SXEU31 DWAV 041800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 04.07.2021 um 18 UTC

Markante Wettererscheinungen:
Bis in die Nacht hinein von Niedersachsen bis nach Bayern noch lokale Unwetter
durch heftigen Starkregen. Am Montag auf den Norden und Nordosten beschränkt. Am
Dienstag im Osten heiß und von Westen gewittrige Regenfälle – erneut mit
Unwetterpotential.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 12 UTC

Aktuell … greift ein breit angelegter Trog vom Ostatlantik über die Britischen
Inseln bis nach Norditalien aus und schwenkt in den kommenden Stunden langsam
nordwärts. Die Frontalzone verläuft dabei an dessen Südrand vergleichsweise
südlich vom Westausgang des Englischen Kanals bis in den zentralen
Mittelmeerraum hinein.

Nachdem es heue Mittag schon überraschend früh zu teils schweren Gewittern mit
extrem heftigen Starkregen gekommen ist (Volltreffer sogar im unweit entfernten
Wetterpark Offenbach mit mehr als 40 Liter pro Quadratmeter binnen einer halben
Stunde!), ist nun eine deutliche Abschwächungstendenz in der Gewitterintensität
zu erkennen. Die Hauptaktivität ist dabei mehrheitlich an eine Tiefdruckrinne
gekoppelt, die sich mit rund 1008 hPa von Ostfriesland über Thüringen bis zum
Alpenrand erstreckt. Unwettergefahr geht dabei noch immer von heftigem
Starkregen aus, da sich die verclusterten Zellen nur langsam verlagern und die
PPW’s teilweise bis 35 mm reichen. Rückseitig der Rinne sollten die Schauer und
Gewitter in den kommenden Stunden immer mehr dem Tagesgang zum Opfer fallen,
zumal auch bodennah kaum noch Warmluftreste vorhanden sind und auch das MU CAPE
auf Werte nahe 0 absinkt. Eine derzeit noch gut definierte Konvergenz im Raum
Nantes erreicht uns wohl ebenfalls nicht mehr in der Stärke und es werden im
Westen maximal noch einige wenige markante Warnungen fällig. Zudem wird die
Linie durch stromab einsetzende Warmluftadvektion mit Annäherung eines Tiefs
über der Biskaya „zugeschüttet“. Lediglich innerhalb der Rinne bleiben noch
100-300 J/kg bis in die zweite Nachthälfte hinein übrig.
Im Bereich der Trogspitze ist über Bayern vor allem in der ersten Nachthälfte
gebietsweise auch ungewittriger, mehrstündiger Starkregen mit mehr als 20 l/qm
binnen weniger Stunden gut vorstellbar. Ansonsten werden diese getreu dem
Warnmanagement des Nachmittags großzügig mit Gewitterwarnungen „erschlagen“, da
die Verclusterung der Zellen doch stark pulsierend abläuft.

Östlich der Elbe bleibt es dagegen teils längere Zeit klar. Die Tiefstwerte
liegen je nach Bewölkung zwischen 17 und 10 Grad, womit klar ist, dass die
Tiefstwerte nach frischem Durchzug eines kräftigen Regengusses bereits nahezu
erreicht sind, wie in NRW und Südniedersachsen beispielsweise.

Montag … kommt die Achse des breit angelegten und zugleich langgestreckten
Troges, der sich von den Schottischen Highlands über die Deutsche Bucht bis nach
Masuren erstreckt, nur sehr zögerlich nordwärts voran. Offensichtlich wird er
zum Nachmittag sogar durch einen an der Südflanke hereinlaufenden Randtrog
regeneriert. Damit verbleibt letztlich der gesamte Norden und Nordosten
Deutschlands von Schleswig-Holstein bis nach Brandenburg im Bereich positiver
Vorticityadvektion. Zusätzlich stößt zum Abend hin auch noch der linke
Jetausgang in dieses Areal vor. Die dadurch gehobene Luftmasse weist ähnliche
Eigenschaften wie am Vortag im Südwesten auf, sprich: vergleichsweise
überschaubarer Lapse-Rates von rund -0.6K/100m und daraus resultierenden CAPE
Werte, die nur selten einmal 500 J/kg erreichen, PPW’s zwischen 30 und 35 mm und
kaum Scherung (um die 10, maximal 15 m/s zwischen 0 und 6 km). Bedeutet im
Endeffekt wieder stark pulsierende Einzel- und Multizellen, die bei niedriger
Auslöse von knapp über 20 Grad rasch zusammenwachsen. Dabei kann örtlich – aber
sicherlich nicht verbreitet – erneut hier und da das Unwetterkriterium durch
heftigen Starkregen mit mehr als 25 Liter pro Quadratmeter binnen einer Stunde
gerissen werden.
Bleibt noch die Frage, inwieweit sich die nächtlichen Regenreste (im Bereich der
Tiefdruckrinne) noch einstrahlungshemmend bemerkbar machen. Letztlich bleibt das
nur im Nowcasting zu klären. Aus jetziger Sicht spielt das aber nur eine
untergeordnete Rolle, da die Feuchtezunge nur noch sehr schmal und deren
Umwandlung von stratiformer in konvektiv geprägte Bewölkung dem Tagesgang zum
Opfer fallen sollte. Insofern erscheinen aufgrund der Luftmasse und Lage des
Troges auch „postrinntale“ Gewitter wahrscheinlich, auch wenn der Wind bereits
auf Südwest gedreht hat. Eine substantielle Abtrocknung der Luftmasse setzt mit
der Winddrehung nicht ein. PPW’s um die 30 mm bei überschaubaren
Zuggeschwindigkeiten lassen lokale Unwetter durch heftigem Starkregen potentiell
noch immer zu.

Im Südwesten und Westen ist die Scherung zwar deutlich höher, allerdings greift
dort weit im Vorfeld des Höhentiefs mit Zentrum noch westlich der Bretagne
Warmluftadvektion aus. Dies sind die Reste des nächtlichen Tiefs über der
Biskaya, das lediglich noch als Bodentrog angereicht mit Okklusionsresten den
Westen Deutschlands erreicht. Die WLA stützt einen flachen Rücken, der vor allem
in der oberen Troposphäre (z.B. 300 hPa) gut zu erkennen ist und sich im
Tagesverlauf in den Westen schiebt. Dementsprechend sorgt die Stabilisierung
allenfalls für schauerartige Regenfälle. Die eingelagerten Gewittersymbole der
Wetterinterpretation des ICON-D2 sind wohl wie so oft bei skalig geprägten
Niederschlägen eher übertrieben.

Unter dem Strich muss man festhalten, dass gerade der Einfluss der beteiligten
skaligen Niederschlagsvorgänge sowie das Timing nicht ideal für eine verbreitete
Unwetterlage sind und die heftigsten Entwicklungen auch bei Durchschau externer
Lokalmodelle und der probabilistischen Verfahren eher in Nordpolen und in
Dänemark zu verorten sind.

Im Süden sorgt schwacher Hochdruckeinfluss am Boden (Hochparzelle mit rund 1015
hPa über dem Alpenraum) und die Annäherung des Rückens für meist trockenes
Wetter mit längeren sonnigen Abschnitten. Die Höchstwerte liegen allgemein
zwischen 20 und 26 Grad.

In der Nacht zum Dienstag stößt das Höhentief nordostwärts nach England vor und
das korrespondierende – doch recht stattliche – Sturmtief am Boden mit Kerndruck
etwas unter 990 hPa erreicht ebenfalls die Themse und ist schon nahezu
achsensenkrecht, weshalb es sich nicht großartig noch vertiefen sollte.
Zumindest zeitweise hat man bei Durchsicht der pseudopotentiellen
Temperaturfelder, als auch bei den Höhenwinden den Eindruck, dass sich durchaus
Shapiro-Keyser ähnliche Merkmale in Ansätzen finden lassen wie eine abgesetzte
Kaltfront, warmer Kern und Sting Jet an der Südflanke – letztlich jedoch
akademische Details, die für unser Wettergeschehen so gut wie keine Rolle
spielen, da noch zu weit weg.

Nach Abebben der Schaueraktivität ist im Nordwesten ein Streifschuss der
Warmfront zu verzeichnen, die nordwärts durchschwenkt, aber allenfalls ein paar
Tropfen bringt. Die Kaltfront steht mit schauerartigen und teils auch
gewittrigen Regenfällen in den Frühstunden im äußersten Westen ante portas.
Sonst verläuft die Nacht unter der südwestlichen, antizyklonale Höhenströmung
vergleichsweise ruhig und bei Aufklaren kann sich vor allem in den Gebieten, wo
es tagsüber geregnet hat bzw. in Gewässernähe, örtlich flacher Nebel bilden. Die
Tiefstwerte liegen bei 15 bis 10 Grad, unter den Wolken im Nordwesten und Westen
bei milden 18 bis 15 Grad.

Dienstag … rückt der Trog noch etwas dichter an Deutschland heran, indem er
die Doggerbank erreicht. Am Boden zeichnet sich nach den neuesten Läufen ein
meridional orientierter, dipolartiger Charakter des Tiefzentrums ab, wobei vor
allem an der Südflanke des südlichen Drehzentrums eine ordentliche
Gradientverschärfung über der südwestlichen Nordsee einsetzt mit verbreiteten
Sturmböen. Ganz so schlimm kommt es bei uns aufgrund der Entfernung nicht, aber
immerhin sind im Tagesverlauf auch in prädestinierten Leelagen (Nordränder) der
westlichen Mittelgebirge zeitweise Windböen (Bft 7) aus Süd bis Südwest zu
erwarten.

Deutlich interessanter ist natürlich die Niederschlagsentwicklung. Die
Windrichtung deutet bereits an, dass die Kaltfront kaum große Schubkomponente
besitzt und sich leicht schleifend von Westen zu uns „hereinarbeitet“. Bis zum
Abend erreicht sie immerhin eine Linie Lübecker Bucht-Rhön-Schwarzwald. Die
überlagerte südwestliche Höhenströmung wird zunehmend zyklonaler und somit
hebungsintensiver, auch durch kurzwellige Troganteile, die von Südwest nach
Nordost ablaufen und bei entsprechend hoher Isohypsen- und Vorticityauflösung
auch ansatzweise zu erkennen sind.

Im Prinzip werden also beste Voraussetzungen für die nächste potentielle
Schwergewitterlage geschaffen: Zyklonale Höhenströmung, präfrontales Einströmen
sehr warmer bis heißer und potenziell instabiler Luftmassen mediterranen
Ursprungs insbesondere in den Süden und Osten des Landes (T850 15 bis 18°C, im
Südosten Bayerns mit föhniger Unterstützung sogar um 20°C), Übergreifen der nach
Süden zurückhängenden Kaltfront nebst Bildung eines klassischen „Gewittersacks“
mit möglicher Ausbildung einer vorgelagerten Konvergenz – zusätzlich garniert
mit einer exorbitanten Scherung auf z.T. über 30 m/s DLS und bis zu 15 m/s LLS!

Und dennoch sind die Signale aus der Deterministik bis dato überschaubar und
beschränken sich – wenn überhaupt – auf gebietsweisen Starkregen im
Schleifbereich der Front mit lokal mehr als 20 l/qm binnen 6 Stunden.
Präfrontale Entwicklungen werden kaum gezeigt. Das hat vermutlich folgende
Gründe:

Die Höhenströmung ist kaum diffluent und die Front liegt ungünstig über dem
rechten Jetausgang.

Die Luftmasse ist im Frontbereich gerade mal so feucht-labil geschichtet. CAPE
wird auch durch die mehrschichtige Bewölkung kaum generiert und die
Prognosetemps schauen recht „skinny“ aus.

Im präfrontalen Bereich ist zwar etwas mehr CAPE bis an die 1000 J/kg im Süden
vorhanden, allerdings ist die Luftmasse durch die föhnige Überströmung der Alpen
ordentlich gedeckelt bei teils dreistelligen CIN-Werten.

Auch wenn aktuell noch nicht alle konvektionserlaubenden Modelle für den
Zieltermin vorliegen, so liegt die Hauptgefahr wohl am ehesten im frontal
eingelagerten, teils mehrstündigem Starkregen und bei dieser High Shear Low CAPE
Lage kann man auch eingelagerte, teils schwer zu identifizierende Tornados nicht
ausschließen. Das HKN ist jedenfalls ausreichend niedrig mit 800 m oder
darunter.

Präfrontal könnte es gerade zum Abend hin einzelne Überentwicklungen wie
abgesetzte Squall Lines infolge von Outflow Boundarys oder auch die ein oder
andere Superzelle in Süddeutschland geben (am Abend eventuell mit Durchgang
einer Druckwelle). Das Temperaturgefälle ist jedenfalls ordentlich mit bis zu 33
Grad bei Sonne satt in der Lausitz und Niederbayern und vergleichsweise kühlen
20 Grad in der Eifel. Die große überörtliche Unwetterlage droht aus heutiger
Sicht aber wohl nicht.

In der Nacht zum Mittwoch läuft ein ostatlantischer Randtrog südostwärts
Richtung Iberischer Halbinsel ab und dellt den westeuropäischen Trog effektiv
nach Süden aus. Dadurch steilt die Strömung über Deutschland noch etwas auf.
Dennoch kommt die zur Wellenbildung neigende Kaltfront im Endeffekt weiter
südostwärts voran, was primär der thermische induzierten Querzirkulation
geschuldet ist. Zwischen einem sich aufbauenden Hochkeil, der sich von
Frankreich bis nach Norddeutschland ausweitet und dem Hitzetief über dem
Böhmischen Becken überlaufen kühle Nordwestwinde bodennah nicht nur die Front,
sondern auch weite präfrontale Bereiche. Ein bisschen was an MU CAPE ist
vielleicht noch da, aber der Hauptantrieb für die schauerartig verstärkten
Niederschläge wird nun vielmehr durch die Gegenstromlage induziert. Der 12z ICON
Lauf haut hier ordentlich auf den Putz mit teils mehr als 50 l/qm binnen 6
Stunden in einem Streifen grob zwischen Berlin-Leipzig und Nürnberg.
Interessanterweise sehen da auch IFS und GFS das Maximum, allerdings mit
Größenordnungen von etwa der Hälfte der Niederschlagssummen und damit nur
marginal warnrelevant. ICON-EU EPS simuliert gerade mal 10-20% im beschriebenen
Korridor für mehr als 25 l/qm binnen 12h, dafür aber immerhin Richtung
Schwarzwald bis zu 50%. Da ist also was im Busche, die Details sind aber noch
unsicher.

Östlich davon kann es selbst nachts immer nochmal neu auslösen, wenn auch mit
geringer Wahrscheinlichkeit bei teils tropischen 20 bis 17 Grad. Im Westen und
Nordwesten kühlt es bei teils klarem Himmel dagegen auf 14 bis 9 Grad ab.

Mittwoch … schwenkt die Südachse des Troges nur unwesentlich weiter ostwärts
zu den Pyrenäen, womit sich an der strammen, süd-südwestlichen Strömung über
Mitteleuropa nichts ändert, nur, dass sie immer mehr indifferent bzw. sogar
leicht antizyklonal konturiert ist.
Reste des nächtlichen Starkregens toben sich voraussichtlich noch in
Ostdeutschland bis zum Mittag aus und lassen dann mit Annäherung der schmalen
Hochdruckbrücke, die sich schlauartig von den Alpen bis zur südlichen Ostsee
erstreckt, nach. Dabei weicht auch der thermische Gradient im Frontbereich immer
mehr auf.

Im übrigen Gebiet gibt es einen freundlichen Mix aus Sonne und Wolken, wobei
aufgrund der Nähe zum Trog der Nordwesten und Nordwesten im Tagesverlauf am
prädestiniertesten erscheint, um lokal einzelne Schauer bei
Wolkenoberkantentemperaturen um die -5 Grad auszulösen. Oberhalb davon schließt
sich bei etwa 650 hPa eine Absinkinversion an, die stärkere Konvektion
unterbindet. Ob im Tagesverlauf ein flacher Randtrog zu den Westalpen schwenkt
und von der Schweiz neue schauerartige Regenfälle auf den Südwesten übergreifen
ist noch unsicher. Nach Durchsicht externer Modelle verdichten sich die Hinweise
hierfür aber – wenngleich wohl vorerst ohne Warnrelevanz.
In der nun überall wieder eingeflossenen erwärmten Atlantikluft mit T850
zwischen 9 und 12 Grad sind die Höchstwerte im sommerlich angenehmen Bereich bei
22 bis 28 Grad anzusiedeln.

Modellvergleich und -einschätzung

Von den konvektiven Niederschlagsschwerpunkten abgesehen sind sich die gängigen
Modelle in ihren Basisfeldern weitgehend einig. Diskrepanzen wurden – falls
lohnenswert – bereits im Text angesprochen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Robert Hausen