S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 30.10.2020 um 10.30 UTC

Zunächst windiges und unbeständiges Herbstwetter, ab Wochenmitte
Wetterberuhigung.

Synoptische Entwicklung bis zum Freitag, den 06.11.2020

Am Montag zu Beginn des mittelfristigen Zeitraums liegt Deutschland auf der
Vorderseite eines Langwellentroges, der sich von Island südwestwärts über den
Ostatlantik erstreckt. Auf der Vorderseite stützt der Trog einen Rücken, dessen
Achse zu Wochenbeginn vom westlichen Mittelmeerraum über Österreich hinweg bis
nach Polen verläuft. Im Bodenniveau korreliert der Höhentrog mit einem Tief über
dem Seegebiet zwischen Island und Norwegen, von welchen sich ein Frontenzug über
die Nordsee hinweg bis nach Nordwestfrankreich zieht und im Bereich des
Ärmelkanals zum Wellen neigt. Deutschland befindet sich demnach im Warmsektor
hinter der Warmfront, die das Land nach Osten verlassen hat und über Polen und
Tschechien liegt. Dabei sind im Osten anfangs noch letzte Aufgleitniederschläge
im Umfeld der Warmfront zu verzeichnen, die aber rasch ostwärts herausgeschoben
werden. Stattdessen kommen von Nordwesten Hebungsprozesse durch die nachstoßende
Kaltfront ins Spiel, sodass schauerartige auf das Land übergreifen und nach
neusten Berechnungen des IFS in der Nacht etwa die Linie Schwarzwald Rügen
erreichen. Im Warmsektor wird mit einer südwestlichen Strömung auch ordentlich
warme Luft subtropischen Ursprungs ins Land geführt, sodass die Temperaturen in
850 hPa zwischen 9 und 14 Grad und bodennah 15 bis 23 Grad erreichen können.

Zum Dienstag verlagert sich der Langwellentrog unter Verkürzung der Wellenlänge
und einhergehender Amplifizierung mit seiner Achse, die sich über die Britischen
Inseln hinweg bis nach Nordwestspanien erstreckt, langsam ostwärsts. Im
Bodenniveau kann sich durch die kräftigeren Entwicklungen in der Höhe auch da
Tief über England etwas intensivieren, was auf dessen Westflanke eine stärkere
nordwestliche Strömung hervorruft. Nachfolgend bekommt die Kaltfront über
Westeuropa nochmals Schub nach Süden, während sie auf der Vorderseite des Tiefs
in einer diffluenten Strömung kaum Verlagerungstendenzen aufweist. Allerdings
verliert die Kaltfront im Süden Deutschlands durch bodennahe zunehmend
antizyklonale Verhältnisse vorübergehend an Wetteraktivität. Insgesamt
verstärken sich dabei die Temperaturgegensätze. Die im Nordwesten einfließende
erwärmte Polarluft steht dabei den Resten der Subtropikluft an den Alpen
gegenüber, sodass die Werte in 850 hPa zwischen -1 Grad an der Nordsee und bis
10 Grad im äußersten Süden liegen. In der Nacht zum Mittwoch nähert sich ein in
den Langwellentrog eingebetteter Kurzwellentrog von Frankreich an. Einhergehend
verlagert sich das Bodentief über die Nordsee. Dabei aktiviert dieses erneut den
über dem Süden und Teilen Ostdeutschlands liegenden wellenden Frontenzug. Zudem
generiert das Tief auch im Westen und Nordwesten des Landes wohl ausreichend
Hebung, um einzelne Schauer zu produzieren.

Zum Mittwoch verkürzt der Haupttrog bei weiterer Amplifizierung weiter seine
Wellenlänge. Die Achse verläuft von Norwegen über den Ärmelkanal und
Nordwestfrankreich hinweg bis in den Nordwesten Spaniens, wo sich sogar ein
eigenständiges Drehzentrum ausbilden soll. Der in der Nacht angesprochenen
Kurzwellentrog auf der Vorderseite des Haupttroges schwenkt derweil über die
Nordhälfte Deutschlands hinweg gen Ostsee und kennzeichnet bodennah die Grenze
zu der einfließenden, noch etwas kälteren Luft. Sowohl frontale Hebung als auch
diabatische Prozesse durch die noch warme See führen so im Norden zu
schauerartigen Niederschlägen. Ansonsten halten sich auch im Süden
Aufgleitniederschläge, die von einem Tief über Norditalien ausgehen. Während im
Südosten Deutschlands am Mittwoch in 850 hPa noch Temperaturen leicht über 0
Grad vorherrschen, werden sonst 0 bis -4 Grad erwartet. Entsprechend gehen auch
die Werte in 2 m im Vergleich zum Montag deutlich zurück und erreichen noch
Maxima zwischen 8 und 13 Grad.

Am Donnerstag kann sich das Drehzentrum über Südwesteuropa weiter kräftigen und
vom Haupttrog abkoppeln. Der Cut Off soll nachfolgend vor der Atlantikküste der
Iberischen Halbinsel wirbeln. Die Reste des Haupttroges bekommen ihrerseits
einen Verlagerungsschub und schenken über Deutschland hinweg. Die Achse liegt
dabei nach Leseart des IFS am Mittag etwa von Rügen bis zur Eifel. Gleichzeitig
nutzt ein schwacher Rücken die Sollbruchstelle des Troges über Frankreich und
England und klopft an das ausgeprägte Höhenhochsystem westlich von Irland an.
Nachfolgend wird der Trog in die Zange genommen und gezwungen, seine Wellenlänge
weiter zu verkürzen. Allenfalls in der Mitte wird das Wetter dabei noch leicht
von dem markanten Höhentrog geprägt. Entsprechend der Höhenstrukturen über
Europa sind auch die Tendenzen für die bodennahen Prozesse analog gegeben.
Ausgehend vom Höhenhoch kann sich das korrelierende Bodenhoch langsam über die
Britischen Inseln hinweg bis nach Deutschland ausdehnen und zudem das Tief über
Italien schwächen und südwärts drücken. Eine gewisse Wetteraktivität wird
demnach bevorzugt noch im Küstenumfeld im Hochrandbereich erwartet. Dort führt
die PVA kurzwelliger Anteile gekoppelt mit diabatische Einflüssen der See zu
ausreichend Hebungsimpulsen. Durch die hierzulande zunehmend hochreichenden
antizyklonalen Verhältnisse mit Absinken beginnt sich die eingeflossene alternde
kalte Luft polaren Ursprungs zu erwärmen. Bis Freitagmorgen liegen die Werte in
850 hPa landesweit wieder über 0 Grad. Bodennah sieht es auch aufgrund der für
die Jahreszeit typischen Wetterphänomene und des Sonnenstandes etwas anders aus.
Tagsüber stehen nur noch Höchstwerte um 10 Grad auf dem Programm und nachts
werden niedrige einstellige Temperaturen mit regionalem Bodenfrost zum Standard.

Am Freitag dominieren weiter das Höhenhoch über den Britischen Inseln und der
ausgeprägte Rücken über dem zentralen Mittelmeerraum das Wettergeschehen in
weiten Teilen Europas. Das Höhenhoch und der Rücken werden dabei von einer
schwachen Geopotentialrinne getrennt, in der sich über Frankreich schon am
Vortag ein Kaltlufttropfen bildete und sich unter Verstärkung in die Bretagne
verlagert. Bodennah ist von den Britischen Inseln und der Nordsee bis zum
Schwarzen Meer hohen Luftdruck Trumpf. Nennenswerte Hebung wird in Deutschland
weiter allenfalls im Hochrandbereich im Ostseeumfeld generiert. Somit sind an
den Küsten weiter kurze Schauer möglich. Sonst kann sich hierzulande ruhiges
Herbstwetter festbeißen. Bei Nebel und Hochnebel bleibt es wohl bei einstelligen
Höchstwerten, bei Sonnenschein sind bis 13 Grad drin.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Die Konsistenz des aktuellen 00 UTC Laufes des IFS ist als relativ gut
anzusehen. Die großskaligen Strukturen werden über den gesamten Zeitraum
vergleichbar wiedergegeben. Im Detail gibt es allerdings Unterschiede bei der
Ausprägung und Phase der Tröge sowie korrelierenden Bodentiefs. Der aktuelle
IFS-Lauf rechnet am Dienstag den Trog über der südlichen Nordsee stärker, der
bodennah nun auch mit aktiven frontalen Prozessen einhergeht. Auch im Verlauf
tendiert der neuste IFS Lauf zu einer intensiveren Entwicklung und leicht
schnelleren ostwertigen Verlagerung des Systems. In der Nacht zum Freitag soll
demnach im Gegensatz zu den Vorläufen, ausgehend von einem nach Westen
verschobenen hochreichenden Hoch über den Britischen Inseln, im Norden eine
Kaltfront etwas Niederschlag produzieren.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Die weiteren Globalmodelle führender Wetterdienste (z.B. ICON, GFS, UKMO, GEM)
beschreiben die großskaligen Strukturen vergleichbar zum IFS. Sowohl
Torgentwicklung über den Britischen Inseln als auch Abschnürungsprozess werden
modellübergreifend gezeigt. Geringe Abweichungen gibt es bei der räumlichen
Einordnung und Intensität der Systeme. Vor allem ICON simuliert zum Ende der
Mittelfrist leicht abweichende Entwicklungen des Troges über dem östlichen
Mitteleuropa. Beim GEM wird das Bodentief über England am Dienstag vermisst.
Zudem rechnet das GEM das Hoch eher zonal ausgerichtet quer über Deutschland
hinweg. GFS und IFS zeigen sehr ähnliche Verteilungen. Beim UKMO ist der tiefe
Luftdruck über Mitteleuropa zu Beginn der Mittelfrist sogar noch etwas stärker
ausgeprägt als beim IFS und GFS.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Die Rauchfahnen diverser Städte in Deutschland zeigen bis einschließlich Montag
bei kleinem Spread sowohl bei der Temperatur als auch beim Geopotential eine
hohe Vorhersagegüte. Auch im weiteren Verlauf bis einschließlich Donnerstag
nehmen die Unsicherheiten allenfalls im Süden und Osten zu, indem die
Verlagerung der Geopotential- und Luftdruckverteilung leicht verschieden
simuliert wird. Insgesamt ist aber landesweit weiter von einer recht hohen
Vorhersagegüte auszugehen. Erst ab Freitag spannt sich der ENS-Raum des IFS
signifikant auf. Die Tendenz hin zu höherem Geopotential und höheren
Temperaturen in 850 hPa tragen aber alle Member mit. Die größten Unsicherheiten
im ENS-Raum werden abgesehen von einzelnen Ausreißern weiter von abweichender
Phasengeschwindigkeit erzeugt.
Die Meteogramme stützen die Rauchfahnen sowohl mit kleinen Boxplots bis Dienstag
als auch mit größeren Boxen mit steigender Unsicherheit.

Bei der Analyse der Großwetterlage können die Geopotential- und
Luftdruckstrukturen der Member des IFS-ENS im Zeitraum von +72 bis 96h in fünf
Cluster aufgeteilt werden. Dabei werden alle Cluster in das Schema einer
positiven NAO mit zonalen Strömungsbedingungen über dem Ostatlantik und
Westeuropa eingeordnet. Die Abweichungen der Cluster beziehen sich meist auf die
Ausprägung des Rückens, der sich von Südwesteuropa nach Nordosteuropa aufbäumt
und somit auch die meridionale Komponente der Südwestströmung auf der
Trogvorderseite beeinflusst. Haupt- und Kontrolllauf sind dem Cluster 3 mit
einer Präsenz von 12 Member zugeordnet. Cluster 1 wird von 14 IFS-Läufen
gestützt und zeigt im Vergleich zum Cluster 3 das Höhentief über dem
Nordostatlantik etwas weniger intensiv.

Im Zeitraum von +120 bis 168h werden weiter fünf Cluster benötigt, um die
Unsicherheiten im ENS-Raum ausreichend zu beschreiben. Dabei wechseln die ersten
drei Cluster schon zu Beginn in das blockierende Schema. Cluster 4 braucht etwas
länger und Cluster 5 präsentiert weiter zonale Bedingungen. Sowohl der det. Lauf
als auch der Kontrolllauf bevorzugen blockierende Verhältnisse, allerdings wird
der Hauptlauf dem dritten Cluster mit 10 Member zugeordnet, während sich der
Kontrolllauf im ersten Cluster mit insgesamt 17 Mitgliedern wiederfindet. Unter
den ersten drei Clustern gibt es größere Abweichungen bei der räumlichen
Einordnung des Cut-Offs sowie des Höhentiefs über Südosteuropa. Einhergehend
wird auch der markante Kurzwellentrog über Deutschland in Lage und Intensität
leicht verschieden gezeigt. Vor allem zum Ende des Zeitraums werden signifikante
Unterschiede sichtbar. Während Cluster 3 mit dem Hauptlauf und analog zum det.
GFS über Finnland weiter ein markantes Höhentief zeigen, welches zusammen mit
dem Höhenhoch über Nordwesteuropa über Mitteleuropa eine nordwestliche Strömung
generiert, beschreiben die Cluster 1 und 2 in der Entwicklung allenfalls noch
Trogstrukturen. Stattdessen kann sich bei diesen Interpretationen hohes
Geopotential vom zentralen Mittelmeerraum bis nach Skandinavien durchsetzen und
mit antizyklonalen Verhältnissen und Absinken das Wetter in Deutschland prägen.
Dem fünften Cluster mit nur 4 Member kommt nur eine Außenseiterrolle zu. Dieses
präsentiert von Grönland bis nach Skandinavien einen Höhentiefkomplex, der hohem
Geopotential über dem Atlantik gegenübersteht. Deutschland würde in diesem Fall
länger im Trogbereich und m weiteren Verlauf in einer teils zyklonalen
Westströmung liegen.

In der erweiterten Mittelfrist von +192 bis +240h reichen drei Cluster aus, die
Unsicherheiten im ENS zu erklären. Haupt- und Kontrolllauf befinden sich im
ersten Cluster, welches mit insgesamt 25 Member auch stark präsent ist. Zusammen
mit Cluster 2 mit 19 Mitgliedern sind sie dem dritten Cluster klar überlegen.
Dabei bleiben weiter blockierende Verhältnisse mit überwiegend ruhigem
Herbstwetter in Deutschland Trumpf. Bei Cluster 3 mit den zonalen Verhältnissen
wäre das Land zweigeteilt. Während der Süden eher antizyklonal geprägt ist, kann
im Norden das Höhentief über Skandinavien Einfluss nehmen.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Am Montag und Dienstag weht vor allem im Westen und Norden ein teils kräftiger
Südwest- bis Westwind. Dabei muss im Binnenland mit starken bis stürmischen Böen
(Bft 7 bis 8), an der See und im Bergland mit Sturmböen (Bft 9), exponiert auch
mit schweren Sturmböen (Bft 10) gerechnet werden. Auf dem Brocken sind
orkanartige Böen oder Orkanböen (Bft 11 bis 12) zu erwarten. Die Probabilistik
(ICON-EPS, EZ-EPs, C-LEPS) stützt dies am Montag mit 10 bis 60%, an der See bis
85% für Sturmböen oder schwere Sturmböen (Bft 8 bis 10). Dabei zeigt das EZ-EPS
die höchsten Wahrscheinlichkeiten. Am Dienstag zeigen beim EZ-EPS und LEPS im
Norden 10 bis 30%, an der Nordsee auch bis 60% der Member stürmische Böen oder
Sturmböen (Bft 8 bis 9). Das ICON sieht nur im Nordseeumfeld geringe Werte für
markante Böen.

Basis für Mittelfristvorhersage
EZ-EPS, anfangs auch det. EZ. Bei den Temperaturen auch MosMix, aber Vorsicht
mit Nebel oder Hochnebel zum Ende der Mittelfrist.

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Lars Kirchhübel