SXEU31 DWAV 301800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 30.09.2020 um 18 UTC

Markante Wettererscheinungen:
Zunächst gradientschwache Lage ohne markante Wettergefahren. Am Donnerstag
allenfalls auf exponierten Schwarzwaldgipfeln Gefahr von Sturmböen. Am Freitag
Föhnlage, Sturm- und schwere Sturmböen auf Alpengipfeln und in Hochlagen der
östlichen Mittelgebirge, stürmische Böen bis in Alpentäler. In der Nacht zum
Samstag Höhepunkt der Föhnlage mit schweren Sturm- und orkanartigen Böen bis in
föhnanfälligen Alpentälern. Auf höheren Berggipfeln dann voller Orkan. Auch auf
Mittelgebirgsgipfeln Böen bis Sturmstärke.
Ab Samstagfrüh vom Allgäu her und bis zum Nachmittag dann auch am östlichen
Alpenrand Föhnzusammenbruch. Auf höheren Mittelgebirgsgipfeln weiterhin
Sturmböen, tendenziell jedoch abnehmend. Außerdem im küstennahen Binnenland
stürmische Böen, an der See Sturmböen und exponiert schwere Sturmböen aus Ost.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 12 UTC

Aktuell … liegt Deutschland zwischen einem auf Irland und die Biskaya
übergreifenden Langwellentrog und einem Höhentief über dem Karpatenraum.
Zwischen diesen Gebilden erstreckt sich vom Südwesten Deutschlands nach
Nordosten gerichtet eine Zone hohen Geopotentials mit einem Keil über
Südwestdeutschland. Im Bodendruckfeld korrespondiert diese Struktur mit einer
schwachen Hochbrücke, die, ausgehend von einem Hoch über Russland mit Keil bis
nach Südschweden bis ins westliche Mittelmeer gerichtet ist. Im Bereich dieser
Brücke sind die Luftdruckgegensätze schwach. Eine Ausnahme stellt der Südwesten
und der Westen Deutschlands dar, wo ausgangs der Nacht mit der Annäherung einer
Kaltfront der Gradient ein wenig zunimmt, so dass die Nebelneigung in diesen
Gebieten gering bleibt. Für warnrelevante Böen sollte es allenfalls über der
offenen Nordsee reichen. Im Osten und im Süden bleiben die schwachen
Luftdruckgegensätze jedoch bestehen, so dass in diesen Gebieten erneut mit der
Entstehung von Nebel zu rechnen ist.

Donnerstag … weitet sich der über den Britischen Inseln liegende Trog mit
einer Teilachse in Richtung Benelux-Staaten aus. Der Haupttrog verbleibt aber
weiter westlich, an dessen Vorderseite erfolgt aus einer in entwicklungsgünstige
Position gelangenden Warmfrontwelle eine markante Zyklogenese. Die
resultierende, sich zu einem Orkantief intensivierende Zyklone wird über die
Biskaya hinweg bis vor die Bretagne gesteuert.
Das über den Karpaten liegende Höhentief verlagert sich nach Südostpolen, von
dem über Deutschland liegenden Höhenkeil bleibt nur noch eine schwache Struktur
in Odernähe und über dem östlichen Bayern übrig. Eine dem Trog vorgelagerte
okkludierende Kaltfront greift mit Niederschlägen, die fernab von jeglicher
Warnrelevanz sind, auf den Westen Deutschlands über. Bis zur Mitte Deutschlands
vorstoßende Kaltluftadvektion dämpft jedoch die Wetterwirksamkeit dieser Front.
Das mit dem vorlaufenden Teiltrog korrespondierende Bodentief verlagert sich in
die Nordsee. Hierdurch verstärkt sich zu dem über Russland liegenden Hoch (das
einem nach Nordskandinavien reichenden Keil aufweist) der Gradient, so dass an
der Nordfriesischen Küste Wind- und über der offenen Nordsee stürmische Böen
aufkommen. Bedingt durch die merklich zunehmende südwestliche Strömung, die
oberhalb der Grundschicht einsetzt, frischt auch in den Gipfellagen des
Schwarzwaldes der Wind mit Böen bis Sturmstärke auf.
In einem breiten Streifen von Schleswig-Holstein bis in den Erzgebirgsraum und
in den äußersten Südosten Deutschlands hinein sind Auflockerungen am
wahrscheinlichsten. Weiter im Nordosten macht sich das nach Südostpolen ziehende
Höhentief in Form von mehrschichtiger Bewölkung bemerkbar, der Westen wird
frontal beeinflusst, so dass auch dort Auflockerungen eher unwahrscheinlich
sind. Die Tageshöchsttemperaturen erreichen je nach Bewölkung 14 bis 18, bei
Sonne Werte um 20 Grad.
In der Nacht zum Freitag tropft der über den Britischen Inseln liegende Trog
aus, wobei sich das relativ unsymmetrische Cut-Off-Tief in die Bretagne
verlagert. Dieses interagiert mit dem Orkantief, das über die Bretagne hinweg
mit warmen Kern und damit subtropischen Eigenschaften in den Ärmelkanal gelangt
und dank des von der warmen Meeresoberfläche ausgehenden latenten Wärmestroms
sich noch etwas intensiviert. Dabei wird zu Beginn der zweiten Nachthälfte der
Höhepunkt der Entwicklung mit einem Kerndruck von 965 bis 970 hPa erreicht. Die
Folge wäre dann ein voller Orkan an der bretonischen Küste sowie in Teilen der
Bretagne.
Abgesehen von einer leichten Gradientzunahme, die zu einer Verringerung der
Nebelneigung führt, dürfte diese Entwicklung auf unser Wettergeschehen nahezu
ohne Einfluss bleiben. Allenfalls auf exponierten Berggipfeln kann es dann für
Wind- oder vielleicht stürmische Böen reichen. Vor allem nach Osten hin bleiben
geringe Luftdruckgegensätze bestehen. Sollte es aufklaren, kann sich in diesen
Gebieten erneut Nebel bilden.

Freitag … verbleibt das Cut-Off-Tief über Westfrankreich und bezieht das zuvor
über Südostpolen liegende Höhentief in seine Zirkulation mit ein, so dass
letzteres über die Ostseeküste hinweg ostwärts reichender Trog in Erscheinung
tritt. Das mit dem westeuropäischen Höhentief korrespondierende Sturmtief hält
sich über der Bretagne und beginnt sich erst allmählich aufzufüllen. Somit
bleibt Deutschland vom Starkwindfeld dieses kräftigen Tiefs verschont.
Der von dem Cut-Off-Tief über Westfrankreich ausgehende Trog weitet sich über
die Pyrenäen hinweg bis nach Algerien aus, so dass sich über Mitteleuropa eine
süd-südwestliche und zunehmende leicht zyklonale Strömung ergibt. Dies hat in
den Alpen und unmittelbar am Alpenrand eine Föhnlage zur Folge. Hierdurch kommen
in Hochlagen schwere Sturm- und orkanartige Böen auf. In föhnanfälligen Tälern
sind Böen bis Sturmstärke vorstellbar. Auf exponierten Berggipfeln muss mit
Orkanböen gerechnet werden. Auf höheren Mittelgebirgsgipfeln macht sich die
zunehmende südliche Strömung in Form von stürmischen, exponiert auch von
Sturmböen, bemerkbar. Abgesehen davon bleibt es windschwach.
Mit dem Frontensystem des zum Ärmelkanal ziehenden Bodentiefs kommt im Westen
erneut mehrschichtige Bewölkung auf, ohne dass nennenswerte Niederschläge
fallen. Im Südosten und im Lee der östlichen Mittelgebirge, aber auch im
Nordwesten, zeichnen sich größere Auflockerungen ab. In diesen Gebieten werden
Temperaturmaxima um 20 Grad erreicht, während sonst 13 bis 18 Grad zu erwarten
sind. Bei Föhn an den Alpen kann es noch deutlich wärmer werden.
In der Nacht zum Samstag verlagert sich das Cut-Off-Tief nach Mittelfrankreich.
Der von diesem Tief ausgehende Trog schwenkt über die Balearen hinweg ostwärts.
Hierdurch steilt über Mitteleuropa die Strömung weiter auf, dreht auf Süd und
nimmt an Stärke zu. Die Föhnsituation an und in den Alpen erreicht mit Beginn
der zweiten Nachthälfte ihren Höhepunkt. Bis ins alpennahe Vorland treten dann
Sturmböen, in föhnanfälligen Tälern schwere Sturm- und orkanartige Böen und auf
Berggipfeln Böen bis voller Orkanstärke auf. Mit Sturmböen muss aber auch auf
höheren Berggipfeln der Mittelgebirge gerechnet werden.
Mit einem über die Alpen hinweg nordwärts schwenkenden Kurzwellentrog erfolgt
auf der Alpennordseite eine Zyklogenese, wodurch sich vom Alpenrand her ein
flaches Tief löst. Mit diesem Tief wird ausgangs der Nacht vom Allgäu her der
Zusammenbruch des Föhns eingeleitet. Dies geht mit der Passage einer Druckwelle
einher, die bis weit ins Alpenvorland hinein zu Wind- und stürmischen Böen
führen dürfte.
Gleichzeitig verstärkt sich durch dieses zunächst nord- und später
no0rdwestwärts ziehende Tief im Norden der Gradient, so dass bis weit ins
nördliche Binnenland hinein Windböen bis Bft 7 aufkommen. An der Ostsee muss mit
stürmischen, in der Mecklenburger Bucht und der Kieler Bucht sowie an der
Nordseeküste mit Böen bis Sturmstärke und über der offenen Nordsee teils mit
schweren Sturmböen gerechnet werden.

Samstag … verlagert sich das Cut-Off-Tief erneut ein wenig nordwärts, wobei
ein weiterer Teiltrog des vom Raum Island aus abtropfenden Haupttroges
integriert wird. Gleichzeitig bezieht dieses Tief Warmluft in seine Zirkulation
mit ein, die mit Zusammenbruch des Föhns östlich an den Alpen vorbei und über
Norddeutschland hinweg nach Westen geführt wird. Das bisherige Sturmtief wird
von der bretonischen Küste über Mittelfrankreich hinweg zu den Vogesen gesteuert
und füllt sich dabei über dem französischen Binnenland rasch auf. Das Tief
hingegen, das sich zuvor von den Alpen gelöst hat, wird über den Westen
Deutschlands und die Benelux-Staaten hinweg in den Ärmelkanal gesteuert und
gelangt möglicherweise dann nach Nordfrankreich, wobei die endgültige
Verlagerung dieses Tiefs noch unsicher ist. Zumindest intensiviert sich dieses
Tief, das ebenfalls einen warmen Kern aufweist, dann auch wieder zu einem
ausgewachsenen Sturmtief mit einem Kerndruck unter 975 hPa. Dieser Prozess kann
durchaus als Downstream Development gesehen werden, da das bisherige Sturmtief
bis dahin weitgehend verschwindet.
Die Kaltfront dieses sich entwickelnden Sturmtiefs dringt von Südwesten her mit
Niederschlägen, die fernab von jeglicher Warnrelevanz sind, bis in die Mitte
Deutschlands vor und greift an den Alpen beschleunigt ostwärts über. Daher
bricht bereits in der ersten Tageshälfte, abgesehen vielleicht vom
Berchtesgadener Land, der Föhn zusammen. Die mit der Passage der Kaltfront
einhergehende Druckwelle erfasst das gesamte Alpenvorland mit Wind- und
stürmischen Böen. Nach dem Zusammenbruch des Föhns sind dann nur noch auf
höheren Alpengipfeln Böen bis Sturmstärke zu erwarten.
An der Südost- und Ostflanke des sich entwickelnden „neuen“ Sturmtiefs bleibt
ein kräftiger Gradient bestehen, so dass in freien Lagen verbreitet Windböen zu
erwarten sind. In höheren Berglagen ist mit Böen bis Sturmstärke, exponiert mit
schweren Sturmböen zu rechnen. Im Norden ist die Windsituation gegenüber der
Nacht zuvor nahezu unverändert. Bis weit ins nördliche und nordwestliche
Binnenland hinein treten bei vorherrschend östlicher Windrichtung Windböen, an
der See und im, nördlichen Schleswig-Holstein Böen bis Sturmstärke und über der
offenen Nordsee teils schwere Sturmböen auf.
Auflockerungen sind im Nordosten und im Südwesten wahrscheinlicher als in den
anderen Gebieten. Aufgrund der o.g. Kaltfrontpassage dominiert sonst stärkere
Bewölkung. Postfrontal bewegen sich die Temperaturen zwischen 11 und 16 Grad,
wogegen vorderseitig 16 bis 21, im Nordosten bei Sonne bis 24 Grad zu erwarten
sind.

Modellvergleich und -einschätzung

Die vorliegenden Modelle stützen weitgehend die oben beschriebene Entwicklung.
Anhand der synoptischen Basisfelder lassen sich kaum prognoserelevante
Unterschiede ableiten.
Unsicherheiten ergeben sich erst am Samstag hinsichtlich des sich über
Nordfrankreich bzw. dem Ärmelkanal entwickelnden „neuen“ Sturmtiefs. Als
gemeinsamer Nenner lässt sich jedoch herausarbeiten, dass das Sturmfeld dieses
Tiefs das Vorhersagegebiet weitgehend unbeeinflusst lässt und sich eine
Gradientzunahme mit flächig markanten Böen auf den Norden Deutschlands zu dem
über Nordwestrussland liegenden Bodenhoch hin beschränkt.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Thomas Schumann