SXEU31 DWAV 191800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 19.01.2021 um 18 UTC

Markante Wettererscheinungen:
Kommende Nacht im Süden bis in Teilen der Mitte hinein teils erhebliche Glätte.
In der Folge teils stürmisch und mild, im Südosten allerdings kaum Milderung.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 12 UTC

Aktuell … ist in einer zonalen Höhenströmung mit Durchzug einer
Warmfrontwelle, deren Scheitel aktuell dicht östlich von Hamburg liegt, nahezu
die komplette (niedertroposphärische) Kaltluft der Vortage ausgeräumt worden.
Die 0 Grad- Isotherme in 850 hPa hat Oder, Neiße und Niederbayern erreicht und
mit einer südwestlichen Strömung hat sich vergleichsweise milde Atlantikluft
durchgesetzt. Was für die niedere Troposphäre gilt, muss aber im bodennahen
Niveau noch lange nicht gelten. So sind die Taupunkte von Süddeutschland bis
nach Brandenburg noch negativ (südlich der Donau nahe -5 Grad) und so kann man
sich leicht ausmalen was passiert, wenn nach Abzug der Niederschläge die Wolken
in den nächsten Stunden auflockern und der Wind nachlässt. Über Frankreich lässt
sich bereits bis auf Höhe Paris ein wolkenfreier Bereich erkennen, der sich von
Südwesten nach Deutschland „hineinfressen“ wird. Berücksichtigt man zudem, dass
die Frosteindringtiefen durch die kalten Vortage im Süden (wegen Schnees „nur“)
bei etwa 5 cm und im Osten und Nordosten bei rund 10 Zentimeter liegen, entsteht
ein gefährlicher Mix aus erhöhtem Glatteispotential durch abrupt gefrierender
Nässe. Daher haben wir uns für die offensive „Ocker“ Glättestrategie entschieden
und je nach vorankommen der Wolkenkante nach Norden werden die Warnungen im
Laufe der Nacht entsprechend zur Mitte und in den Osten ausgeweitet.

Sicher nix zu tun mit Glätte hat man von Schleswig-Holstein bis ins Rheinland,
wo es im schleifenden Frontbereich (Okklusion) einer weiteren Welle, die in das
Tief bei den Britischen Inseln reinläuft dicht bewölkt bei zeitweiligem leichten
Regen bleibt. Das ist dann gleichzeitig auch der Bereich, wo der Südwestwind an
den Warnschwellen kratzt. An der Nordsee und generell auf den Bergen werden Böen
bis Sturmstärke (8 bis 9 Bft) überschritten.

Mittwoch … wölbt sich WLA bedingt auf der Vorderseite des steuernden Tiefs mit
Zentrum dicht nördlich der Hebriden ein Höhenrücken von der Adria bis zur Ostsee
auf. Damit dreht die Strömung über Mitteleuropa etwas rück auf Südwest und ist
zunehmend antizyklonal konturiert. Das Bodentief, das entwicklungsfördernd mit
Achsenneigung zum Höhentief auf dessen Trogvorderseite liegt, entwickelt es sich
im Tagesverlauf unter Vertiefung auf unter 975 hPa zu einem Sturmtief.
Förderlich ist da außerdem noch der Einbezug eines Trogtiefs mit warmem Kern an
der Südflanke, das bis zum Abend absorbiert wird.

Somit ergibt sich für unser Wettergeschehen im breiten Warmsektor unter
schwachem Absinken ein vielfach freundlicher Tag bei nur harmlosen hohen und
mittelhohen Wolkenfeldern. Nur in Küstennähe dreht der Wind zu langsam auf Süd,
so dass nicht alle Feuchtefelder nach Norden rausgedrückt werden und es meist
trüb bleibt mit gelegentlichem Regen oder Sprühregen.

Im Süden wird es sogar für längere Zeit sonnig – gerade auch wegen der föhnigen
Unterstützung. Mit zunehmendem Drucküberschuss auf der Alpensüdseite
(Bozen-Innsbruck 8-9 hPa, Lugano-Zürich sogar rund 12 hPa) setzen auf den
Alpengipfeln zunehmend Sturmböen 8-9 Bft, zum Abend hin sogar schwere Sturmböen
10 Bft ein. Zudem treten in föhnanfälligen Tälern Windböen (7 Bft) auf. Durch
die Überströmung der Alpen steigen auch die 850-hPa Temperaturen noch etwas an
(3 bis 7°C), so dass es auch in 2m Höhe verbreitet ein milder Januartag mit 6
bis 12 Grad wird. Auch in den Hochlagen der Mittelgebirge nimmt die
Dauerfrostperiode ein Ende, aufgrund der zunehmenden Abtrocknung der Luftmasse
hält sich aber das Tauwetter in Grenzen und der Schnee sublimiert nur ein wenig
dahin.

Abgesehen vom Föhn an den Alpen weht der südliche Wind an der Nordsee mit
stürmischen Böen, an der Ostsee und im Nordwesten mit steifen Böen 7 Bft,
Tendenz am Nachmittag und Abend vorübergehend etwas nachlassend. Weiterhin
windig bleibt es auch im Mittelgebirgsraum mit Böen 7 Bft in freien Lagen und im
Lee, sowie 8-9 Bft (Brocken 11 Bft) in exponierten Kamm- und Gipfellagen.

In der Nacht zum Donnerstag beginnt das Sturmtief über der Irischen See, das den
Namen GORAN erhalten hat, mit einem rückseitig reinschießenden IPV-Maximum zu
interagieren. Auf der diffluenten Trogvorderseite im linken Jetausgang gelegen,
kann sich das Tief weiter auf rund 960 hPa vertiefen und erreicht die Seegebiete
nördlich der Doggerbank. Die zugehörige Kaltfront überquert den Kanal, Benelux
sowie Westfrankreich und erreicht am frühen Morgen den äußersten Westen und
Nordwesten, wo es anfängt zu regnen.

Weitaus signifikanter ist jedoch die Gradientverschärfung durch Druckfall im
Vorfeld der Kaltfront. So treten von der Nordsee bis zur Saar bis in tiefe Lagen
zunehmend stürmische Böen 8 Bft, im Bergland und im Lee sowie an der Nordsee
Sturmböen 9 Bft aus Süd auf. Auf dem Brocken und auch auf den Alpengipfeln
treten Böen bis Orkanstärke auf.

Im Süden und Südosten sowie in den östlichen Mittelgebirgen geht die Temperatur
bei vielfach klarem Himmel in den leichten Frostbereich, lokal im Bayerwald
sogar unter -5°C zurück. Aufgrund der abgetrockneten Luftmasse und fehlender
Niederschläge dürfte Glätte nicht mehr das große Thema sein.

Donnerstag … vertieft sich das annähernd kreisrunde Tief GORAN auf nahe 950
hPa und erlangt mit Mittelwinden von 10 Bft und mehr den Status eines Orkantiefs
über der nördlichen Nordsee. Bei Seegängen bis 8 Meter sollte auf Seereisen –
gelinde gesagt – eher verzichtet werden.

Trotz der vergleichsweise großen Entfernung zu uns wird auch die südwestliche
Höhenströmung wieder zyklonaler, was auch der eingelagerten Kaltfront geschuldet
ist. Diese kommt vor allem im Norden noch recht zügig ostwärts voran, wird aber
durch ein neues Randtief über der Bretagne im Tagesverlauf rasch ausgebremst. Um
die Mittagszeit rum sollte sie sich in etwa von Vorpommern über den Harz bis zum
Oberrhein erstrecken. Mit zunehmender Entfernung zum Höhentrog verlieren die
frontgebundenen Regenfälle auf dem Weg nach Osten immer mehr an Struktur, so
dass entlang von Elbe und Saale schon keine signifikanten Mengen mehr ankommen.
Zudem wird die Front auch von schwacher KLA überlaufen. Im Westen sind dagegen
gut und gerne 5, in Staulagen bis 10 l/qm binnen 6 Stunden zu erwarten. Auch
wenn postfrontal ein Schwall erwärmter Meereskaltluft herangeführt wird, liegen
die 850 hPa Temperaturen mit nur wenig unter 0 Grad immer noch zu hoch, um die
Schneefallgrenze wieder bis in die Kammlagen zu drücken. Somit fällt sämtlicher
Niederschlag als Regen. Postfrontal, aber vor allem präfrontal im Südosten
Bayerns scheint längere Zeit die Sonne.

A propos Temperaturen: Aufgrund der guten Durchmischung stehen erneut verbreitet
zweistellige Höchstwerte zwischen 10 und 13 Grad, am Oberrhein lokal sogar bis
15 Grad auf der Agenda. Nur Teile Niederbayerns bleiben mitunter noch immer
entkoppelt und bei schwachem Südostwind liegen die Höchstwerte nach frostiger
Nacht nur wenig über dem Gefrierpunkt.

Im Blickpunkt des Geschehens bleibt vor allem in der ersten Tageshälfte der
Wind, der in der Nordwesthälfte in Böen stürmisch weht. Auf den Nordseeinseln
und an der Nordfriesischen Küste treten vorübergehend auch schwere Sturmböen (10
Bft) aus Süd bis Südwest auf. Die Wahrscheinlichkeit für Unwetter ist nach
derzeitigem Stand aber gering (COSMO-LEPS mit nahe 30% vor Sylt). Trotz
stattlicher Ausprägung des Tiefs sprechen Entfernung und Windrichtung eher
dagegen. Da hilft auch ein Streifschuss des Höhentroges mit 500 hPa Temperaturen
unter -30 Grad wenig, da selbst bei Durchgang nur vereinzelt simulierter Schauer
die Höhenwinde in 850 hPa 50 Knoten bei der Mehrzahl der Modelle nicht
überschreiten. Nur das IFS bietet 60 Knoten an.

Zum Nachmittag lässt der Wind allgemein postfrontal zeitgleich mit „Verhungern“
der Front etwas nach. Der Föhn in den Alpen verliert ebenfalls etwas an
Substanz, bricht aber aufgrund der zurückgehaltenen Kaltfront noch nicht
zusammen.

In der Nacht zum Freitag wird rasch ein Kurzwellentrog über Nordfrankreich nach
Norddeutschland gesteuert. Damit verbunden ist das flache Randtief am Boden, das
mit Erreichen des Kattegats in den Frühstunden seine eigene Rotation immer mehr
aufgibt und vom steuernden Tief GORAN über der nördlichen Nordsee „geschluckt“
wird. Nach Durchschwenken der Warmfront, von der der Südosten nicht viel
mitbekommt, folgt in der zweiten Nachthälfte von Westen rasch die Kaltfront
nach. Sie erreicht bis zum Morgen etwa eine Linie Lübeck-Freiburg. Die
thermischen Gegensätze an der Front bleiben vergleichsweise gering. Gealterte
Atlantikluft mit T850 bis +5 Grad im Osten wird von Westen durch subpolare
Meeresluft mit T850 von etwa -4 Grad ersetzt.

Das bedeutet, dass die Regenfälle, die im Schnitt etwa 5 bis 10 l/qm binnen 12
Stunden bringen, an der Rückseite des Niederschlagsbandes oberhalb etwa 600
Meter zunehmend wieder in Schnee übergehen. Von der Oberlausitz bis zu den Alpen
bleibt es noch meist trocken. Im Südosten Bayerns und am Alpenrand geht die
Temperatur bei aufgelockerter Bewölkung gebietsweise in den leichten
Frostbereich zurück. Sonst bleibt es bei 0 bis 7 Grad frostfrei.

Der Wind frischt mit Passage des Randtiefs an dessen Südflanke vorübergehend
erneut auf mit starken bis stürmischen Böen im Flachland und teils schweren
Sturmböen auf den Bergen. An der Nordsee nimmt die Welle kurzzeitig den Wind mal
etwas raus. Davor und danach muss aber auch dort anhaltend mit Sturmböen aus
Südwest gerechnet werden.

Freitag … liegen wir am Südrand des ehemaligen Orkantiefs, das sich
achsensenkrecht und unter Reibung mit Landfall auf Südnorwegen langsam
abschwächt, weiterhin in einer zyklonal geprägten west-südwestlichen Strömung.
Im Norden und Nordwesten fließt höhenkalte Luft mit T500 unter -30, an Nordsee
und Ems bis -35 Grad ein was entsprechend zu einer Labilisierung der Schichtung
führt. Über dem Atlantik schießt derweil ein südlicher Ast der Frontalzone über
die Biskaya ins westliche Mittelmeer und löst im Golf von Genua eine Zyklogenese
aus. Während die nächtliche Kaltfront über weiten Landesteilen rasch ostwärts
abzieht, wird sie durch das neue Tief über Süddeutschland zurückgehalten und
rückläufig.

Im Endeffekt bedeutet das eine Dreiteilung über Deutschland:

In Küstennähe und im Nordwesten gibt es bei einem Mix aus Sonne und Wolken
vereinzelt kurze Regen- oder Graupelschauer – gepaart mit Windböen, an der See
auch abseits der Schauer Sturmböen.

Südlich davon schließt sich ein Bereich mit einem freundlichen Mix aus Wolken
und längeren sonnigen Abschnitten an…

..bevor im Süden dichtere Wolkenfelder bei zeitweiligen, meist leichten
Niederschlägen überwiegen. Dabei besteht bereits ab den frühen Morgenstunden vom
Vogtland bis nach Niederbayern bei Erreichen der Niederschläge eine gewisse
Wahrscheinlichkeit für gefrierenden Regen. Wie viel und ob Niederschlag
überhaupt ankommt, beziehungsweise wie gut es zuvor überhaupt auskühlen konnte,
sind aber noch große Unbekannte. Ebenso unsicher ist, inwieweit die dann als
Warmfront rückläufige Front durch einen weiteren Kurzwellentrog über
Süddeutschland wieder aktiviert wird oder relativ inaktiv bleibt. Davon wird
auch abhängen, wie sich die Phase entwickeln wird (Stichwort:
Niederschlagsabkühlung). Ziemlich sicher jedoch scheint, dass die Föhnlage mit
Druckfall südlich der Alpen ein jähes Ende findet.

Die Temperaturen liegen landesweit nicht mehr ganz auf dem Niveau der Vortage,
bleiben aber mit 4 bis 9 Grad für die Jahreszeit auf der milden Seite.

Modellvergleich und -einschätzung

Im Großen und Ganzen sind sich die vorliegenden Modelle in den synoptischen
Basisfeldern weitgehend einig. Unterschiede – vor allem zum Freitag hin – wurden
bereits oben im Text angesprochen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Robert Hausen