SXEU31 DWAV 141800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 14.10.2020 um 18 UTC

Markante Wettererscheinungen:
Nachlassender Ostseesturm und Dauerregen, jedoch weiterhin wechselhaft und recht
kühl

Synoptische Entwicklung bis Samstag 12 UTC

Aktuell … stecken wir voll unter dem Einfluss eines umfangreichen dipolartigen
Höhentiefs. Der westliche Schwerpunkt befindet sich aktuell dicht nördlich der
Pyrenäen, wohingegen das östliche Drehzentrum über Polen liegt. Die Drehachse
verläuft dicht nördlich des Alpenraumes. Unser Sturm- und Dauerregentief GISELA
ist inzwischen achsensenkrecht mit einem Kerndruck von 1002 hPa über Schlesien
angelangt. Dessen rumgeholte Warmluft induziert noch immer großflächige skalige
Regenfälle, die von Mecklenburg-Vorpommern bis zu den zentralen Mittelgebirgen
ausgreifen und auf ihrem Weg nach Süden aber aufgrund der nachlassenden WLA
immer mehr an „Power“ verlieren. Gleichzeitig lassen auch die Intensitäten von
Oder und Neiße immer mehr nach. Eingelagerte schauerartige Verstärkungen, die
aktuell entlang der Elster auftreten (im dünnen
Warmluftschlauch/Warmlufteinschub, der aufgezehrt wird), sind die absolute
Ausnahme. Es lässt sich konstatieren, dass seit gestern Abend binnen 24 Stunden
doch verbreitet 30-50 Liter pro Quadratmeter über Südbrandenburg, Sachsen bis zu
Harz und Thüringer Wald zusammengekommen sind und die Warnungen daher ihre
Berechtigung hatten. Gebietsweise wurden sogar abseits der üblichen Staulagen
bis zu 70 l/qm registriert (wie z.B. in Pulsnitz). Auch wenn vereinzelt kleinere
Flüsse wie der Schwarzer Schöps in der Oberlausitz teilweise bis zur Meldestufe
2 angeschwollen sind, so ist der Regen dennoch unterm Strich für den Großteil
(aufgrund des vorhandenen Niederschlagsdefizits der vergangenen Monate und
teilweise Jahre) eher Segen als Fluch gewesen. Die maximalen stündlichen
Niederschlagsraten von aktuell etwa 3 l/qm konzentrieren sich im Verlaufe der
Nacht zunehmend auf die Nordränder der zentralen Mittelgebirge, wo gemäß
Hochrechnung und auch modellgestützt also vor allem Richtung Harz und Thüringer
Wald gut und gerne 30 l/qm binnen 12 Stunden fallen werden, was dort dann
ebenfalls zur Überschreitung der markanten Dauerregenschwelle führt.
Ebenso traf die erwartete Sturmflut an der Ostsee ein mit teilweise 1,5m über
den mittleren Pegelständen. Die anfangs noch schweren Sturmböen an der
vorpommerschen Küste lassen aber in den nächsten Stunden wie der Wind im
allgemeinen peu a peu mit Abschwächung des Tiefs nach. Dennoch bleibt es gerade
an der vorpommerschen Ostseeküste noch bis in den morgigen Donnerstag hinein
stürmisch.
Im äußersten Süden ist es anfangs noch teils aufgelockert, so dass eine geringe
Frost- und Nebelneigung – insbesondere in den Alpentälern – gegeben ist. Sonst
liegen die Tiefstwerte meist zwischen 10 und 5 Grad.

Donnerstag … verabschiedet sich der östliche Dipol des Höhentiefs unter
Abschwächung mehr und mehr in Richtung Belarus und auch vom Tief GISELA bleibt
am Boden letztlich nicht mehr viel übrig. Dafür rückt das Tief südlich der Alpen
stärker in den Fokus. Während der Part in der Höhe mit seinem Drehzentrum vom
Löwengolf zum Ligurischen Meer wechselt, splittet sich das Bodentief in zwei
Kerne auf. Um 12 UTC liegt einer davon über dem Golf von Genua (klassisch), der
andere über der nördlichen Adria (ebenfalls nicht untypisch), jeweils mit knapp
unter 1005 hPa. Zwischen diesem Doppeltief und dem umfangreichen blockierenden
Hoch über dem Nordmeer wird bei uns nach wie vor eine nördliche bis nordöstliche
Strömung generiert, mit der bodennah kühle Polarluft (T850 hPa nur wenig >0
Grad) advehiert wird. Daher verbleiben auch die Höchstwerte mit rund 10 Grad im
Niveau des Vortages.
Wettertechnisch dominiert in weiten Landesteile kompakte Bewölkung, aus der
insbesondere an den Nordrändern der Mittelgebirge staubedingt immer noch etwas
an Regen herausgequetscht wird. Nennenswerte dynamische Hebungsprozesse sind
lediglich am Nordrand des Genuatiefs durch seichte WLA am Alpenrand auszumachen.
Unterm Strich liegen die 12-stündigen Regensummen maximal bei etwa 5 l/qm, in
Staulagen punktuell auch etwas darüber. Ob das allerdings ausreicht, die bis
Donnerstag 20 Uhr dauernde Dauerregenwarnung im Harz den ganzen Tag aufrecht zu
erhalten, ist fraglich. Die Warnschwellen werden bis dahin allerdings
größtenteils gerissen sein, weshalb die Warnung gerechtfertigt war. Die
Schneefallgrenze liegt über 1000 m, teils bei 1500 m. Ein kleines abgespaltetes
Höhentiefresiduum liegt am Vormittag über der Deutschen Bucht und fungiert als
Kaltlufttropfen. Dadurch sind die Niederschläge dort auch durch diabatische
Unterstützung des warmen Nordseewassers (15 Grad) eher schwach und konvektiv
geprägt, was der Sonne zwischendurch auch zeitweilige Chancen einräumt –
landesweit betrachtet sogar die besten.
Windtechnisch ist gegenüber heute nicht mehr viel los. Am längsten macht der
N-NO-Wind noch an der See und das insbesondere an der vorpommerschen Küste
zwischen Fischland/Darß und Usedom auf sich aufmerksam, wo es bis zum Abend noch
starke bis stürmische Böen 7-8 Bft gibt.

In der Nacht zum Freitag fallen in der Mitte und im Süden weitere, meist leichte
Niederschläge (meist unter 5 l/qm, nur in Staulagen etwas mehr), wobei die
Schneefallgrenze hoch bleibt. Darüber hinaus werden es Frost und Nebel aufgrund
der vielfach stark bewölkten Verhältnisse erneut – wenn überhaupt – nur sehr
vereinzelt auftreten.

Freitag … schlägt das Höhentief über dem Golf von Genua einen Nordostkurs ein
und steuert bis zum Abend die Slowakei an. Da die Frontalzone weiter östlich
über Rumänien und Bulgarien verläuft, sind signifikante Entwicklungen im
Bodendruckfeld für unser Wettergeschehen damit nicht verbunden. Vielmehr gewinnt
das Hoch OTMAR über dem Nordmeer an Bedeutung, kann sich dessen Keil nach
Auffüllen des Kaltlufttropfens immerhin bis zum Ärmelkanal ausweiten (sowohl
bodennah als auch in der mittleren Troposphäre). Unter dem Strich bleibt uns
demnach auch am Freitag eine nördliche Strömung und die Zufuhr kühler Meeresluft
polaren Ursprungs mit 850 hPa Temperaturen um den Gefrierpunkt erhalten. Auch
wenn keine klaren dynamischen Antriebe erkennbar sind (allenfalls ein schwacher
Randtrog in 300 hPa, der im Tagesverlauf von der Ostsee südwärts schwenkt),
kommt es im Osten und Süden in leicht zyklonal konturiertem Umfeld zu weiteren
leichten, im Nordstau der Mittelgebirge und Alpen auch mäßigen Niederschlägen
(oberhalb 1500 m durchweg als Schnee).
Im Norden und Nordwesten hingegen trocknet die Luftmasse von Skandinavien her
allmählich etwas ab, was die Chancen auf größere Auflockerungen oder gar sonnige
Abschnitte erhöht, insbesondere in Schleswig-Holstein. Dort sind dann bis zu 14
Grad drin, im Dauergrau bleibt es bleibt es meist bei Höchstwerten um die 10
Grad oder etwas darunter.

In der Nacht zum Samstag kristallisiert sich der Randtrog, der inzwischen über
Süddeutschland angelangt ist unter Einsteuerung in das Höhentief mit Zentrum
über Ungarn besser heraus, weshalb die leichten Niederschläge im Südosten
anhalten. Mehr als 5 l/qm binnen 6 Stunden sind dabei aber nicht zu erwarten,
allenfalls in exponierten Staulagen des Erzgebirges und Berchtesgadener Landes.
Die Höhe der Schneefallgrenze sinkt dabei etwas ab auf etwa 1200 m. Im Rest des
Landes überwiegt dichte Bewölkung, lockert es gebietswiese doch einmal länger
auf, bilden sich in der feuchten und windschwachen Grundschicht rasch Nebel und
Hochnebel aus. Die positiven Taupunkte minimieren zudem die Frostgefahr.

Samstag … ändert sich an der Großwetterlage kaum etwas. Während der Südosten
weiterhin zyklonal geprägt bleibt, schiebt sich ein kräftigender
Nordmeerhochkeil von Dänemark am Nachmittag nach Norddeutschland. Dessen
Ausbildung wird durch präfrontales Absinken im Vorfeld der Annäherung eines
vorwinterlichen Polar Outbreaks über Skandinavien begünstigt. Immerhin nähert
sich rückseitig die -10 Grad Isotherme in 850 hPa dem Nordkap an. Es könnte der
Auftakt eines ersten Wintergrußes in Skandinavien und Nordrussland sein.
Doch zurück nach Deutschland: Während Nordseeurlauber – so sie denn nächtigen
dürfen – ihr Glück kaum fassen und bei 13 Grad und häufigem Sonnenschein
ausgiebige Spaziergänge und Fahrradtouren planen können, herrscht vom Vogtland
bis zu den Alpen eher kompakte Bewölkung mit zeitweiligem Regen oder Sprühregen
vor bei oft nur einstelligen Höchstwerten. In höheren Lagen der Alpen (>1500m)
schneit es weiter munter leicht vor sich hin mit 1 bis 5, in Staulagen bis
maximal 10 cm Neuschnee binnen 12 Stunden.

Modellvergleich und -einschätzung

Im Kurzfristzeitraum sind nach Abklingen des Sturm- und Dauerregenereignisses
keine markanten Wetterereignisse zu erwarten und die Modellunterschiede sind nur
marginal.

Am spannendsten ist noch die Fragestellung, wieviel Regen tatsächlich noch im
Harz bis Donnerstagfrüh/Mittag zusammenkommt. Die 15 l/qm 12-stündig von EZ-EPS
sind definitiv zu niedrig angesetzt. Gleiches gilt wohl für die 20 l/qm vom
ICON-EPS. Hier macht sich dann doch die mangelnde Auflösung bemerkbar.
COSMO-LEPS zeigt in Staulagen im 90%-Perzentil immerhin bis 45 l/qm an, was der
Realität näherkommen sollte. Die Überschreitung von Unwetterkriterien mit mehr
als 50 l/qm großflächig ist sehr unwahrscheinlich. Im Einklang mit dem am
wahrscheinlichsten beschriebenen Szenario im Text befindet sich das
COSMO-D2-EPS, das zwar den Thüringer Wald nicht besonders stark herausarbeitet
(rund 15 l/qm im Median), aber im Median am Harz um 30 l/qm in den kommenden 12
Stunden zeigt und im Maximum ganz punktuell bis an die 50 l/qm heranreicht.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Robert Hausen