SXEU31 DWAV 311800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 31.05.2021 um 18 UTC

Markante Wettererscheinungen:
Ruhiger Wechsel von Frühling auf Sommer. Zur Wochenmitte wechselhafter mit
zunehmender Gewittergefahr.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 12 UTC

Aktuell … laufen die letzten Stunden des Mais 2021, ein Monat, der in
Deutschland gemessen am vieljährigen Mittel (egal ob 1961-1990 oder 1991-2020)
zu nass (Gott sei Dank), zu kühl und zu sonnenscheinarm bilanziert wird. Meist
sorgten „die Herren der Schöpfung“ (gemeint sind natürlich Tiefdruckgebiete, die
in diesem Jahr männliche Namen erhalten) für wechselhaftes und phasenweise sehr
windiges Wetter, mal mit herbstlichem Touch, mal mit klassischer Aprillaune.
Inzwischen hat sich die Lage beruhigt und dank WALTRAUD, einem umfangreichen
Hoch über Nordeuropa respektive Nord-und Ostsee, erfolgt der Übergang zum morgen
beginnenden meteorologischen Sommer fast standesgemäß.

Okay, die von Osten respektive Nordosten einströmende Luftmasse ist nicht
überbordend warm, was man vor allem an den Nachttemperaturen merkt. Aber nun, in
den letzten Monaten haben wir ja gelernt (oder sollten es jedenfalls), mit
weniger auszukommen und außerdem ist es für gewöhnlich auch nicht gut, wenn die
Temperatur nach einer kühlen Witterungsperiode raketenartig nach oben schießt
(wie es an Muttertag der Fall war, wo z.B. in Offenbach die Temperatur binnen
zwei Tagen um mehr als 25 Grad regelrecht explodiert ist (von 12,1°C am Freitag
auf 29,6°C am Sonntag)). Da ist so ein geschmeidiger Übergang wie jetzt doch
wesentlich erträglicher, so zumindest die Meinung des Verfassers, die man
freilich nicht zwingend teilen muss.

Zur kommenden Nacht, die wir weiterhin unter dem östlichen Teil eines sich vom
westlichen Mittelmeer bis hoch zum Nordpolarmeer erstreckenden Höhenrücken
verbinden. Der Rücken stützt das o.e. umfangreiche Hoch, an dessen Rand in den
nächsten Stunden der klassische Tagesgang zuschlägt. Expressis verbis bedeutet
das Auflösung der wenigen Restkumulanten, Nachlassen des ohnehin nicht besonders
sportlichen Windes sowie Rückgang der Temperatur. Insbesondere im Süden und
Osten besteht nochmals die Gefahr von leichtem Frost in Bodennähe, während die
Lufttemperatur im Nordosten, unmittelbar an der See sowie gebietsweise im Westen
zweistellig bleibt.

Apropos Nordosten, dort sorgen von der Ostsee hereinziehende Wolkenfelder, die
als Vorboten eines vom Baltikum südwestwärts ziehenden Höhentiefs unterwegs
sind, für gedämpfte Abkühlungsraten. Niederschläge sind, zumindest auf deutscher
Seite, damit aber noch nicht verbunden.

Dienstag … macht das Höhentief weiter Boden gut in Richtung westliche Ostsee,
wo es zum Tagesende im Osten Dänemarks aufschlagen soll. Anfangs korreliert es
noch mit einem abgeschlossenen Bodentief, das im weiteren Verlauf aber an Kontur
verliert und immer mehr die Form eines zum Schluss nur noch rudimentären
Bodentrogs annimmt. Damit erwirbt das Höhentief zunehmend das Attribut eines
Kaltlufttropfens (KLT), was auch in den diagnostischen Karten erkennbar ist
(vorderseitig KLA mit PVA, rückseitig WLA mit NVA).

Im Vorfeld des Höhentiefs nimmt die Zyklonalität der Höhenströmung im Osten und
steigenden Nordosten zu, außerdem wird die von Haus aus labil geschichtete
Luftmasse etwas angefeuchtet (PPWs bei rund 20 mm), so dass – wenn auch nur
geringfügig – CAPE generiert werden kann. Allerdings ist dieses weitgehend
gedeckelt (CIN teilweise um oder etwas über 100 J/kg), was Gewitter am
Nachmittag und Abend eher unwahrscheinlich erscheinen lässt. Hinzu kommt, dass
es durch die vermehrt anzutreffende mehrschichtige Bewölkung an Einstrahlung
mangelt. Zwischen Ostsee und Sachsen wird es sicherlich für den einen oder
anderen Schauer oder ein paar Tropfen Regen reichen, aber Gewitter? Wenn, dann
tritt am ehesten an der Grenze zu Polen zwischen Vorpommern und Lausitz eines
auf, was von einigen, nicht von allen Modellen auch gezeigt wird. Insgesamt ist
die Wahrscheinlichkeit aber gering.

Im größten Teil des Landes präsentiert sich der erste Tag des meteorologischen
Sommers bei weiterhin östlicher Grundströmung mit viel Sonnenschein und
gegenüber heute steigenden Temperaturen. Für den gesamten Westen und Südwesten
bedeutet das Höchstwerte von 25 bis 27°C (also auch per definitionem ein
Sommertag), sonst stehen verbreitet 20 bis 25°C auf der Karte. Lediglich im
äußersten Nordosten, in höheren Lagen sowie an Küstenabschnitten mit auflandigem
Wind bleibt es etwas frischer. Ob es im Südschwarzwald, wie von AROME
signalisiert, im Laufe des Nachmittags für einen Schauer reicht, muss angesichts
einer bei 700-650 hPa liegenden Inversion und der relativ trockenen Grundschicht
bezweifelt werden.

In der Nacht zum Mittwoch ändert sich wenig an der Großwetterlage. Der KLT
nähert sich bis zum Morgen Jütland. Sein Wirkungsradius überdeckt weiterhin
Teile Nord- und Ostdeutschlands, wo neben zahlreichen Wolken auch einige Schauer
im Angebot sind. Für Gewitter dürfte es tagesgangbedingt nicht reichen. Weiter
zur Mitte und nach Süden hin sowie in Westdeutschland präsentiert sich die Nacht
gering bewölkt (Cirren) oder klar, wobei es nicht mehr ganz so frisch wird wie
die Nächte zuvor. Die Flächen mit zweistelligen Tiefstwerten nehmen zu, die
Bodenfrostgefahr dagegen ab. Am kältesten wird es von der Schwäbischen Alb bis
hinüber ins südliche Alpenvorland (um oder etwas unter 5°C), wo es ganz
punktuell noch mal für leichten Frost in Bodennähe reichen kann.

Mittwoch … überquert der KLT Jütland etwa entlang der deutsch-dänischen Grenze
zur Nordsee ins Seegebiet Fisher. Weite Teile des Vorhersageraums gelangen damit
unter eine langgestreckte Potenzialrinne, die den KLT mit einem Höhentief über
der Schwarzmeerregion verbindet. Da auch ein weiteres Höhentief knapp westlich
der Biskaya nicht weit weg ist, verschlankt sich der dazwischenliegende Rücken
immer mehr. Schlussendlich bleibt ein Restrücken über Frankreich und UK übrig,
während sich der Hauptteil als abgeschlossene Höhenantizyklone über
Fennoskandien legt.

Dort befindet sich – by the way – inzwischen auch der Schwerpunkt der
Bodenhochdruckzone (etwas über 1030 hPa), während sich westlich und südwestlich
von uns eine breite Tiefdruckrinne etabliert, von der aus ein Trog bis in die
westlichen Landesteile ragt. Dieser schwenkt im Tagesverlauf nach Norden und
lässt rückseitig den Wind im Westen und Südwesten auf südliche Richtungen
drehen. Damit wird labil geschichtete und zunehmend feuchte Subtropikluft
advehiert (T850 um 12°C, T500 um -16°C, PPW um 25 mm, ML-CAPE teils zwischen 500
und 750 J/kg), in der sich am Nachmittag vermehrt Überentwicklungen bilden.
Betroffen dürften aus heutiger Sicht vor allem die Regionen zwischen Eifel und
der Schwäbischen Alb sein, wo unter gütiger Mithilfe der Orografie einzelne
Gewitter hochschießen. Bei geringer Scherung und wenig Höhenwind ziehen die
Zellen nur langsam bzw. neigen zur Verclusterung, was Starkregen als
begleitendes Element ganz oben erscheinen lässt. Gerade im Anfangsstadium könnte
aber auch Hagel dabei sein.

Vom Südwesten in den Norden und Osten, wo im Schlepptau des scheidenden KLTs von
Südosten her labile und feuchte Luftmassen herangeführt werden. Insbesondere im
Norden steigen die ML-CAPE-Werte z.T. auf rund 800 J/kg, was mit LLS bis 10 m/s
und DLS von rund 15 m/s überlappt. Hinzu kommen eine gewisse Helizität zwischen
150 und 300 m²/s², ein gekrümmter Hodograph in der unteren Troposphäre
(Richtungsscherung) und absinkendes HKN auf unter 1000 m, so dass etwaige, zur
Superzelle anwachsende Gewitter nicht nur Hagel, Starkregen und Sturmböen
produzieren können, sondern sogar das „T-Wort“ in die Überlegungen mit
eingebracht werden muss. Darüber hinaus etabliert sich ganz im Norden eine für
mehrere Stunden quasistationäre Konfluenzzone (Ost vs. Südost), was die
Wahrscheinlichkeit für rückwärtigen Anbau und damit die Gefahr von Starkregen
(mehrstündig) erhöht.

Liest sich nach Power und „volle Lotte“, vielleicht sogar nach Unwetter, doch
das große „Aber“ bleibt nicht aus. Zum einen offenbaren sich größere
Modellunterschiede. So simuliert beispielsweise IFS von heute 00 UTC die
stärkste Gewitteraktivität am Nachmittag in der östlichen Mitte und erst in den
Abendstunden im Norden. Zum anderen ist ICON bei der Wetter- und
Niederschlagsinterpretation im heutigen 06-UTC-Lauf deutlich zurückgerudert, was
auf Basis der Zutatenmethode etwas verwundert. Die frische Version von heute
Nachmittag 12 UTC geht wieder schärfer ran, aber gute Konsistenz sieht anders
aus. So oder so gilt es, sich die nächsten Läufe – vor allem auch mit
zunehmender Hilfe durch die konvektionserlaubenden Modelle – genaustens
anzuschauen.

Bliebe abschließend noch die Region zwischen den beiden Konvektionszonen im
Südwesten und Nordosten, die sich etwa von NRW bis hinunter nach Bayern
erstreckt. Dort lagert die abgetrocknete Warmluft der Vortage, was unter dem
Strich sonnenscheinreiches (trotz einiger Wolken) und trockenes (trotz einer
latenten Schauer- und Gewitterneigung an den Alpen) Sommerwetter zur Folge hat.
Dabei steigt die Temperatur auf 24 bis 27°C, im Westen lokal vielleicht 28°C.

In der Nacht zum Donnerstag entfernt sich der KLT über der Nordsee langsam gen
Nordwesten. Schauer und Gewitter klingen nicht zuletzt auch aufgrund des
Tagesgangs ab, bei IFS (00 UTC) mit merklicher Verzögerung. Deutlich robuster
präsentieren sich die schauerartig verstärkten, insbesondere in der ersten
Nachthälfte auch noch gewittrigen Regenfälle aus dem Südwesten, die sich langsam
ost-nordostwärts ausbreiten. Im gesamten Osten und Südosten bleibt es die Nacht
über aber trocken. Dort sinkt die Temperatur zum Teil auf etwas unter 10°C,
während es am Rhein und seinen Zuflüssen nicht unter 15 oder 16°C abkühlt.

Donnerstag … (Fronleichnam) entfernt sich der KLT immer weiter vom
Vorhersageraum, wodurch das Geopotenzial von Südwesten her wieder ansteigen und
sich der zuvor gequetschte Rücken regenerieren kann. Wenn man sich nur das
Potenzialfeld anschaut, könnte man meinen „alles klar auf der Doria“, Sommer,
Sonne trallala. Aber wie´s derzeit aussieht, trifft das nur auf etwa die Hälfte
des Landes zu. Das Hoch über Fennoskandien keilt über dem östlichen Mitteleuropa
nach Süden aus, wodurch die Bodenströmung insbesondere im Osten auf glatt Südost
rückdreht. Dabei gelangt relativ trockene Warmluft in die östlichen Bundesländer
(T850 8 bis 10°C), in der häufig die Sonne scheint bei bis zu 26 oder 27°C. Auch
im Osten und Nordosten Bayerns deutet sich ein trockener und warmer Sommertag
an.

Anders hingegen die Situation weiter westlich, wo man sich um den überlappenden
Rücken einen Teufel schert und sein eigenes Ding macht. Eine Tiefdruckrinne mit
Windkonvergenzen gepaart mit gar nicht mal so sehr labil geschichteter, dafür
aber sehr feuchter Subtropikluft reichen mit Unterstützung des Tagesgangs und
der Orografie aus, um Schauer/schauerartige Regenfälle und einzelne kräftige
Gewitter zu initiieren, über deren Details sich der Verfasser heute noch nicht
auslassen möchte. Ein Luftmassenwechsel findet nicht statt, es bleibt also warm,
auch wenn Wolken und Regenfälle/Gewitter temperaturdämpfende Wirkung erzeugen.

Modellvergleich und -einschätzung

Was die Basisfelder angeht, liegen die verschiedene Modelle nicht so weit
auseinander. Auch beim KLT hat man sich inzwischen deutlich angenähert. Probleme
bereiten eher Parameter wie Luftmasseneigenschaften (Feuchte, Labilität,
Scherung etc.) in Kombination mit Wind und Strömungsbedingungen, was essentiell
für die Entstehung von Schauern und Gewittern sowie deren Intensität ist. Hier
offenbart die Numerik noch größere Diskrepanzen und Inkonsistenten, die es
auszumerzen gilt.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann