S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 23.10.2020 um 10.30 UTC

Wechselhaft, Küsten und Bergland stürmisch. Keine nachhaltige Abkühlung in
Sicht.

Synoptische Entwicklung bis zum Freitag, den 30.10.2020

Wie bereits zum Wochenbeginn beschrieben entwickelt sich über dem Nordatlantik
eine dynamische Wetterlage, die in zahlreiche und intensive Zyklogenesen
zwischen der Labradorsee und dem Europäischen Nordmeer gipfelt. Deutschland
liegt am Rande dieser Dynamik und durchweg in der Zufuhr (höhen)milder
Atlantikluft. Auch wenn der Warnparameter „Wind“ das Hauptthema spielen wird, so
hält sich auch dieser Parameter bezüglich „impact“ voraussichtlich in Grenzen.

Kurz zusammengefasst, da sich seit Wochenbeginn nur wenig an den
Hintergrundbedingungen geändert hat, treiben die Tropen und/oder v.a. der
Polarwirbel den Höhenjet im nordamerikanisch/kanadischen und nordatlantischen
Sektor wiederholt an.
Ex-Hurrikan EPSILON wird bereits zum Beginn der Mittelfrist unter komplexer
Interaktion mit einem baroklinen Tief über der Labradorsee in die Frontalzone
eingebunden und wandelt sich in der Folge unter rascher Vertiefung südlich von
Island in eine „warm seclusion“ um. IFS-EPS Member zeigen mittlerweile recht
einheitlich einen Kerndruck von 940-950 hPa, wobei die Member den Kerndruck
wahrscheinlich deutlich besser im Griff haben als zur tropischen Lebenszeit, wo
der analysierte Kerndruck teils um 30 hPa verfehlt wurde (allerdings verwundert
das bei der Auflösung wenig). Durch zyklonales Wellenbrechen wird über Island
und in der Folge bis nach Ostgrönland reichend das Geopotenzial erhöht, während
südseitig eine zonal ausgerichtete Rinne mit tiefem Geopotenzial von Neufundland
bis nach Irland aufgebaut wird. Gleichzeitig fungiert die kräftige Zyklone bis
einschließlich Donnerstag als steuerndes Zentraltief, bevor sie unter
beständiger Auffüllung vor Schottland ihren Einfluss verliert.
Diese Entwicklung baut stromab über Mitteleuropa einen synoptischen Trog rasch
ab, der unter Amplitudenverlust gen Skandinavien abzieht, lässt aber in der
Folge wiederholt Kurzwellentröge über Deutschland ziehen.

Nach diesem Ereignis der außertropischen Umwandlung überwiegt der Einfluss des
Polarwirbels, der in der Stratosphäre durchweg an Fahrt gewinnt und bereits zum
Ende der Mittelfrist über dem klimatologischen Mittel von 1979 bis Sommer 2020
liegt. Gleichzeitig verlagert sich das Zentrum weiterhin planmäßig in Richtung
kanadisch-arktisches Archipel. Eine ähnliche Entwicklung vollzieht sich im
Übergangsbereich Troposphäre/Stratosphäre, wo sich ein etwas verstärkender
Wirbel in eben genannter Region einnistet und einen vertikal neutral geneigten
Polarwirbel etabliert. Gleichzeitig entwickelt sich über Kanada/dem Osten der
USA eine hochreichende negative Geopotenzialanomalie (auch dank der anhaltenden
zonal gemittelten Wellenflüsse vom Nordpazifik), die sich zunehmend in Richtung
Nordatlantik verlagern soll.

Das Resultat ist eine ab Wochenmitte sehr dynamische Ausgangslage mit einem
anormal kräftigen Polarfrontjet, der sich vom Grenzbereich USA/Kanada ostwärts
in Richtung Nordwesteuropa ausweitet. Im Hovmöller-Diagramm
(Meridionalwindanalyse im Niveau der Tropopause) verschwimmen daher die klaren
Keil-/Trogsignaturen über dem Nordatlantik und bauen sich erst wieder über
West-/Mitteleuropa wieder auf.
Große Fragezeichen ergeben sich durch in diese Strömung eingebettete Störungen,
die sich in einer solch dynamischen Lage je nach Member sehr variabel
entwickeln. Das größte Fragezeichen ergibt ein Abtropfprozess über dem
Westen/der Mitte der USA, der (sich zur Wochenmitte bildend) in der Folge
variabel (bis gar nicht) wieder in die Frontalzone eingebunden werden soll.
Solch ein Impuls hat substanzielle Folgen stromab mit daher variablen Lösungen.
Zunehmend erscheint ein destruktives Interferieren mit der wellenden Frontalzone
wahrscheinlicher, sodass nun zunehmend stromab (über dem Nordatlantik) mit einer
kräftigen Wellenvergrößerung zu rechnen ist (was bisher über dem Osten der USA
stattfinden sollte).

Solche Feinheiten sind im IFS-EPS zwar verwaschen, doch im „extended“
Vorhersagebereich bis Anfang November wird tiefes Geopotenzial über der
Labradorsee bis nach Schottland reichend erwartet, das von positiven Anomalien
im subtropischen Bereich und über Ost- und Nordosteuropa umrahmt wird – mit
neutralen Verhältnissen über Mitteleuropa.

Was bedeutet das nun für die Entwicklung der Wetterlage während der Mittelfrist
(Montag, 26.10 bis Freitag, 30.10.) für Mitteleuropa / Deutschland?

Am Montag wird der sich abschwächende/auffüllende synoptische Trog über
Deutschland nordostwärts geführt (stromab der deftigen Zyklogenese über dem
nordöstlichen Atlantik). Ein wellender Frontenzug bringt dabei Deutschland neben
vielen Wolken auch zeitweise Regen mit Mengen unterhalb der Dauerregenschwelle,
wobei die Schneefallgrenze von präfrontal um 2000 m auf postfrontal rund 1200m
sinkt. Bedeutet, dass im alpinen Bereich im Verlauf der Nacht zum Dienstag mit
mäßigen Schneefällen von 10 bis 20 cm Neuschnee gerechnet werden kann.
Postfrontal bildet sich in der feuchten Luftmasse bei temporärem Aufklaren
regional teils dichter Nebel.

Am Dienstag erfolgt im Zuge einer Kurzwellenpassage vom Ärmelkanal zur Deutschen
Bucht eine teilokkludierte Frontpassage, die im Verlauf der Nacht zum Mittwoch
dem Westen etwas Regen bringt. Bis dahin klingt im Südosten der skalige
Niederschlag der vorherigen Nacht zögernd ab und nachfolgend lockert die
Bewölkung, wie auch im übrigen Deutschland, rasch auf, sodass vielerorts ein
sonniger und trockener Nachmittag zu erwarten ist (das gilt nicht für die
Nebelregionen Süddeutschlands und für die Gebiete entlang der zentralen
Mittelgebirge, wo sich Hochnebel hartnäckig halten kann). In den Nachtstunden
verdichtet sich der Nebel in den genannten Regionen erneut. Im Süden tritt lokal
Luftfrost und recht verbreitet leichter Frost in Bodennähe auf, sodass trotz des
vorhandenen Bodenwärmestroms im Bergland in ungünstigen Lagen lokal Glätte durch
überfrierende Nässe auftreten kann.

Mittwoch etabliert sich eine Südwestströmung, deren Geopotentialgradienten von
Nordwest nach Südost sukzessive aufweicht. Bedeutet, dass tagsüber besonders im
Westen und Norden aus dichter Bewölkung zeitweise Regen fällt, während es
südlich der Donau meist trocken bleibt mit teils längeren sonnigen Abschnitten
(je nach Ausprägung einer leicht föhnigen Strömung). An dieser
Niederschlagsverteilung ändert sich in den Nachtstunden wenig. Besonders im
Südosten bildet sich erneut teils dichter Nebel.

Donnerstag und Freitag werden wiederholt Niederschlagsgebiete von Südwest nach
Nordost über Deutschland geführt, wobei die Intensität nach Südosten dank
höherem Geopotenzials bzw. allmählich steigendem Bodendrucks insgesamt schwächer
ausfällt. Allerdings ergeben sich, wie bereits erwähnt, für diesen Zeitraum noch
große Unsicherheiten.

Von Montag bis Mittwoch weht der Südwestwind über der Nordsee stürmisch, teils
auch mit Sturmböen, was auch für exponierte Berglagen gilt (Brocken teils mit
schweren Sturmböen). Ansonsten frischt der Südwestwind in der Eifel sowie
allgemein entlang der westlichen zentralen Mittelgebirge zeitweise böig auf und
weht im Osten und Süden meist schwach. Auf den Alpengipfeln werden mit einer
teils föhnigen Anströmung zeitweise Sturmböen erwartet.
Am Donnerstag und Freitag nimmt der Südwestwind besonders im Bergland etwas zu,
allerdings kann noch nicht abgeschätzt werden, ob auch für tiefere Lagen noch
eine gröbere Sturmgefahr vorhanden ist, was von einzelnen Membern weiterhin
angedeutet wird.

Abgesehen vom skaligen Regen am Montag im Süden mit oberen einstelligen
Höchstwerten werden durchweg zweistellige Höchstwerte erwartet, die zwischen 11
und 17 Grad liegen. Die Tiefstwerte liegen im zumeist dicht bewölkten Norden
zwischen 9 und 6 Grad und gehen im Süden zeitweise auf nahe 0 Grad zurück (z.B.
Nacht zum Mittwoch, dann dort auch verbreitet Gefahr von leichtem Frost in
Bodennähe).

In der erweiterten Mittelfrist soll sich nach der Leseart des jüngsten
IFS-Modelllaufs ein kräftiges Höhen-/ und Bodenhoch über Mitteleuropa aufwölben,
das teils ruhiges und abseits hartnäckiger Nebel- und Hochnebelfelder auch
sonniges Wetter bringen könnte. Zwar würde die höhenmilde Luftmasse besonders
den Bergen die höchsten Werte bescheren, aber auch bei sonnigen Abschnitten im
Tiefland dürfte es weiterhin mild bleiben.
Allerdings ist noch sehr unsicher, wo die Keilachse gebildet wird, denn allzu
weit von deren kalten Rückseite sind wir nicht entfernt. Die Fragezeichen für
diese Entwicklung beginnen wie erwähnt in den Weiten der Great Plains (USA) und
daher müssen erst diese Unsicherheiten geklärt werden. Schön wären einige
goldene Oktobertage allemal.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Von Montag bis einschließlich Mittwoch ergeben sich innerhalb der letzten
Modellläufe von IFS nur geringe Diskrepanzen bezüglich der synoptisch-skaligen
Druckgebilde. Der Langwellentrog über Mitteleuropa wird mittlerweile einheitlich
abgebaut und nach Skandinavien geführt mit einem abgetropften Residuum über dem
zentralen/nördlichen Mittelmeer.

Ab Mittwoch gelangt Mitteleuropa dann zügig in den Einflussbereich des tiefen
Geopotenzials über dem Nordatlantik. Allerdings ergeben sich dank der
dynamischen Lagen von Lauf zu Lauf rasch versetzte Wellenmuster, sodass es noch
große Fragezeichen gibt bezüglich der Passage von Folgetrögen. Alle Läufe zeigen
jedoch eine wechselhafte und milde zweite Hälfte der Mittelfrist mit einer
allgemeinen Windzunahme.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Auch innerhalb der anderen Globalmodelle ergeben sich ähnliche (Un)
Sicherheiten. Die Verkürzung der Wellenamplitude des synoptischen Troges über
Mitteleuropa wird von IFS und ICON recht einheitlich/zügig gezeigt, während GFS
den Trog nur zögernd nach Osten führt, was die Niederschläge besonders im
Südosten am Dienstag längere Zeit anhalten lassen würde.
Zum Donnerstag und Freitag nehmen auch hier die Unsicherheiten deutlich zu, was
sich über dem Nordatlantik und West-/Mitteleuropa durch ein stark mäandrierendes
ICON und ein zonal ausgerichtetes ICON/GFS zeigt. Zum Freitag sind die Wellen
teils um 180 Grad phasenverschoben. Eine detailliertere Aussage kann hier nicht
getroffen werden.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Die Mittelfrist beginnt mit zwei Clustern (Kontroll- und det. Lauf jeweils im
ersten Cluster) und dem klimat. Regime „NAO negativ“ bzw. „positiv“ (Grund für
beide Klassifikationen ist eine unterschiedliche Handhabe der Keilaufwölbung
durch die zyklonal brechende Rossby-Welle vor Island). Deutschland liegt bei
beiden Lösungen peripher/vorderseitig eines Langwellentroges und somit auf der
hebungsfördernden Seite.

In der Folge nehmen die Unsicherheiten rasch zu und es werden fünf Cluster
angeboten (Kontrolllauf im zweiten, der det. Lauf im dritten Cluster) mit dem
überwiegenden klimatologischen Regime „positive NAO“. Alle Cluster zeigen eine
positive Geopotenzialanomalie über dem/westlich vom Ural.
Westlich davon ergeben sich bei allen Clustern grob die Strukturen mit negativen
Anomaliewerten über dem Pol/Kanada, Grönland und dem Europäischen Nordmeer und
mit einem Gürtel von leicht positiven Anomaliewerten im subtropischen
Hochdruckgürtel. Große Diskrepanzen ergeben sich allerdings bei der Handhabe des
abgetropften Höhentiefs über den USA und wie schnell dieses wieder in die
Frontalzone eingebunden wird (wenn überhaupt). Dank der dynamischen Lage werden
Keile/Tröge stromab teils deutlich variabel positioniert. Je nach Entwicklung
kann für den Nordwesten weiterhin eine latente Sturmgefahr nicht ausgeschlossen
werden.
Es verwundert wenig, dass sich diese Unsicherheiten in der erweiterten
Mittelfrist fortsetzen.

Die Meteogramme zeigen deutschlandweit zumeist zweistellige Höchstwerte
(abgesehen bei skaligen Niederschlagsereignissen) mit dezenter Luftfrostgefahr
in der Nacht zum Mittwoch im Süden Deutschlands. Nach einem Niederschlagsmaximum
zum Wochenbeginn (im Zuge der schleifenden Front) und einem Minimum in der
Folge, nehmen die Signale ab der Wochenmitte überall wieder deutlich zu, wobei
die höchsten Mengen im Norden/Nordwesten gezeigt werden.
Bis einschließlich Mittwoch sind die Rauchfahnen (850 hPa Temperatur / 500 hPa
Geopotenzial) gut gebündelt und divergieren ab Donnerstag nachhaltig und
signifikant.
Beim Wind ergeben sich zum Ende der Woche ebenfalls höhere Streubreiten, was
noch auf die Möglichkeit eines stärkeren Windereignisses hindeutet.

GFS ENS zeigt grundsätzlich ähnliche Tendenzen, deutet aber insgesamt mit
höheren Wahrscheinlichkeiten ein noch stärkeres Windereignis an (Schwerpunkt
Donnerstag/Freitag).

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Der EFI zeigt am Montag im Südwesten erhöhte Werte für kräftige Niederschläge,
wobei dies wohl eher nur für die direkten Staulagen der Alpen gilt (und selbst
dort sollen aus heutiger Sicht keine Warnkriterien erreicht werden, zumal wir
oberhalb von grob 1200 m einen Phasenwechsel erwarten).
Am Donnerstag gibt es über der Deutschen Bucht und am Freitag im Westen
Deutschlands leicht erhöhte Werte beim Wind, wobei die CDFs tendenziell eine
geringe Abschwächung der ohnehin nicht beeindruckenden Spitzen zeigen (EFI am
Freitag im Westen bei 0.6 mit lokalen SOT Spitzen).
Es fällt bei all der Dynamik und den im EFI wiederholt großflächig und teils
deutlich hervorgehobenen anormal kräftigen Windspitzen über dem Nordostatlantik
und teils auch Irland/Schottland nicht leicht das Sturmpotenzial für Deutschland
zu drücken, aber aus aktueller Sicht ergeben sich keine klaren Signale für eine
Sturmlage, die Deutschland betreffen würde. Allerdings muss die Entwicklung
natürlich weiterhin genau verfolgt werden.

Die alpinen Schneefälle in der Nacht zum Dienstag werden mit geringen positiven
EFI-Werten hervorgehoben.

Der in der Nacht zum Mittwoch im Süden möglicherweise lokal auftretende
Luftfrost bzw. verbreitet auftretende leichte Frost in Bodennähe ist der
Jahreszeit entsprechend.

Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, IFS-EPS, MOSMIX

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Helge Tuschy