S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Montag, den 14.06.2021 um 10.30 UTC

Zunächst heiß, von Westen her allmählich zunehmende Gewitterneigung und leichte
Abkühlung in der nächsten Woche. Osthälfte Gefahr andauernder Trockenheit.

Synoptische Entwicklung bis zum Montag, den 21.06.2021

Die großräumigen Strömungsverhältnisse im atlantisch-europäischen Raum sind im
gesamten Zeitraum geprägt von einem weit nach Süden austrogenden Langwellentrog
über dem Ostatlantik, generiert stromauf durch einen sich leicht
amplifizierenden Höhenrücken über dem mittleren Atlantik (entspricht anfangs dem
leicht positiven NAO-Index) einerseits und einem immer stärker amplifizierenden
Höhenrücken über Nord- und Nordosteuropa. Damit stellt sich bis Ende der Woche
die zonale Wellenzahl k= 4…5 zirkumpolar über den mittleren Breiten ein. Diese
relativ niedrige Wellenzahl ist geprägt durch starke meridionale Amplituden
(etwa von 35 bis 75 Grad Nord in unserem Bereich z.B.). Dieser Umstand ruft
gleich mehrere Signale auf den Plan: einerseits haben wir es aufgrund der großen
Wellenlängen mit teils stehenden Wellen, also nur schwacher Progressivität
gerade im atlantisch-europäischen Raum zu tun.

Rossby-Wellen sind so genannte dispersive Wellen, d.h. deren
Phasengeschwindigkeit hängt von der Wellenlänge ab. Die Phasengeschwindigkeit
nimmt demnach mit zunehmender Wellenlänge ab. Dieser Umstand wird auch dadurch
gestützt, dass bei planetaren Rossby-Wellen mit großer Amplitude die planetare
Vorticityadvektion nicht mehr zu vernachlässigen ist. Und diese sorgt für eine
westliche Advektionskomponente und kann die trogvorderseitigen Advektionen
teilweise oder gar vollständig kompensieren (stehende Welle), zuweilen auch
überkompensieren (retrograde Wellen).

Da die Amplitude des Höhenrückens über Nord- und Nordosteuropa am Wochenende
laut einiger IFS- und GFS-Cluster noch zunehmen soll (teils bis über 80 Grad
Nord reichend), soll sowohl der NAO-Index, als auch der AO-Index leicht negativ
werden.

Etwas gegen diese Prognose spricht die über dem Atlantik angeregte lokale
Rossby-Welle (Höhenrücken mittlerer Atlantik, nachrückende Tröge von NO-Kanada).
In Bezug auf die Progressivität wird erneut die Wellenlänge (Amplifizierung)
dieser Entwicklung mitentscheidend sein. Also, etwas zonaler Impulsfluss ist
durchaus vorhanden, wenn auch weit draußen auf dem Atlantik (siehe dazu auch
Anmerkungen in der Übersicht vom 13.06.21).

Eine letzte theoretische Betrachtung sind die meridionalen Wellenflüsse, die
beim Fehlen externer starker Wärmequellen auch das Ergebnis von
Trog-Rückenstrukturen (eddy-driven) darstellen und das wave breaking
(antizyklonal oder zyklonal) in meridionaler Richtung noch verstärken können.

So, nun aber noch etwas zum „geplanten“ Wetterablauf für die Mittelfrist,
einschließlich Ausblick, auch teils in Anlehnung der gestrigen Übersicht:

Im Verlauf des Donnerstags und besonders in der Nacht zum Freitag nimmt zunächst
im Westen und Südwesten die Gefahr von Gewittern zu. Geschuldet ist dieser
Umstand einer Tiefdruckrinne, die sich von Benelux langsam hereinschiebt,
gestützt u.a. auch durch vorderseitige Hebung an einer Frontalwelle (Aktivierung
durch einen Kurzwellentrog in der Höhe) über Frankreich. Die Parameter sehen
gut aus mit ausreichender Labilität (teils bis über 1000 J/kg MLCAPE) und
geringer bis mäßiger hochreichender Windscherung (10 bis 30 kn), sodass ein
gewisses Unwetterpotenzial bestehen sollte (Starkregen/Hagel). Da die
Antizyklone über dem Baltikum jedoch tendenziell immer westlicher ansetzt,
könnte deren
trockene Ostströmung den Schwerpunkt zumindest tagsüber eher in
Frankreich/Benelux
belassen, sodass erst in der Nacht die dort vorherrschende Gewitteraktivität auf

den Westen/Südwesten übergreift.

Zum Freitag verschiebt sich das gesamte Wellenmuster etwas nach Osten (auch dem
nach Norden/ Nordosten ablaufenden Kurzwellentrog geschuldet), sodass die labil
geschichtete Feuchte-Divergenzzone zumindest in der Westhälfte vorankommt. Zwar
deutet sich viel Labilität zwischen 1000 und 2000 J/kg MLCAPE an, das Windfeld
nimmt jedoch erst im Bereich der mittleren Troposphäre zu. Dennoch wird es
regionale Modifikationen (Verschärfungen des Windfeldes) dank der angedeuteten
und recht kleinräumigen Tiefentwicklung geben, sodass die Parameter insgesamt
weiterhin auf erhöhtes Unwetterpotential durch Starkregen und Hagel hindeuten.
Sollte der KW-Trog mit Bodentief etwa über dem Ärmelkanal doch etwas weiter
östlich/ nordöstlich ziehen, dann wäre der Westen und Nordwesten zumindest im
Bereich stärkerer hochreichender Windscherung (30 bis zu 50 kn) prädestiniert
für mehr Organisiertheit der Gewitter. Das spräche dann auch für ein Potenzial
für stärkere Böen (zumindest schwere Sturmböen wahrscheinlicher).

Samstag/Sonntag lassen ICON und GFS (jeweils Hauptlauf) den Trog über dem nahen
Ostatlantik zwar näher heranrücken, amplifizieren diesen aber deutlich stärker
als IFS (Haupt- und Kontrolllauf). Daraus ergeben sich am Wochenende
modifizierte synoptische Ansätze. Vor allem ICON simuliert trogvorderseitig etwa
von Nordafrika bis ins südliche Mitteleuropa einen neuen, sekundären
Höhenrücken, der in der Folge auch den Höhenrücken über Ost- und Nordosteuropa
stärken (amplifizieren) soll. Damit wird die bei IFS stärker simulierte
(nächste) nach Norden ablaufenden Welle bei ICON und teils auch bei GFS
schwächer und weiter westlich simuliert. Wie schnell also die gewitterträchtige
Luft nach Osten vorankommt, hängt also auch davon ab, wie kräftig das steuernde
Bodentief ausfallen wird (und welche genaue Zugbahn es nimmt, abhängig auch von
kurzwelligen Troganteilen in der Höhe). Auf jeden Fall dauert das
Unwetterpotenzial weiter an, bzw.. verlagert sich am Sonntag langsam mehr in die
Osthälfte. Laut IFS ist am Sonntag im Westen/Südwesten in der kühleren Luft das
Unwetterpotenzial erstmal „raus“, laut ICON kommen die Gewitter am Sonntag
lediglich bis zur Mitte Deutschlands voran.

Am Montag soll nun der Langwellentrog mit negativer Achsneigung (ICON)
allmählich nordostwärts vorankommen, wobei laut ICON lediglich die Westhälfte in
den Genuss kühlerer Atlantikluft gelangen sollte und es sonst zunächst bei dem
schwülwarmen bis heißen Wetter und Gewittern mit lokalem Unwettergefahr bleibt
(am Rande weiterhin hohen Geopotenzials über dem Baltikum und Westrusslands).
IFS lässt dagegen in Verbindung mit einem markanten Randtrog in der Höhe die
heiße Luft schneller nach Osten abdrängen.

Die Höchstwerte liegen am Donnerstag deutschlandweit zwischen 29 und 36 Grad
(abgesehen der Küsten). Am Freitag könnte in den Westen etwas weniger warme
Luftmasse einsickern mit Höchstwerten zwischen 25 und 31 Grad (dafür hoher
Luftfeuchte), während sonst 30 bis 34 Grad zu erwarten sind. Dank präfrontaler
Subsidenz und aktuell angenommener guter Einstrahlung inklusiver trockener Böden
kann man sich an dem Tag im Nordosten auch Höchstwerte zwischen 35 und sogar 37
Grad vorstellen.

Am Wochenende bleibt das West-Ost-Gefälle bestehen, mit den höchsten Werten im
Osten. Je nach Lage der Tiefdruckrinne/ Frontalzone könnte auch im Westen
häufiger die 30 Grad auftauchen. Im Nordosten sind am Sonnabend erneut um 35
Grad wahrscheinlich.

In der erweiterten Mittelfrist soll sich dann der Langwellentrog (mit
Abschnürungs- und Abtropftendenz) über den Britischen Inseln/ Westeuropa
etablieren, sodass die flatternde Südwestströmung andauern könnte und somit mal
mehr, mal weniger warme/heiße Luftmassen nach Deutschland advehiert werden,
einhergehend mit anhaltender, wenngleich luftmassenabhängig variabler
Gewittergefahr.

Ein anderes Szenario wäre eine weiterhin bestehende Tendenz zur südlichen Lage
bzw. Austrogung des LW-Troges (Südwesteuropa/ Biskaya bzw. naher Atlantik), was
über Mitteleuropa auch erneut Höhenrücken aufbauen könnte. Damit wären wir eher
im Rand-/Übergangsbereich zu feucht-labilen Luftmassen und zumindest teilweise
in einer sehr warmen bis heißen Luftmasse mit nur geringer Niederschlagsneigung
(v.a. Osthälfte).

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

In Bezug auf die Vorläufe ist bis zum Wochenende recht gute Konsistenz
auszumachen. Auffällig ist im weiteren Verlauf einerseits die schwächer
gerechnete Progressivität des Troges über dem Atlantik (stärkere meridionale
Austrogung), andererseits auch eine Regenerierung des Höhenrückens über
Mitteleuropa. Damit sollten sich die konvektiven Niederschläge zunächst
weiterhin auf die Westhälfte beschränken. In der Osthälfte bleibt die
Hitzeperiode wohl auch am Wochenende bestehen.

Flächigere Niederschläge (allerdings zunächst eher konvektiver Natur) sind im
aktuellen IFS-Lauf erst zum Montag auszumachen, wobei auch diese Entwicklung
aufgrund der starken Blockierung über Mittel- und Osteuropa noch unsicher
erscheint.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Der Vergleich mit den anderen Globalmodellen ICON und GFS wurde bereits weiter
oben im Text verarbeitet, wobei die Modellkonsistenz mit IFS zumindest bis zum
Wochenende gegeben ist.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Die Cluster des IFS zeigen im Zeitschritt t+120…168 h insgesamt vier gruppierte
Clusterlösungen, wobei Haupt- und Kontrolllauf in der ersten Clustergruppe zu
finden sind. Die dargestellten großräumigen Strömungsmuster unterscheiden sich
im Wesentlichen in der Amplifizierung der Muster Rücken-Tröge über dem
atlantisch-europäischen Raum. Die ersten drei Clustergruppen gehen (bei
unterschiedlicher Konfiguration) insgesamt von einer progressiveren Rossby-Welle
aus. Clustergruppe 4 lehnt sich an die ICON-Lösung an, ist aber mit nur 5
Membern vertreten. Auch das besagt noch nicht allzu viel, hier gilt es die
nächsten Läufe abzuwarten.

Die Cluster t+192…240 h bestehen aus drei Clustergruppen, wobei der Kontrolllauf
in Cluster 1 und der Hauptlauf in Cluster 2 unterkommen. Während sich im vorigen
Zeitschritt auch Cluster mit NAO+ finden lassen, haben wir in diesem Zeitschritt
durchweg das Blockingmuster (Blockierung über Teilen Mittel- und Nordeuropas).
Interessant hierbei ist der schon bei ICON angedeutete Abschnür- und
Abtropfprozess des LW-Troges über West-/ Südwesteuropa. Dementsprechend gibt es
hier auch wieder die beschriebene Tendenz zum Regenerieren von Höhenrücken über
Mittel-bzw. dem östlichen Mitteleuropa. In der Mehrzahl sind jedoch Varianten,
wo der Höhentrog über den Britischen Inseln/ Westeuropa seinen Einfluss auf
Mitteleuropa beibehält bzw. leicht ausweitet, einschließlich Abkühlung in der
nächsten Woche.

Im Folgenden werden noch die Rauchfahnen für zwei repräsentative Orte, jeweils
in der Westhälfte und Osthälfte Deutschlands betrachtet:

Zunächst für Köln: Hier sieht man die beschriebene enge Bündelung der Member bis
Sonnabend, danach nimmt der Spread für alle Parameter (850 hPa-Temp,
Niederschläge, Geopotenzial in 500 hPa) deutlich zu, wobei Haupt- und
Kontrolllauf sowie eine gewisse Memberschar die Temperatur und das Geopotenzial
bereits ab Sonntag zurückgehen lassen, obwohl auch nicht wenige Member auf der
warmen Schiene mit hohem Geopotenzial weiterfahren. Dementsprechend ist auch die
Wahrscheinlichkeit für (hohe) konvektive Niederschläge schon vorhanden, aber
auch mit Unsicherheiten behaftet.

Jetzt noch für Berlin: Hier spielt sich alles bis einschließlich Sonntag auf
hohem Temperatur- und Geopotenzialniveau ab, mit geringer Niederschlagsneigung.
Ab Beginn der neuen Woche geht etwa die Hälfte der Member (einschl. Haupt- und
Kontrolllauf) bei der 850 hPa-Temperatur und dem Geopotenzial runter (bei
steigender Niederschlagsneigung), ein nicht geringer Memberanteil bleibt auf
hohem Niveau. Interessant ist auch der Knick beim Geopotenzial in 500 hPa zu
Beginn der Woche und einem erneuten Anstieg zur Wochenmitte. Das entspräche der
weiter oben beschriebenen Wahrscheinlichkeit für einen (regenerierten)
Hochdruckeinfluss.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Am Donnerstag allgemein starke Wärmebelastung wahrscheinlich, im Westen/
Südwesten geringes Gewitterrisiko (Abend/Nacht zum Freitag).

Am Freitag v.a. in der Osthälfte starke Wärmebelastung wahrscheinlich, in der
Westhälfte einzelne kräftige Gewitter mit lokaler Unwettergefahr (Starkregen,
Hagel), bei besserer Organisiertheit der Gewitter auch schwere Sturmböen
möglich. Nachts bevorzugt im Nordosten erste Tropennacht denkbar.

Am Samstag in der Osthälfte starke Wärmebelastung (in Ballungszentren auch
nachts), in der Westhälfte teils kräftige Gewitter mit ähnlichen
Begleiterscheinungen (lokale Unwettergefahr), allmählich ostwärts ausbreitend.
Am Sonntag in der Osthälfte weiterhin starke Wärmebelastung wahrscheinlich, im
Verlauf von Westen auch hier teils kräftige Gewitter mit lokalem
Unwetterpotenzial durch Starkregen, Hagel und Sturmböen.

Über den gesamten Mittelfristzeitraum (und eventuell darüber hinaus) ist die
zunehmende bzw. andauernde Trockenheit (und Waldbrandgefahr), v.a. in der
Osthälfte Deutschlands hervorzuheben.

Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, IFS-EPS, ICON, GFS und GEFS sowie MOSMIX

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Dr. Jens Bonewitz