SXEU31 DWAV 281800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 28.10.2020 um 18 UTC

Markante Wettererscheinungen:
Zyklonal West bis Südwest: Zeitweise windig, auf den Bergen häufig Sturmböen,
oft Schauer oder Regen, kommende Nacht auch kurze Gewitter.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 12 UTC

Aktuell … reicht die nur wenig mäandrierende Frontalzone quer über den
mittleren Nordatlantik hinweg bis ins östliche Mitteleuropa, wo sie schließlich
Richtung Skandinavien und Nordwestrussland umbiegt. Darin eingebettet, greift
ein kurzwelliger Höhentrog von den Britischen Inseln im Laufe der Nacht auf das
Vorhersagegebiet über. Günstig am linken Jetausgang gelegen, kann auf dessen
diffluenter Vorderseite aufgrund kräftiger PVA recht markante Hebung genegiert
werden. Somit ist dem Höhentrog auch ein Bodentrog vorgeschaltet, der, begleitet
von schauerartigen Regenfällen, etwa gegen 00 UTC auf den Westen Deutschlands
übergreift und morgens bereits die Osthälfte erreicht.
Markante Hebung und Streckung der Luftmasse sowie die Advektion höhenkälterer
Luft (-25 bis -30 Grad in 500 hPa) führen zu einer Labilisierung der Luftmasse,
die Bereich der Trogachse bis knapp über 500 hPa reicht. Die Folge sind Schauer
und auch kurze Gewitter. Bei markanter Scherung (25 bis 35 m/s DLS, 15 bis 20
m/s LLS) können diese auch als Linie organisiert auftreten, kurzzeitig
rotierende Systeme (bis hin zu low topped supercells) sind ebenfalls denkbar.
Als Begleiterscheinung der Schauer und Gewitter sollten somit vor allem markante
Böen in Erwägung gezogen werden, bis hin zu Sturmböen (Oberwind im Bereich eines
unmittelbar trogvorderseitigen Low-Level-Jets: 45 kn), auch ein kurzlebiger
Tornado würde angesichts der gekrümmten Hodographen der Prognosesoundings nicht
wirklich überraschen. Das größte Potenzial für organisierte Schauer- und
Gewittertätigkeit besteht wohl im Westen und Norden sowie in den mittleren
Landesteilen.
Auch außerhalb der Schauer und Gewitter frischt der Wind mit Durchgang des
Bodentroges auf. In den Niederungen reicht es aber wohl lediglich in freien
Lagen für steife Böen (Bft 7) aus Südwest, später West, an der Nordsee
vorübergehend für stürmische Böen (Bft 8). In den Kamm- und Gipfellagen der
Mittelgebirge und ausgangs der Nacht auch zunehmend der Alpen gibt es dagegen
recht verbreitet stürmische Böen oder Sturmböen (Bft 8 bis 9), auf einzelnen
exponierten Gipfeln schwere Sturmböen, auf dem Brocken vorübergehend auch
orkanartige Böen (Bft 11).
Insgesamt kommen keine allzu großen Regenmengen zusammen, lediglich in den
Staulagen der westlich und zentralen Mittelgebirge können mehr als 10 mm in 12
Stunden fallen.
Vor Eintreffen des Bodentroges kann es im Südosten nochmal auf Werte unter 5
Grad abkühlen, sonst bleibt es mit 11 bis 6 Grad – die höheren Werte im
Westen/Nordwesten – relativ mild.

Donnerstag … schwenkt der an Wellenlänge einbüßende Höhentrog bis zum
Nachmittag/Abend rasch weiter zur südlichen Ostsee bzw. nach Polen und
Tschechien. Vor allem im Nordosten bzw. Osten sowie im Südosten gibt es dabei
anfangs noch Schauer, vereinzelt auch kurze Gewitter, die am Nachmittag nach
Osten abziehen. Lediglich an den Alpen und im Alpenvorland bleibt es mit Drehung
der Höhenströmung auf Nordwest, beginnender WLA und aufgrund von Staueffekten
noch länger trüb und regnerisch. In den Staulagen des Oberallgäus können dabei
zumindest nach Lesart des ICON-EU gebietsweise mehr als 25 mm in 12 Stunden
fallen.
Dem Trog folgt ein breit angelegter Höhenrücken, der durch kräftige WLA an
dessen Nordflanke gestützt wird und abends auf die Nordsee übergreift, so dass
die Höhenströmung über dem Vorhersagegebiet allmählich auf Nordwest dreht.
Vorderseitig wölbt sich auch im Bodenfeld ein Hochkeil auf, der um die
Mittagszeit auf den Westen und Südwesten Deutschlands übergreift. Dabei
verschärft sich der Gradient in weiten Teilen des Landes vorübergehend etwas und

  • unterstützt durch den Tagesgang innerhalb der gut durchmischten und vor allem
    unterhalb von 3 bis 4 km auch labil geschichteten Luftmasse – frischt der Wind
    aus westlichen Richtungen auch in den Niederungen auf. Außer im Südwesten und
    Süden, wohin sich der Hochkeil bereits am Vormittag ausweitet, gibt es recht
    verbreitet steife Böen. In den Kamm- und Gipfellagen der Mittelgebirge und der
    Alpen ändert sich windtechnisch nur wenig, insgesamt nimmt der Wind dort im
    Tagesverlauf sogar eher ab.
    Bis zum Abend erreicht der Bodenkeil bereits die mittleren Landesteile und der
    Wind flaut von Westen her auch in den Niederungen wieder ab.
    Während der Tag im Westen überwiegend trocken beginnt, macht sich dort aber
    rasch die WLA in Form dichter hoher und mittelhoher Wolken bemerkbar. Dabei
    erreicht die Warmfront einer vom nahen Ostatlantik ins Seegebiet nordwestlich
    von Schottland ziehenden und sich nur langsam vertiefenden Frontalwelle am Abend
    Benelux und Nordfrankreich. Bereits weit im Vorfeld setzt im Westen und
    Südwesten im Laufe des Nachmittags Regen ein.
    Somit kann sich lediglich im Norden und Osten die Sonne mal vorübergehend
    durchsetzen. Innerhalb der eingeflossenen maritimen Polarluft (-1 bis +2 Grad in
    850 hPa) werden mit guter Durchmischung Höchstwerte zwischen 9 und 14 Grad
    erreicht.

In der Nacht zum Freitag erreicht der Höhenrücken mit seiner Achse in etwa die
mittlere Nordsee und wölbt sich noch ein wenig nordwärts auf, so dass die
nordwestliche Höhenströmung über dem Vorhersagegebiet erhalten bleibt. Das
Wellentief nordwestlich von Schottland hat den Höhepunkt seiner Entwicklung
abgeschlossen, verlagert sich nach Norden und wird zunehmend in die Zirkulation
des südsüdwestlich von Island liegenden Zentraltiefs eingebunden. Dessen
Warmfront greift auf das Vorhersagegebiet über und kommt mangels Schubkomponente
nur zögernd ostsüdostwärts voran. Die nach wie vor markante WLA bietet
ordentlich Hebungsantrieb, so dass es im Vorfeld der Warmfront bzw. mit deren
Passage teils länger anhaltend regnet. Verbreitet fallen 5 bis 10 mm in 12
Stunden, gebietsweise bis an die 15 mm; ob es in den Staulagen einiger
Mittelgebirge (am ehesten Harz, Thüringer Wald, Bayerwald) für warnrelevante
Mengen reicht, ist aber fraglich. Der aktuelle ICON-EU-Lauf hat die Mengen
gegenüber den Vorläufen wieder etwas zurückgenommen, GFS und IFS hatten generell
geringere Mengen auf der Agenda.
Im Westen und Südwesten klingen die Regenfälle im Warmsektor im Laufe der Nacht
dagegen schon wieder ab, Richtung Oder und Neiße beginnt es erst in den
Frühstunden zu regnen.
Von Warnrelevanz bleibt der Wind. Vor allem im Warmsektor verschärft sich der
Gradient wieder, was sich angesichts der stabilen Schichtung aber kaum in den
Niederungen bemerkbar macht. Lediglich im Nordseeumfeld sowie in freien Lagen
Westdeutschlands kann es einzelne steife Böen aus West bis Südwest geben. In den
Kamm- und Gipfellagen der Mittelgebirge und der Alpen ist dagegen nach wie vor
mit stürmischen Böen und Sturmböen zu rechnen.
Mit 11 bis 5 Grad bleibt die Nacht allgemein relativ mild.

Freitag … greift der Höhenrücken auf Deutschland über, wodurch die Frontalzone
nach Norden gedrückt wird und mit beginnender Austrogung über dem nahen
Ostatlantik ins Mäandrieren gerät.
Die Warmfront des Richtung Island ziehenden Tiefs kommt allmählich weiter
ostwärts voran und erreicht abends den Westen und Süden Polens bzw. Tschechien,
während die Kaltfront über dem äußersten Norden Deutschlands, er Nordsee und den
Britischen Inseln ins Schleifen gerät und verwellt. Somit bleibt es im Norden
und Osten des Landes bis in die mittleren Landesteile reichend noch längere Zeit
bedeckt und regnerisch, wobei nochmals gebietsweise bis an die 10 mm (Harz auch
mehr), meist aber weniger als 5 mm bis zum Abend zusammenkommen.
Die Annäherung des Rückens führt allgemein zu Druckanstieg, der im Südwesten und
Süden etwas stärker ausfällt. Somit bleibt ein gewisser Gradient aufrecht und in
den Kamm- und Gipfellagen der Mittelgebirge und der Alpen weht weiterhin
lebhafter westlicher Wind mit stürmischen Böen oder Sturmböen, exponiert auch
Sturmböen. In den Niederungen reicht es lediglich an der Nordsee sowie in
einigen freien windexponierten Lagen für steife Böen. Nachmittags und abends
beginnt der Gradient von Südwesten her aufzufächern und der Wind nimmt zögernd
ab.
Während es in weiten Teilen des Landes noch stark bewölkt bis bedeckt bleibt,
kann sich im Südwesten und an den Alpen zunehmend die Sonne durchsetzen. Die
Advektion milder Biskayaluft im Warmsektor verstärkt sich und kann sich zögernd
auch niedertroposphärisch durchsetzen, so dass die Temperatur in 850 hPa bis zum
Abend auf Werte zwischen 5 und 9 Grad steigt, im äußersten Südwesten eventuell
auch darüber. Somit bleibt es mit Höchstwerten zwischen 11 und 15 Grad auch
unter den dichten Wolken sehr mild, mit etwas Sonne können am Oberrhein sogar
bis zu 18 Grad erreicht werden.

In der Nacht zum Samstag setzt sich der Trogvorstoß westlich der Britischen
Inseln weiter fort und generiert auch im Bodenfeld eine markante Zyklogenese vor
der irischen Westküste. Der Höhenrücken über Mitteleuropa wird dadurch weiter
durch WLA gestützt und kommt kaum nach Osten voran.
Die Kaltfront des Tiefs bei Island bzw. eines sich inzwischen im Lee des
Norwegischen Gebirges über Südschweden entwickelten Teiltiefs wird über der
Nordsee rückläufig und geht über in die Warmfront des in der Früh sich zu einem
Sturmtief gemauserten Tiefs westlich von Irland. Somit bleibt bzw. gerät das
gesamte Vorhersagegebiet innerhalb des Warmsektors. Dabei verstärkt sich der
Hochdruckeinfluss vor allem in der Südhälfte weiter und der Gradient fächert
auch im Norden und Osten deutlich auf. Nach und nach schwächt der Wind auch in
den Hochlagen weiter ab, zuletzt auf dem Brocken sowie in den Kamm- und
Gipfellagen der östlichen Mittelgebirge.
Während die Wolken im Westen und Süden zunehmend auflockern, sich dort dann aber
innerhalb der recht feuchten Grundschicht ausgedehnte Nebelfelder entwickeln
können, bleibt es im Norden und Osten überwiegend trüb und bedeckt und
gebietsweise fällt dort noch Regen. Im äußersten Süden, vor allem in den
Alpentälern, kühlt es bei länger klarem Himmel auf unter 5 Grad, in ungünstigen
Lagen auf nahe 0 Grad ab, sonst bleibt es mit 12 bis 6 Grad mild bis sehr mild.

Samstag … verlagert sich ein markanter Kurzwellentrog vom Seegebiet
nordwestlich von Irland Richtung Färöer und das daran gekoppelte Sturmtief zieht
über den Nordwesten Irlands zu den Hebriden. Dessen Warmfront erreicht die
nördliche Nordsee, während die Kaltfront bis zum Abend die Britischen Inseln
überquert hat und auf die westliche Nordsee bzw. den Ärmelkanal übergreift. Die
kräftige Sturmtiefentwicklung haben fast alle aktuell vorliegenden
deterministischen Modelle auf der Agenda, mit Ausnahme des GFS. Allerdings sind
diese Modelldifferenzen für das Vorhersagegebiet nicht unmittelbar
prognoserelevant.
Der Höhenrücken über Mitteleuropa wird dadurch allmählich etwas nach Osten
abgedrängt, dessen Achse befindet sich nachmittags knapp östlich des
Vorhersagegebietes, so dass die Höhenströmung auf Südwest dreht. Im Bodenfeld
wird die Hochdruckzone über Süddeutschland ebenfalls nach Südosten verdrängt und
es setzt Druckfall ein. Mit der auf Südwest drehenden Strömung verstärkt sich
auch niedertroposphärisch die Warmluftadvektion im Warmsektor über Mitteleuropa,
in 850 hPa steigt die Temperatur bis zum Abend auf Werte zwischen 8 Grad über
der Nordsee und 14 Grad im Süden Deutschlands. Die mit der Annäherung der
Kaltfront einhergehende Gradientverschärfung führt am Nachmittag und Abend zu
einem Auffrischen des südlichen Windes, was sich warntechnisch angesichts der
stabilen Schichtung aber lediglich in einigen exponierten Höhenlagen (Brocken
evtl. Bft 8) bzw. über der offenen Nordsee (Bft 7) bemerkbar macht.
Vor allem nach Lesart des IFS (von 00 UTC) und des aktuellen GEM bleibt es im
Norden und Nordosten im Bereich der abziehenden Warmfront noch längere Zeit
stark bewölkt, gebietsweise kann es auch noch etwas regnen oder nieseln. Im
Westen und Süden setzt sich dagegen – nach teils zögernder Nebelauflösung in
einigen Niederungen Süddeutschlands – im Tagesverlauf vielerorts die Sonne
durch.
Allgemein wird es mild bis sehr mild mit Höchstwerten zwischen 13 Grad unter den
dichten Wolken im Nordosten und nahe 20 Grad am Rhein, dort kann es mit
Sonnenunterstützung gebietsweise auch wärmer werden. Bei beständigem Nebel im
Südosten werden dagegen kaum 10 Grad erreicht.

Modellvergleich und -einschätzung

Abgesehen von den erwähnten, aber für das Vorhersagegebiet nicht warnrelevanten
Unterschieden, die Sturmtiefentwicklung bei Irland und die Verlagerung der
Warmfrontbewölkung im Nordosten in der Nacht zum und am Samstag betreffend sind
keine signifikanten Modelldifferenzen im Kurzfristzeitraum auszumachen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff