S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 12.01.2021 um 10.30 UTC

Zunächst Wetterberuhigung und kalt, zum Sonntag wieder zyklonaler mit Milderung,
erweiterte Mittelfrist eventuell wieder kälter.

Synoptische Entwicklung bis zum Dienstag, den 19.01.2021

Die großräumige Entwicklung im atlantisch-europäischen Raum ist geprägt durch
eher meridionale Strömungsmuster. Dabei erstreckt sich hohes Geopotenzial über
dem Atlantik bis zur Arktis, demgegenüber ist die Frontalzone in Teilen
Eurasiens weit nach Süden verschoben. Das kann mittlerweile als ein sich
einstellendes troposphärisches Muster nach der plötzlichen
Stratosphärenerwärmung am 05./06.01.2021 betrachtet werden. Dementsprechend
bewegen sich sowohl AO als NAO-Index weiterhin im negativen Bereich.

Die weitere Entwicklung (auch über die Mittelfrist hinaus) wird wahrscheinlich
weiterhin dadurch beeinflusst, obwohl die Prognoseunsicherheit relativ groß
bleibt. Zudem soll zur Monatsmitte der zonal gemittelte zonale Wind in 60 Grad N
und 10 hPa erneut reversieren, also auf Ostwind drehen, wonach mit einer
gewissen Verzögerung auch ein weiteres troposphärisches Arktik- bzw.
Grönlandblocking gestützt werden sollte. In der Tat finden sich in den
weitergehenden Clustern des IFS verwertbare Signale dafür. Damit würden auch in
Nord- und Mitteleuropa etwa ab Mitte nächster Woche die Lösungen mit Nord oder
Nordost wieder zyklonal zunehmen. Ein weiterer Punkt könnte auch die allmähliche
Verlagerung des stratosphärischen und troposphärischen Polarwirbels infolge von
Split und Displacement mehr nach Nordsibirien/ Asien und damit einhergehende
hohe Werte der Potenziellen Vorticity (PV in der oberen Troposphäre und unteren
Stratosphäre) auch in dessen Randbereich (Mittel- und Osteuropa) für eine
nachhaltigere Abkühlung sorgen.

Actio gleich reactio heißt es in der Physik, und in der Tat lebt als
Gegengewicht (und erhöhter Unsicherheitsfaktor für die Modellwelt) auch die
Tiefdruckaktivität über dem Atlantik (ausgehend von Kanada/ Neufundland) wieder
deutlich auf. Das könnte auch damit zusammenhängen, dass infolge hohen
Geopotenzials über dem östlichen Nordpazifik auch über Nordamerika vermehrt
arktische Luftmassen ausfließen, die bei relativ hohen
Meeresoberflächentemperaturen des Nordatlantik vermehrt rapide Zyklogenesen
befördern könnten. Das hohe Geopotenzial über dem Nordpazifik wiederum sollte
mit der andauernden La Nina in Zusammenhang gebracht werden. Die
Tiefentwicklungen über dem Nordatlantik könnten vorderseitig zunehmend hohes
Geopotenzial über Grönland forcieren. Damit ergäbe sich eine Geopotenzialbrücke,
die vorwärts geneigt bis zur Arktis reicht. Damit wäre der Weg frei für die
weiter oben beschriebenen Zirkulationsmuster (siehe auch IFS ab Mitte nächster
Woche).

Natürlich ist auch eine südlichere Zugbahn der Tiefentwicklungen möglich. Dann
bliebe es zwar bei einer mehr oder weniger stark ausgeprägten
High-over-low-Situation über dem atlantisch-europäischen Raum, für Mitteleuropa
hieße das aber wieder zyklonalen Wettercharakter mit atlantisch geprägten
maritimen Luftmassen (ebenso in den Clustern des IFS und GFS enthalten).

Zurück zur Mittelfrist und dem prognostizierten synoptischen Ablauf:

Am Freitag liegt über dem nahen Ostatlantik ein langgestreckter Höhenrücken, der
bis zur Arktis reicht. Dieser korrespondiert mit hohem Luftdruck vom westlichen
Nordskandinavien über Mittel- und Westeuropa bis ins westliche Nordafrika.
Demgegenüber steht ein Langwellentrog über Ost- und Südosteuropa, der arktische
Luftmassen weit nach Süden transportiert. Deutschland liegt im Randbereich
dieses Höhentrogs, wobei das Bodentief mittlerweile über der Ukraine liegt. Ein
markanter Randtrog soll Ostdeutschland dabei von diesem Höhentrog gesteuert
südwärts überqueren. Damit verbunden sind erneute, meist leichte Schneefälle,
die im östlichen Bergland 5 bis 10 cm Neuschnee bringen können. Weiter westlich
ist der Höhenkeil wirksam, im Südwesten hingegen sorgt ein Kurzwellentrog im
Bereich der Luftmassengrenze noch für Niederschläge, die meist als Schnee
fallen. In der Nacht tritt vor allem im Süden und im Bergland über Schnee
strenger Frost auf.

Am Samstag ändert sich nicht viel an der Synoptik, einzig wird die
Geopotenzialbrücke über dem nahen Ostatlantik durch einen markanten
Kurzwellentrog durchbrochen, der sich samt korrespondierendem Bodentief über
England allmählich Westeuropa annähert. Damit einhergehend werden
Hebungsvorgänge in Gang gesetzt und die Temperatur in 850 hPa steigt in der
Nacht zum Sonntag von West nach Ost auf +2 bis -4 Grad. Die Niederschläge gehen
im Westen und Südwesten bis in hohe Lagen in Regen über, weiter östlich sowie
anfangs fällt meist Schnee. Je nach Vorgeschichte ist gebietsweise auch mit
Glatteisbildung durch gefrierenden Regen zu rechnen, im Osten und Süden tritt
bei Aufklaren zuvor nochmals strenger Frost auf. An der Nordsee und in Hochlagen
der Mittelgebirge treten stürmische und Sturmböen auf.

Am Sonntag und Montag verlagert sich der beschriebene Kurzwellentrog unter
Abschwächung ostwärts. Gleichzeitig soll vom Nordatlantik ein neuer markanter
Trog nachrücken, allerdings nehmen hier die Unsicherheiten zu. Über Neufundland
hingegen nehmen teils kräftige Zyklogenesen (von ICON bereits am Samstag
gerechnet) Fahrt auf und könnten das Grönlandblocking (siehe oben) forcieren.
Die Zeichen stehen allerdings zunächst auf Zonalisierung der Strömung in unserem
Bereich. Damit sind dann an beiden Tagen recht flächige Niederschläge verbunden,
im Schwarzwald und im Allgäu mit Signalen für Dauerniederschläge am Sonntag und
der Nacht zum Montag, die zumindest im mittleren und oberen Bergland bei
850hPa-Temperaturen so zwischen -2 und -5 Grad meist als Schnee mit
entsprechender Neuschneeauflage fallen dürften. Auch der Wind bleibt ein Thema.

Am Dienstag fließt zunächst vorderseitig des Troges über den Britischen Inseln
(mit vorübergehender Aufwölbung eines Höhenrückens nach ICON) mildere Luft in
die West- und Südhälfte (850 hPa-Temperatur von West nach Ost +4 bis -2 Grad).
Laut IFS soll dann über Deutschland ein schleifendes Frontensystem liegen,
einschließlich Randtiefentwicklung mit kräftigen Niederschlägen in der Südhälfte
sowie lokal teils wieder warnwürdigen Mengen. Bei positiven Temperaturen in 850
hPa ist zunächst Regen zu erwarten, erst in der Nacht zum Mittwoch sinkt die
Schneefallgrenze mit der Kaltfront von Nordwesten her. Stürmisch bleibt es im
Bergland, teils aber auch in tiefen Lagen.

Sowohl die synoptische Entwicklung, vor allem ab Dienstag, als auch die weiter
oben beschriebene weitere großräumige Entwicklung ist allerdings noch recht
unsicher.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Der aktuelle Lauf des EZMW erhöht zumindest im Vergleich mit dem Vorlauf die
Konsistenz bis zum Ende der Woche (siehe auch einheitlichere Cluster des IFS).
Wird doch mittlerweile recht einheitlich das zu erwartende Trog-Keil-Muster für
das Wochenende konzipiert. Einzig am Freitag könnte sich ein markanterer
Randtrog des nach Südosteuropa ziehenden Langwellentroges für Ostdeutschland mit
mehr Niederschlägen bzw. Schneefällen bemerkbar machen sollten. Ansonsten
greifen die Fronten eines Tiefs bei den Britischen Inseln bereits am
Samstagabend und in der Nacht zum Sonntag auf die Westhälfte mit Niederschlägen
über, im Verlauf meist Regen. Ab Beginn der neuen Woche nehmen die
Unsicherheiten naturgemäß deutlich zu, sodass auch die Konsistenz deutlich
schwächer ausfällt.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

ICON und GFS haben bereits am Freitag einen markanteren Randtrog über dem
östlichen Mitteleuropa simuliert im Vergleich zu IFS. Bis einschließlich Sonntag
sind die Unterschiede zwischen IFS und ICON nicht signifikant, wohingegen nur
GFS den Kurzwellentrog zum Sonntag deutlich schwächer darstellt. Größere
Modelldiskrepanzen ergeben sich in Zusammenhang mit dem neuen Trog bei den
Britischen Inseln ab Dienstag, da werden (wie beschrieben) von der Modellwelt
doch diverse synoptische Ansätze präsentiert.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

IFS bietet von Sonntag bis Dienstag (+120…+68 h) 5 verschiedene Cluster an, die
allerdings für Mitteleuropa allesamt eher nach Zonalisierung aussehen.
Interessanter wird die Entwicklung in der erweiterten Mittelfrist (+192…+240 h),
wo sowohl einige Cluster die Beibehaltung der mehr oder weniger zonalen und
damit zyklonalen Verhältnisse simulieren. Ebenso gibt es aber auch weiterhin
Varianten mit dem besprochenen Grönland- bis Arktikblocking (positiv geneigter
Rücken), die Nord- bzw. Nordostlagen für Mitteleuropa die Tür öffnen könnten.

Bei den Rauchfahnen bestätigt sich das beschriebene Bild weitgehend:
Bis Sonntag recht enge Drängung der Member bei 850 hPa-Temperaturen und 500
hPa-Geopotential ausgewählter deutscher Städte, in der neuen Woche der Trend zu
sinkendem Geopotenzial (allerdings mit zunehmender Streuung ab Wochenmitte nach
oben, siehe Einzelmember für Blockinglösungen). Den Trend der 850 hPa-Temperatur
kann man dagegen schon als kleine Achterbahnfahrt beschreiben. Auch die
Niederschlagssignale haben gerade bei den zu erwartenden höheren Mengen im Süden
und Südwesten eine signifikante Streuung.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Die Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen sind auf jeden
Fall für das mittlere und obere Bergland (markanter Schneefall) ab Sonntag
wieder deutlich erhöht. Ähnliches gilt für Sturm- bzw. schwere Sturmböen in den
Hochlagen der Mittelgebirge und den Alpen. Bezüglich Dauerniederschlag gibt es
bei Cosmo-Leps und IFS-EPS am Sonntag/ Nacht zum Montag im Schwarzwald und im
Allgäu 15 bis 25%-ige Wahrscheinlichkeiten für Mengen über 30 l/qm/24 h und bei
Cosmo-Leps auch 5 bis 10%-ige Wahrscheinlichkeit für Mengen über 50 l/qm/24h.

Für Dienstag und die Nacht zum Mittwoch hat IFS-EPS für den Südwesten, teils
auch Westen Mengen über 30 l/qm/24 h mit rund 15% Wahrscheinlichkeit drin, im
Süden dagegen nur mit knapp 10% Wahrscheinlichkeit.

Basis für Mittelfristvorhersage
IFS-EPS, GFS-EPS, MOSMIX, ICON

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Dr. Jens Bonewitz