SXEU31 DWAV 021800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 02.11.2020 um 18 UTC

Markante Wettererscheinungen:
Anfangs in der Nordwesthälfte und der Mitte windig. Mit Durchzug einer Kaltfront
etwas Regen und kurzzeitige Windzunahme, dann abgesehen vom Norden nachlassender
Wind. In der Nacht zum Donnerstag in der Mitte leichter Frost.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 12 UTC

Aktuell … neigt sich ein Tag der Rekorde dem Ende zu. In weiter Teilen
Deutschlands wurden die höchsten Novemberwerte seit Beginn der Aufzeichnungen
registriert. Der Grund ist eine hoch reichende lebhafte südwestliche Strömung,
mit der subtropische Luft nach Mitteleuropa transportiert wird. Dies geschieht
im 500 hPa-Niveau zwischen einem Höhenrücken, dessen Achse aktuell von Korsika
über das Böhmische Becken bis zum Baltikum ausgerichtet ist und der sich in der
kommenden Nacht kaum verlagert. Sein Gegenspieler ist ein Langwellentrog auf dem
Atlantik, der bis in den Süden der Iberischen Halbinsel ausgreift. Er legt eine
ähnlich zögerliche Verlagerung an den Tag wie der Rücken östlich von uns,
immerhin erreicht seine Achse ausgangs der Nacht aber die Irische See. Damit
hält in der Höhe der Zustrom der Subtropikluft auch in der Nacht an. In
Bodennähe macht dagegen eine Kaltfront der frühlingshaften Wetterepisode und
auch dem anfangs noch kräftigen Wind den Garaus. Dieser resultiert aus dem
angeschärften Druckgradienten und bringt bis in die erste Nachthälfte hinein in
der Nordwesthälfte und in der Mitte Böen der Stärke Bft 7, an der Nordsee und im
nahen Binnenland bis weit nach Schleswig-Holstein hinein sowie in höheren
Mittelgebirgslagen Bft 8-9, in einigen exponierten Kamm-, Kuppen- und
Gipfellagen reicht es gar für einzelne schwere Sturmböen Bft 10, auf dem Brocken
für orkanartige Böen Bft 11. Die Kaltfront gehört zu einem Randtief des
Ex-Hurrikans ZETA. Während ZETA über dem Nordmeer mit seiner Vorgängerin NINA
verschmilzt, zieht das über Lappland befindliche Randtief weiter zur
Kola-Halbinsel. Die angesprochene Kaltfront liegt aktuell etwa auf einer Linie
von Schleswig-Holstein bis zur Eifel. An bzw. unmittelbar postfrontal simulieren
insbesondere die höher auflösenden Modelle wie ICON-EU oder COSMO-D2 noch Böen
bis zur stärke Bft 8 (obwohl die Front eine recht stabile Schichtung aufweist).
Ob diese Schwelle erreicht wird muss abgewartet werden, allerdings sollte mit
Frontpassage der Wind tatsächlich nochmals etwas auffrischen, und die Bft 8
erscheint bei Höhenwinden zwischen 40 und 50 kt auch alles andere als unmöglich.
Definitiv nicht warnwürdig ist an der Luftmassengrenze aber der Regen. In der
Spitze um 5 l/qm, meist aber um 2 l/qm, das ist die angepeilte Größenordnung,
wobei die Intensität im Nachtverlauf nachlässt. Die Front kommt bis zum Morgen
bis etwa auf eine Linie Ostsachsen – Straßburg voran, mit Frontpassage steigt
der Druck, es fließt aber auch, abgesehen von den Gebieten südlich der Donau,
deutlich kältere erwärmte Polarluft ein. Dies lässt sich z.B. bei ICON an der
Schichtdickenadvektion 1000/500 hPa ablesen. Liegen die 850er Temperaturen
aktuell noch in einer Spanne von 4 Grad im Nordwesten und bis zu 12 Grad im
Süden, so liegt diese Spanne ausgangs der Nacht nur noch bei 2 bis 10 Grad,
wobei die 10 Grad nur noch im äußersten Südosten das Maß der Dinge sind. Dort
hält sich somit noch die feuchte Warmluft, und da der Wind dort in der Nacht
meist schwach ausfällt, kann sich hier und da in den Morgenstunden ein Nebelfeld
bilden, das aber kaum die für eine Warnung nötige Sichteinschränkung auf unter
150 m hervorrufen dürfte. Allgemein, und damit auch in den präfrontal
verharrenden Gebieten, steigt der Druck, und von Frankreich her schiebt sich ein
flacher Hochkeil bis nach Südwestdeutschland vor. Insbesondere im Süden (s.o.)
und in der Mitte fächert der Gradient merklich auf, während im Norden mit
Durchgang eines flachen Bodentroges über dem Skagerrak noch ein gewisser
Restgradient übrigbleibt. Dieser genügt, um der Küste sowie Schleswig-Holstein
weiterhin flotten „Südwest“ zu bescheren mit Böen Bft 7 im küstennahen
Binnenland, an der Nordsee sowie zwischen Kieler und Flensburger Förde Bft 8 und
in der Deutschen Bucht vereinzelt Bft 9. Ansonsten lässt der Wind auch im
Bergland merklich nach, anfangs gibt es auf Gipfeln aber noch die eine oder
andere Böe Bft 8-9, was ausgangs der Nacht nur noch der Brocken schafft.

Dienstag … weist der Langwellentrog westlich von uns eine gewisse
Amplifizierung auf, während der Höhenrückens östlich von uns sich diesbezüglich
kaum ändert. Wir bleiben somit unter einer weitgehend glatt konturierten
südwestlichen Höhenströmung, in der keine nennenswerten dynamischen
Hebungsimpulse auszumachen sind. Interessant für den weiteren Werdegang ist die
Tatsache, dass der Trog kaum noch Boden nach Osten hin gutmacht, stattdessen
seine Wellenlänge reduziert, was auf einen möglichen Cut-Off-Prozess hinweist,
und darüber hinaus beginnt, nach Südwesten zurückzuhängen. Dieser Eindruck
entsteht auch dadurch, dass sich in die Rückseite des Langwellentroges ein
mächtiger Höhenrücken schiebt, der auf dem Nordatlantik mehr und mehr Raum
einnimmt. Diese Genese einer
Antizyklone auf dem mittleren Nordatlantik sorgt auch für steigenden Luftdruck
über Südwesteuropa und bis nach Süddeutschland hinein. Über dem Atlantik lässt
sich im Zuge der geschilderten Prozesse morgen Mittag ein ausgedehntes
1040-hPa-Hoch (RAMESH) mit Zentrum wenige hundert Kilometer nordwestlich der
Azoren bestaunen, der nach Europa gerichtete Keil bildet morgen Abend den
westlichen Teil einer Hochdruckbrücke (PIT), die bis zum über Russland liegenden
Hoch QUINTUS verläuft. Im Bereich dieser Hochdruckbrücke liegt über
Süddeutschland die Kaltfront der NINA-ZETA-Welle. Sie macht kaum Boden nach
Süden gut, vielmehr sorgen flache Tiefs in ihrem Bereich für ein zumindest
lokales Rückläufig-Werden und somit für Warmfrontcharakter. In der Folge
verzögert sich im äußersten Süden und Südosten auch der Luftmassenwechsel.
Während die Temperatur in 850 hPa im Westen und Nordwesten auf null bis -2 Grad
am Abend zurückgeht, sind es am östlichen Alpenrand immer noch etwa 10 Grad. Im
Bereich der Front kommt es zu Regenfällen, die der Frontenlage entsprechend vor
allem Bayern (ohne Unterfranken) und Baden-Württemberg betreffen und dabei so
schwach bleiben, dass sie keine Warnungen nach sich ziehen werden. Während es im
Süden morgen also verbreitet grau in grau und regnerisch bleibt, lockert die
Wolkendecke in der Nordhälfte auf und vor allem über der Norddeutschen Tiefebene
und im Küstenbereich zeigt sich für einige Stunden die Sonne. Zwar kommt es zu
einem Temperatursturz von etwa 7 Grad, aber so bizarr es auch klingen mag, die
Temperaturen bleiben mit einer Spanne von 9 bis 15 Grad (Berchtesgadener Land
bis 17 Grad) für den November weiterhin sehr mild. Durch den Keil, der sich nach
Süddeutschland schiebt, fächert der Gradient von Süden her weiter auf. Nur an
der See sowie im nördlichen Schleswig-Holstein weht anfangs noch ein frischer
Südwestwind mit Böen Bft 7, an der Nordsee reicht es noch für Bft 8-9, bevor am
Nachmittag auch dort Schluss ist. Eine gewisse Unsicherheit bleibt aber, denn
ein scharfer Bodentrog, der von den Modellen noch unterschiedlich simuliert
wird, zieht im Laufe des Nachmittags in den Nordwesten. Er könnte im Emsland und
an der Nordsee für ein erneutes Aufleben des Windes sorgen, bis hin zu Bft 8-9
an der Nordseeküste.

In der Nacht zum Mittwoch bleibt die Höhenströmung sehr steil, der
Langwellentrog tropft in der zweiten Nachthälfte dann tatsächlich zur Biskaya
hin ab. Durch den entsprechenden Geopotentialanstieg über dem Ärmelkanal
verlagert sich auch der Keil des Atlantikhochs nach Norden, er verläuft ausgangs
der Nacht über Südengland und Nordfrankreich hinweg nach Süddeutschland. An der
Kaltfront zieht ein flaches Tief von Südbayern über das Böhmische Becken hinweg
nach Nordosten. In seinem Bereich kommt es zu einer Intensivierung der
Regenfälle, allerdings wird das Erzgebirge Stand jetzt davon nur ein paar
Tropfen abbekommen, im Gegensatz zu Südbayern, wo es vor allem in der ersten
Nachthälfte noch verbreitet und lokal auch mal kräftiger regnet. Noch ein Blick
in den Norden bzw. Nordwesten, wo sich das nördliche Residuum des Höhentroges
nähert. Dabei kommt es über der Nordsee zu einer Labilisierung der maritimen
Polarluft, immerhin liegen die 500-hPa-Temperaturen über der Deutschen Bucht um
-32 Grad. Entsprechend entwickeln sich einzelne Schauer, die von der Deutschen
Bucht her über Schleswig-Holstein bis hinüber zur Ostsee ziehen, wahrscheinlich
aber nicht besonders weit nach Süden ins Binnenland ausgreifen. Außerdem sorgt
der nunmehr an der Trogvorderseite ostwärts durchschwenkender Bodentrog für eine
Windzunahme auch an der Ostsee, während der Wind an der Nordsee schon in der
ersten Nachthälfte rückseitig des Bodentroges wieder nachlassen soll. Im
westlichen Mittelgebirgsraum kühlt sich die Luft bei Aufklaren stellenweise bis
in Gefrierpunktnähe ab, was in einigen Regionen zumindest Frost in Bodennähe zur
Folge hat.

Mittwoch … schreitet der Abtropfprozess weiter voran, bis zum Abend kommt das
Höhentief vor der portugiesischen Küste zu liegen. Das nördliche Residuum
überquert mit positiver Achsneigung Nordwegen und Schweden und damit auch die
Nordsee und Norddeutschland und kommt zum Abend über der westlichen Ostsee an.
Derweil weitet sich der o.e. atlantische Höhenrück bis zur Norwegischen See aus,
von wo aus er langsam nach Süden bis zur Nordsee „kippt“. Die Zone des
niedrigsten Geopotentials liegt im Bereich des Ärmelkanals, und ebendort steigt
der Druck am Tage deutlich von etwa 1030 am Morgen auf über 1035 hPa am Abend
an. Dabei verlagert sich der Hochdruckschwerpunkt in Richtung Irland. Bis zum
Abend liegt der gesamte Vorhersageraum bei über 1030 hPa, die Mitte Deutschlands
sogar bei etwas über 1035 hPa steht. Unter dem ansteigenden Druck auch über dem
Südosten verliert die Front mehr und mehr ihren frontalen Charakter. Im
Theta-Feld verwischt der Gradient, und allmählich wird die Restfront selbst bei
einem nördlichen bzw. nordnordöstlichen Wind über Bayern doch aus dem
Vorhersageraum gedrückt, was auch die ohnehin nur noch schwachen Regenfälle
weiter nach unter dimmt. Mit dem Abzug der Front setzt sich nun auch im
äußersten Süden und Südosten kältere Luft durch, die 850er Temperatur sinkt bis
zum Abend auf Werte um 1 Grad südlich des Mains und auf Werte um -1 Grad
nördlich desselben. Dort sowie im Westen präsentiert sich die Bewölkung mehr
oder weniger aufgelockert mit sonnigen Abschnitten. Ein paar wenige Schauer
fallen am ehesten an der Küste. Dort macht auch der westliche Wind noch mal
zaghaft auf sich aufmerksam, weil sich zwischen Hochkeil und einem über
Skandinavien ostwärts schwenkenden Bodentrog ein leidlicher Gradient aufbaut,
der für ein paar steife Böen Bft 7 gut sein kann. Die Temperaturen werden weiter
gestutzt, die Höchstwerte liegen nur noch zwischen 6 und 12°C.

In der Nacht zum Donnerstag greift der Hochkeil auf den Süden Skandinaviens aus.
Der Druck über Deutschland steigt auf seiner Vorderseite weiter, zum Morgen
liegt er fast in ganz Deutschland bei über 1035 hPa. Vor allem in einem breiten
Streifen in der Mitte (quasi im erweiterten Bereich der Divergenzachse des
West-Ost-orientierten Hochs) kühlt es bis nahe 0°C oder sogar darunter ab
(gebietsweise Luft-, verbreitet Bodenfrost), zudem bildet sich vielerorts Nebel.
Im äußersten Süden wird Frost außer im höheren Bergland durch frontale
Restbewölkung, im Norden durch Wind (an der See noch einige 7er-Böen)
verhindert.

Donnerstag … ist der Fokus zunächst ganz auf den nahen Ostatlantik gerichtet.
Dort befindet sich weiterhin vor der Westküste der Iberischen Halbinsel ein
abgeschlossenes Höhentief, das seine Lage im Tagesverlauf kaum verändert. Sein
Gegenpart ist ein von West nach Ost gerichteter Höhenrücken über dem nördlichen
Atlantik. Dieser weitet sich zunehmend in Richtung Großbritannien und die
Nordsee, später auch nach Mitteleuropa aus. Am Boden stützt dieser eine lang
gezogene Hochdruckzone, die ebenfalls von den Britischen Inseln nach
Süddeutschland und Tschechien gerichtet ist. Deutschland gelangt damit zunächst
in eine Hochdruckrandlage, wobei der Zustrom kühler Meeresluft (T 850 hPa etwas
über 0 Grad) an der Ostflanke weiterhin anhält. Wie üblich, sind solche
Hochdruckzonen vor allem im Norden für durchziehende Randtröge anfällig, die
atlantische Frontensysteme von Nordwesteuropa in Richtung Ostsee und Polen
steuern. Auch in diesem Fall kommt es zu einem solchen Prozess, wobei der
schwach ausgeprägte Randtrog Dänemark im Tagesverlauf überquert. Die damit in
Verbindung stehende Warmfront ist im Theta-Feld zwar gut zu erkennen, mehr als
dichtere Wolken und gelegentlichen leichten Regen im äußersten Norden wird diese
aber nicht bringen. Auch in den Regionen entlang und südlich der Donau wird sich
die Sonne kaum zeigen, dafür verantwortlich ist zum einen noch die in Auflösung
befindliche Luftmassengrenze an den Alpen, zum anderen die Ausbildung von
Hochnebel während der vorangegangen Nacht. Dazwischen, etwa von der Alb bis zu
den nördlichen Mittelgebirgen, scheint dagegen zeitweise die Sonne. Die
Tageshöchstwerte reichen von 7 Grad bei länger trüben Verhältnissen bis etwa 13
Grad an der Nordsee. Die Nacht zum Freitag verläuft dann in den am Tag recht
sonnigen Regionen teilweise frostig, sonst verhindern dichtere Wolken eine
effektivere Ausstrahlung. Außerdem wird sich wieder gebietsweise Nebel bilden.
Noch ein Wort zum Wind: Sowohl tagsüber, als auch in der Nacht kann es an den
Küsten zu einzelnen starken Böen aus West kommen.

Modellvergleich und -einschätzung

Die Modelle simulieren die Abläufe der kommenden Tage sehr ähnlich, insbesondere
auch bezüglich der warnrelevanten Parameter. Wesentliche Unterschiede zwischen
den Modellen wurden im Text angerissen

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas