SXEU31 DWAV 211800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 21.06.2021 um 18 UTC

Markante Wettererscheinungen:
In der Nacht zum Dienstag und Dienstag tagsüber vornehmlich über dem Süden teils
schwere Gewitter. Auch an den Folgetagen dort weiterhin gewittrig, aber
abnehmende Unwettergefahr. Sonst ruhiges Wetter.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 12 UTC

Aktuell … bleibt Deutschland vorderseitig eines Troges, der sein Drehzentrum
von der Biskaya nach Frankreich verlagert, in einer flatternden südwestlichen
Höhenströmung. Ein eingelagerter, zugegeben schwer zu analysierender
Kurzwellentrog sorgt dabei für eine zunehmend zyklonale Färbung. Ein zu den
Britischen Inseln ausgreifender Rücken stützt einen Hochkeil, von dem ein sich
verstärkender Ableger bis nach Norddeutschland reicht. Derweil bildet sich im
Süden eine flache Tiefdruckrinne mit konvergentem Windfeld aus. Im Norden und
Nordwesten ist bereits stabilere, merklich kühlere Meeresluft eingeflossen (T850
6 bis 10 Grad), die mit nördlicher bis nordwestlicher über der Norddeutschen
Tiefebene langsam weiter nach Südosten vorankommt. Ansonsten bleibt noch
subtropische (T850 11 bis 14 Grad), sehr feuchte und leicht instabil
geschichtete Luft wetterbestimmend.

Über der Nordhälfte verläuft die Nacht unter dem zunehmenden Einfluss des Keiles
ereignisarm, meistens niederschlagsfrei, aber überwiegend bewölkt. Auch der
Regen an der Nordsee lässt nach.
Alles andere als ruhig gestaltet sich die Nacht dagegen im Süden und teils auch
in der Mitte. Durch den synoptisch-skaligen Hebungsantrieb wurden bereits über
Ostfrankreich und der Schweiz verbreitet Gewitter ausgelöst, die vom Südwesten
Baden-Württembergs und bayerisch Schwaben nord- und ostwärts bis in den
mittleren Landesteilen und den östlichen Mittelgebirgsraum ausgreifen. Da die
hochreichende Scherung im Vorfeld leicht zunimmt (10-15 m/s) und immerhin noch
rund 200 bis 700 J/kg MU-CAPE zur Verfügung stehen, können sich die (kräftigen)
Gewitter wohl zügig organisieren. Vor allem zu Beginn über dem Süden
Baden-Württembergs und bayerisch Schwaben sind durchaus starke
Einzelentwicklungen/Superzellen denkbar, die im Verlauf zu einem linearen MCS
zusammenwachsen. Dabei ist mit größerem Hagel, heftigem Starkregen und
(schweren) Sturmböen zu rechnen. Die Signale für Böen Bft 11 sind seitens der
deterministischen und probabilistischen Modelle zwar kaum nennenswert,
ausgeschlossen sind sie aber nicht. Weiter nach Nordosten zu sollte das System
zunehmend „elevated“ sein und an Struktur verlieren, sodass die Unwettergefahr
zumindest bzgl. Hagel und Böen eher zurückgeht. Dafür könnten die von teils
gewittrigen, teils auch ungewittrigen Starkregen betroffenen Gebiete an Fläche
gewinnen. Auf eine Ausweitung der Vorabinfo wurde zunächst verzichtet, wird in
der Spätkonferenz um 18:30 MESZ aber zur Diskussion gestellt.

Im Südosten und Osten wird es nochmal eine milde Nacht mit Tiefstwerten von
teils 18 bis 15 Grad, ansonsten kühlt es ab auf 15 bis 9 Grad.

Dienstag … ändert sich am großräumigen Muster wenig. Deutschland verbleibt
vorderseitig des Langwellentroges mit Drehzentrum über Nordfrankreich in einer
südwestlichen Höhenströmung. Diese ist zumindest im Südosten noch recht gut
ausgeprägt, ansonsten verliert zu zunehmend an „Dampf“. Im Bodenfeld dominiert
über der Nordhälfte weiterhin der sich noch etwas verstärkende und nach Osten
ausweitende Hochkeil. Er stützt die zuvor schon eingeleiteten Stabilisierungs-
und Abtrocknungsprozesse. Bei T850 zwischen 6 und 11 Grad stellt sich teils
wolkiges, nach Nordosten hin auch heiteres und meist trockenes Wetter. Dabei
werden zwischen Rheinland und SH nur mit Mühe 20 Grad erreicht, meist verbleiben
die Höchstwerte darunter.

Im großen Rest des Landes sieht die Sache etwas anders aus. Bei geringen
Luftdruckgegensätzen lagert weiterhin feuchtwarme (T850 11 bis 17 Grad) und
instabile Luft. Dabei treten schon am Morgen und am Vormittag quer über der
Mitte (grob vom Rheinland bis zur Oder) teils gewittrige, teils ungewittrige
Regenfälle als sterbliche Überreste der Gewitter aus der Nacht auf. Insbesondere
im Osten (zwischen Ostsachsen und Niederlausitz) deuten einige Modelle im Zuge
des alternden von Tschechien her nordwärts geführten MCS etwas kräftigeren Regen
mit eingelagerten Gewittern an (ICON, EURO4, SUPER-HD). Dabei ist Starkregen
durchaus wahrscheinlich, Unwetter zumindest nicht ganz ausgeschlossen
(ICON-D2-EPS). Ansonsten tritt Starkregen wohl nur punktuell auf.
Im Laufe des Tages kommen von Südwesten her neue Gewitter auf, sei es angefacht
durch weitere, diffuse kurzwellige Troganteile oder Konvergenzen im
rinnenartigen Druckfeld. Sie weiten sich nord- und ostwärts auf die Gebiete etwa
südlich einer Linie Eifel-Rhön-Oberfranken aus. Der Konvektion steht sowohl eine
durchaus energetische Luftmasse (ML-CAPE 500-1000, im Südosten bis nahe 1500
J/kg) als auch veritable hochreichende Scherung (10-15, im Südosten bis 20 m/s)
zur Verfügung. Erneut dürften gerade zu Beginn im Südwesten isolierte
Superzellen auftreten, bevor sich die Gewitterherde auf ihrem Weg nach Norden
und Osten zu einer oder mehreren Gewitterlinien zusammenschließen. Anfangs
besteht dabei die Unwettergefahr speziell durch großen Hagel, später dann durch
schwere Sturmböen oder orkanartige Böen (besonders im Bereich von
Bogensegmenten). Heftiger Starkregen muss bei PPWs von 30 bis 35 mm generell ins
Kalkül gezogen werden.

Die große Hitze ist erstmal vorbei, mit 21 bis 28 Grad, in Oberbayern punktuell
29 Grad bleibt es aber schwülwarm.

In der Nacht zum Mittwoch ändert sich im Norden nichts (außer, dass es dunkel
wird), es bleibt wolkig aber trocken. Wenn es doch mal stärker aufreißt, ist das
ein oder andere Nebelfeld denkbar.
In der Mitte und im Süden bleibt es unbeständig, wobei weitere Schauer und
Gewitter auftreten. Bei abnehmender Unwettergefahr rückt Starkregen (evtl. auch
mehrstündig) weit nach oben auf der Liste abzuwarnender Parameter. Die
Niederschlagsschwerpunkte werden allerdings noch sehr unterschiedlich simuliert.

Die Tiefsttemperaturen ändert sich im Vergleich zu Vornacht kaum.

Mittwoch … rückt die Achse des Höhentroges etwas nach Osten voran, wodurch der
Vorhersageraum stärker in den „Innenraum“ des Troges gelangt. Die südwestliche
Höhenströmung – ohnehin nicht besonders flüssig unterwegs – wird noch schwächer,
so dass aus Advektion resultierende Hebungsantriebe nicht zu erwarten sind. Im
Bodenniveau zeigt sich weiterhin ein Hochkeil mit Divergenzachse über der
Norddeutschen Tiefebene und sehr geringen Luftdruckgegensätzen im Süden.
Die stabilere Meeresluft kommt etwa bis zum zentralen Mittelgebirgsraum voran.
Nördlich davon ist am Tage niederschlagsfreies Wetter zu erwarten, wobei sich
unterhalb der Absinkinversion bei etwa 850 hPa zahlreiche, breitlaufende
Quellwolken bilden.
Weiter südlich lungert weiterhin feuchte und instabile Luft, wobei sie im
Vergleich zum Vortag schon etwas „ausgelutscht“ daherkommt. Wenn sich die
Gewitterreste aus der Nacht heraus aufgelöst haben und es zumindest zeitweise
etwas „einstrahlt“, können aber immerhin nochmal bis rund 500 J/kg ML-CAPE
aufgebaut werden. In der hochreichend gut gescherten Umgebung ganz im Süden und
Südosten können sich nochmal organisierte Gewitter bis hin zu Superzellen
entwickeln. Die sind zwar bei weitem nicht mehr vom dem Kaliber wie an den
Vortagen, können aber nochmal größeren Hagel schwere Sturmböen produzieren.
Ansonsten stehen eher pulsierende Einzel- und Multizellen auf der Agenda, die
bei PPWs von 25 bis 35 mm zumindest lokal heftigen Starkregen bringen. Gesehen
auf die Fläche sollte die Unwettergefahr aber geringer ausfallen als am
Dienstag.

Das Temperaturspektrum reicht von kaum 20 Grad an der Nordsee bis 28 Grad in
Niederbayern.

In der Nacht zum Donnerstag klingt die Gewittertätigkeit im Süden kaum oder nur
zögerlich ab. Weiterhin dürfte Starkregen (mit aber abnehmender Unwettergefahr)
auf dem Plan stehen. Im übrigen Land ist es unterschiedlich bewölkt und
überwiegend trocken. Hier und da bildet sich wieder Nebel.
Die Tiefstwerte liegen je nach Bewölkung zwischen 15 und 9 Grad.

Donnerstag … bringt wenig Neues. So setzt sich die wettertechnische
Zweiteilung fort: Während der Norden und die Mitte vom Einfluss des etwas
schwächelnden Keils und stabiler Luftmassen profitiert (wolkig, aber trocken),
hält sich im Süden die feucht-labile, wenig gedeckelte Luft wacker, sodass
erneut mit zahlreichen Schauern und Gewittern gerechnet werden muss. Wie genau
die Zutaten für die Konvektion aussehen ist noch unsicher, im „first guess“
steht bei sich wohl kaum verändernden Werten des niederschlagbaren Wassers und
eher sogar immer langsamerer Zellverlagerung der (heftige) Starkregen im Fokus.
Ob die Scherung im Südosten noch ausreicht, um auch etwas „Organisiertes“
hervorzubringen, muss abgewartet werden.

Die thermischen Eigenschaften der Luftmassen ändern sich kaum (leichtes
Südost-Nordwest-Gefälle bei 20 bis 27 Grad).

Modellvergleich und -einschätzung

Die Modelle ähneln sich bezüglich der großräumigen Strukturen sehr.
Prognoserelevante Unterschiede lassen sich nicht ausmachen.

Die potenzielle Ausdehnung der Vorabinformation wird heute Abend nochmal
diskutiert, drängt sich nach aktuellem Stand aber nicht auf.
Alles andere ist „Nowcast“.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Adrian Leyser