SXEU31 DWAV 031800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 03.05.2021 um 18 UTC

Markante Wettererscheinungen:
Dienstag markante Sturmlage, teils mit schweren Sturmböen, im Norden Gewitter.
Am Mittwoch einzelne markante Gewitter, im Norden weiter stürmisch. Im
Schwarzwald Dauerregen wahrscheinlich. Am Donnerstag leichte Wetterberuhigung.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 12 UTC

Aktuell … befindet sich Deutschland an der Südflanke eines umfangreichen,
nordeuropäischen Langwellentroges. Zwischen einem nach Nordwestrussland und zur
Ukraine ziehenden Ableger und einem von den Britischen Inseln zur
Nordseeschwenkenden Kurzwellentrog zeichnet sich ein flacher Rücken über
Mitteleuropa ab. Deutschland liegt abends noch unter dem Rücken, gelangt im
Laufe der Nacht aber rasch auf die Vorderseite des Kurzwellentroges in eine
zyklonal konturierte südwestliche Höhenströmung.
Im Bodenfeld stützt der Rücken Hoch TRUDI, das seinen Schwerpunkt über von
Österreich und Ungarn nach Rumänien verlagert. Auf der stark diffluenten
Vorderseite des Kurzwellentroges hat sich durch starke PVA Tief EUGEN zu einem
ausgewachsenen Sturmtief mausern können. Es zieht mit seinem Kern von der
Irischen See zur mittleren Nordsee. Da es sich dabei bereits weit bis in die
obere Troposphäre gräbt und sich mit fast senkrechter Achse dem Höhentrog
angliedert, hat es seinen Entwicklungshöhepunkt bereits erreicht. Der minimale
Kerndruck wird modellübergreifend zwischen 982 und 984 hPa über der Nordsee
simuliert. Die teilokkludierte Kaltfront von EUGEN greift in der zweiten
Nachthälfte auf den Westen und Nordwesten über.
Unter der Absinkinversion konnte sich – mit Ausnahme des sonnigen Südens –
tagsüber meist flache Konvektion und Form und stärkerer Quellbewölkung oder
schwachen Schauern ausbilden. Lediglich über der Nordwestdeutschen Tiefebene war
die labile Schicht mächtig genug (bis etwa 600 hPa), sodass es dort für
kräftigere Schauer und das ein oder andere Gewitter gereicht hat. Die Schauer
und Gewitter sollten durch weitere Stabilisierung aufgrund zunehmender WLA, die
bereits durch hohe Wolkenfelder über der Nordhälfte sichtbar wird, und dem
Tagesgang zum Opfer fallen.
Mit weiter zunehmender WLA, die im Verlauf durch frontale Prozesse und kräftige
PVA Unterstützung findet, breiten sich im Nachtverlauf länger anhaltende
Regenfälle auf die gesamte Nordwesthälfte aus. Die 12-stündigen Mengen liegen
bevorzugt im Westen und Nordwesten bei gebietsweisen 5 bis 15 mm.
Im Vorfeld und entlang der Kaltfront verschärft sich der Gradient besonders über
der Nordwesthälfte niedertroposphärisch rasch. Es zeichnet sich ein ausgeprägter
Low-Level-Jet ab mit 50 bis 70 Knoten auf 850 hPa. Die stabile Schichtung
erschwert allerdings den vertikalen Impulstransport, sodass sich die stärkste
Windentwicklung zunächst in den Hochlagen der westlichen, südwestlichen und
zentralen Mittelgebirge abspielt. Dort drohen erste (schwere) Sturmböen Bft
9-10, exponiert (Brocken, Feldberg) orkanartige Böen Bft 11. Im Tiefland im
Westen und Nordwesten sowie im zentralen Mittelgebirgsraum treten immerhin schon
steife bis stürmische Böen Bft 7-8 auf, in höheren Lagen und prädestinierten
Leelagen im Westen sowie über der Nordsee auch erste Sturmböen Bft 9.
Im Süden und Südosten bleibt es bis zum Morgen noch trocken und anfangs auch
aufgelockert bewölkt. Besonders entlang und südlich der Donau kann es somit
nochmal stärker auskühlen und gebietsweise leichten Luftfrost geben, ansonsten
bleibt es bereits weitestgehend frostfrei.

Dienstag … zieht das hochreichende Sturmtief EUGEN, das zunehmend die Funktion
des steuernden Zentraltiefs übernimmt, bis zum Abend ohne nennenswerte Erhöhung
des Kerndrucks im Bodenfeld nach Nordjütland. An seiner Westflanke wird ein mit
reichlich Kaltluft angefüllter Höhentrog zu den Britischen Inseln geführt.
Deutschland bleibt damit in einer straffen westsüdwestlichen Höhenströmung, die
am Rande des hochreichenden Tiefs EUGEN deutlich zyklonal konturiert ist.
Die Kaltfront von EUGEN schwenkt mit schauerartigen Regenfällen über die
Nordhälfte zügig ostwärts, weiter südlich verliert sie durch die
strömungsparallele Exposition an Schub und schleift abends etwa zwischen Main
und Donau. Da die Front zunehmend von KLA überlaufen wird, lassen die
Niederschlagsintensitäten an ihr vorübergehend etwas nach. Zumindest aber in
Staulagen des Schwarzwaldes regnet es länger anhaltend (ICON6 und -D2 sowie
EURO4 mit 10-20 mm/ 12 h). Etwa südlich der Donau bleibt es präfrontal bis zum
Abend meist trocken und länger sonnig. Postfrontal stellt sich eher
wechselhaftes Wetter ein, wobei nur der Norden und Nordwesten von höhenkälterer
Luft gestreift wird (T500 -26 bis -28 Grad). Dort labilisiert die Schichtung
hochreichend. Wenngleich es etwas an Grenzschichtfeuchte mangelt, sollte es für
wiederholte Schauer und einzelne Gewitter reichen. Im daran anschließenden
Streifen vom Westen über die Mitte nach Osten reicht die labile Schicht nur bis
600-700 hPa, zudem wird bodennah noch etwas trockenere Luft advehiert. Die
Schauertätigkeit sollte somit deutlich geringer ausfallen, genauso wie die
Wahrscheinlichkeit einzelner Gewitter (cloudtops eher über -20 Grad).
Neben dem o. e. Low-Level-Jet an der Kaltfront zeichnet sich ein weiteres
Windmaximum postfrontal ab, das sich im Tagesverlauf vom Westen über den
nördlichen Mittelgebirgsraum und die Norddeutsche Tiefebene nach Nordosten
erstreckt. Auf 850 hPa werden Windgeschwindigkeiten von erneut zwischen 50 und
70 Knoten simuliert. In einem schmalen Streifen vom Niederrhein und Emsland über
die „nördliche“ Mitte (z. b. Südniedersachsen) ostwärts, wo noch einigermaßen
hochreichende Labilität mit dem Höhenwindmaximum zusammenfällt, besteht
insbesondere in Verbindung mit Schauern und Gewittern zumindest die Gefahr von
schweren Sturmböen Bft 10 bis ins Tiefland (COSMO-LEPS und ICON-EU-EPS deuten
dies verhalten, IFS-EPS ziemlich offensiv an). Die Wahrscheinlichkeit für
orkanartige Böen oder Orkanböen Bft 11-12 (wie es IFS und das angeschlossene EPS
zaghaft andeuten) wird nach derzeitigem Stand als sehr gering eingeschätzt, da
es der Konvektion an vertikaler Mächtigkeit fehlt und der Impulstransport der
höchsten „Oberwinde“ nicht in vollem Maße geschieht. Rein aus dem Gradienten
heraus dürften verbreitet stürmische Böen, in höheren und freien Lagen sowie bei
Schauern Sturmböen auf der Tagesordnung stehen – in Hochlagen der Mittelgebirge
(je nach Höhenlage) natürlich auch noch (deutlich) mehr (Bft 10-12). Abends
gelangt mit einem Bodentrog auch die Nordsee in den Fokus einzelner schwerer
Sturmböen.
Während präfrontal zumindest in den Süden und Südosten recht milde Subtropikluft
einfließt (T850 3 bis 8 Grad) und mit Unterstützung der Sonne regional knapp 20
Grad erreicht werden, gelangt hinter der Kaltfront ein Schwall maritimer
Subpolarluft zu uns (T850 um 0 Grad), in der nicht mehr als 10 bis 16 Grad drin
sind.

In der Nacht zum Mittwoch zieht das hochreichende Tief EUGEN nur noch sehr
langsam zum Kattegat. Der Kurzwellentrog bei den Britischen Inseln schwenkt nach
Frankreich. Die über Deutschland weiterhin zyklonal konturierte Höhenströmung
steil somit etwas auf Südwest auf. Im Bodenfeld stützt der Kurzwellentrog eine
Frontalwelle, die von der Bretagne über dem Raum Paris nach Süddeutschland
geführt wird, dabei aber sehr flach bleibt. Bei GFS zieht sie etwas zügiger und
erreicht morgens bereits Tschechien.
Die frontalen Regenfälle intensivieren sich von Frankreich her über dem Süden
und Südosten mit Annäherung des Troges bzw. der Welle. Gebietsweise kommen 5 bis
15 mm/12 h zusammen, im Schwarzwald in Staulagen 15 bis 35 mm, nach EURO4
punktuell auch noch mehr. Im Schwarzwald dürften somit nicht nur 12- sondern
auch 24-stündig Dauerregenwarnschwellen recht wahrscheinlich überschritten
werden (von Di, 12UTC bis Mi, 12 UTC: 30 bis 50 mm). Im Norden und Nordwesten
herrscht unter der Höhenkaltluft zum Teil noch rege
Schauertätigkeit, zwischen der Schauerzone und den frontalen Regenfällen bleibt
es meist trocken und teils aufgelockert bewölkt.
An der Nordflanke der Welle fächert der Gradient deutlich und zügig auf, sodass
im breiten Streifen quer über der Mitte kaum warnwürdige Böen mehr zu erwarten
sind (Ausnahme Mittelgebirgsgipfel: Bft 9-10). Im Norden bleibt dagegen ein
veritabler Gradient erhalten, sodass an der See Sturmböen Bft 9, an der Nordsee
anfangs auch noch schwere Sturmböen Bft 10, im angrenzenden Binnenland
stürmische Böen Bft 8 und über der Norddeutschen Tiefebene gebietsweise steife
Böen Bft 7 auf dem Plan stehen. Südlich des Wellenscheitels frischt der Wind
nach vorübergehender Abschwächung im Verlauf der Nacht insbesondere im
südwestdeutschen Bergland wieder stark bis stürmisch auf, im Schwarzwald drohen
schwere Sturmböen Bft 10.
Luft- und Bodenfrost ist am ehesten im eher windschwachen und aufgelockerten
zentralen Mittelgebirgsraum lokal möglich.

Mittwoch … schwächt sich das steuernde Tief EUGEN über dem Kattegat nur
langsam ab. Derweil schwenkt der Kurzwellentrog mit reichlich Höhenkaltluft
(T500 bis knapp -35 Grad) nach Deutschland, ein weiterer zu den Britischen
Inseln. Im Bodenfeld zieht die Frontalwelle über den Süden Deutschlands nach
Tschechien und Polen ab, gefolgt von einem Hochkeil. Zwischen dem Keil und dem
alternden Tief EUGEN stellt sich eine recht stramme westnordwestliche Strömung
ein, in der sich auch im Süden wieder maritime Subpolarluft durchsetzt (T850
zwischen +1 und -4 Grad). Der frontale Regen im Süden zieht im Tagesverlauf an
die Alpen zurück. Dort fallen gebietsweise nochmal um die 10 mm, die
Schneefallgrenze sinkt auf 1500 bis 1200 m. Im übrigen Land wird die Schichtung
mit dem Höhentrog hochreichend labilisiert, sodass es zu reger Schauer- und
Gewittertätigkeit kommt. In den synoptischen Basisfeldern fallen dabei vor allem
über den mittleren Landesteilen beachtenswerte kinematischen Bedingungen ins
Auge (sowohl hochreichende als auch bodennahe Scherung, „left exit“ des nach
Süddeutschland gerichteten, starken Jet-Streaks (nach ICON bis knapp 120 Knoten
in 300 hPa)). Organisierte Konvektion mit Hagel und Sturmböen müssen demnach in
Betracht gezogen werden.
Ganz im Süden muss mit Passage der Kaltfront der abziehenden Welle verbreitet
steifen bis stürmischen Böen Bft 7-8 gerechnet
werden, in Hochlagen und durch Leitplankeneffekt unmittelbar an den Alpen mit
(schweren) Sturmböen Bft 9-10. Auch über der Norddeutschen Tiefebene bleibt es
zeitweise stürmisch, an der See in Böen mit Bft 9. Ansonsten frischt der Wind
erst im Tagesverlauf wieder auf und erreicht in Böen zumindest gebietsweise Bft
7.
In der maritimen Kaltluft steht ein weiterer unterkühlter Frühlingstag ins Haus,
die Höchstwerte liegen zwischen 8 und 14 Grad.

In der Nacht zum Donnerstag zonalisiert die Höhenströmung zwischen dem nach
Polen und zum Baltikum abziehenden Kurzwellentrog und dem neuen Ableger bei den
Britischen Inseln über Mittel- und Westeuropa.
Im Bodenfeld steigt der Luftdruck zwischen dem sich weiter abschwächenden Tief
EUGEN über Südschweden und einer neuen Frontalwelle bei der Bretagne über
Mitteleuropa insgesamt noch etwas an, infolgedessen sich ein Hoch mit
Schwerpunkt über dem Alpenraum ausbilden kann.
Im Norden bleibt die Schichtung labil, sodass weitern Schauern oder
schauerartigen Regenfällen auftreten. Ansonsten stabilisiert es, sodass die
Schauer meist in sich zusammenfallen sollten und es gebietsweise auflockert.
Während der Gradient im Küstenumfeld, insbesondere an der Ostsee weiter erhalten
bleibt und mit weiteren stürmischen Böen und Sturmböen gerechnet werden muss,
fächert er ansonsten deutlich auf. Warnwürdige Böen beschränken sich dann auf
die Mittelgebirgsgipfel.
Die Gefahr vor Luft-, insbesondere Bodenfrost nimmt im Vergleich zur Vornacht
zumindest in der Mitte und im Süden etwas zu.

Donnerstag … verlagert sich der Ableger des nordeuropäischen Langwellentroges
von den Britischen Inseln zur Deutschen Bucht und weitet sich etwas nach Süden
aus. Vorderseitig steilt die recht glatte Höhenströmung über Deutschland
deswegen wieder etwas auf Westsüdwest auf.
Im Bodenfeld nähert sich die o. e. neue Frontalwelle über Frankreich langsam an,
bleibt aber modellübergreifend (die genaue Position ist noch unklar) bis zum
Abend noch westlich des Bundesgebietes.
In der labilen Luftmasse entwickeln sich über der Nordhälfte wieder Schauer, im
Nordwesten nahe des Trogablegers in der höhenkältesten Luft auch einzelne
Gewitter. Im Tagesverlauf greifen – bedingt durch WLA vorderseitig der
Frontalwelle länger anhaltende Regenfälle auf den Süden, Westen und die Mitte
aus (eventuell neue Dauerregenlage für Staulagen der südwestdeutschen
Mittelgebirge bzw. der Alpen).
Der Gradient fächert mit Annäherung der Welle auch im Norden langsam auf, an der
See dürften aber nochmal stürmische Böen, im Nordosten und Osten einzelne steife
Böen auf der Agenda stehen.
Während in den Süden wieder etwas mildere Luft einsickert (T850 auf 0 bis 5 Grad
ansteigend, macht sich aufgrund des einsetzenden Regens aber eher wenig
bemerkbar), bleibt der Rest des Landes in frischer maritimer Polarluft (T850
zwischen -1 und -5 Grad).

Modellvergleich und -einschätzung

Im Hinblick auf die synoptischen Basisfelder rechnen die verschiedenen
Globalmodelle zumindest bis einschließlich Mittwoch recht ähnlich.

Die markante Sturmlage mit verbreiten Böen Bft 8-9 scheint sehr wahrscheinlich,
entsprechend wurde bereits mit der Herausgabe der (Basis-)Warnungen begonnen.
Die Berechnungen des IFS und IFS-EPS, die in der Fläche eine Windstärke mehr
(verbreitet Bft 9-10) suggeriert, stellt dagegen (noch) eine Außenseiterlösung
dar.
Dennoch haben wir das Potenzial für regional vermehrt auftretende schwere
Sturmböen im Auge und satteln (zeitnah) auf die Basiswarnungen auf. Die am
wahrscheinlichsten betroffenen Regionen wurden im Text erwähnt.

Das Dauerregenereignis im Schwarzwald zwischen Dienstag- und Mittwochmittag ist
mit den vergangenen Läufen wahrscheinlicher geworden, sodass eine Herausgabe der
(markanten) Warnung noch im Laufe des Abends in Erwägung gezogen werden kann.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Adrian Leyser