S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Montag, den 07.06.2021 um 10.30 UTC

Azorenhochkeil bis nach Mitteleuropa => sommerlich warm und abnehmende Regen-
und Gewitterneigung, aber nicht gänzlich störungsfrei.

Synoptische Entwicklung bis zum Montag, den 14.06.2021

Schon seit geraumer Zeit hängt über Deutschland, zumindest über Teilen des
Landes ein fast triefend feuchter barischer Sumpf, in dem es Tag ein, Tag aus zu
schweren Gewittern und/oder (extremen) Starkregenfällen kommt. Fast kommt es
einem so vor, der aktuelle atmosphärische Wasserkreislauf sei eine Art perpetuum
mobile. So wird das Wasser durch Verdunstung immer wieder nach oben und durch
Gewitter und Schauer nach unten geschleudert, ohne dass es zu nennenswerten
horizontalen Austausch- oder Advektionsprozessen kommt. Auch am heutigen Montag
sowie an den folgenden beiden Tagen scheint sich daran nicht viel zu ändern, was
natürlich die Frage aufwirft, ob sich denn daran überhaupt mal was ändert. Nun,
so viel sei vorab verraten, die Atmosphäre arbeitet dran, diesen Zustand zu
ändern, aber leicht fällt´s ihr nicht.

Zu Beginn des mittelfristigen Prognosezeitraums am kommenden Donnerstag befindet
sich über dem mittleren Nordatlantik eine leidlich ausgeprägte Frontalzone mit
einem solide aufgestellten Tief unweit von Island. Weitaus relevanter für das
Geschehen bei uns ist allerdings ein breiter Keil des Azorenhochs, der sich bis
nach Mitteleuropa respektive Deutschland erstreckt. Gestützt wird der Keil von
einem Rücken, der von Südwesteuropa bis nach Skandinavien verläuft. Deutschland
liegt genau unter dem Ostrand des Rückens unter einer schwachen nordwestlichen
bis nördlichen Höhenströmung. Absinken, wie man es von einem Hochkeil bzw. vor
einem Höhenrücken erwartet, tritt auch tatsächlich auf, erwischt zunächst aber
nur den Westen und Norden des Landes. Nach Süden und zur Mitte hin hapert es
hingegen, was von der dort immer noch herumlungernden feuchten und labil
geschichteten Warmluft (T850 um 10°C) gnadenlos ausgenutzt und in schauerartige
Starkregenfälle und kräftige Gewitter umgesetzt wird.

Am Freitag ändert sich relativ wenig an der Strömungskonfiguration, wenn man mal
davon absieht, dass der Rücken durch einen dezenten, aber bestimmten Vorstoß der
Frontalzone von Skandinavien her etwas weiter nach Südosten gedrückt wird. Für
uns bedeutet das ein Rechtdrehen des weiterhin schwachen Höhenwinds auf Nordost,
wobei die Isohypsen etwas antizyklonaler konturiert sind als zuvor. Auch scheint
die Luftmasse im Süden und in der Mitte zunehmend in den Erschöpfungsmodus zu
gelangen, was durch abnehmende Feuchte und Labilität (=> auch weniger CAPE)
angezeigt wird. Trotzdem, für einzelne Schauer oder Gewitter dürfte es im Süden
und Südosten noch reichen und selbst im Norden, nördlich der Divergenzachse,
sind Wolkenfelder und paar sporadische Tropfen nicht ausgeschlossen.

Am Wochenende regeneriert sich der Höhenrücken über Westeuropa bzw. dem nahen
Atlantik, wobei sich sogar eine abgeschlossene Antizyklone abzeichnet. Damit
verstärkt sich auch der Bodenkeil, dessen Divergenzachse am Sonntag
kontinuierlich nach Norden wandert. Zuvor wird am Samstag aber noch eine
schwache Kaltfront über den Nordosten südostwärts geschleust, hinter der
kurzfristig etwas weniger warme Meeresluft (T850 um 8°C) einfließt. Außerdem
werden im Mittelgebirgsraum sowie im Süden (insbesondere über dem Bergland)
einzelne Schauer oder Gewitter ausgelöst. Am Sonntag soll es dann nur noch in
Alpennähe und vielleicht über dem Bayerischen Wald zu einzelnen
Überentwicklungen kommen, während gleichzeitig die 850-hPa-Temperatur in der
Westhälfte auf rund 14°C steigt.

Ab Montag soll dann lupenreiner Hochdruckeinfluss in weiten Landesteilen
vorherrschen, wobei vor allem nach Süden hin die Chancen steigen, dass die
30°C-Marke erreicht oder sogar etwas überschritten wird. Der äußerste Norden
hingegen zeigt sich immer mal wieder leicht anfällig für Wolkenfelder ohne
nennenswerten Regen.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Der heute Morgen veröffentlichte Modelllauf von IFS (ECMF) bestätigt im Großen
und Ganzen den Kurs der jüngsten Vorläufe. Demnach verstärkt sich im Laufe der
Woche der bis nach Mitteleuropa reichende Azorenhochkeil, wodurch es zu einer
allmählichen Abtrocknung der anfangs vielerorts noch sehr feuchten Luftmassen
kommt. Entsprechend nimmt auch die Gefahr von Gewittern respektive
Starkregenfällen ab, allerdings sind selbst am kommenden Wochenende immer noch
einzelne Schauer oder Gewitter möglich (vor allem Süden, Mittelgebirge).

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Die anderen an dieser Stelle für gewöhnlich auf dem Prüfstand stehenden
Globalmodelle (ICON, GFS, GEM, UKMO) sind sich mit IFS weitgehend einig. Klar,
bei den Niederschlags- und Gewitterprognosen sind immer gewisse Unschärfen
vorhanden, die aber kein grundsätzlich anderes Vorhersagekonzept erforderlich
machen. Auch die Wirkung der Kaltfront am Samstag wird derzeit noch
unterschiedlich eingeschätzt, wobei GFS mit dem größten Offensivgeist aufwartet.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Die IFS-EPS-Rauchfahnen ausgewählter deutscher Städte zeigen einen relativ eng
gebündelten Verlauf, auch wenn zum Wochenende hin einige Ensemblemitglieder nach
unten ausscheren. Dabei kommt die Unsicherheit in Bezug auf die o.e. Kaltfront
zum Ausdruck. Tendenziell lässt sich in den Kurven (T850 und Pot500) aber ein
gleichbleibender bis leicht ansteigender Trend ausmachen. Die
Niederschlagssignale bleiben vor allem im Süden (München) und bedingt im
Südosten bzw. der östlichen Mitte (Leipzig) bis Samstag relativ hoch, während
sonst nur sporadisch ein paar wenige Lösungen aufblinken. Zu Beginn der
darauffolgenden Woche nimmt die Streuung insbesondere bei der Temperatur noch
etwas zu, das Groß der Ensembles bleibt aber im warmen, teils sogar im heißen
Bereich.

Die Clusterung zeigt für den Zeitraum T+120…168h (Samstag bis Montag) fünf
verschiedene Szenarien, die sich bei uns aber gar nicht so stark unterscheiden.
Alle lassen den Hochkeil bzw. Höhenrücken bis nach Mitteleuropa vorrücken, mal
etwas mehr, mal etwas weniger. CL 5 (8 Fälle) scheint das Cluster zu sein, das
wegen des relativ weit westlich positionierten Rückens der o.e. Kaltfront die
größten Chancen einräumt. Ab Dienstag (T+192…240h) verringert sich die Anzahl
der Cluster auf vier, von denen drei (CL 1, 2 und 4) einen fetten Rücken über
Mitteleuropa simulieren. Es lässt sich gar ein deutlicher Trend hin zu einer
Omega-Konfiguration erkennen. Lediglich CL 3 (11 Fälle) scheint andere
Interessen zu verfolgen, indem die Höhenströmung zusehends zonalisiert.

FAZIT: Im Großen und Ganzen stützen die EPS-Vorhersagen die Vorschläge der
deterministischen Modelle. Einzig bei der schwachen Kaltfront am Wochenende (vor
allem am Samstag) scheint es noch Ungereimtheiten zu geben.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Die Numerik gibt nicht viel her zum Thema „signifikante Wettererscheinungen“.
Und tatsächlich ist es ja auch so, dass die Neigung für Gewitter und
Starkregenfälle kontinuierlich abnimmt. Ganz auf null geht es aber nicht (siehe
oben) und bei dem, was noch so auftritt, schwebt weiterhin das Damoklesschwert
des lokalen Starkregens über dem Geschehen.

Basis für Mittelfristvorhersage
IFS mit IFS-EPS und MIS-Mix.

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann