S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 14.11.2020 um 10.30 UTC

Zunächst erneut ungewöhnlich mild, in der zweiten Wochenhälfte kühler

Synoptische Entwicklung bis zum Samstag, den 21.11.2020

Am kommenden Dienstag, dem Beginn des heutigen Mittelfristzeitraums, liegt
Deutschland auf der Vorderseite eines sich neu aufbauenden, kräftigen Rückens
über Westeuropa. Dieser wird von einer Warmfront überlaufen, die im Tagesverlauf
ostwärts über Deutschland hinwegschwenkt. Aufgrund des hohen Geopotentials und
antizyklonal gekrümmter Höhenströmung fallen die damit verbundenen Regenfälle
nur schwach aus. Gleichwohl gelangt rückseitig mit einer südwestlichen Strömung
abermals erwärmte Meeresluft zu uns mit 850 hPa Temperaturen um +5 Grad.
Dementsprechend ist es trotz starker Bewölkung und zeitweiligen Niederschlägen
mit 10 bis 15 Grad sehr mild für die Jahreszeit. An der See und im höheren
Bergland treten Windböen Bft 7, vereinzelt auch stürmische Böen Bft 8 auf.

Am Mittwoch schiebt sich der Rücken ostwärts bis nach Mitteleuropa voran. Aus
Frankreich flutet die +10 Grad Isotherme in 850 hPa Deutschland. Dank moderatem
Gradienten, der vor allem an der Nordsee weiterhin starke bis stürmische Böen
produziert, sorgt der ansonsten meist mäßige Südwestwind doch für eine
ausreichende Durchmischung, so dass Nebel und Hochnebel im Tagesverlauf doch
verbreitet aufgelöst werden (Ausnahme vielleicht entlang der Donau und am
Bodensee). Insofern steht ein vielfach sonniger und mit 12 bis 17 Grad abermals
ungewöhnlich milder Tag ins Haus. Es ist durchaus vorstellbar, dass an den
Nordrändern der westlichen Mittelgebirge die Höchstwerte lokal nicht weit von
der 20 Grad-Marke entfernt liegen.

Am Donnerstag greift ein markanter Höhentrog auf die Britischen Inseln über und
wir gelangen auf dessen Vorderseite. Strömungsparallel eingebettet ist eine
Kaltfront, die im Tagesverlauf ostwärts auf Deutschland übergreift. Bezüglich
des Timings gibt es hierbei allerdings noch große Unsicherheiten (siehe
Modellvergleich und Konsistenzbetrachtung), auch, weil mögliche Wellenbildung
entlang der Front die Progression verlangsamen könnten. Einigkeit bestehet
hingegen darin, dass rückseitig subpolare Meeresluft mit Temperaturen unter 0
Grad in 850 hPa einfließt und sich damit die Temperaturen in 2 Metern Höhe
langsam wieder der Jahreszeit entsprechend anpassen. An der See und im Bergland
muss mit Sturmböen gerechnet werden.

Bis zum Wochenende nistet sich der o.e. Trog über Mitteleuropa ein.
Achsensenkrecht ist am Boden ein Tief über Jütland gekoppelt. Er ist mit
höhenkalter Luft mit Temperaturen zwischen -25 und -30 Grad angereichert, was zu
einer leidlich labilen Schichtung führt. So bilden sich gebietsweise Schauer
aus, die teilweise mit Graupel vermischt sein können. In Lagen oberhalb etwas
700 bis 800 m mischen sich zunehmend Schneeflocken unter die Niederschläge,
deren Raten aber im Allgemeinen mit 5 l/qm binnen 6h überwiegend gering bleiben
sollten.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Etwas überraschend verlangsamt der aktuelle 0z Lauf des EZ den
Kaltfrontdurchgang am Donnertag deutlich. War im gestrigen 0z Lauf die Kaltfront
am Do 12z bereits über das Baltikum und Ostpolen angekommen, liegt sich nach den
neusten Berechnungen noch quer über Deutschland. Der 12z Lauf bereitete diese
Tendenz bereits vor. Bei der Höhenkonstellation mit Trogvorderseite und
Südwestströmung ist eine Verzögerung nebst Wellenbildung durchaus plausibel und
kann nicht per se negiert werden.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Bis einschließlich Mittwoch gibt es modellübergreifend keine markanten
Unterschiede. Am Donnerstag zeigt die Mehrzahl der Globalmodelle noch immer ein
rascheres Übergreifen der Kaltfront bereits in der Nacht zum Donnerstag.
Allerdings: GEM schwenkt im jüngsten 0z Lauf zunehmend auf die EZ Variante um.
Im neusten GFS 06z Lauf sind derartige Tendenzen noch nicht zu beobachten.

In der Folge geht die Mehrheit mit der kühlen und leicht wechselhaften Witterung
des EZ konform, die Details sind aber noch sehr unsicher. Möglich wären
beispielsweise zum kommenden Wochenende auch Randtiefentwicklungen über der
Mitte oder dem Süden Deutschlands, Vb-artiges Aufgleiten am Alpenrand oder aber
ein rasches Übergreifen neuer atlantischer Tiefausläufer von Westen.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Der nächste Warmluftvorstoß am Mittwoch mit rund 10 Grad in 850 hPa wird von der
Mehrzahl der Member mitgetragen, wenngleich es noch gewisse Unschärfen gibt. So
liegen beispielsweise in Greifswald rund 10% der Member bei etwa 5 Grad.
Letztlich nur Details, ob es sehr mild oder außergewöhnlich mild wird. Beim
Timing des Kaltfrontdurchgangs liegen Haupt- und Kontrolllauf zwar synchron,
aber vergleichsweise spät im EPS. Die Mehrzahl des EPS fällt bereits in der
Nacht zum Donnerstag stark ab. Diese Entwicklung wird sich wohl erst in
kommenden Tagen weiter präzisieren.

In der Folge liegen Haupt- und Kontrolllauf am unteren Ende der Schar mit bis zu
-5 Grad in 850 hPa, sind aber keine Ausreißer. Vereinzelte Member gehen im
Norden und Osten sogar bis -10 Grad zurück. Ein frühwinterliches Intermezzo bis
in tiefe Lagen ist aber aus heutiger Sicht sehr unwahrscheinlich. Nur die
Hochlagen der Mittelgebirge könnten frühwinterlich „angezuckert“ werden.

Die 6 gebildeten Cluster für das Ende des Mittelfristzeitraums verdeutlichen die
große Vielfalt der möglichen Lösungen.
Die große Frage, was macht der amorphe Trog über uns? Tropft er ins westliche
Mittelmeer ab und wird das Residuum über Mitteleuropa allmählich zugeschüttet?
Schwenkt er ostwärts ab und gelangt die eingeflossene Kaltluft anschließend von
Westen rasch unter Hochdruckeinfluss? Oder kann er sich von Nordwesten gar
regenerieren? Letztlich fast gleichverteilte Lösungen mit vollkommen offenem
Ausgang. Aufgrund der recht großen (Rossby-)Wellenzahl von 6 und sehr
kurzwelligen Strukturen auf der Nordhemisphäre samt zusätzlicher immer noch
vorhandener Aktivität tropischer Wirbelstürme ist eine beständige Wetterlage in
der erweiterten Mittelfrist unwahrscheinlich.

FAZIT:
Zunächst stehen außergewöhnlich milde Temperaturen gepaart mit viel Sonnenschein
am Mittwoch ins Haus. Mit Passage einer Kaltfront wird es in der zweiten
Wochenhälfte deutlich kühler, in den Hochlagen teils sogar frühwinterlich.
Vermutlich handelt es sich hierbei um ein kurzes Intermezzo.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Sturm:
Laut den probabilistischen Verfahren (COSMO-LEPS, EZ-EPS) ist die
Wahrscheinlichkeit für Sturmböen am Donnerstag mit über 50% an der Nordsee und
in den Gipfellagen am größten. An den übrigen Tagen ist es an der See und im
Bergland zwar auch windig, die Wahrscheinlichkeit für Sturmböen ist aber nur
sehr gering mit unter 20%.

Der EWI verhält sich – abgesehen von der auffälligen Rotfärbung in einem
Streifen von den Kanaren über Mitteleuropa bis nach Skandinavien, der die
außergewöhnlich milden Temperaturen bis zur Wochenmitte kennzeichnet – ruhig.

Basis für Mittelfristvorhersage
EZ, EZ-EPS, Mos-Mix

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Robert Hausen