S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 20.11.2020 um 10.30 UTC

Zu mild, im Norden wechselhaft und zeitweise windig, sonst ruhiges Herbstwetter.

Synoptische Entwicklung bis zum Freitag, den 27.11.2020

Über den gesamten Mittelfristzeitraum und auch darüber hinaus sind typische
herbstliche Wettererscheinungen, allerdings mit teils antizyklonalem
Wetterchrakter dominierend. Hier sollen nur kurz einige Faktoren genannt werden,
die dafür förderlich sein könnten:
1.aktuell und auch in der Prognose nur leicht positiver NAO-Index, mit zonal
gemischten Geopotentialverteilungen in den mittleren und hohen Breiten;
2.meridional geprägte Strömungsmuster mit aktuell eher nach Norden (Achse
Nordatlantik-Skandinavien) verschobener Frontalzone, die zirkumpolar gesehen
mehr oder weniger stationär sind (physikalisches Prinzip der stehenden Welle),
mögliche Ursachen der meridionalen Strömungsmuster sind relativ geringe
meridionale Temperaturunterschiede durch immer noch zu geringe Meereisbedeckung
(nur langsames Zufrieren des arktischen Eises), zu hohe
Meeresoberflächentemperaturen im Nordatlantik (SST), fehlende Schneebedeckung in
Sibirien, also summa summarum diabatische Effekte, die die von den meisten
Langfristmodellen für den Winter 20/21 prognostizierten teils deutlich positiven
Temperaturabweichungen in Mitteleuropa plausibel erscheinen lassen;
3.hinzu kommt ein erneut ungewöhnlich starker stratosphärischer Polarwirbel in
der mittleren und oberen Stratosphäre (SPV), der für eine westliche
Grundströmung in den hohen und teils auch in den mittleren Breiten sorgt, siehe
Temperatur in 30 und 10 hPa über dem Nordpol sowie den zonal gemittelten zonalen
Wind in 10 hPa zwischen 60 und 80 Grad Nord (Quelle: NOAA, JMA). Auch die
Prognose der Entwicklung des SPV lautet zumindest bis Mitte Dezember auf
Wachstum bzw. starker Ausprägung.

Status La Nina: derzeit hat die negative Abweichung im zentralen äquatorialen
Pazifik ca. -1 K erreicht. Damit sprechen wir bis dato von einer so genannten CP
La Nina (Central Pacific), die einhergeht mit positiven SST im Nordpazifik.
Diese wiederum führen zu einer Stärkung des SPV (siehe Übersicht vom
21.10.2020). Das hieße im Großen und Ganzen für Mitteleuropa überwiegend
wechselhafte und zu milde Verhältnisse. Im Gegensatz zur CP La Nina gibt es auch
eine EP (Ostpazifik-) La Nina, bei der die stärkste Ausprägung der negativen SST
im östlichen äquatorialen Pazifik liegt. Dann wiederum hätten wir negative SST
im Nordpazifik, Stärkung des Aleutentiefs und Schwächung des SPV durch stärkere
meridionale und vertikale Wärmeflüsse von der pazifischen Seite des SPV. Ebenso
führt diese Variante zu stärkeren Blockings über dem Ostatlantik und
Skandinavien, was ein meridionales Ausfließen arktischer Luftmassen begünstigen
würde.
Die aktuellen Prognosen für La Nina gehen teils bis unter -2K Abweichung im
Dezember/Januar. Unsicher ist hierbei, wo die stärkste Abweichung sich
positioniert, ob im zentralen oder östlichen Pazifik. Ein wesentlicher Faktor
hierbei ist die jeweilige Phase und Ausprägung der Madden-Julian-Oszillation
(MJO).

Aber, selbst bei günstigeren Faktoren für einen kälteren Winter bei uns
verbleiben die o.a. diabatischen Faktoren, die auch die einschlägigen Modelle
bei ihrer Prognose berücksichtigen.

Bevor wir zur Mittelfrist-Übersicht wechseln, noch ein interessanter Fakt:
Statistisch gesehen geschehen die meisten plötzlichen Stratosphärenerwärmungen
(SSW) in La Nina Jahren. Das ist eine kurzfristige und markante Änderung der
Ausgangsbedingungen für die Großwetterlage im europäisch-atlantischen Raum, die
die Chancen auf Winterwetter in Mitteleuropa forcieren könnte.

Nun zur Übersicht der einzelnen Tage:

Montag…verlagert sich der schwache, mit geringer Amplitude versehene Rücken
ostwärts über die Britischen Inseln, gleichzeitig ist der korrelierende
Bodenhochkeil über der Nordsee zu verzeichnen. Vorderseitig bekommt die
nordwestliche Strömung leichten zyklonalen Charakter und ist in der Höhe durch
einen Randtrog versehen, der Hebung simuliert. Demnach muss gebietsweise mit
Niederschlägen gerechnet werden. Im Küstenumfeld sind stürmische Böen (Bft 8)
wahrscheinlich. In der Nacht zum Dienstag kann sich der Rücken über die Nordsee
schieben und dabei sogar leicht amplifizieren.
Im Küstenumfeld wird noch ein kurzwelliger Bodentrog mit Schauern simuliert,
sonst bleibt es unter Hochdruckeinfluss weitgehend trocken. Mit einsetzender WLA
steigt die 850 hPa-Temperatur auf 2 bis 5 Grad Celsius bis Dienstagmorgen.

Dienstag… kann sich über dem Atlantik ein markanter Trog unter Verkürzung
seiner Wellenlänge südwärts amplifizieren. Dabei stützt er auf der Vorderseite
den Rücken, der seinerseits ebenfalls an Amplitude zulegt und sich Mittwochfrüh
nahezu bis nach Nordskandinavien aufwölben sollte. Die Achse liegt dabei
ziemlich genau über Deutschland. Als Gegenpart dehnt sich über Osteuropa ein
Langwellentrog nach Süden aus. Das zum Rücken korrelierende Bodenhoch verlagert
sich langsam zum Balkan. In Deutschland profitieren vor allem der Süden und die
Mitte vom Hochdruckeinfluss. Der Norden liegt dabei weiter am Rand der
Frontalzone mit schwachen Niederschlägen, wobei die Warmfront langsam nach Polen
abzieht. Im Küstenumfeld sind weiterhin Windböen und einzelne stürmische Böen
(Bft 7 bis 8) wahrscheinlich. Die 850 hPa-Temperaturen liegen im breiten
Warmsektor zwischen 5 und 9 Grad. Die schwachwindige Situation in der Mitte und
im Süden ruft die Grenzschichtproblematik auf den Plan. Neben Nachtfrost ist
somit auch wieder mit Nebel zu rechnen. Auch vereinzelte Reifglätte ist in
diesen Bereichen bei längerem Aufklaren möglich.

Mittwoch und Donnerstag…vollzieht sich über dem Ostatlantik der Cut-off des
amplifizierten Troges. Ergebnis ist ein kräftiges Höhentief über der Iberischen
Halbinsel. Das Trogresiduum zieht allmählich ostwärts und drängt den Höhenrücken
langsam ab. Gleichzeitig könnte sich durch einen nachrückenden kräftigen
Langwellentrog über dem Nordatlantik (mit vorangegangener Zyklogenese bei
Neufundland) ein neuer Höhenrücken über dem nahen Ostatlantik aufwölben, der
seinerseits die Frontalzone über Skandinavien und Nordosteuropa modifiziert und
somit den abziehenden Höhenrücken über Mittel- und Osteuropa deformieren
(abflachen) lässt. Damit könnte sich die Grundströmung wieder zonaler gestalten,
wenn nicht der sich aufbauende neue Höhenrücken über dem Ostatlantik erneut
blockierende Verhältnisse bescherte. Festhalten lässt sich, dass die
Modellunsicherheit zum Donnerstag deutlich zunimmt und dann mehrere großräumige
Strömungsmuster denkbar sind. Für Mitteleuropa haben diese Unsicherheiten
zunächst nur insofern Bedeutung, dass die durch Hebungsprozesse des Resttroges
simulierten Niederschläge zum Donnerstag schwächer ausfallen werden. Sonst sinkt
die 850hPa-Temperatur bis Donnerstagabend auf 0 bis 4 Grad Celsius, die
Tagesmaxima bleiben allerdings aufgrund verbesserter Durchmischung auf ähnlich
hohem Niveau. An beiden Tagen hat zumindest der Süden noch mehr Sonnenanteile,
in der Nacht auf Freitag bleibt es bis auf den Südosten frostfrei. Der Wind
frischt derweil an den Küsten und im Bergland auf, Windböen und einzelne
stürmische Böen (Bft 7 bis 8) sind dabei. An den Alpen kommt leichter Föhn auf.

Freitag…liegt Deutschland voraussichtlich zwischen den Stühlen. Während sich
zwischen den Britischen Inseln und Island ein Tiefdruckkomplex (hervorgegangen
aus dem neuen Langwellentrog) etabliert, knapp östlich davon der mehr oder
weniger stark und mit verschieden gerechneter Achsneigung liegende Höhenrücken
ruht, verbleiben über Mitteleuropa noch die Trogreste mit leichten
Hebungsprozessen und Niederschlägen über Deutschland. Nur ganz im Süden könnte
noch leichter Hochdruckeinfluss vorherrschen. Die 850-hPa-Temperaturen gehen
noch etwas zurück und liegen bei -2 (Nordwesten) bis +4 Grad (Südosten). An den
Alpen bleibt es noch föhnig. Die Tageshöchstwerte ändern sich kaum.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Bis einschließlich Mittwoch zeigt der aktuelle IFS-Lauf bezüglich der
großskaligen Strukturen des Geopotential- und Luftdruckfeldes eine hohe
Konsistenz zu seinen Vorläufen. Zum Donnerstag nehmen jedoch die Abweichungen
zu. Der aktuelle IFS-Lauf simuliert mittlerweile den CUT-Off über dem
Ostatlantik deutlich. Gleichermaßen wird der Rücken über Mitteleuropa mit
modifizierter Amplitude versehen, sodass im Vergleich zu den Vorläufen mehr
zonale und zyklonal geprägte Strömungsverhältnisse wahrscheinlicher werden.
Allerdings könnte sich durch den Cut off sowie einen nachfolgenden sich
verstärkenden Langwellentrog (ausgehend von Neufundland) vorderseitig eine neue
Blockingsituation über dem nahen Ostatlantik aufbauen. Demnach sollen die
Niederschläge auf der Vorderseite des nahenden Troges in der Nacht auf
Donnerstag auf den Nordwesten lediglich abgeschwächt übergreifen. Ab Freitag
nimmt die Konsistenz der IFS-Läufe mit nun mehreren großskalig synoptischen
Lösungen (siehe
IFS-Clusteranalyse) deutlich ab.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Bis Mittwoch herrscht recht gute Übereinstimmung bei den Globalmodellen IFS, GFS
und ICON. Die beschriebenen Unsicherheiten danach hängen zusammen mit dem
Cut-off des amplifizierten Troges über dem Ostatlantik, der Amplifizierung des
vorlaufenden Höhenrückens über Skandinavien (ICON bietet hier bereits am
Mittwoch eine Lösung mit flacherem Rücken durch Modifikation der nördlich
gelegenen Frontalzone und damit vorübergehend stärkerer Zonalisierung über dem
nördlichen Mitteleuropa an). Zum Freitag sind dann wie gesagt mehrere
synoptische Lösungen für Mitteleuropa präsent: GFS und IFS bieten zyklonalen
Wettercharakter durch den (Rest-)Trog über der Nordsee und Südskandinavien an,
während ICON eine antizyklonale Lösung mit Hochbrücke von den Britischen Inseln
bis nach Mitteleuropa simuliert.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Die Member bzw. Cluster des IFS-EPS sehen bis Mittwoch sehr ähnlich aus. Am
Donnerstag und Freitag gehen die Clusterlösungen auseinander: Synoptisch reichen
die Varianten von vorübergehender Zonalisierung am Donnerstag bis zu erneutem
Blocking, antizyklonal und trogvorderseitig am Freitag… Bei GFS-EPS sehen die
Clusterlösungen ähnlich aus, wobei dort die zyklonalen Lösungen in der Mehrzahl
sind. Auch über den Mittelfristzeitraum hinaus ist es derzeit schwer zu sagen,
wie der Wettercharakter für Mitteleuropa aussieht, obwohl der NAO-Index leicht
positiv prognostiziert wird. Winterwetter ist allerdings definitiv nicht in
Sichtweite (siehe Eingangsbemerkungen).

Die Rauchfahnen ausgewählter deutscher Städte bestätigen das Gesagte weiter
oben: Bis zum Donnerstag relativ geringe Streuung bei den 850hPa-Temperaturen,
dann zunehmender Spread, d.h. zunächst leichter Rückgang (wie beschrieben),
allerdings in der Folge mit nicht wenig Membern auf ähnlichem milden Niveau wie
Anfang nächster Woche. Auch beim Niederschlag ist ab Donnerstag eine große
Streuung von weitgehend trocken bis zu (überwiegend leichten) Niederschlägen zu
erkennen. Das bekräftigt den Trend zu möglichen (lokal differenziert) längeren
antizyklonalen Phasen.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Die Wahrscheinlichkeit für signifikante Wettererscheinungen ist über die gesamte
Mittelfrist als gering einzustufen. Lediglich im Küstenumfeld sind zeitweise
stürmische Böen (Bft 8) wahrscheinlich.

Basis für Mittelfristvorhersage
MOSMIX, ICON, IFS-EPS, GFS-EPS

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Dr. Jens Bonewitz