S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 21.10.2020 um 10.30 UTC

Insgesamt zu mild, dazu ab Wochenbeginn zunehmend wechselhaft.

Synoptische Entwicklung bis zum Mittwoch, den 28.10.2020

Zunächst wird ein kurzer Überblick zum Zustand der nordhemisphärischen
Zirkulation gegeben. Danach sollen übergeordnete Faktoren beleuchtet werden, die
die Mittelfrist beeinflussen können.

Die großräumige Zirkulation ist weiterhin geprägt von teils blockierenden
Verhältnissen in der mittleren Troposphäre (Geopotenzial in 500 hPa). Diese sind
im Wesentlichen zurückzuführen auf starke positive Abweichungen des
Geopotenzials über der Arktis, Teilen des Nordatlantiks sowie des Nordpazifiks.

Schwächere positive Anomalien finden sich über Zentral- und Ostasien.
Demgegenüber stehen starke negative Abweichungen des Geopotenzials auf dem
mittleren Ostatlantik, über Osteuropa sowie dem westlichen Pazifik. Dadurch
ergibt sich ein relativ stationäres und meridional geprägtes zirkumpolares
Wellen- und Strömungsmuster. Diese Muster werden uns über die gesamte
Mittelfrist mit leicht zonal verschobenen langen Wellen im Wesentlichen erhalten
bleiben.

Weitere Faktoren für die Entwicklung innerhalb der Mittelfrist und auch darüber
hinaus sind u.a.:

Persistent zu hohe Meeresoberflächentemperaturen (SST) liegen im Bereich des
Nordpazifiks vor. Diese Anomalie schwächt das Aleutentief und sorgt zum Teil für
die dort vorhanden positive Geopotenzialanomalie in 500 hPa. Das wiederum
verhindert grob gesagt die vertikale Wellenausbreitung in Richtung Stratosphäre,
wodurch der stratosphärische Polarwirbel (SPV, mittlere und obere Stratosphäre)
in den nächsten Wochen zunächst gestärkt werden sollte. Ein starker
stratosphärischer Polarwirbel sorgt wiederum bei entsprechender vertikaler
dynamischer Kopplung insgesamt für eine stärkere Zonalisierung der zirkumpolaren
Strömung.

Eine sich verstärkende negative Anomalie der SST über dem äguatorialen zentralen
und östlichen Pazifik prägen das Erscheinungsbild von La Niña. Diese Anomalie
führt einerseits zu einer Verschiebung der Walker-Zirkulation (siehe Übersicht
vom 20. Oktober), andererseits ist ein typisches synoptisches Muster von La Niña
eben die positive Anomalie des Geopotenzials über dem Nordpazifik. Diese
Modifikation der Rossby-Welle wirkt sich auch stromab (über dem Atlantik) aus in
dem Maße, dass auch dort die Tendenz zu lokalen Blockaden zunimmt.

Hohe SST im östlichen Nordatlantik führen einerseits zu relativ „später“
nördlicher Transformation tropischer Systeme (siehe Hurrikan Epsilon),
andererseits wird bei gleichzeitiger saisonbedingter Abkühlung in hohen Breiten
die vertikale statische Stabilität verringert, was neben der Verlagerung des
Schwerpunktes des SPV (einschl. untere Stratosphäre, wie bei der Darstellung der
Potenziellen Vorticity (PV) auf 380 K zu sehen) von der Arktis mehr in Richtung
Nordamerika insgesamt die zunehmende Dynamik im Nordatlantik (verstärkte
Zyklogenesen) zumindest teilweise erklärt.

Nochmal auf die Darstellung der PV auf 380 K zurückkommend lässt sich
festhalten, dass die dort zu sehende Trogausbildung und -verstärkung über
Nordamerika bei überwiegend langen planetaren Wellen dafür sorgt, dass der
europäisch-atlantische Raum insgesamt auf längere Sicht auf der „wärmeren
Vorderseite“ verbleibt.

Die Einbindung des derzeitigen Hurrikans Epsilon in die Frontalzone (Lage,
Zeitpunkt und Grad der Intensivierung noch relativ unsicher) wird mit seinen
zusätzlichen Wärme- und Impulsflüssen die Vorhersageunsicherheit ab Anfang
nächster Woche zusätzlich erhöhen (Stichwort: Modifikation der Rossby-Welle auf
dem Atlantik).

Was heißt das nun konkret für die synoptische Entwicklung in Deutschland?

Am Samstag sorgt ein in Richtung Azoren vorstoßender Langwellentrog für ein
Aufsteilen der Strömung mit rasch steigendem Bodendruck. Ausgenommen sind die
Regionen, wo die Frontenreste des Tiefs über Südskandinavien vom Vortag
allmählich ost- und nordostwärts geführt werden sollen. Im Süden spielt ein
abgetropftes Höhentief mit zugehörigem Bodentief über Italien ggf. noch eine
kleine Rolle mit Niederschlägen im Südosten des Landes. Die Temperaturen im
Niveau 850 hPa liegen bei rund 4 oC im Norden und 6 bis 7 oC im Süden.
Dementsprechend sind auch die Tagesmaxima zu hoch für Ende Oktober. Der Wind
nimmt in der Nacht zum Sonntag mit Annäherung des Langwellentroges und
Gradientverschärfung durch das korrespondierende Bodentief im Nordseeumfeld zu
und erreicht dort stürmische Böen (Bft 8).

Am Sonntag behält der Langwellentrog mit großer Amplitude (mit seiner Achse etwa
von Island bis zur Iberischen Halbinsel) zunächst seine positive Achsenneigung,
die im Verlauf allerdings zunehmend neutral wird (Aufsteilen der Strömung).
Zudem wird dessen Ostverlagerung bei gleichzeitiger Ostverlagerung des
Höhenrückens etwas progressiver gerechnet. Konkret heißt das ein allmähliches
Übergreifen von frontalen Niederschlägen (Kaltfront) auf die Westhälfte des
Landes. Zuvor erreichen die T850-Werte im Süden 10 bis 12 oC, im Norden des
Landes immerhin rund 8 oC. Damit dürften auch die Tagesmaxima, je nach Bewölkung
deutlich über den vieljährigen Mittelwerten liegen. An den Alpen sowie am
Nordrand der Mittelgebirge kommt mit südlicher Anströmung ein leichter
Föhneffekt hinzu. Der Wind erreicht im Nordseeumfeld sowie auf den Alpengipfeln
die Stärke 8 bis 9.

Am Montag greift dann der Trog mit Abtropftendenz über Südeuropa sowie
verkürzter Wellenlänge (eingequetscht zwischen hohem Geopotenzial über Osteuropa
und dem sich aufbauenden neuen Höhenrücken über dem Atlantik (siehe Anmerkungen
weiter oben) allmählich auf Mitteleuropa über. Damit einhergehend überquert die
Bodenkaltfront Deutschland von West nach Ost mit flächigen Niederschlägen, die
allerdings nach Osten aufgrund der Blockingsituation nur zögerlich übergreifen.
Die T850-Werte sinken gegenüber dem Vortag leicht ab. Vorderseitig verstärkt
sich in den Ostalpen der Föhn auf den Gipfeln nochmals, dann sind dort Böen der
Stärke 10 bis 11 wahrscheinlich. Zu erwähnen sei noch die Bodentiefentwicklung
über Italien wo es zunächst zu starken Hebungsprozessen vor der Trogspitze mit
anschließender Zyklogenese kommt.

Am Dienstag tropft der stark amplifizierte Trog über Italien endgültig ab.
Dessen Niederschlagsschwerpunkte liegen aber wohl hauptsächlich inneralpin.
Ansonsten gelangen wir zunehmend auf die Vorderseite einer intensiven
Tiefentwicklung nordwestlich der Britischen Inseln. In den sich dort
verstärkenden Höhentrog wird auch der Ex-Hurrikan Epsilon eingebunden. Das heißt
für das Nordseeumfeld im Verlauf erneut zumindest stürmische Böen (Bft 8). Das
Temperaturniveau ändert sich gegenüber dem Vortag kaum.

Am Mittwoch greift der Langwellentrog (Achse etwa von Island bis zur Iberischen
Halbinsel) mit seinem Frontensystem (Warmfront) allmählich von Westen her über.
Allerdings wird die Achsenneigung aufgrund der blockierenden Wirkung des zuvor
nach Osten und Norden aufgebauten Höhenrückens zunehmend negativ. Das Höhentief
über Süd- und Südosteuropa wird von diesem amplifizierten Trog allmählich
eingebunden. Für Deutschland bedeutet diese Entwicklung schwache Niederschläge
vornehmlich in der Westhälfte, weiterhin Böen der Stärke 8 bis 9 im
Nordseeumfeld sowie eventuell auch föhnbedingte Böen der Stärke 8 bis 9 auf den
Alpengipfeln. Die T850-Werte steigen auf Werte zwischen 6 bis 8, im Süden bis 10
oC an, wobei aufgrund der Bewölkungsverhältnisse und stabiler Schichtung die
Tagesmaxima eher gedämpft bleiben.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Bis Sonntag sind die Vorläufe und der aktuelle Lauf recht konsistent. Ab Montag
zeigen der neueste sowie der gestrige 12-UTC-Lauf gegenüber dem 0-UTC-Lauf eine
stärkere Blockierung nach Nord-und Osteuropa hin, ergo langsamere Ostverlagerung
des amplifizierten Troges. Ein ähnliches Szenario ist zum Mittwoch hin zu
beobachten. Dort rechnet der heutige Lauf ein deutlich stärkeres Aufsteilen der
Strömung stromab (kräftiger Höhenrücken Nord- und Osteuropa) gegenüber den
Vorläufen, was der rapiden Tiefentwicklung im Seegebiet zwischen den Britischen
Inseln und Island geschuldet ist (bzw. dem vorderseitigen Warm Conveyor Belt).

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Bis Montag unterscheiden sich die Globalmodelle in ihrem synoptischen Setup
kaum. Die Annäherung des amplifizierten Troges mit verkürzter Wellenlänge sehen
ICON und IFS ähnlich (einschließlich antizyklonaler Aufwölbung des Höhenrückens
in Nord- und Osteuropa). Allerdings haben IFS und auch GFS das Höhentief über
Südosteuropa stärker berücksichtigt, weswegen die Trogverlagerung nach Süden
dort gegenüber ICON in der Folge zurückbleibt.

Am Dienstag lässt ICON den stark wellenverkürzten Trog in Südeuropa im Gegensatz
zu IFS und GFS nicht abtropfen, mit direkten Folgen für die
Niederschlagsentwicklung u.a. im Alpenraum.

Am Mittwoch und in der Nacht zum Donnerstag sieht IFS die Verlagerung des neuen
Langwellentroges deutlich anders als GFS (bei IFS zunehmend negative
Achsenneigung, stärkere vorderseitige Blockierung, also Abschwächung und
langsamere Verlagerung der Niederschläge nach Osten). Ebenso sind noch deutliche
Unterschiede in der intensiven Tiefentwicklung auf dem Atlantik zu erkennen.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Die Clusteranalyse und die Vorhersage des NAO-Index durch IFS-EPS und GFS-EPS
zeigen insgesamt einen leicht positiven NAO in der Tendenz. Das entspricht der
weiter oben beschriebenen zunehmenden Dynamik im euro-atlantischen Raum und dem
eher wechselhaften Wettercharakter in Mitteleuropa. Unsicherheitsfaktoren (die
in den Clustern ab Montag vermehrt Raum finden) sind die zu erwartenden
Blockierungen in Richtung Nordost- und Osteuropa (etwa von der Kaspischen See
bis zur Arktis). Das hat zumindest Auswirkungen auf den AO-Index, die hier nicht
weiter beleuchtet werden sollen.

Die Rauchfahnen für eine repräsentative Auswahl deutscher Städte zeigt bei der
850 hPa-Temperatur bis Montag eine geringe Streuung. Diese nimmt dann allerdings
naturgemäß in der Folge deutlich zu. Die Erklärung dafür ist in den weiter oben
genannten Faktoren zu suchen.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Über den Zeitraum der Mittelfrist sind keine größeren Warnereignisse zu
erwarten. Einzig im Nordseeumfeld steigt zum Sonntag und ab Dienstag die
Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von stürmischen Böen sowie einzelnen
Sturmböen (Bft 8 bis 9).

Ab Sonntag und bis Montag sowie zum Mittwoch besteht in den Hochalpen eine
erhöhte Wahrscheinlichkeit für Sturmböen (Bft 9) laut IFS-EPS.

Am Mittwoch zeigt IFS-EPS ebenso hohe Wahrscheinlichkeiten für das Auftreten von
Böen mit Bft 8 an der Nordsee sowie im Nordwesten, mehrere Member zeigen auch
Böen der Stärke 9 für die Deutsche Bucht.

Basis für Mittelfristvorhersage
GEFS, IFS-EPS, IFS, MOSMIX, ICON

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Bonewitz