SXEU31 DWAV 051800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 05.07.2021 um 18 UTC

Markante Wettererscheinungen:
Am Dienstag potentielle Schwergewitterlage, Schwerpunkte und Verbreitung aber
noch unsicher, in der Nacht zum Mittwoch im Süden und Osten in mehrstündigen
Starkregen übergehend. Nachfolgend weiter wechselhaft.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 12 UTC

Aktuell … ist der konvektive Haupttrigger in Form eines immer schmaler
werdenden Höhentroges dabei, endlich nordostwärts aus Deutschland abzuschwenken.
Bei rückseitiger NVA geht den einzelnen – in der Summe markant gebliebenen –
Gewittern bei gleichzeitiger Beendigung des Tagesgangs in den nächsten Stunden
rasch die Puste aus. Zugleich schiebt sich von Westen ein flacher Rücken nach
Deutschland, der auch die restliche Schaueraktivität über Deutschland rasch
beendet. Bei längerem Aufklaren kann sich in der Folge bei nur schwacher
Luftbewegung örtlich flacher Nebel bilden.

Viel interessanter ist aber der Blick nach Westen, denn für den Keilaufbau ist
nichts geringeres als ein ausgewachsenes Sturmtief verantwortlich, dass aktuell
um 19 Uhr MESZ mit einem Kerndruck von knapp 985 hPa knapp 200 Seemeilen
westlich der Bretagne liegt. Es vereint dabei klassische Strukturen wie Warm-
und Cold Conveyor Belt mit Zügen eines Shapiro-Keyser Tiefs mit warmen Kern, wie
einzelne Gewitter nahe des Zentrums belegen. Daher war die Kaltfront zumindest
zeitweise in den jüngsten Analysen auch abgesetzt gezeichnet worden. Die
kräftige Warmluftadvektion im Vorfeld des Tiefs stützt den Rücken und lässt im
Laufe der Nacht im Westen und Nordwesten mehrschichtige Bewölkung aufkommen, die
Richtung Emsland auch für ein paar Spritzer Regen gut ist. In der südwestlichen
Höhenströmung wird das WLA-Maximum bis zum Morgen allerdings rasch zur Nordsee
rausgedrückt und von Benelux kommend steht bereits die nachfolgende Kaltfront
mit schauerartig verstärkten Regenfällen ante portas.

Zeitgleich macht sich die Annäherung des Tiefs auch dadurch bemerkbar, dass die
Höhenwinde allmählich zunehmen, was sich klassischerweise auf dem Brocken als
Erstes durch Sturmböen 8 bis 9 Bft sichtbar macht. Die Tiefstwerte liegen
zwischen 17 Grad unter den Wolken im Westen und 10 Grad in Tal- und Muldenlagen
im Süden.

Dienstag … rückt das Drehzentrum des positiv geneigten Höhentrogs, der sich
immer weiter bis nach Portugal amplifiziert ein Stück weiter ostwärts vor,
genauer gesagt zur westlichen Nordsee. Dort zieht es auch das inzwischen
achsensenkrechte Bodentief hin, wobei sich laut ICON 12z und IFS 0z noch zum
Mittagstermin immer eine dipolartige Struktur mit Teilzentren dicht östlich von
Edinburgh und am Humber. Der Kerndruck dürfte dabei noch immer unter 995 hPa
betragen. Vor allem an der Südflanke des südlichen
Drehzentrums setzt damit einhergehend eine ordentliche Gradientverschärfung über
der südwestlichen Nordsee ein mit verbreiteten Sturmböen. Ganz so
schlimm kommt es bei uns aufgrund der Entfernung nicht, aber immerhin
sind im Tagesverlauf auch in prädestinierten Leelagen (Nordränder)
der westlichen Mittelgebirge zeitweise Windböen (Bft 7), exponiert auch
vereinzelte stürmische Böen (Bft 8) aus Süd bis Südwest zu erwarten.

Wichtiger aber ist die Tatsache, dass die Kaltfront bereits in den Frühstunden
von Westen auf Deutschland übergreift. An der Grenze zu Belgien ist dabei auch
ein flacher Randtrog auszumachen, der bereits frühzeitig (gewittrige)
Starkregenwarnungen erforderlich machen könnte. Erste zarte, aber nicht
überbordende Hinweise dafür lassen sich in den konvektionserlaubenden Modellen
wie AROME, ICON-D2 und Super HD für das westliche Niedersachsen, NRW bis zum
Oberrhein finden. In jedem Falle stößt die Kaltfront im Norden deutlich
schneller nach Osten vor als im gradientschwächeren Süden, wo nicht zuletzt auch
wegen der weitgehend strömungsparallelen Windkomponente die ostwärtige
Verlagerung deutlich verlangsamt ist und somit ins Schleifen gerät. Bis zum
Abend erreicht sie etwa eine Linie Vorpommern-Vogtland-Bodensee.

Vorderseitig gelangt ein Schwall sehr warmer bis heißer Mittelmeerluft in den
Osten und Süden (T850 14 bis 18°C, in Südostbayern mit Föhnunterstützung sogar
über 20°C), die zwar labil geschichtet, aber auch stark gedeckelt ist (teilweise
dreistellige CIN-Werte). Das erklärt zu einem Großteil, warum die Numerik trotz
vorlaufendem Bodentrog („Gewittersack“) mit eingelagerter Konvergenz kaum
präfrontale Konvektion im Angebot hat. Vielleicht geht am Spätnachmittag/Abend
vereinzelt aus den Alpen heraus bzw. im Alpenvorland was, wenn sich ein flaches
Tief (teil orografisch, teils thermisch induziert) löst und eine kleine
Druckwelle von Westen durchläuft, die zum Zünglein an der Waage werden könnte.
Vom Timing her wirkt das in den aktuellen Läufen zu früh und damit
unwetterungünstig, da zum Mittag bereits die Winde westlich von Regensburg und
München auf West bis Nordwest drehen. Wenn sich aber im Vorfeld Gewitter bilden,
dann können diese rasch unwetterartig ausfallen durch heftigen Starkregen,
größeren Hagel (gute Scherung) und schweren Sturmböen (Downburstgefahr durch
inverse V-Struktur). Auch einzelne isolierte Superzellen sind gut vorstellbar –
gerade aufgrund des CINs auch ohne schnelle Verclusterung. Ob es im Süden direkt
an der Front, ausgelöst z.B. durch frontale Querzirkulation, für Gewitter
reicht, ist angesichts der vergleichsweise stabilen Luftmasse im Frontbereich
sehr fraglich. ICON-D2 scheint hier abermals zu forsch zu sein, allenfalls für
den unmittelbaren warmen Rand nach Osten zu macht das Sinn. Allerdings sollte
man zumindest ungewittrigen Starkregen auf dem Zettel haben. Die
Wahrscheinlichkeiten im ICON-D2 EPS liegen an der Grenze zur Schweiz für
6-stündige Regenmengen bis 18 UTC bei rund 20% – Tendenz zum Abend weiter
ansteigend.

In der Mitte und im Norden dürfte die Kaltfront gerade zum relativen
Gewitterminimum in den späten Vormittagsstunden weitgehend „nur“ mit Regen nach
Osten vorankommen. Dabei deutet sich auch ein zunehmendes „Zerfleddern“ an, da
der thermische Gradient schon beginnt aufzuweichen und von Westen
Kaltluftadvektion die Front überläuft. Auf der Rückseite strömt ein Schwall
etwas kühlerer (T850 10 bis 7°C) und stabilerer Meeresluft in den Westen und
Nordwesten, deren Wasserdampfgehalt deutlich reduziert ist. Entsprechend bleibt
es dort nach Abzug des Regens überwiegend trocken mit einigen
Wolkenauflockerungen.

Eine signifikante Reaktivierung der Front mit linienhaften Gewittern findet dann
voraussichtlich in den Nachmittagsstunden von Schleswig-Holstein und Mecklenburg
bis zum Thüringer Wald statt, wo der Deckel langsam abgebaut wird und
einstrahlungsbedingt etwas CAPE von 300-500, stellenweise auch bis 800 J/kg
aufgebaut wird. Im Verbund mit der starken Scherung bis zu 35 m/s zwischen 0 und
6 km bzw. bis 15 m/s zwischen 0 und 1 km, die größtenteils aus reiner
Geschwindigkeitsscherung resultiert, muss man organisierte Strukturen definitiv
auf dem Zettel haben. Mehr noch, bei HKNs im Norden unter 1000 m, in Küstennähe
um 500 m besteht zudem ein erhöhtes Potential für Funnel- oder gar
Tornadosichtungen. Bei derartigen Low CAPE-High Shear Lagen keine Seltenheit.
Von dynamischer Seite aus betrachtet liegt zwar das Gros der Gebiete ungünstig
auf der rechten Seite des Jetausgangs. Allerdings stößt der Jetstreak mit über
100 Knoten in 300 hPa bis zum Abend von NRW bis nach Schleswig-Holstein vor, so
dass die Überlappung von labiler Luftmasse und linkem Jetausgang von der
Elbmündung bis zur Dänischen grenze hinauf gerade noch rechtzeitig kommen
könnte. Hier ist auf alle Fälle Obacht geboten, zumal auch der Tornado Parameter
beim LightningWizard zwischen Weser und Schlei deutlich anspringt.

Das Temperaturgefälle ist jedenfalls ordentlich mit bis zu 33 Grad bei Sonne
satt in der Lausitz und Niederbayern und vergleichsweise kühlen 20 Grad in der
Eifel.

In der Nacht zum Mittwoch läuft ein ostatlantischer Randtrog südostwärts
Richtung Iberischer Halbinsel ab und dellt den westeuropäischen Trog effektiv
nach Süden aus. Dadurch steilt die Strömung über Deutschland noch etwas auf.
Zwischen einem sich aufbauenden Hochkeil, der sich von Frankreich bis nach
Norddeutschland ausweitet und dem Hitzetief über dem Böhmischen Becken
überlaufen kühle Nordwestwinde bodennah nicht nur die Front, sondern auch weite
präfrontale Bereiche. Ein
bisschen was an MU CAPE ist vielleicht noch da, aber der Hauptantrieb
für die schauerartig verstärkten Niederschläge wird nun vielmehr
durch die Gegenstromlage induziert (in der Höhe weiterhin Süd bis Südwest) und
die Front nimmt Anacharakter an.
Sah es bei den gestrigen Modelläufen nach einer trügerischen Einigkeit was die
Niederschlagsschwerpunkte belangt aus, so divergieren die aktuellen Läufe
mitunter noch beachtlich. Als potentielle Gefährdungsgebiete kristallisiert sich
zwar ein Streifen vom Berliner Raum über Nürnberg bis zum Bodensee heraus. Ob in
diesem aber Regenmengen der Größenordnung 10 l/qm binnen 6 Stunden (nicht
warnwürdig), 25 l/qm binnen 6 Stunden (ocker) oder gar strichweise mehr als 40
l/qm binnen 6 Stunden (Unwetter) fallen, ist noch komplett offen. Zieht man die
Probabilistik ergänzend zu Rate, so ist in der ersten Nachthälfte der südliche
Ast zwischen Bodensee und Erzgebirge mit 20-40% für mehr als 20 l/qm dabei und
in der zweiten Nachthälfte mit vergleichbaren Wahrscheinlichkeiten weite Teile
Sachsens und Südbrandenburg. Aus der Erfahrung heraus ist zumindest gebietsweise
mehrstündiger Starkregen im markanten Bereich (ocker) doch recht wahrscheinlich.
In diesen Grundtenor stimmen auch externe Modelle wie Super HD und das Euro4 mit
ein.

Östlich davon kann es selbst nachts immer nochmal neu auslösen, wenn
auch mit geringer Wahrscheinlichkeit bei teils tropischen 20 bis 17
Grad. Im Westen und Nordwesten kühlt es bei teils klarem Himmel
dagegen auf 14 bis 9 Grad ab.

Mittwoch … schwenkt die Südachse des Troges nur unwesentlich weiter
ostwärts zu den Pyrenäen, womit sich an der strammen, süd-südwestlichen Strömung
über Mitteleuropa nichts ändert, nur, dass sie immer mehr indifferent bzw. sogar
leicht antizyklonal konturiert ist.
Reste des nächtlichen Starkregens toben sich voraussichtlich noch in
Ostdeutschland bis zum Mittag aus und lassen dann mit Annäherung der
schmalen Hochdruckbrücke, die sich schlauchartig von den Alpen bis zur
südlichen Ostsee erstreckt (bis nahe 1020 hPa), nach. Dabei weicht auch der
thermische Gradient im Frontbereich immer mehr auf.

Im übrigen Gebiet gibt es einen freundlichen Mix aus Sonne und
Wolken, wobei aufgrund der Nähe zum Trog der Nordwesten und Westen
im Tagesverlauf am prädestiniertesten erscheint, um lokal
einzelne Schauer bei Wolkenoberkantentemperaturen um die -5 Grad
auszulösen. Oberhalb davon schließt sich bei etwa 650 hPa eine flache aber
effektive Absinkinversion an, die stärkere Konvektion unterbindet. Ob im
Tagesverlauf ein flacher Randtrog zu den Westalpen schwenkt und von
der Schweiz neue schauerartige Regenfälle auf den Südwesten
übergreifen ist noch unsicher. Nach Durchsicht der bis dato vorliegenden 12z
Läufe spielt dieser wohl allenfalls eine untergeordnete Rolle, starke Bewölkung
und leichte Regenfälle halten sich aus der Nacht kommend aber wahrscheinlich
noch bis weit in den Nachmittag hinein vom Hochrhein bis zur Alb.

In der nun überall wieder eingeflossenen erwärmten Atlantikluft mit
T850 zwischen 8 Grad im Nordwesten und 12 Grad im Südosten sind die Höchstwerte
im sommerlich angenehmen Bereich bei 22 bis 27 Grad anzusiedeln. Die kurze Hitze
im Osten und Südosten ist damit nur ein kurzes Intermezzo.

In der Nacht zum Donnerstag schwenkt der westeuropäische, langgestreckte Trog,
in dem drei Vorticitymaxima (vor Svinöy, an der französisch-belgischen Grenze
sowie im Raum Toulouse) aneinandergereiht sind, vor allem in seinem Südteil
ostwärts. Dadurch wird ausgehend von den Alpen nordwärts ausgreifend bis zum
Main durch PVA Hebung erzeugt. Gewissermaßen wird dabei die einst stillgelegte
Luftmassengrenze wieder ein Stück weit reaktiviert und auch leicht nordwärts
geführt. Die PPW’s sind dabei nach wie vor recht hoch mit 30-35mm, die
Schichtung jedoch vergleichsweise stabil. So rückt abermals Starkregen in den
Fokus, dessen Dimensionen zumindest laut aktuellem ICON 12z Lauf im Allgäu auch
wieder bis in den warnwürdigen Bereich vorstoßen.

Im Norden und Nordwesten zeigen sich dagegen größere Wolkenlücken bei
Tiefstwerten zwischen 16 und 10 Grad.

Donnerstag … erreicht die Trogachse bis zum Abend den äußersten Westen des
Landes und im Bodendruckfeld sind nur schwache Luftdruckgegensätze auszumachen.
Kurzwellige Randtröge laufen dabei vor allem noch von Bayern nord-nordostwärts
Richtung Polen ab und sorgen im Grenzbereich zur schwül-heißen Luftmasse mit
Theta850 hPa Werten über 60 Grad über Österreich und dem Böhmischen Becken noch
immer zeit- und gebietsweise für Starkregenfälle, (teils einstündig, teils
mehrstündig) im Südosten. Hier wirken auch die Scherungsbedingungen mit
gegenläufigen Windprofilen (nördliche Winde am Boden und Süd in der Höhe) sowie
DLS teils >20 m/s förderlich, wenngleich es mit der Labilität nicht allzu weit
her ist.

Anders verhält es sich in der Westhälfte des Landes, wo im Tagesverlauf doch
recht flächig ML CAPE um 500 J/kg generiert wird, das bei nur wenig Scherung von
10-15 m/s zwischen 0 und 6 km in stark pulsierende Einzel und Multizellen
umgesetzt wird, die sich kaum verlagern. Da wird man natürlich sofort hellhörig,
was potentiellen Starkregen betrifft und die PPW’s sind (leider) mit 25 bis 30
mm ausreichend hoch, um lokale Unwetter aufgrund heftigen Starkregens nicht
auszuschließen.

Vor allem in Küstennähe zeigt sich bei Seewind auch mal längere Zeit die Sonne
bei maximal 20 bis 27 Grad.

Modellvergleich und -einschätzung

Die großräumigen synoptischen Strukturen werden von Modellen weitgehend
übereinstimmend simuliert. Gerade die morgige, potentielle Schwergewitterlage
bereitet aber einiges an Kopfzerbrechen. So ist die Überlappung der Zutaten
sicherlich nicht optimal und der Modelloutput der konvektionserlaubenden Modelle
überschaubar. Dennoch lassen gerade die hohen Scherungswerte gepaart mit den
sonstigen Luftmasseneigenschaften die Alarmglocken schrillen. Das höchste
Unwetterpotential besteht wohl aus heutiger Sicht ab dem späten Nachmittag vom
Allgäu und dem Alpenrand bis zum Vogtland (heftiger Starkregen, großer Hagel und
schwere Sturmböen) sowie im Norden (vor allem Starkregen und Tornadorisiko).

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Robert Hausen