S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 12.06.2021 um 10.30 UTC

Vorübergehend heiß und zunehmend schwül. Vor allem ab Donnerstag von Westen
teils schwere Gewitter.

Synoptische Entwicklung bis zum Samstag, den 19.06.2021

In der Mittelfrist baut sich eine zyklonale Süd- bis Südwestlage auf, die uns
vor allem zur Wochenmitte vorübergehend sehr heißes, in der zweiten Wochenhälfte
dann zunehmend schwüles und gewittriges Wetter beschert. Zum ersten Mal in
diesem Jahr könnte (!) es zu einer gefährlichen Kombination von „gescheiter“,
energiereicher Luftmasse und Dynamik kommen, die zu einer Schwergewitterlage
führt, die ihren Namen auch verdient.

Zu Beginn der Mittelfrist am Dienstag (15.06.) reicht ein Rücken, eingeklemmt
zwischen zwei Höhentiefs knapp nördlich von Madeira sowie über dem östlichen
Balkan, von Algerien bis nach Benelux. Er wird durch einen weiteren, breiter
angelegten Rücken, der zwischen zwei Trögen über dem Baltikum und westlichen der
Britischen Inseln zur Nordsee schwenkt, regeneriert. Im Bodenniveau kann sich
dadurch eine neue Hochdruckzelle über der Nordsee aufbauen, die sich bis
Tagesende mit ihrem Schwerpunkt nach Norddeutschland verlagert. Die Kaltfront
eines Skandinavientiefs, die schon am Montag auf den Norden übergreift, kommt
folglich allenfalls noch bis zur Mitte voran. Dort löst sich die ohnehin kaum
wetteraktive Kaltfront schließlich auf. Postfrontal gelangt ein Schwall
subpolare Meeresluft in die Nordhälfte (T850 vorübergehend auf 10 bis 4 Grad
sinkend). Im Süden merkt man davon nichts, hier macht die niedertroposphärische
Erwärmung sogar Fortschritte (T850 zwischen 11 und 16 Grad), sodass mit viel
Sonnenschein regional die 30-Grad-Marke geknackt wird.

Am Mittwoch weitet sich der Trog über dem Nordostatlantik mehr nach Süden aus,
als dass er nach Osten vorankommt. Folglich schwenkt auch der Rücken nur langsam
ostwärts und reicht abends leicht positiv geneigt von Nordafrika über
Mitteleuropa bis zur Ostsee. Er kann sich durch Warmluftadvektion (T500 teils
über -10 Grad ansteigend!) nochmals deutlich kräftigen. Vorderseitig des Troges
fällt der Luftdruck über Westeuropa, sodass sich, ausgehend von einem
hochreichenden Tief über dem Seegebiet zwischen Island und Schottland, eine
Rinne über die Britischen Inseln und Frankreich bis nach Spanien ausbilden kann.
Deutschland gelangt zwischen dem nach Polen abziehenden Hoch und der
Tiefdruckzone in eine südliche bis südöstliche Strömung, in der die subtropische
Warmluft wieder Boden nach Norden gut macht (T850 zwischen 10 Grad im Nordosten
und knapp 20 Grad im Südwesten). Mit viel Sonnenschein steigen die Temperaturen

  • mit Ausnahme des Nordens und Nordostens – verbreitet auf Werte um oder über
    30, im Südwesten örtlich über 35 Grad. Ob in der Nacht zum Donnerstag ein oder
    zwei Gewittercluster, getragen von in der südwestlichen Höhenströmung
    eingebetteten kurzwelligen Troganteilen, auf den äußersten Westen und Nordwesten
    übergreifen, ist noch unklar.

Am Donnerstag tropft der Nordostatlantiktrog zumindest nach Lesart von IFS knapp
westlich des Kaps Finisterre ab, das Residuum schwenkt zum Nordmeer. Die Lage
des Rückens verändert sich nur wenig, allerdings zeichnet sich die Ausbildung
eines abgeschlossenen Höhenhochs über dem östlichen Mitteleuropa ab. Zwischen
der Tiefdruckrinne, die sich über Frankreich ein klein wenig ostwärts verschiebt
und Benelux und die Nordsee erreicht, und dem Hoch über Osteuropa wird mit
südlicher Strömung weiterhin subtropische, eventuell gar tropische Luft (c/xT!)
herangeführt (T850 16 bis 22 Grad). Die Temperaturen steigen mit viel Sonne
demnach verbreitet auf 30 bis 35 Grad, in den prädestinierten Wärmehochburgen
noch zwei oder drei Grad höher. Mit Annäherung der Rinne wird die Luft im Westen
und Nordwesten aber auch feuchter und instabiler, sodass nicht nur die
Wärmebelastung, sondern auch die Gewitterwahrscheinlichkeit dort sukzessive
zunimmt. Für Details ist es zwar noch viel zu früh, allerdings deutet sich eine
Überlappung von sehr energiereicher Luft mit mäßiger bis starker hochreichender
Scherung an, sodass sich etwaige Gewitter gut organisieren und im Hinblick auf
jede Begleiterscheinung unwetterartig ausfallen können. Ob es nur für isolierte
Auslöse/Superzellen reicht oder es mit synoptisch-skaliger Hebung durch
kurzwellige Troganteile aufgrund größerer Gewittersysteme schon für eine
überregionale Unwetterlage reicht, kann noch nicht abgeschätzt werden.

Am Freitag und Samstag verbleibt Deutschland nach IFS00Z zwischen dem Cut-Off
über Südwesteuropa bzw. einem neuen, zu den Britischen Inseln schwenkenden Trog
und dem von Afrika ins östliche Mitteleuropa gerichteten Rücken in einer
südwestlichen Strömung. Trotz des recht stationären Musters sollten fortwährende
konvektive Aktivität und herauslaufende „outflow boundaries“ dafür sorgen, dass
die Tiefdruckrinne langsam aber sicher nach Deutschland „gedrückt“ wird. Damit
setzt sich die schwül-heiße und instabile Luft in weiten Teilen Deutschlands
durch. Mit zunehmend zyklonaler Konturierung der Höhenströmung und stärkeren
Hebungsimpulsen nimmt die Wahrscheinlichkeit für organisierte, schwere Gewitter
und damit die Gefahr einer überregionalen Unwetterlage weiter zu.

In der erweiterten Mittelfrist deutet sich ein Übergreifen des Troges von Westen
an, womit die Hitze und gewitterträchtige Luft nach Südosten verdrängt wird.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Bis Donnerstag rechnen die jüngsten IFS-Modellläufe sehr konsistent den Aufbau
einer zunächst eher antizyklonalen Süd- bis Südwestlage mit dem Vorstoß heißer
Luftmassen nach Deutschland.
Auch danach sind die Unterschiede synoptisch-skalig verhältnismäßig gering. Die
leicht differierende Phase der Trog-Rücken-Struktur hat aber, da sich
Deutschland genau „zwischen den Stühlen“ befindet, durchaus erhöhte
Prognoserelevanz. Der Abtropfvorgang des Troges über dem nahen Nordostatlantik
vollzog sich in den beiden gestrigen IFS-Läufen noch nicht. Vielmehr schwenkte
der Trog langsam aber sicher bis zum Wochenende nach Mitteleuropa, sodass sich
die Hitze und Schwergewitter mit Passage einer markanten Kaltfront nach Südosten
zurückziehen konnten. Dagegen hält die Trogvorderseite im heutigen IFS-00Z-Lauf
bis mindestens zum Wochenende an, sodass quasi landesweit – vielleicht mit
Ausnahme des Westens und Nordwestens – schwüle Hitze und teils schwere Gewitter
ein Thema bleiben

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Bis einschließlich Donnerstag ergeben sich kaum nennenswerte Unterschiede
zwischen den IFS, GFS und ICON. Danach rechnen GFS und ICON das
Trog-Rücken-Muster progressiver als IFS. Mit Passage eines Troges wird die
heiße, gewitterträchtige Luft nach ICON bereits in der Nacht zum Freitag, nach
GFS am Freitag tagsüber nach Südosten verdrängt. Prinzipiell haben aber alle
Modelle ein Schwergewitter-Setup im Programm. Besonders eindrücklich ist die
ICON-Berechnung von heute, 00 UTC, für Donnerstagabend mit einem „giftigen“ Tief
über Benelux und Westdeutschland, was zusätzlich für starke Richtungsscherung in
der Grenzschicht und Tornadopotenzial sorgt.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Bis einschließlich Donnerstag bestätigt das IFS-EPS das oben beschriebene
Szenario des deterministischen Laufes. Die Rauchfahnen von 850-hPa-Temperatur
und 500-hPa-Geopotenzial laufen bis dahin eng gebündelt und der IFS-Hauptlauf
darin gut eingebettet mit.
Beginnend am Freitag weiten sich die Rauchfahnen deutlich auf. Bereits am
Samstag beträgt der Spread in der Temperatur fast landesweit 15 K und mehr. Der
IFS-Hauptlauf befindet sich bis Sonntag am oberen Rand der Streubreite, nicht
wenige EPS-Member sehen im Westen Deutschland dagegen schon am Freitag, im Osten
am Samstag einen deutlichen Temperaturrückgang.
Die vom Hauptlauf berechnete, anhaltende Trogvorderseite mit der Fortsetzung der
schwül-heißen und unwetterträchtigen Witterung über das Wochenende hinweg ist
also alles andere als sicher. Vielleicht ist er damit aber auch ein
„Trendsetter“, denn es kann konstatiert werden, dass die „warmen Member“ im
Vergleich zu den Vorläufen zugenommen haben.

Im Zeitraum +72-96 h wird das IFS-EPS in 3 Cluster unterteilt, die aufgrund der
vorübergehenden Zonalisierung der Strömung über dem Nordostatlantik alle der
Klasse NAO+ angehören. Für Deutschland ergeben sich keine nennenswerten
Unterschiede.
Im Zeitraum +144-168 h werden 4 Cluster angeboten. In allen Clustern baut sich
über Teilen Mittel- und Ost-/Nordosteuropas eine starke positive
Geopotenzialanomalie, die eine blockierende Wirkung auf die Zirkulation
entfaltet. Die Cluster unterscheiden sich nur im Hinblick auf Ausprägung und
Phase des Trog-Rücken-Musters. Cluster 1 und 4 (27 Member) favorisieren das
etwas progressivere, Cluster 2 und 3 (24 Member, inkl. HL, CL) das etwas trägere
Muster.
Ab +192 h weitet sich das Clustering auf 5 Cluster. 4 von 5 Clustern (45 Member,
inkl. HL, CL) bleiben im Blocking-Regime, wobei das Blocking in jedem Cluster
etwas unterschiedlich positioniert wird (C1/C2: Fennoskandien/Nordosteuropa,
C2/C4 nördliches Mitteleuropa). Cluster 3 dagegen lässt die Strömung über
Nordeuropa zonalisieren, was am ehesten einer „nördlichen Westlage“ gleichkommen
würde.

FAZIT: Die Hitze kommt zur Wochenmitte! Auch die Schwergewitterlage ab
Donnerstag ist einigermaßen wahrscheinlich, wenngleich Detailfragen natürlich
noch nicht geklärt werden können (überregionale Unwetterlage ja/nein bzw.
wann?).
Ob sich die schwüle Hitze mit unwetterartigen Gewittern noch über das Wochenende
hinweg „retten“ kann oder es vorübergehend zu einer deutlichen Abkühlung kommt,
ist unklar. Das „hitzige“ Szenario ist aber etwas wahrscheinlicher geworden.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

HITZE:
Der EFI zeigt zwischen Mittwoch und Freitag deutliche Signale für ungewöhnlich
hohe Temperaturen, die sich ausgehend von Westeuropa über Mitteleuropa nach
Osten verlagern. Zunächst dürfte sich die Wärmebelastung durch einigermaßen
kühle Nächte noch in Grenzen halten. Doch mit zunehmender Schwüle und teils
tropischen Nächten ab der Nacht zum Donnerstag dürfte verbreitet eine starke
Wärmebelastung herrschen.

GEWITTER:
EFI cape-shear springt am Donnerstag im Westen und Nordwesten, am Freitag etwas
abgeschwächt auch in den anderen Landesteilen an. Eine gute Überlappung von
energiereicher Luft und Dynamik scheint somit möglich/wahrscheinlich und damit
auch organisierte Gewitter, die prinzipiell bezüglich aller begleitender
Parameter unwetterartig ausfallen können. Auch die Tornadogefahr ist erhöht.

Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, IFS-EPS, MOS-MIX

VBZ Offenbach / Dipl. Met. R. K. Adrian Leyser