SXEU31 DWAV 031800 SYNOPTISCHE UEBERSICHT KURZFRIST ausgegeben am Samstag, den 03.04.2021 um 18 UTC
SXEU31 DWAV 031800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 03.04.2021 um 18 UTC
Markante Wettererscheinungen:
Nach einem ruhigen Ostersonntag ein sehr bewegter Ostermontag – Durchgang einer
aktiven Kaltfront mit nachfolgender Zufuhr arktischer Polarluft. Niederschläge
bis in tiefe Lagen in Schnee übergehend. Am Dienstag Troglage.
Synoptische Entwicklung bis Dienstag 12 UTC
Aktuell … sind die Rollen auf der Geopotenzial- und Luftdruckbühne klar
verteilt: über dem nahen Atlantik ein breiter Höhenrücken mit dem
korrespondierendem Bodenhoch ODETTE, knapp östlich und nordöstlich von uns ein
LW-Trog mitmehreren Tiefs, darunter die Herren RAMA, SIEGFRIED, THORBEN und
ULLI. Von Letzterem wird im Verlaufe dieses Bulletins noch die Rede sein,
während die anderen drei bestenfalls noch als Steigbügelhalter für die nördliche
Strömung bei uns taugen. Die dauert nun schon seit zwei Tagen an und hat
zunächst auch nicht vor, das Ende einzuleiten. So hat sich im gesamten
Vorhersageraum (sub)polare, inzwischen weitgehend abgetrocknete Meeresluft
durchgesetzt (T850 heute Abend zwischen -2°C im Südwesten und -7°C im Osten), in
der es heute tagsüber vor allem nach Osten und Süden hin noch einige Regen- und
Schneeschauer gegeben hat. Ansonsten konnte man aber die Nähe zum atlantischen
Hoch spüren, wenn auch nicht unbedingt anhand der Temperatur, so doch an der
Sonnenscheindauer.
In der Nacht zum Ostersonntag nimmt der antizyklonale Einfluss sogar noch etwas
zu. Zum einen kräftig sich der nach Mitteleuropa gerichtete Bodenhochkeil noch
etwas, zum anderen nähert sich von Norden her ein weiterer Keil, allerdings in
der Höhe. Andauerndes Absinken gepaart mit dem Tagesgang lassen die anfangs im
Osten und Süden z.T. noch prominent vertretenden CU- und SC-Wolken immer weniger
werden bzw. sich ganz auflösen, so dass auch die Schauerneigung zurückgeht. Am
längsten dürften am östlichen Alpenrand noch einzelne Schnee- oder Regenschauer
am Start sein. Wolkenauflösung, Windabnahme plus trockene Kaltluft (Taupunkte
mit Ausnahme des Nordwestens häufig im negativen Bereich) bilden die ideale
Gemengelage für Nachtfrost, den es in weiten Landesteilen dann auch geben wird.
In den Mittelgebirgen sowie z.T. auch im Osten reicht es punktuell sogar für
mäßigen Frost.
Etwas anders als beschrieben läuft der Hase im Westen und Nordwesten, wo leichte
WLA den Höhenkeil überläuft. Dadurch verschärft sich die auf 900 hPa
positionierte Inversion (Anstieg T850 auf 0 bis +4°C), unter der von der Nordsee
her dichte SC-/ST-Bewölkung landeinwärts verfrachtet wird. Im Nordseeumfeld kann
es hier und da etwas nieseln, ansonsten bleibt es aber trocken und vor allem
frostfrei.
Sonntag … erreicht der Höhenkeil mit seiner Achse zunächst Nord- und den
Abendstunden dann auch Mitteldeutschland. Gleichzeitig wandert der sich noch
etwas verschärfende Bodenkeil langsam gen Süden. Während bei uns also
österlicher Müßiggang angesagt ist (zumindest natur-atmosphärisch), braut sich
über Nordeuropa Einiges zusammen. Zum einen mausert sich besagter ULLI zu einem
beachtlichen Sturmtief, das am Mittag mit einem Kerndruck von etwas unter 970
hPa (IFS peilt gar 965 hPa an) quasistationär süd-südwestlich von Spitzbergen zu
finden ist. Doppelt hält besser, denkt sich ULLI und generiert im Bereich der
Haltenbank noch ein kleines wellenartiges Randtief, das im weiteren Verlauf über
die norwegischen Berge ostwärts „springt“. Auf der Westflanke der beiden Tiefs
wird sehr kalte Arktikluft aus dem Polargebiet respektive Ostgrönland nach Süden
gesteuert, was wiederum eine kräftige Austrogung über dem Nordmeer bewirkt. Die
Kaltfront der beiden ULLIs erreicht am Mittag die Nordküste Schottlands bzw.
Svinöy, womit sie noch weit genug vom Vorhersageraum entfernt ist, um hier
nennenswerte Impulse zu setzen.
So verläuft der morgige Ostersonntag bei uns vergleichsweise beschaulich mit
einer Zweiteilung des Wetters. Im Süden scheint im Bereich des Hochkeils die
Sonne von einem wolkenlosen oder nur locker bewölkten Himmel. In der Mitte
schließt sich ein nicht unfreundlicher, tendenziell aber etwas wolkigerer
Streifen an, während sich nördlich der zentralen Mittelgebirgsschwelle die
starke Bewölkung mit lokal leichtem Nieselregen weiter nach Osten ausdehnt.
Entsprechend fällt dort die Tagesbilanz der Sonnenscheindauer eher bescheiden
aus, auch wenn sich im Tagesverlauf von Westen her vermehrt Auflockerungen am
Himmel zeigen. Zum Nachmittag hin setzt im äußersten Norden verstärkt Druckfall
ein (an der deutsch-dänischen Grenze rund 8 hPa in 6 h), was den auf Südwest
rückdrehenden Wind an der Küste (vor allem an der Nordsee) stark böig
auffrischen lässt mit Böen 7 Bft, Nordfriesland 8 Bft.
Absinkbedingt, im Norden auch advektiv steigt die Temperatur in der unteren
Troposphäre weiter an. So stehen am Abend im Westen bis zu +6°C zu Buche,
während es in Ostbayern noch -3°C sind. Unter dem Strich bedeutet das
Tageshöchstwerte von 10 bis 15°C in der Südhälfte (Mittelgebirge und Alpenrand
etwas darunter) und nur 7 bis 10°C unter den dichten Wolken in Norddeutschland.
In der Nacht zum Montag beginnt es zumindest im Norden, ungemütlich zu werden.
Das Hauptsturmtief ULLI rückt etwas nach Süden vor, wo es unweit der Lofoten
einen zweiten Kern ausbildet (laut IFS etwas unter 965 hPa am Morgen). Derweil
steuert das Teiltief den Bottnischen Meerbusen an. Die Kaltfront erreicht
wahrscheinlich kurz vor Mitternacht die deutsche Nordseeküste, wobei sie gut mit
der diffluenten Vorderseite (PVA) des südwärts bis zur Nordsee vorstoßenden
Höhentrogs interagiert. Entsprechend bildet sich ein wohldefiniertes Regenband
aus, das zwar keine Unsummen bringt, gebietsweise aber immerhin an die 5 l/qm
innert 12 h (in den mittlerweile schon wieder ganz schön trockenen Zeiten ist
man froh über jeden Millimeter). Würde nicht die überlaufende KLA seine
teilkompensatorischen Fähigkeiten ausspielen, würde wahrscheinlich noch mehr
Regen fallen. Auf alle Fälle erreicht die Vorderkante des Regenbandes bis zum
Morgen eine Linie Ruhrpott-Uckermark unter Berücksichtigung der prognoseüblichen
Toleranzen. Zwar simulieren die hochauflösenden Modelle an der Kaltfront eine
sehr schmale diskrete Linie mit hoher Radarreflektivität, was auf sehr gut
ausgeprägte Querzirkulation hindeutet. Gleichwohl ist die
Gewitterwahrscheinlichkeit mit Frontpassage aufgrund der stabilen Schichtung als
sehr gering einzustufen.
Wichtiger als das ist ohnehin die Tatsache, dass unmittelbar auf die baroklin
extrem gut aufgestellte Front ein Schwall maritim-polarer Arktikluft folgt, in
der die 850-hPa-Temperatur binnen kürzester Zeit von rund 0°C um Mitternacht
herum auf -7 bis -10°C um 06 UTC zurückgeht. Das ist so rasch, dass der Regen an
der einen oder anderen Stellen kurz vorm Aufhören noch in Schnee übergehen kann,
wobei Glätte aber kein Thema sein sollte (vielleicht lokal etwas Schneematsch).
Nach Durchzug des Niederschlagsbandes reißt die Wolkendecke kurzzeitig auf
(klassische postfrontale Subsidenz), bevor leicht verzögert die Höhenkaltluft
des Troges nachfolgt und eine Labilisierung der Kaltluft einleitet. Am frühen
Morgen dürften aber allenfalls die Regionen von Ostfriesland bis hinüber nach
Ostholstein von ersten konvektiven Umlagerungen betroffen sein. Auf der Karte
stehen dann allerdings Schnee-, Schneeregen- und Graupelschauer, evtl. auch
schon erste kurze Graupelgewitter.
Ein zweiter wichtiger Aspekt neben dem Niederschlag stellt die Windentwicklung
dar. Vor der Front verschärft sich der Druckgradient immer weiter, weil der
Druck im Norden schneller fällt als weiter südlich. Da die Schichtung aber
stabil ist, „profitieren“ vor allem die Kamm- und Gipfellagen von einem
auffrischenden Südwest- bis Westwind mit Böen 8-9 Bft, exponiert teils 10 Bft,
auf dem Brocken später bis 12 Bft. Mit Frontpassage kommt es nicht nur zu einem
markanten Windsprung auf Nordwest, es wird zudem ein erstes Maximum erreicht mit
Spitzen 7 bis 8 Bft. An den Küsten stehen zunächst Böen 7-8 Bft aus Südwest bis
West, später dann 8-9 Bft mit Sprung auf Nordwest auf dem Zettel.
Der Süden und Teile der Mitte bekommen von der bevorstehenden Wetteränderung
noch nichts mit. Zwar verliert der Hochkeil mehr und mehr an Substanz, mehr als
zunehmende Bewölkung von Nordwesten her und anspringender Wind in Kamm- und
Gipfellagen ist nicht im Protokoll aufzunehmen. Im Süden und Südosten kann es
noch mal leichten Frost geben.
Montag … steht voll im Zeichen der Kaltfrontpassage, die, angetrieben durch
den weiter auffrischenden Nordwestwind, wie das Messer durch die Butter von Nord
nach Süd streicht. Bereits zur Mittagszeit greift sie auf die Südhälfte über und
gegen Abend erreicht sie die Alpen – sportlich, sportlich. Dahinter folgt der
sich weiter amplifizierende Höhentrog, der voll bis oben mit Kaltluft angefüllt
ist, die ihren Namen redlich verdient hat. So geht die 500-hPa Temperatur in der
Nordhälfte bis zum Abend auf knapp unter -40°C, in 850 hPa verbreitet auf -6 bis
-9°C zurück.
Es stellt kein Geheimnis dar, das es sich angesichts einer solch vertikalen
Temperaturverteilung um eine extrem labil geschichtete Luftmasse handelt, die da
den Weg zu uns findet. Und so verwundert es auch nicht, dass sich nach einer
kurzen postfrontalen Pause vermehrt Schauer und kurze Gewitter entwickeln, die
sich staffelartig von Nordwesten her südostwärts ausbreiten und mit kurzen
sonnigen Fenstern abwechseln. Typisches Aprilwetter eben, obwohl der April in
den letzten Jahren eher durch Trockenheit und einen hohen Sonnenanteil als durch
Wechselhaftigkeit aufgefallen ist. Die reine flüssige Phase sucht man in den
Schauern übrigens weitgehend vergebens, meist fallen sie in Form von
Schneeregen, Schnee oder Graupel, der auch die Gewitter begleitet.
Bevor die Konvektion so richtig ins Brodeln kommt, muss natürlich erst noch der
frontale Niederschlag durch. Binnen weniger Stunden (länger als 2-3 Stunden
dauert´s ja nicht) können dabei bis zu 5 l/qm, in Staulagen sogar 5 bis 10 l/qm
fallen. Im hinteren Teil des Niederschlagsbandes geht der Regen rasch bis in
tiefe Lagen in Schnee übergeht. Für eine Schneedecke dürfte es in tiefen Lagen
aufgrund der kurzen Andauer und der warmen Vorgeschichte wohl nicht reichen,
wohl aber für etwas Schneematsch. In den Mittelgebirgen sowie zum Abend hin auch
im Alpenvorland kann sich hingegen eine dünne Schneedecke ausbilden.
Zum Wind, der sowohl prä- als auch postfrontal noch etwas zulegt. Für
Süddeutschland bedeutet das am Vormittag einen merklich auffrischenden Südwest-
bis Westwind mit Böen 7-8 Bft, im Alpenvorland durch Leitplankeneffekt
vereinzelt 9 Bft. Auch bei Passage der Kaltfront sind mit Winddrehung auf
Nordwest bis Nord Sturmböen 9 Bft möglich. Postfrontal werden ebenfalls Böen der
Stärke 7-8 Bft, in kräftigen konvektiven Zellen bis zu 9 Bft erwartet. An der
Küste sowie im höheren Bergland sind vermehrt mit Sturmböen, in exponierten
Kammlagen sowie an der Nordsee einzelnen schweren Sturmböen 10 Bft, auf dem
Brocken mit KF-Passage vielleicht 11 Bft gerechnet werden. Summa summarum also
ein unruhiger, aber synoptisch hochinteressanter Ostermontag.
Fehlen abschließend noch die Temperaturen, die nur ganz im Süden noch mal auf 10
bis 15°C ansteigen. Ansonsten lautet die Spanne 4 bis 10°C, wobei das Maximum
z.T. schon am Vormittag erreicht wird. Im Bergland schießt die Temperatur in den
Schauern bis auf Gefrierpunktnähe nach unten.
In der Nacht zum Dienstag überdeckt der Höhentrog den gesamten Vorhersageraum,
angefüllt mit mächtiger Kaltluft, die auf direktem Weg aus dem Polargebiet zu
uns gestoßen ist. T850 von -7 bis -11°C und T500 zwischen -36 und -41°C sprechen
eine deutliche Sprache. Die Kaltfront überquert die Alpen rasch südwärts,
dahinter baut sich vorübergehend eine Staulage auf. Im Allgäu sind dabei bis zu
15 cm Neuschnee denkbar, sonst am Alpenrand eher 5 bis 10 cm, im südlichen
Alpenvorland bis zu 5 cm.
In den übrigen Landesteilen kommt es zu weiteren Schnee- oder Graupelschauern
incl. kurzer Gewitter. Betroffen vor allem ein Korridor von der Nordsee und den
Niederlanden bis hinüber zur östlichen Mitte, wo im Stau der Mittelgebirge bis
zu 5 cm Neuschnee zusammenkommen können. Dagegen offenbart sich sowohl im
Nordosten (Abtrocknung durch Skandiföhn) als auch zwischen Main und Donau sowie
im Südwesten ein Schauerminimum; zum Teil bleibt es sogar ganz trocken.
Der Gradient fächert etwas auf und auch der Tagesgang zeigt Wirkung, so dass der
Wind allgemein schwächer wird. An der Küste sowie in höheren Lagen reicht es
aber noch für Böen 7 bis 8 Bft, anfangs vereinzelt 9 Bft. Ansonsten sind nur in
Schauern noch etwas kräftigere Böen zu erwarten. Mit Ausnahme des unmittelbaren
Küstensaums sowie stellenweise in der Norddeutschen Tiefebene sinkt die
Temperatur trotz z.T. zeitweiliger Bewölkung respektive relativ kurzer klarer
Fenster verbreitet auf etwas unter 0°C, im Bergland auch in den mäßigen
Frostbereich. Dabei muss neben Schneeglätte (gebietsweise) auch mit gefrierender
Nässe gerechnet werden.
Dienstag … dauert die Troglage mit Schnee- und Graupelschauern sowie kurzen
Gewittern an. Dabei frischt der West-Nordwestwind erneut böig auf, wenn auch
nicht mehr so kräftig wie am Vortag. An der Nordsee und in höheren Lagen sind
Böen 8 Bft wahrscheinlich, sonst nur in ganz exklusiven Schauern oder Gewittern.
Mehr als 3 bis 8°C sind aus der Polarluft nicht herauszuholen, im Bergland Werte
um den Gefrierpunkt.
Modellvergleich und -einschätzung
Die Modelle zeigen eine hohe Übereinstimmung, auch wenn GFS immer noch
geringfügig langsamer mit der Kaltfront am Montag ist als ICON und IFS.
Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann