, gebietsweise sogar bis zu 750
J/kg.

Am Morgen und am Vormittag müssen erstmal die Gewitter- und Regenreste aus dem
Süden verarbeitet werden, die allmählich nord-nordostwärts gen Mitte ziehen.
Warnungen dürften die Stufe „markant“ (wegen Starkregen) zunächst eigentlich
noch nicht überschreiten. Etwa ab Mittag entwickeln sich dann in der Westhälfte
bei Auslösetemperaturen um 20°C teils orografisch motiviert, teils durch
regionale Windkonvergenzen vermehrt Gewitter, die bei vergleichsweise
bescheidenden Scherbedingungen (DLS bis 15 m/s) meist als pulsierende Einzel-
oder Multizellen auf den Plan treten. Aufgrund der geringen
Verlagerungsgeschwindigkeit steht Starkregen ganz weit oben auf der Karte, wobei
sicherlich auch wieder lokale Unwetter (25 bis 40 l/qm innert kurzer Zeit) am
Start sind. Selbst das Attribut „extrem“ (> 40 l/qm binnen kurzer Zeit) ist bei
derartigen Lagen nicht ganz von der Hand zu weisen. Hagel hingegen dürfte eher
klein bleiben und auch der Wind sollte nicht ins Unermessliche anwachsen (7-8
Bft).

Im Laufe des Nachmittags bzw. in den Abendstunden gilt es dann, noch weitere
Regionen genaustens zu beäugen. Da wären zum einen mal wieder die alpennahen
Gebiete nebst Vorland sowie evtl. auch noch der Südosten BWs, wo aus der Schweiz
und den Alpen heraus Gewitter und schauerartige Regenfälle übergreifen, die in
den Abendstunden mehr und mehr zu verclustern scheinen. Dabei erfordert auch
hier der Parameter „Starkregen“ die höchste Aufmerksamkeit, auch wenn anfangs
aufgrund solider Scherung auch mal etwas größerer Hagel oder eine Sturmböe mit
von der Partie sein kann. Ab dem Abend sowie in der ersten Nachhälfte kann das
Ganze dann insbesondere in Süd- und Ostbayern zu teils gewittrigem, teils
ungewittrigem und auch mehrstündigem Starkregen mutieren. Wie hoch die Mengen
letztendlich sein werden, ist schwer abzuschätzen, von lokalen Unwettern (> 35
l/qm/6 h) sollte aber ausgegangen werden.

Und dann wäre da noch die Entwicklung im benachbarten Tschechien, wo die Luft
nicht nur deutlich feuchter ist (PPWs z.T. über 40 mm), sondern auch noch ein
thermisch induziertes flaches Tief aus dem Salzkammergut aufschlägt. Dabei kommt
es zu schweren Gewittern und Starkregenfällen, die zum Abend hin und bis in die
erste Nachthälfte auch auf deutsches Territorium abfärben können. Unterstützt
wird das Ganze durch Gegenstrom auf der kalten Seite des Tiefs, wo der westliche
bis nördliche Wind in der unteren Troposphäre durch südliche Winde weiter oben
überlagert ist. Zwar ist die Luftmasse deutlich stabiler geschichtet als weiter
westlich, trotzdem erscheint ab dem Abend aus heutiger Sicht ein Areal, dass
sich von den ostbayerischen Mittelgebirgen über das Erzgebirge und Ostsachsen
bis zur Niederlausitz erstreckt, sehr anfällig für (gewittrigen) Starkregen bis
in den Unwetterbereich.

Bei aller gebotenen Unsicherheit, die für morgen gegeben ist, zeichnet sich von
der Mitte (etwa Osthessen/Westthüringen) bis hoch in den Nordosten eine Zone mit
verminderter Wetteraktivität an. Der meiste Sonnenschein jedenfalls wird im
Norden erwartet und dort an der Küste. Die Temperatur erreicht Höchstwerte
zwischen 20 und 26°C mit den Spitzen im Norden.

In der Nacht zum Freitag schwenkt der Höhentrog zunehmend zu uns herein, wobei
es im Bereich der Trogachse zu weiteren Schauern und Gewittern kommt. Ganz im
Westen hingegen setzt allmählich Stabilisierung ein. Im Osten und Südosten sorgt
der Gegenstrom für teils gewittrige Regenfälle mit Starkregengefahr, Details
noch unsicher. Unsicher auch noch die Geschichte in Süddeutschland, wo die sich
über den Alpen einkringelnde Trogspitze für reichlich Hebung ergo Gewitter und
Starkregenfälle sorgen könnte. IFS von 00 UTC zeigte sich diesbezüglich
besonders auf Krawall gebürstet mit einigen Hotspots von 70 bis 90 l/qm bis zum
Morgen südlich der Donau.

Freitag … steht unter dem Motto „unten Sumpf, oben Trog“, was in dieser
Jahreszeit bei dem hohen Sonnenstand in der Regel nichts Gutes bedeutet.
Immerhin büßt die Luftmasse etwas an Qualität in Form fühlbarer und latenter
Wärme ein. Mit schwachen west-nordwestlichen Winden wird moderat temperierte
Meeresluft advehiert (T850 um 10°C), deren PPW-Gehalt meist bei 25 bis 30 mm
oder etwas darüber liegt. Weniger ist es in den westlichen Landesteilen, wo eine
Abtrocknung in Gang kommt, die nur noch wenige, nicht allzu kräftige
Überentwicklungen zulässt (meist Schauer).

Etwas mehr Wasserdampf ist hingegen noch im Osten vorhanden (PPW über 35 mm), wo
der Gegenstrom nicht lockerlässt und weitere Hebung garantiert, die zu
gewittrigen Starkregenfällen führt. Das meiste CAPE wird direkt unter dem Trog
in einem von SH über die Mitte bis nach NW-Bayern (auch Unterfranken genannt)
bzw. NO-BW (Bauland/Hohenloher Ebene). Gebietsweise werden 500 bis 700 J/kg
angeboten, was bei nahezu ungescherten Bedingungen in pulsierende Einzel- und
Multizellen mit erhöhter Starkregengefahr (auch WU) umgesetzt wird.

Bei Tageshöchstwerten von 20 bis 26°C werden die meisten Sonnenstunden rund um
die Deutsche Bucht erwartet, während z.B. in Sachsen die Schotten (also die
Wolkendecke) weitgehend dicht bleiben.

In der Nacht zum Samstag zieht der Trog nach Nordosten ab, was mit einer
merklichen Abschwächung der anfangs noch auftretenden Schauer und Gewitter
einhergeht. Zuletzt dürfte es wohl in Vorpommern aufhören zu regnen. Ansonsten
schlägt knapp westlich des Ärmelkanals das nächste Höhentief auf, das über
Westeuropa die Bildung eines KW-Troges bewirkt. Zwischen den beiden Trögen wölbt
sich ein flacher Rücken auf, der von Westen her übergreift und dabei leichten
Zwischenhocheinfluss initiiert. Bei teils wolkigem, teils klarem Himmel kühlt
die Luft auf 15 bis 8°C ab, lediglich direkt an der See bleibt es etwas milder.

Samstag … wird der flache Rücken rasch nach Osten durchgereicht, so dass der
o.e. KW-Trog, genauer dessen Vorderseite noch im Tagesverlauf auf die westlichen
Landesteile übergreift. Einher geht das Ganze mit einer merklichen
Feuchteakkumulation und auch Scherung ist vorhanden. Also nix mit ´nem
gemütlichen Samstagsdienst, stattdessen neue Gewitter bis hin zu Unwettern
(Details siehe später).

Immerhin, im Osten und Süden verläuft der Tag sonnenscheinreich, warm und
wahrscheinlich trocken. Deutschlandweit liegen die Tageshöchstwerte zwischen 23
und 28°C.

Modellvergleich und -einschätzung

Es gibt nichts mehr zu sagen. Lediglich der soeben erschienene 15-UTC-Lauf von
ICON-D2-EPS erhöht für morgen früh die Starkregenwahrscheinlichkeit zwischen
Bodensee und Alb.
Wegen einer möglichen Vorabinformation für den morgigen Donnerstag setzen sich
die Frühdienste an einen Tisch. Es dürfte schwer werden, Schwerpunktregionen
herauszuarbeiten, wenn man nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen möchte.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann