S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 15.06.2021 um 10.30 UTC

Schwerste Gewitterlage dieses Sommers bisher. Dazu heiß bis sehr heiß. Erst ab
Dienstag Wetterberuhigung und Abkühlung.

Synoptische Entwicklung bis zum Dienstag, den 22.06.2021

Am Freitag liegt Deutschland unter der Vorderseite eines Troges, der sich aus
dem Raum Island über die äußere Biskaya hinweg bis nach Portugal erstreckt.
Dieser Trog wird von einem blockierenden Hoch mit Schwerpunkt über den
baltischen Staaten flankiert, das eine Verbindung zu einem über Tunesien
liegenden Keil aufweist. Die Folge ist über Mitteleuropa eine süd-südwestliche
Strömung, mit welcher Subtropikluft aus dem westlichen Mittelmeerraum
herangeführt wird. Diese Luftmasse ist hochgradig labil geschichtet, zudem läuft
ein Kurzwellentrog nach Norden ab, der die erforderliche Hebung liefert, so dass
sich zunächst im Westen und Südwesten und später auf die Mitte übergreifend
Gewitter bis hin zum Unwetter entwickeln. Unwettergefahr droht nicht nur durch
heftigen (teils auch extremen) Starkregen wie bei der Lage zu Monatsbeginn,
sondern vermehrt auch durch größeren Hagel und (schwere) Sturmböen. Druckfall,
ausgelöst sowohl durch den nach Norden ablaufenden Kurzwellentrog als auch durch
die bisherige Aufheizung, lässt ein flaches und ausgedehntes Bodentief mit
bodennahen Konvergenzen entstehen. Etwas ausgenommen von dieser Entwicklung ist
aufgrund der Nähe zum Hoch und der dort noch vorhandenen trockeneren Luft der
Nordosten Deutschlands. In der Nacht zum Samstag konzentriert sich das
Gewittergeschehen mit dem etwas nach Osten ausgreifenden Trog dann eher auf die
östlichen und südlichen Landesteile, wobei bis weit in die Nacht hinein noch
Unwetter vorstellbar sind.
Am Samstag greift von Nordwesten her ein schwacher Bodenhochkeil auf Deutschland
über, der von einer flachen antizyklonalen Aufwölbung der süd-südwestlichen
Strömung gestützt wird. Dies würde, abgesehen vielleicht vom Südosten, eine
vorübergehende Entspannung der Gewitterlage mit sich bringen, wobei die
Wetterberuhigung auch in der Nacht zum Sonntag noch andauert.
Am Sonntag wird der über der Iberischen Halbinsel liegende Trog durch einen vom
mittleren Nordatlantik hereinstoßenden markanten Trog regeneriert, so dass der
südliche Teil des über der Iberischen Halbinsel liegenden Troges nunmehr mit
seiner „Spitze“ zu den Balearen schwenkt. Dies lässt die zunächst noch leicht
antizyklonal geprägte Strömung nahezu auf Süd rückdrehen, was im Südwesten und
Süden Deutschlands einen Temperaturanstieg auf über 35 Grad mit sich bringt.
Einzelne heftige Gewitter, die rasch Unwettercharakter annehmen, entwickeln sich
dann vor allem über dem südwest- und süddeutschen Bergland. In der Nacht zum
Montag schwenkt die „Trogspitze“ zu den Westalpen, vorderseitiger Druckfall
lässt eine flache Tiefdruckrinne entstehen, die auf den Westen und Südwesten
Deutschlands übergreift. Erste Gewitter, wahrscheinlich bereits Unwetter,
entwickeln sich bereits in der Nacht zum Montag im Bereich dieser Rinne und
leitet den Höhepunkt dieser Schwergewitterlage ein. Mit dem Schwenken des
Kurzwellentroges über die Alpen hinweg dürfte sich die Tiefdruckrinne verstärken
und dabei auch die nördlichen und östlichen Landesteile erfassen, so dass sich
hauptsächlich in diesen Gebieten dann Gewitter mit Unwettercharakter (vor allem
durch größeren Hagel und (schwere) Sturmböen) entwickeln. Aufgrund der
ausgeprägten Scherung zeichnet sich ein hoher Organisationsgrad der Gewitter bis
hin zu frontalen Strukturen ab. Der Westen und Südwesten könnte dann in den
Trogbereich und an der Rückseite dieser Tiefdruckrinne in den Zustrom einer eher
gemäßigteren Luftmasse gelangen, wobei sich diese im Vergleich zu den Vortagen
deutlich kühlere Luft in der Nacht zum Dienstag dann auch in den östlichen
Landesteilen durchsetzt.
Der Dienstag verspricht dann in Bezug auf die Schwergewitterlage Entspannung.
Allerdings wird durch den über Deutschland hinweg nordostwärts schwenkenden
Höhentrog ein markanter Bodentrog induziert, bereits in der Nacht zum Dienstag
würde dieser zunächst im Westen und am Dienstag dann auf den Nordwesten und
Norden übergreifend zu einer Gradientzunahme mit Sturmböen bis in tiefe Lagen
führen. Im Südwesten und nachfolgend auch im Westen setzt sich rasch
Hochdruckeinfluss durch.
Im erweiterten mittelfristigen Vorhersagezeitraum schwenkt der Trog von
Deutschland weiter nordostwärts nach Südskandinavien. Stromaufwärts kommt über
dem mittleren Nordatlantik erneut ein Trog zustande. Dazwischen, d.h. über West-
und Mitteleuropa, stellt sich eine westliche Strömung ein, wodurch mäßig warme
Luft herangeführt wird. Eine leicht labile Luftmasse hält sich noch ganz im
Süden, für Unwetter sollte es aber auch dort nicht mehr reichen. Bereits am
Donnerstag setzt wieder eine Erwärmung ein, dabei werden in der erneut labiler
werdenden Luftmasse durch einen über die Alpen hinweg nach Nordosten
übergreifenden Kurzwellentrog erneut Gewitter ausgelöst, die sich hauptsächlich
über dem süddeutschen Bergland entwickeln.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Bis einschließlich Samstag ist der aktuelle Modelllauf im Vergleich zu den
beiden gestrigen Simulationen weitgehend konsistent. Prognoserelevante
Unterschiede lassen sich bis dahin nicht ableiten. Am Sonntag ließ der gestrige
00 UTC-Lauf den über Westeuropa liegenden Trog weiter in Richtung Mitteleuropa
ausgreifen. Einer gewissen Entspannung, wie oben beschrieben, würde dies
entgegenstehen. Demzufolge kann nach dem aktuellsten Modelllauf und auch nach
dem gestrigen Mittagslauf die 20 Grad-Isotherme im 850 hPa-niveau wesentlich
weiter nach Norden vorstoßen als dies anhand des gestrigen 00 UTC-Laufes zu
sehen war.
Der am Dienstag über Deutschland hinweg nordostwärts ablaufende Kurzwellentrog
wie auch der markante Bodentrog (mit der Gradientzunahme und Böen bis
Sturmstärke) war bei den beiden Modellrechnungen des Vortages noch nicht zu
sehen.
Im erweiterten mittelfristigen Vorhersagezeitraum wären nach den gestrigen
Simulationen eine erneute Trogvorderseite mit einer südwestlichen Strömung zu
erwarten. Dies würde ein rasches Wideraufleben der Schwergewitter bedeuten. Nach
dem aktuellsten Modelllauf, der Ansätze einer Zonalisierung bringt, wäre
zumindest vorübergehend eine Entspannung vorstellbar.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Bis einschließlich Freitag stützen die verfügbaren Modelle weitgehend die oben
beschriebene Entwicklung, wenngleich nach GFS auf den Südwesten und den
äußersten Westen erneut eine flache Tiefdruckrinne mit einsetzender
Gewittertätigkeit übergreifen könnte. Das Modell des kanadischen Wetterdienstes
belässt diese Struktur noch über Frankreich.
Ab Sonntag lässt sich dann keine Regionalisierung in Bezug auf die Lage
gewitterträchtiger flacher Tiefdruckrinnen vornehmen. Nach allen Modellen
erstreckt sich vom Tyrrhenischen Meer ausgehend ein Keil bis nach Westpolen,
wobei die Süd-Südwestströmung über Deutschland durch Kurzwellentröge mehr (ICON)
oder weniger (EZMW) zyklonal geprägt ist. Die beiden amerikanischen Modelle
versuchen einen Mittelweg zu finden. Der Vorstoß von Subtropikluft mit
Temperaturen im 850 hPa-Niveau über 20 Grad, den EZMW für Montag zeigt, streift
nach dem kanadischen Modell nur den Osten Deutschlands und GFS beschränkt diesen
auf den äußersten Südosten. Nach ICON setzt sich im weitaus größten Teil
Deutschlands bereits eine gemäßigtere Luftmasse durch.
Bis Dienstag erfasst diese Luftmasse nach allen Modellen den weitaus größten
Teil Deutschlands. Wie EZMW bringt, wenngleich in etwas abgeschwächter Form,
auch GFS eine heftige Zyklogenese und folglich im Norden eine
Gradientverschärfung mit Böen bis Sturmstärke bis in tiefe Lagen zustande. ICON
und auch das Modell des kanadischen Wetterdienstes zeigen diese Struktur nicht.
Im erweiterten mittelfristigen Vorhersagezeitraum wäre in der Nacht zum Mittwoch
nach dem kanadischen Modell und am Donnerstag nach GFS erneut die Passage eines
markanten Troges zu erwarten. Beide Modelle zeigen eine relativ straffe
südwestliche Strömung. Diese kommt in schwächerer Ausprägung nach EZMW erst am
Donnerstag zustande, was das erneute Aufleben der Gewittertätigkeit von
Südwesten her erklären würde.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Das EPS des GFS stützt weitgehend die Version des hauseigenen deterministischen
Modells, deutet aber im erweiterten mittelfristigen Vorhersagezeitraum einen
Temperaturrückgang an, der beim Hauptlauf bei Weitem nicht so ausgeprägt ist. Ab
Sonntag divergieren die Einzellösungen stark; bis dahin erhöht sich der Spread
gleichmäßig. Bemerkenswert sind am Wochenende Starkniederschlagssignale, die,
wenn auch von Einzelmembern gezeigt, bis etwa 50 mm innerhalb von 6 Stunden
reichen.
Das EPS des EZMW wird bis H+168 in zwei annähernd gleichbesetzte Cluster
unterteilt, die sich nur in Form einer mehr oder weniger zyklonalen
Südwestströmung unterscheiden. Danach werden die Lösungen in einem Cluster
zusammengefasst, das eine antizyklonale Westlage abbildet. Eine erneute
Ausprägung einer Südwestströmung wäre demnach wenig wahrscheinlich. Wie beim EPS
des GFS divergieren auch beim EPS des EZMW ab Sonntag die Einzellösungen stark,
was als Hinweis für eine eher unsichere Entwicklung zu sehen ist.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

An einer ausgewachsenen Schwergewitterlage führt kein Weg mehr vorbei. Der EFI
signalisiert selbst bis zum 6. Folgetag noch sehr ausgeprägte Signale für hohe
Werte für CAPE und Scherung, wie man sie selten über Mitteleuropa sieht. Dies
ist als Signal für Superzellen zu sehen, die aufgrund der hohen Scherung auch
größeren Hagel zustande bringen können. Durchweg und modellübergreifend werden
CAPE-Werte bis weit über 2000 J/kg und ein Gehalt an niederschlagbarem Wasser
bis über 40 mm gezeigt.

Basis für Mittelfristvorhersage
EPS(EZMW)

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Thomas Schumann