SXEU31 DWAV 121800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 12.10.2020 um 18 UTC

Markante Wettererscheinungen:
In den Alpen anfangs etwas Schnee, sonst vielfach Nebel. Vor allem ab der Nacht
zum Mittwoch im Nordosten und Osten länger andauernder Regen. Dort und im Norden
zudem zunehmender Wind mit steifen bis stürmischen, teils auch (schweren)
Sturmböen.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 12 UTC

Aktuell … befinden sich weite Teile Nord- und Mitteleuropas im Einflussbereich
eines Langwellentroges. Dabei liegt Deutschland unter einem abtropfenden
Troganteil, wobei sich eigenständige Höhentiefs über dem Alpenraum und dem
Tyrrhenischen Meer bilden. Die Achse des Trogresiduums verlässt allmählich den
Osten Deutschlands. Zwar ist damit die Höhenströmung besonders nach Westen hin
im Grunde antizyklonal gekrümmt, jedoch lassen ablaufende kurzwellige Anteile
die Schauertätigkeit in der teils unter -25 °C kalten Höhenkaltluft (T500) noch
nicht ganz zur Ruhe kommen. Am Boden und in den unteren Troposphärenschichten
ist ein schwacher Hochkeil bzw. eine schwache Brücke wirksam, die vom Hoch auf
dem Nordatlantik über Frankreich und Mitteleuropa hinweg bis zum Hoch mit
Schwerpunkten über Baschkortostan und Kasachstan reicht. In der
schwachgradientigen Lage ist Wind kein Thema.
In der Nacht zum Dienstag läuft an der Westflanke des Langwellentroges ein
weiterer abtropfender Trog nach Süden ab und erreicht bis zum Morgen als
eigenständiges Höhentief Wales. Während das eine Höhentief relativ ortsfest im
Alpenraum verbleibt und dort noch oberhalb von etwa 1000 bis 1200 Metern ein
wenig Neuschnee bringt, verlagert sich das andere Höhentief vom Tyrrhenischen
Meer nach Bosnien-Herzegowina. Da die Luftdruckgegensätze gering bleiben, bildet
sich vielerorts Nebel. Am ehesten ausgenommen ist davon der Nordwesten, wo
einerseits etwas mehr Gradient und somit Wind herrscht und andererseits –
bedingt durch die relative Nähe zu einem (mit dem Höhentief korrespondierenden)
Tief östlich der Britischen Inseln und dessen Okklusion – mehr mittelhohe
Bewölkung vorhanden ist. Dort, wo es längere Zeit aufklart, gibt es gebietsweise
Bodenfrost bis -3 °C, lokal sogar leichten Luftfrost bis -1 °C. Die
Wahrscheinlichkeit dafür ist im Osten und Süden am größten – also dort, wo die
Divergenzachse der Brücke liegt.

Dienstag … zieht das Cut-Off-Tief von den Britischen Inseln über den
Ärmelkanal nach Nordfrankreich und bildet zusammen mit dem sich allmählich nach
Ungarn verlagernden Höhentief eine Dipolstruktur. Das zum östlichen Höhentief
korrespondierende Bodentief zieht im Tagesverlauf allmählich ins
polnisch-ukrainische Grenzgebiet. Zunächst sorgt ein Keil, der sich vom Hoch
über dem Nordatlantik bzw. dem Nordmeer über Skandinavien bis nach Deutschland
erstreckt, nach Auflösung von Nebel- und Hochnebelfeldern für zeitweise
Auflockerungen. Letzte leichte Schneefälle an den Alpen kommen alsbald zum
Erliegen. Vor allem in der zweiten Tageshälfte zieht bedingt durch
Warmluftadvektion an der Nordflanke des o.e. Tiefs im Osten Deutschlands
mehrschichtige Bewölkung auf, am Abend beginnt es zwischen Niederschlesien und
Zittauer Gebirge leicht zu regnen. Mit der Nordverlagerung des Tiefs nehmen auch
die Luftdruckgegensätze zu, sodass es abends an der vorpommerschen Ostseeküste
an exponierten Stellen erste steife Böen aus Nordost geben kann. Bei
Tageshöchsttemperaturen bleibt es mit 8 bis 14 °C etwas zu kühl für Mitte
Oktober.
In der Nacht zum Mittwoch setzt sich die Rotationsbewegung des Dipols fort,
wobei der Drehpunkt über dem Alpenraum liegt. Dabei verlagert sich das westliche
Höhentief zum westlichen Zentralmassiv. Das östliche Höhentief verlagert sich
hingegen nach Mähren bzw. Südpolen, das korrespondierende Bodentief nach
Mittelpolen. Die in die Zirkulation des Tiefs einbezogene feuchtwarme Luft aus
dem östlichen Mittelmeerraum sorgt für eine Intensivierung der Niederschläge,
die sich bis zum Morgen auf den gesamten östlichen Mittelgebirgsraum und hinauf
bis zum Oderbruch ausbreiten. Damit wird eine Dauerregenlage eingeläutet, wobei
die Schwellenwerte für 24-stündigen Dauerregen (bis Donnerstag 00 UTC)
gebietsweise überschritten werden. Von der Fläche und den Mengen her ist ICON
dabei am progressivsten und zeigt nicht nur am Harz und Erzgebirge, sondern
sogar bis zur Beeskower Platte und im Thüringer Becken mehr als 30 mm/24 h,
gerade in den südlichen Teilen auch über 40 mm/24 h. Es erfährt Unterstützung
durch COSMO-LEPS und ICON-EPS. Die externen deterministischen Modelle und das
IFS-EPS sind da etwas defensiver und zeigen eher das Erzgebirge und das
Ostsächsische Bergland sowie deren mehr oder weniger weiträumiges Vorland und
die Niederlausitz. In den Staulagen von Erzgebirge und Harz ist punktuell ein
Überschreiten der Unwetterschwelle möglich, was vom ICON-12-UTC-Lauf gegenüber
dem Vorlauf nun noch stärker betont wird. Auch die eben erwähnten Ensembles
zeigen dafür erhöhte Wahrscheinlichkeiten. Jetzt aber zurück zum weiteren
Geschehen der Nacht zum Mittwoch: Mit der Verlagerung des Tiefs nimmt der
Gradient weiter zu, sodass an der gesamten Ostseeküste steife bis stürmische
Böen, von Rügen bis nach Usedom auch Sturmböen aus Nordost auftreten. Aber nicht
nur dort nimmt der Wind zu, sondern auch an der Nordsee (wegen der Windrichtung
steife Böen wohl eher Helgoland und Ostfriesland) und zum Teil im nordost- und
ostdeutschen Binnenland. Vor allem ICON zeigt von Vorpommern bis zum Erzgebirge
steife bis stürmische Böen aus nördlichen Richtungen, IFS ist ein wenig passiver
aufgestellt. Die exponierten Gipfel von Harz, Erzgebirge und der ostbayerischen
Mittelgebirge reagieren mit Sturmböen. Schwachwindig bleibt es hingegen in der
gesamten Südwesthälfte. Dort bildet sich erneut gebietsweise Nebel und es muss
auch mit Boden- und örtlichem Luftfrost gerechnet werden. In der Nordosthälfte
kühlt es unter den dichten Wolken hingegen nur auf 11 bis 6 °C ab.

Mittwoch … überquert der westliche Kern des Dipols das Zentralmassiv und
erreicht die Seealpen. Der östliche Kern hingegen verlagert sich etwas nach
Norden, das Bodentief zieht nach Niederschlesien. Während sich dieses Tief
allmählich auffüllt, bildet sich am Okklusionspunkt über Belarus ein neues Tief
(welches dort mit dem Höhentief korrespondiert). Tagsüber gibt es im gesamten
Nordosten und Osten PVA-unterstützt kräftigen Regen, bei dem – wie bereits oben
erwähnt – die Warnschwellen für Dauerregen sehr wahrscheinlich (gebietsweise)
überschritten werden. Mit der Verlagerung des Tiefs weiten sich die
Niederschläge auch in den Westen und in die südliche Mitte aus. Warnrelevanz
haben sie dort aber aller Voraussicht nach nicht. Ganz im Süden und im
Nordwesten ist leichter antizyklonaler Einfluss wirksam, sodass es dort trocken
bleibt. In jeden Fall erwähnenswert ist noch der Wind, der im Norden, Nordosten
und Osten mit steifen bis stürmischen Böen, an der Ostsee auch Sturmböen aus
Nordost bis Nord daherkommt. An der vorpommerschen Küste sowie auf exponierten
Berggipfeln der östlichen Mittelgebirge muss zudem mit schweren Sturmböen
gerechnet werden. Verwunderlich wäre es nicht, wenn am Kap Arkona einzelne
orkanartige Böen gemessen werden würden. Mit Höchstwerten zwischen 7 und 12, in
den Mittelgebirgen zwischen 3 und 9 °C, wird es noch etwas kühler.
In der Nacht zum Donnerstag schwächt sich der Warmluftadvektion ab, sodass auch
die Niederschläge peu-à-peu nachlassen. Dann regnet es noch leicht in einem
breiten Streifen von Vorpommern und Nordostbrandenburg bis in den Westen
Deutschlands. Mit der weiteren Auffüllung des Tiefs bildet sich eine breite
Rinne, an deren Nordwestflanke gegenüber dem Hoch über dem Nordmeer noch ein
einigermaßen passabler Gradient erhalten bleibt, der vor allem an den Küsten und
im angrenzenden Binnenland für steife bis stürmische, teils noch Sturmböen aus
Nordost sorgt. Vereinzelt kann es auch noch weiter im Binnenland steife Böen
geben. Im Bereich der Rinne bleibt es in der gesamten Südosthälfte
gradientschwach, es bildet sich gebietsweise Nebel. Frost gibt es allenfalls in
Gipfellagen, sonst geht die Temperatur auf 9 bis 1 Grad zurück.

Donnerstag … wird das östliche Höhentief von einem sich über Finnland und
Nordwestrussland nach Süden ausweitenden Troges eingefangen. Das westliche
Höhentief verlagert sein Drehzentrum in den Golf von Genua, am Boden findet sich
ein flaches Tief. „Resthebung“ von und zwischen beiden Höhentiefs bringt in der
Mitte und im Süden gebietsweise Regen. Der Norden profitiert hingegen vom
hochreichenden Hoch über dem Nordmeer, das dort für Absinken und somit
Auflockerungen sorgt. Der Nordostwind bleibt wegen des einigermaßen veritablen
Gradienten zunächst noch auf dem Tableau, aber wohl in erster Linie auf die
Küstenregionen beschränkt. Dort weht er aber mit steifen, anfangs auch
stürmischen Böen. Mit 4 bis 11 °C wird es ähnlich warm (oder kühl) wie am
Vortag.

Modellvergleich und -einschätzung

Die großräumige Wetterentwicklung wird von den Modellen ähnlich gesehen. Jedoch
gibt es Unterschiede bezüglich der genauen Lokalisation und Intensität des
„östlichen“ Tiefs, das von IFS etwa 250 km weiter östlich als bei ICON (und auch
GFS) gerechnet wird. Die Windentwicklung wird jedoch meist relativ ähnlich
simuliert, weil das Tief beim IFS einen tieferen Kerndruck hat als beim ICON,
allerdings sind die Böen an der vorpommerschen Küste etwas verhaltener. Die
Niederschlagsprognose unterscheidet sich noch zwischen den Modellen, was nicht
zuletzt von der Positionierung des Höhen- und Bodentiefs abhängt. Auf die
Mengenunterschiede wurde oben eingegangen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
M.Sc. Met. Stefan Bach