SXEU31 DWAV 301800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 30.11.2020 um 18 UTC

Markante Wettererscheinungen:
UNDINE mit Punktlandung – Winter startet winterlich, wenn auch nicht überall. In
der Nacht ab der Mitte süd-südostwärts Schneefall, nach Westen hin stellenweise
gefrierender Regen möglich.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 12 UTC

Aktuell … dürfen wir uns als interessierte Zeitzeugen einer aktiven
Wetterumstellung bezeichnen, die uns – pünktlich zu Beginn des meteorologischen
Winters am morgigen Dienstag – zumindest im Süden und in der Mitte tatsächliches
Winterwetter bringt. Es passiert nicht so häufig, dass die Natur respektive
Atmosphäre derartig brav und regelkonform menschgemachte „künstliche“
Jahreszeitenwechsel bedient. Im Gegenteil, nicht selten schert sich das Wetter
einen Teufel um irgendwelche Jahreszeiten, seien sie anthropogenen oder auch
astronomischen Ursprungs. Schon der heutige Morgen begann mit einem kleinen
Paukenschlag, wurde doch in der Südwesthälfte bei überwiegend klarem Himmel
verbreitet mäßiger Frost zwischen -5 und -9°C gemessen. Im Wetterpark in
Offenbach beispielsweise wurde mit -6,7°C die bisher niedrigste Temperatur des
Jahres 2020 registriert, ein Jahr, das immerhin schon Monate wie Januar und
Februar hinter sich hat!

Von der Vergangenheit zur Gegenwart bzw. Zukunft. Aktuell fällt der Luftdruck in
ganz Deutschland, wodurch die heute über weite Strecken noch wetterwirksame
zonale Hochdruckbrücke immer mehr zusammengequetscht respektive nach Süden
abgedrängt wird. Initialzünder des Ganzen ist eine substanzielle Austrogung über
der Nordsee, die in einen scharfen, weit nach Süden ausholenden KW-Trog mündet.
Das geht freilich auf Kosten seiner Progression, stattdessen dürfte es morgen
früh über Westdeutschland zu einer Abtropfung kommen. Zuvor bildet sich über der
Nordsee am Okklusionspunkt eines Frontensystems, das zu einem Tief unweit der
Bäreninsel (18 UTC) gehört, ein kleines Teiltief mit dem Namen UNDINE. Es zieht
langsam nach Süden und mach am Dienstagmorgen in Ostfriesland „landfall“.

Nun aber zum Allerwichtigsten, dem Wetterverlauf. PVA auf der diffluenten
Trogvorderseite, anfangs noch unterstützt durch WLA sowie frontale Hebung
induzieren ein großräumiges und skaliges Niederschlagsgebiet, das sich von
Nordwesten her südostwärts vorarbeitet und bis zum Morgen weite Teile des
Vorhersageraums erfasst. Lediglich Ober- und Niederbayern sowie ein Streifen
zwischen Vorpommern und Oberlausitz/Osterzgebirge dürften noch außen vor
bleiben.
Im Nordwesten fällt aufgrund der „günstigen“ Tageszeit sowie ausreichend
Durchmischung Regen, der bei positiven Belagstemperaturen keine
Verkehrsbehinderungen nach sich ziehen sollte. Richtig interessant wird es
eigentlich erst, wenn der Niederschlag in den Abendstunden den westlichen und
zentralen Mittelgebirgsraum erreicht. Hier fangen die Modelle an zu divergieren,
heißt, in der Wetterinterpretation wird teils Schnee, teils Regen, teils
gefrierender Regen angeboten. Trennt man sich an dieser Stelle mal von den
verschiedenen, dem Verfasser im Detail auch nicht immer bekannten numerischen
Verfahren zur Erfassung des voraussichtlichen Wetterzustands, sondern nähert
sich der Angelegenheit eher praktisch, kommt man zu folgendem Ergebnis:
Die Mittagsaufsteige zeigen im Westen (Idar-Oberstein) eine breite, aber sehr
trockene „warme Nase“ zwischen 800 und 975 hPa, deren Schmelzschicht de jure
ausreichen würde, von oben fallenden Schnee zu schmelzen und am Boden zumindest
dort, wo der Boden gefroren ist (teils in den Mittelgebirgen), gefrierenden
Regen zu generieren. Die Frage ist nun, wie lange dauert dieser Zustand an,
sprich, wie schnell wird die warme Nase durch Hebungs- und Verdunstungsabkühlung
getilgt. Durch die sehr große Trockenheit in der warmen Schicht ist von einer
starken Abkühlungsrate durch Verdunstung auszugehen, der aber leichte WLA
unterhalb von 850 hPa entgegensteht. Ach ja, nicht zu vergessen, die
Gegenstrahlung, die mit der von Nordwesten übergreifenden Bewölkung in Gang
kommt und für einen Temperaturanstieg in den bodennahen Schichten sorgt. Summa
summarum also ein kompliziertes Gleichungssystem mit viel Unbekannten, das nicht
so einfach und linear zu knacken ist.
Kurzum, in den Kältelöchern der westlichen Mittelgebirge ist lokal und
vorübergehend gefrierender Regen möglich, der warntechnisch aber nur kurzzeitig
in den Griff zu bekommen ist. Ansonsten fällt entweder Schnee (z.T. nach einer
kurzen Phase mit gefrierendem Regen) oder nach Norden hin im Verlauf Regen. Mit
jedem Kilometer weiter nach Osten und Süden nimmt die Mächtigkeit der „warmen
Nase“ ab (siehe Aufsteige von Stuttgart und Frankfurt) bzw. verläuft die
Zustandskurve nahezu komplett unter dem Gefrierpunkt (Meiningen, Kümmersbruck,
München). Entsprechend fallen die Niederschläge bis in tiefe Lagen überwiegend
als Schnee bis in tiefe Lagen. Dabei kommen 1 bis 5 cm, in einigen Staulagen der
westlichen und zentralen Mittelgebirge bis zu 10 cm teils feuchter Neuschnee
zusammen.
Ansonsten gilt es noch zu konstatieren, dass die Nacht mit Ausnahme Nord- und
Nordwestdeutschlands frostig wird mit den tiefsten Temperaturen im Süden und
Südosten (lokal bis zu -8/9°C). Außerdem kann es an der unteren Donau sowie am
Inn, also dort, wo die Nacht häufig klar startet, stellenweise dichten Nebel
geben. Ach ja, dann wäre da noch der Wind, der an und über der Nordsee aus
Südwesten kommend bis Mitternacht deutlich nachlässt, während er in exponierten
Hochlagen prominent unterwegs bleibt (8-9 Bft).

Dienstag … zieht das abgetropfte Höhentief die deutsch-französische Grenze
entlang zur Westschweiz und von dort zum Golf von Genua, wo es zum Tageswechsel
aufschlägt. Nicht ganz so eilig hat es im Schlepptau das Bodentief UNDINE, das
zur Mittagszeit so gerade mal niedersächsisch-westfälische Grenze überschreitet
und auf seinem Weg gen Eifel immer mehr ans Substanz verliert. Die zugehörige
Okklusion kommt zwar noch etwas nach Südosten voran, wird den Vorhersageraum
aber nicht vollständig überqueren, bevor sie sich gegen Abend, spätestens in der
Nacht zum Mittwoch auflösen wird.
Bevor es soweit ist, verlagert sich das Niederschlagsgebiet zunächst mal in den
Süden des Landes, wo es bei 850-hPa-Temperaturen um -3°C verbreitet schneit.
Dabei kommen wenige Zentimeter Neuschnee oder auch nur Schneematsch zusammen. Im
Schwarzwald können es auch noch mal rund 5 cm werden, was in der Akkumulation
mit dem nächtlichen Schneefall bis zu 15 cm bedeutet. Kaum oder überhaupt kein
Schnee fällt hingegen zwischen dem östlichen Alpenrand und dem Bayerischen Wald.
Im Tagesverlauf schwächen sich die Niederschläge bei etwas ansteigender
Schneefallgrenze (Tagesgang, diffuse Strahlung) ab bzw. hören ganz auf.
Abgesetzt vom Geschehen fällt auch im Westen des Vorhersageraums, quasi auf der
West-Nordwestflanke des Cut-Off-Tiefs noch zeitweise Niederschlag. Dabei kann es
vor allem in den Hochlagen der Eifel vorübergehend schneien, wobei hier noch
nicht das letzte Wort gesprochen ist. Letztlich hängt die genaue Entwicklung von
der Zugbahn des Cut-Off- bzw. Bodentiefs ab. Liegt der Kurs nur etwas weiter
westlich, fällt wahrscheinlich nur wenig Niederschlag. Liegt der Kurs nur etwas
weiter östlich, steigt die Schneefallgrenze.
Im Norden und Osten des Landes bleibt die Niederschlagsneigung gering,
gebietsweise geht der erste Wintertag sogar trocken, aber meist stark bewölkt
bis bedeckt über die Bühne. Der Wind spielt wahrscheinlich keine große Rolle
mehr, es sei denn, das Tief zieht etwas weiter östlich nach Süden. Dann hätte
der auf Nord bis Nordost drehende Wind zumindest an der ostfriesischen Küste die
Chance, sich warnwürdig in Szene zu setzten (7-8 Bft). Ansonsten lässt der Wind
auch auf den Bergen sukzessive nach. Während die Temperatur im Nordwesten in
Abwesenheit der aufgemischten kalten Grundschicht auf 5 bis 10°C steigt, bleibt
es in den übrigen Regionen (nass)kalt mit 0 bis maximal 5°C, im Südosten sowie
in einigen Mittelgebirgen auch etwas darunter.

In der Nacht zum Mittwoch verschwindet das Bodentief über Westfrankreich
allmählich von der Wetterkarte, was bei uns ein gradientschwaches, amorph
anmutendes Druckfeld erzeugt. Mit Abzug des Höhentiefs gen Genua steigt das
Potenzial von Norden her an, wofür ein vom nahen Ostatlantik über die Nordsee
bis nach Skandinavien reichender Höhenrücken verantwortlich zeichnet.
Die mittlere Troposphäre trocknet ab, die Niederschlagswahrscheinlichkeit nimmt
tendenziell ab und es rücken einmal mehr die üblichen Grenzschichtprobleme in
den Blickpunkt. Zum Teil bleibt tiefe Restbewölkung übrig, teils bildet sich
Nebel oder Hochnebel, aus dem hier und da etwas Nieselregen oder Schneegriesel
fallen kann. Gebietsweises Aufklaren zeichnet sich am ehesten in den östlichen
Landesteilen ab. Vor allem in der Südosthälfte sowie in den gesamten
Mittelgebirgen gibt es leichten Frost, streckenweise Glätte durch gefrierende
Nässe oder Reif bzw. geringfügige Niederschläge gratis dazu.

Mittwoch … wird der Rücken durch einen vom Seegebiet um Island herum in
Richtung UK/Irland vorstoßenden Höhentrog immer weiter gestaucht. Die Nordhälfte
verbleibt auf der Südflanke unter geringen Potenzialgegensätzen, während sich
der Süden unter der Nordflanke des zum Ligurischen Meer ziehenden Höhentiefs
wiederfindet. Bodennah etabliert sich eine schwache Brücke, die ein
umfangreiches Hoch über dem mittleren Nordatlantik mit einem Hoch über Russland
verbindet (beide über 1040 hPa). Ante portas steht über der Nordsee allerdings
schon das nächste Frontensystem, das zu einem kräftigen und nur wenig mobilen
Tief unweit von Jan Mayen gehört. Die Fronten scheinen ihre Stärken aber in der
Defensive zu besitzen, jedenfalls wagen sie zunächst noch keine Attacke auf den
Vorhersageraum.
So verläuft der 2. Dezember vergleichsweise ruhig und unspektakulär, aber nicht
ganz gerecht, was die Sonnenanteile angeht. So sickern von Osten trockenere
Luftmassen ein, in der die Wolkendecke vermehrt auflockert. Insbesondere
nördlich des Erzgebirges bis hoch nach BB, vielleicht sogar noch weiter nach
Norden lässt sich für einige Stunden die Sonne blicken. Dagegen bleiben in der
Westhälfte die Schotten unterhalb einer bei 850 hPa verorteten Absinkinversion
dicht, ohne dass dabei aber nennenswerter Niederschlag fällt.
Die Temperatur erreicht Höchstwerte von 0 bis 6°C, im Süden und Südosten
stellenweise leichter Dauerfrost.

In der Nacht zum Donnerstag tut sich nicht allzu viel. Im Vorfeld des sich
geringfügig nähernden Frontensystems setzt leichte Hebung ein, die im Nordwesten
etwas Regen bringt. Außerdem kann vornehmlich im Westen aus dem Hochnebel bzw.
der hochnebelartigen Bewölkung etwas Nieselregen oder Schneegriesel fallen. Mit
Ausnahme West- und Nordwestdeutschlands geht die Temperatur in den leichten, im
Süden und Osten gebietsweise mäßigen Frostbereich zurück. Zudem bildet sich
stellenweise Nebel. Über der Nordsee zieht der südliche Wind vorübergehend an
mit der einen oder anderen Böe 7 Bft.

Donnerstag … gelangen wir auf die Vorderseite eines hochreichenden Tiefs
zwischen Schottland und Island. Das o.e. Frontensystem bzw. die übrigbleibende
Okklusion touchiert den Westen und Nordwesten mit leichtem Regen, im Bergland
auch Schnee. Ansonsten tut sich in der eingeströmten Kaltluft (T850 im Südosten
bis zu -8/-9°C) wenig. Auflockerungen oder sonnige Abschnitte sind am ehesten im
Osten sowie der östlichen Mitte, vielleicht auch noch am Alpenrand zu erwarten.
Im Westen und Nordwesten steigt die Temperatur auf 3 bis 7°C, sonst werden 0 bis
4°C erreicht. Im Süden (stellenweise) sowie im höheren Bergland herrscht
leichter Dauerfrost.

Modellvergleich und -einschätzung

Die beschriebene Entwicklung wird grundsätzlich sehr ähnlich simuliert.
Hauptschwierigkeit ist der Phasenübergang Regen-gefrierender Regen-Schnee in den
nächsten Stunden im westlichen Mittelgebirgsraum. Die Schneefallwarnung steht,
eine erste Glatteiswarnung auch. Weitere Glatteiswarnungen werden aber in situ
und auf Sicht ausgegeben. Im Bereich Odenwald/Spessart/Vogelsberg wird die
Schneefallwarnung für die zweite Nachthälfte noch auf „ocker“ hochgestuft, weil
binnen weniger Stunden 5 bis 10 cm Schnee fallen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann