S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 30.09.2020 um 10.30 UTC

Wechselhaft und windig, im Osten anfangs noch spätsommerlich warm

Synoptische Entwicklung bis zum Mittwoch, den 07.10.2020

Am Samstag, dem Tag der Deutschen Einheit und Beginn des aktuellen
Mittelfristzeitraums, befinden wir uns auf der diffluenten Vorderseite eines
umfangreichen Cut-Offs über Frankreich. Das korrespondierende Bodentief mit
warmem Kern liegt nahezu achsensenkrecht mit einem Kerndruck um 980 hPa über der
Normandie. Davon ausgehen verläuft ein Frontenzug über England, die Deutsche
Bucht quer über Deutschland bis zum Bayerischen Wald hinweg. Am Okklusionspunkt
über der Deutschen Bucht setzt die Warmfront an und verläuft im Bereich der
Dänischen Grenze bis nach Nordpolen. Insofern liegen – grob gesprochen – die
Gebiete östlich der Elbe im Warmsektor in einer subtropischen Luftmasse mit 850
hPa Temperaturen über 10, in Sachsen föhnbedingt (Überströmung des Erzgebirges)
sogar knapp über 15 Grad. Die Höchstwerte im Mos sind dabei mit 19 bis 23 Grad
recht verhalten, was zum einen teils dichteren Wolkenfeldern (WLA) und der eher
östlichen statt südlichen bodennahen Luftströmung geschuldet ist. Zudem sind die
Zeiten eines 15K-Aufschlags dank voller Durchmischung langsam vorbei und nicht
jede Inversion wird mehr „durchgeheizt“. So ist in den Prognosetemps in der Tat
eine nahezu isotherme Schicht zwischen 950 und 850 hPa auszumachen. Erst
darunter findet eine volle Durchmischung statt. Und dennoch sollte lokal ein
Sommertag am Nordrand des Erzgebirges bis in die Niederlausitz hinein nochmals
im Bereich des Möglichen liegen. Im Küstenumfeld liefert der doch recht satte
Gradient zum 1040 hPa Hoch über dem Weißen Meer verbreitet Böen der Stärke 7,
direkt an der See Sturmstärke 8 bis 9 Bft aus Ost.
Die sich südwestlich anschließende Kaltfront trägt Anacharakter, womit sich der
Schwerpunkt der Regenfälle erst weit postfrontal abspielt. Überlagerte
Kaltluftadvektion sorgt aber dafür, dass sich die Mengen mit rund 5 l/qm binnen
12 Stunden in Grenzen halten. Bis zum Abend erreichen die Regenfälle auch die
Elbe, während es unterdessen im Südwesten schon wieder auflockert. Ob und wo
sich entlang der Kaltfront später über dem Vogtland beziehungsweise in Elbnähe
noch ein Randtief ausbildet, bleibt noch unsicher. Da sollte allerdings im Fall
der Fälle keine gravierenden Auswirklungen auf den beschriebenen Wetterablauf
haben. Mit Frontpassage und nachfolgender Druckwelle bricht der Föhn in den
Alpen zusammen und insbesondere südlich der Donau kann es verstärkt durch den
Leitplankeneffekt vorübergehend zu Windböen um 60 km/h aus West kommen. Zum
Abend nähert sich im äußersten Südwesten der Bodentrog an, womit auch vom
Saarland bis nach Aachen Windböen (Bft 7), lokal auch Sturmböen (8 bis 9 Bft)
aus Süd aufkommen. Die Temperaturen liegen in der rückseitig einfließenden,
erwärmten Meereskaltluft bei 13 bis 18 Grad.

Am Sonntag verlagert sich der wetterbestimmende Cut-Off nur wenig nordwärts nach
Südengland. Die Kaltfront schwenkt nordostwärts über die Ostsee ab, womit letzte
Warmluftreste rasch aus Deutschland verdrängt werden. Was bleibt ist eine
schwach labil geschichtete, maritime Luftmasse. Während postfrontales Absinken
über dem Norden und Osten für längere Aufheiterungen und nur vereinzelte Schauer
sorgt, kommt es mit Durchschwenken eines flachen Randtroges vor allem im
Südwesten zu häufigeren Schauern. Bei Wolkenobergrenzen um oder knapp unterhalb
der -10 Grad Marke sind einzelne (Kaltluft-)Gewitter nicht ausgeschlossen,
allgemein aber recht unwahrscheinlich. Weitaus wahrscheinlicher sind da schon
erneut die Windböen, die in der Westhälfte auch außerhalb der Schauer verbreitet
zu erwarten sind. Exponiert und in Schauernähe muss mit Sturmböen gerechnet
werden. Die Temperaturen liegen zwischen 14 und 18, an der Neiße eventuell
nochmal bei bis zu 20 Grad.

Am Montag macht sich die achsensenkrechte Lage des Zentraltiefs langsam
bemerkbar und es schwächt sich zögernd ab, bleibt aber über England stationär.
Wir befinden uns damit weiterhin am Randbereich auf dessen Vorderseite in einer
südlichen Höhenströmung, wobei der Geradient deutlich auffächert. Da Fronten
keine Rolle spielen, stellt sich die Frage, inwieweit neue Randtröge (auch
orographisch induziert) über Deutschland nordwärts ablaufen. Diesbezüglich gibt
es noch große Modellunterschiede, damit steht und fällt jedoch letztlich das
Wettergeschehen hierzulande. Am wahrscheinlichsten ist derzeit ein aus den Alpen
nordwärts schwenkender Randtrog, dessen Achse um die Mittagszeit nach Tschechien
gerichtet ist. Dadurch wird ein Randtief über Sachsen induziert, an dessen
Südwestflanke sich scherungsbedingt (bodennah Nordwest, in der Höhe Süd) ein
skaliges Niederschlagsgebiet ausbildet. Während es im Allgemeinen also
weitgehend trocken bleibt bei einem Mix aus Sonne und Wolken (mit der Labilität
ist es nicht mehr allzu weit her) muss nach derzeitigem Stand vor allem in einem
Streifen von der Weser bis nach Oberfranken mit zeitweiligem Regen gerechnet
werden. Mi5t Ausnahme exponierter Gipfellagen und einzelner Küstenregionen ist
der Wind kein großes Thema mehr und auch am Temperaturniveau ändert sich wenig.

Am Dienstag und Mittwoch wird das Cut-Off Tief vom nordatlantischen
Langwellentrog wieder eingefangen und etwas nach Osten gepusht. Östlich von uns
bleibt eher hohes Geopotential wetterbestimmend, weshalb das Muster einer
winkelförmigen Westlage am nächsten kommt. Von Westen ziehen folglich immer
wieder schauerartige Niederschläge über Deutschland hinweg, wobei warnwürdige
Mengen nicht zu erwarten sind. Es weht ein mäßiger, am Nachmittag teils frischer
Südwestwind mit Windböen an der See und im Bergland, in exponierten Gipfellagen
bis Sturmstärke. Kurzum: durchschnittliches Herbstwetter.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Der aktuelle EZ 0z Lauf zeigt zunächst keine wesentlichen Unterschiede zu seinen
Vorgängern. Erst zum Ende der Mittelfrist wird die (Wieder-) Eingliederung in
den atlantischen Langwellentrog leicht unterschiedlich simuliert. Während es der
Cut-Off in den Vorläufen noch abgeschlossen bis nach Norddeutschland geschafft
hat, wird er nun schon über der Nordsee eingefangen und als Trog nach
Deutschland geführt. Daraus ergeben sich in letzter Konsequenz nun schwächere
und nicht mehr so gut organsierte Regenfälle für Dienstag.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Unterschiede ergeben sich nach Durchsicht der unterschiedlichen Globalmodelle
insbesondere hinsichtlich der Randtiefentwicklung am kommenden Montag, die GFS
am stärksten vollzieht. Demnach würden es auf der Vorderseite des 995 hPa Tiefs
(die übrigen um 1000 hPa) sogar noch einmal Warmlufteinschubgewitter nach
Ostdeutschland schaffen und an der Ostsee sowie an der unmittelbaren Südflanke
des Tiefs müssten Böen bis in den Sturmbereich befürchtet werden. Diese Variante
stellt momentan eine Außenseiterlösung dar.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Nun, die Temperaturentwicklung verläuft ja in der Mittelfrist nicht sonderlich
dynamisch, weshalb die gute Bündelung der Rauchfahnen nicht überrascht. Nach dem
kurzen (föhnunterstützten) „Altweiberhoch“ am Freitag, im Osten am Samstag, ist
ein rascher Rückgang von über 10 Grad in 850 hPa auf etwa 5 Grad zu
konstatieren. Da die Luftmasse aber relativ gut durchmischt ist, sind die
Höchstwerte mit 14 bis 18 Grad jahreszeitentypisch.

Bei der Niederschlagskurvenschar ist ersichtlich, dass die meist konvektiven
Niederschläge nicht sonderlich ertragreich ausfallen werden und in der Fläche
kaum mal 5 l/qm binnen 24 Stunden bringen werden.

Ein Anblick für die Geschichtsbücher ist die Clusteranalyse, die sowohl in der
Mittelfrist, als auch im erweiterten Mittelfristzeitraum bis nächsten Samstag
mit einem Kandidaten auskommt. Dabei manifestiert sich eine positive
Geopotentialanamolie vom Schwarzen Meer über Finnland bis in die Arktis. So
gesehen ist die Zugbahn atlantischer Tiefdruckgebiete über die Britischen Inseln
Richtung Mitteleuropa vorgezeichnet, ohne dass diese dann von dort großartig
wegkommen. Damit zeichnet sich über Deutschland in der kommenden Woche ein
Randtief- bzw. Frontenfriedhof ab.

Somit wird letztlich der Hauptlauf (Kapitän) vom Ensemble (Team) auf die – man
muss schon sagen – eindrucksvollste Art und Wiese unterstützt, die überhaupt
möglich wäre.

FAZIT:
Das durchschnittlich temperierte, zeitweise nasse und windige Herbstwetter geht
nächste Woche in die Verlängerung.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Sturm:
In den Alpen steht eine markante Föhnlage bevor. Beginnend bereits in der
Kurzfrist treten im Laufe des Freitags bis etwa Samstagmittag auf den Gipfeln
Orkanböen (Bft 12) und in den Tälern Sturmböen (Bft 8 bis 9) aus Süd auf.
Aufgrund der feingliedrigen Orographie sind die probabilistischen Verfahren hier
nur bedingt aussagekräftig. Der EFI zeigt jedoch großflächig über den Alpen
Werte nahe 1 bei einer SOT ebenfalls um 1. Über die synoptische Konstellation
mit Windgeschwindigkeiten von 60-70 Knoten in 700 hPa besteht modellübergreifend
Einigkeit.

Am Samstag treten zudem an den Küsten verbreitet Sturmböen aus Ost auf.
Wahrscheinlichkeiten vom COSMO-LEPS respektive EZ-EPS zwischen 80 und 100% legen
ebenfalls ein recht sicheres Szenario dar.

Etwas anders verhält es sich da schon mit den Sturmböen am Samstagabend in der
Eifel und am Sonntag in der Westhälfte. Während EZ-EPS vom Saarland bis zur
Eifel erneut mit 70-90% „voll zuschlägt“, ist COSMO-LEPS mit 20-30% deutlich
zurückhaltender (ICON-EPS dazwischen). Der 925 hPa Wind gibt mit 35-40 Knoten
generell Sturmböen her, zum Zeitpunkt der besten vertikalen Durchmischung geht
der Höhenwind allerdings langsam auf 30 Knoten zurück. Insofern sollten
Sturmböen im Flachland nach jetzigem Stand zumindest nicht verbreitet und länger
anhaltend auftreten – in den Hochlagen der westlichen Mittelgebirge und des
Harzes hingegen schon.

Gewitter:
Am Sonntag besteht im Südwesten Deutschland können im Südwesten neben Schauern
mit geringer Wahrscheinlichkeit auch kurze Gewitter auftreten. Dabei muss man
mit Sturmböen (Bft 8 bis 9) aus Südwest rechnen.

Basis für Mittelfristvorhersage
EZ, EZ-EPS, Mos-Mix

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Robert Hausen