S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Montag, den 09.11.2020 um 10.30 UTC

Meist ruhiges Herbstwetter, mit nur schwachen, Sonntag/Montag eventuell etwas
stärkeren zyklonalen Einschlägen.

Synoptische Entwicklung bis zum Montag, den 16.11.2020

Der Motor der nordhemisphärischen Zirkulation stock auch über den
mittelfristigen Zeitraum weiter. Vor allem die starke positive
Geopotenzialanomalie mit Schwerpunkt über dem nördlichen und nordöstlichen
Europa entfaltet eine nachhaltige blockierende Wirkung. Zwar deutet sich im
Verlauf eine gewisse Dynamik und Zonalisierung über dem Nordatlantik an, diese
hat es aber nicht leicht, auf den zentralen europäischen Kontinent nachhaltig
Einfluss zu nehmen. Während die jüngsten IFS-Läufe der Zonalisierung zumindest
Sonntag/Montag durchaus Chancen einräumen, Deutschland vorübergehend
zyklonaleres Wettergeschehen zu bescheren, verfallen vielen Berechnungen schnell
wieder in das alte „Blocking-Muster“, wobei sogar eine Verschiebung der starken
positiven Geopotenzialanomalie in Richtung Mitteleuropa angedeutet wird. Diese
Entwicklung darf als unsicher bezeichnet werden, nicht zuletzt auch, weil ein
namenloses tropisches System, das südlich der Azoren zu einem Tropensturm
heranreifen könnte (NHC: 40%), die Finger im Spiel hat.

Zu Beginn der Mittelfrist am kommenden Donnerstag reicht ein Rücken, eingeklemmt
zwischen zwei umfangreichen Trögen über Osteuropa und dem Nordostatlantik, vom
östlichen Mittelmeerraum über das östliche Mitteleuropa und den fennoskandischen
Raum bis in das Nordpolarmeer. An der Westflanke seiner Achse wird dieser durch
zwei Cut-Off-Tiefs gestört, von denen eines in Richtung Karpaten und ein anderes
von England über Benelux nach Deutschland zieht. Im Bodenniveau herrschen
zwischen dem Zentraltief südlich von Island und der blockierenden Hochdruckzone
über Osteuropa meist schwache Luftdruckgegensätze über Mitteleuropa vor, die
allerdings durch einen mit dem zweitgenannten Cut-Off korrespondierenden
Bodentrog über Deutschland vorübergehend leicht verschärft werden. Das Wetter
gestaltet sich somit vorübergehend zyklonaler, gebietsweise (nach IFS00Z vor
allem über dem Westen und der Mitte) muss mit schauerartigen Regenfällen und
böigem Südwest- bis Westwind gerechnet werden. In der erwärmten Polarluft (T850
zwischen +1 und +6 Grad) werden – mit Ausnahme des Ostens und Südostens – mit
zunehmender Durchmischung verbreitet zweistellige Temperaturmaxima, am Oberrhein
um 15 Grad erreicht.

Am Freitag zieht das Höhentief über Süddeutschland in Richtung Balkan-Halbinsel
ab. Ihm folgt von Westen ein kurzwelliger Höhenrücken, bevor sich am Rande eines
zur Nordsee schwenkenden Kurzwellentroges von Westen eine recht glatte
westsüdwestliche Höhenströmung durchsetzt. Der Kurzwellentrog korrespondiert mit
einer okkludierenden Front, die abends von Westen hereinschwenkt. Zunächst
regnet es mit Abzug des Höhentiefs vor allem im Süden und Südosten, später
kommen mit der Front von Westen neue, allerdings wahrscheinlich nur leichte
Regenfälle auf. Dazwischen kann sich, sofern sich die teils zähen Nebel- und
Hochnebelfelder auflösen, aber zeitweise die Sonne zeigen. Am recht milden
Temperaturniveau (selbst nachts meist frostfrei) ändert sich kaum etwas.

Am Samstag verbleibt Deutschland zwischen dem sich regenerierenden Trogkomplex
über dem Nordostatlantik und dem blockierenden Hoch über Westrussland in eher
schwacher südwestlicher Höhenströmung, die vor alle nach Südwesten zu eine
antizyklonale Konturierung aufweist. Niedertroposphärisch steilt die ebenfalls
schwache Strömung etwas auf Süd auf. Die okkludierte Front löst sich über
Deutschland auf, sodass kaum Regen mehr zu erwarten ist. Dort, wo sich die
hochnebelartige Bewölkung auflöst (bevorzugt an den Nordrändern der
Mittelgebirge) zeigt sich längere Zeit die Sonne. Allerdings kommt vor allem im
Norden im Verlauf WLA auf, wodurch sich dort mehrschichtige Bewölkung zeigt. Mit
der WLA steigt T850 auf 3 bis 8 Grad an, am Boden setzt sich die Erwärmung aber
kaum durch.

Am Sonntag soll nach Lesart des IFS00Z aus dem nordostatlantischen Trogkomplex
ein scharfer Kurzwellentrog herauslaufen, mit seiner Achse über die Britischen
Inseln und die Nordsee hinwegschwenken und ab dem Abend schließlich auf
Deutschland übergreifen. Die Kurzwelle forciert eine Kaltfrontwelle, die sich
auf ihrem Weg über Großbritannien zu den Shetlands zu einem Wellentief
entwickelt. Die Kaltfront des Wellentiefs erfasst Deutschland und soll bis
Montagfrüh schon die südöstlichsten Landesteile erreichen. Bevor die frontalen
Regenfälle von Nordwesten übergreifen, gibt es den gewohnten Mix aus Hochnebel
und Sonne. Mit Frontpassage verschärft sich der Gradient im Westen und
Nordwesten, sodass dort stürmische Böen nicht ausgeschlossen sind, auf
Berggipfeln und an der Nordsee sind Sturmböen möglich.

Am Montag vollzieht sich eine neue, starke Austrogung über dem Nordatlantik.
Stromab kann sich dadurch ein recht breit angelegter Rücken von der Iberischen
Halbinsel über Frankreich und Großbritannien bis nach Island aufwölben. Zwischen
diesem Rücken und dem ostwärts durchschwenkenden Kurzwellentrog stellt sich über
Deutschland eine glatte Nordwestströmung ein, mit der etwas kältere Meeresluft
polaren Ursprungs herangeführt wird (T850 zwischen -2 und +6 Grad). KLA und
nachfolgenden NVA lässt den Druck steigen. Eine kleine, nach Süddeutschland
ziehende Hochzelle ist das Resultat. Während sich in der Nordhälfte windiges
Schauerwetter einstellt, bleibt es in der Südhälfte nach den zögerlich
südostwärts abziehenden frontalen Regenfällen somit ruhig und trocken.

In der erweiterten Mittelfrist soll nach IFS00Z der Einfluss des o. e. Rückens
dominieren, dessen Achse im Nordteil rasch bis nach Fennoskandien schwenkt, im
Südteil aber weit nach Südwesteuropa zurückhängt (stark positive Achsenneigung).
Typisches ruhiges Herbstwetter (teils trüb, teils freundlich) wäre die Folge.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Im Hinblick auf die großräumige Geopotenzial- und Druckverteilung rechnen die
jüngsten IFS-Läufe bis einschließlich Samstag recht konsistent. Im Detail fällt
allerdings auf, dass die Ausprägung und die Position des Cut-Offs über
Mitteleuropa zu Beginn der Mittefrist von Lauf zu Lauf leicht variierend
berechnet werden. Dieser Umstand wirkt sich natürlich auch negativ auf die
Vorhersagbarkeit der damit in Verbindung stehenden schauerartigen Regenfälle
aus.
Ab Sonntag divergieren die IFS-Läufe auch bezüglich der großräumige Entwicklung.
Sowohl der gestrige IFS12Z als auch der aktuelle IFS00Z-Lauf favorisieren ein
etwas zyklonaleres Szenario, indem Kurzwellentröge in schärferer Ausprägung über
Mitteleuropa hinwegschwenken. Während der gestrige IFS0Z-Lauf eine sehr milde
Südwestströmung mit schleifender Frontalzone über Nordwestdeutschland zeigte,
würde nach den beiden jüngsten Simulationen eine Kaltfront Deutschland bis
Wochenbeginn komplett überqueren und sich rückseitig vorübergehend kältere
Polarluft durchsetzen.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

GFS und ICON sehen zu Beginn der Mittelfrist am Donnerstag kein Cut-Off über
Deutschland, sondern einen über den Norden und Nordwesten durchschwenkenden
Randtrog. Demnach wären nicht die Mitte und der Süden, sondern eher der Norden
und Nordwesten von zeitweiligen Regenfällen betroffen.

Am Freitag und Samstag unterscheidet sich ICON kaum von der neusten
IFS-Simulation. GFS betont die Südwestströmung etwas stärker, wodurch an der
Nordsee durchaus stürmische Böen oder Sturmböen auf den Plan gerufen werden
könnten.

Am Sonntag und Montag simulieren ICON und GFS ebenfalls einen etwas schärferen
Kurzwellentrog, der auf Deutschland übergreifen soll. Es bestehen allerdings
noch Phasenunterschiede: GFS und ICON hinken dem IFS-Szenario ca. 12 Stunden
hinterher.

In der erweiterten Mittelfrist rechnet auch das GFS wie IFS einen umfangreichen
Rücken, dessen positiv geneigte Achse über Mitteleuropa verläuft. Bei GFS sieht
der Rücken aber noch etwas umfangreicher und stabiler aus als bei IFS, es
zeichnet sich über dem westlichen Alpenraum sogar eine Höhenantizyklone ab.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Das IFS-EPS wird für den Zeitraum bis +96 h (Freitag) in 4 Cluster unterteilt.
In allen Clustern fällt die starke positive Geopotenzialanomalie über Nordeuropa
ins Auge. Während C1, C2 und C4 (19+13+8 Member, HL in C2, CL in C1) dem
Blocking-Regime zugeordnet werden, trägt C3 (11 Member) der Zonalisierung über
dem Atlantik bereits Rechnung, in dem es einen Übergang zu „Positive NAO“
vollzieht. Prognoserelevante Unterschiede ergeben sich einzig aus der Position
der Cut-Offs bzw. Randtröge über Mittel- und Westeuropa.

Im Zeitraum +120-168 h (Samstag bis Montag) weitet sich das IFS-EPS auf 5
Cluster. C1, C2, C3 und C4 (18+10+9+8 Member, HL in C2, CL in C1) werden dem
Regime „Positive NAO“ zugeordnet, als Folge der vorübergehenden Zonalisierung
über dem Atlantik. C1, C2 und C3 (37 Member) zeigen einen mehr oder weniger gut
ausgeprägten Kurzwellentrog, der im Verlauf (mit Timingunterschieden) auf
Deutschland übergreift. Bei C4 (8 Member) fällt der Trog nur rudimentär aus. In
C5 (6 Member, Blocking!) bleibt Mitteleuropa durchweg unter einem Rücken.

Im Zeitraum +192-240 h (Dienstag bis Donnerstag) hat man die Qual der Wahl
zwischen 2 Clustern. C1 (31 Member, inkl. HL und CL) verbleibt im Regime
„Positive NAO“. Auffällig ist aber, dass die zugrundeliegende Zonalisierung über
Europa sehr weit nach Norden verschoben stattfindet und Mitteleuropa wieder
unter hohes Geopotenzial gelangt. Bei C2 (20 Member) trogt es über dem Atlantik
stark aus. Stromab wird die starke positive Geopotenzialanomalie über Nordeuropa
regeneriert und so das Blocking aufrechterhalten.

Die EPS-Rauchfahnen von Offenbach für die Temperatur auf 850 hPa (T850) und das
500-hPa-Geopotenzial (H500) verlaufen bis Sonntag einigermaßen gut gebündelt.
Allerdings zeigt sich am Donnerstag/Freitag vorübergehend etwas mehr Spread, was
wohl mit der Unsicherheit bezüglich des etwaigen Cut-Offs über Deutschland in
Verbindung steht. Der Hauptlauf befindet sich eher am unteren Ende der
H500-Memberschar, ist sonst wie auch der Kontrolllauf aber gut ins EPS
eingebettet.

Ab Sonntag nimmt der Spread dann allerdings deutlicher zu. Zwar sehen die
meisten Member einen Rückgang von T850 und H500 zu Wochenbeginn, dieser fällt
allerdings sehr unterschiedlich stark und nachhaltig aus. Passend dazu nehmen
auch die Niederschlagssignale am Sonntag und Montag vorübergehend deutlich zu.
Einige wenige Member sehen gar keinen Einbruch.

In Richtung erweiterter Mittelfrist lässt die Mehrheit der Member das
Geopotenzial wieder deutlich ansteigen, bei gleichzeitig zurückgehenden
Niederschlagssignalen. Bei der Temperatur zeigt sich im Gegensatz dazu ein sehr
unklares Bild mit massivem Spread.

FAZIT: Wenn man die Unsicherheiten in Bezug auf das kleine Cut-Off-Tief am
Donnerstag ausklammert, steht der Fahrplan bis Samstag im Großen und Ganzen:
also meist ruhiges, teils freundliches, teils trübes Herbstwetter und nur
gebietsweise mal etwas Regen.
Ab Sonntag wird die Geschichte dann zunehmend diffus. Unter Berücksichtigung der
externen Globalmodelle und des IFS-EPS schlug das Pendel zuletzt etwas mehr in
Richtung vorübergehend stärkerer Zyklonalität aus (verbreiteter Regen und
eventuell auch windiger als zuletzt).
Im Verlauf der nächsten Woche stehen die Chancen auf eine Renaissance des
hochdruckdominierten Wetters allerdings wieder gut. Völlig unklar ist aber, ob
es sich dabei um eine antiyklonale Westlage oder ein Blocking handelt. Letzteres
Szenario kann, je nach Anströmung, mit durchaus sehr unterschiedlich
temperierten Luftmassen einhergehen.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

WIND:
Am Freitag über der Nordsee vorübergehend auffrischender Südwestwind, dabei Böen
Bft 8 nicht ganz ausgeschlossen (GFS, ICON-EU-EPS, COSMO-LEPS).
Am Sonntag und Montag an der Nordsee sowie auf einigen Mittelgebirgsgipfeln
zeitweise Böen Bft 8-9 leicht wahrscheinlich, im nordwest- und westdeutschen
Binnenland Böen Bft 8 gering wahrscheinlich (IFS-EPS, IFS-MIX).

EFI:
Keine Signale für ungewöhnliches oder extremes Wetter in Deutschland.

Basis für Mittelfristvorhersage
IFS det. (bis Samstag), danach eher die probabilistischen Verfahren IFS-MIX.

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Adrian Leyser