S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Montag, den 21.09.2020 um 10.30 UTC

Umstellung der Großwetterlage zu wechselhaftem und kühlem Herbstwetter, im Osten
und Süden Dauerregen möglich

Synoptische Entwicklung bis zum Montag, den 28.09.2020

Am kommenden Donnerstag, dem Beginn der Mittelfrist stellt sich die
Großwetterlage grundlegend um. Deutschland liegt dabei auf der Vorderseite eines
gut ausgeprägten Langwellentroges mit Drehzentrum über den Britischen Inseln.
Eine erste – aufgrund fehlenden Antriebes aus der Höhe (recht glatte
Südwestströmung) – noch wenig wetteraktive Kaltfront liegt dabei quer über der
Mitte des Landes zwischen Oderhaff und Schwarzwald und verdrängt die warme
Spätsommerluft der Vortage (über 10 Grad in 850 hPa, xSp) ostwärts. So wird ein
Sommertag mit Höchstwerten über 25 Grad maximal noch in der Lausitz registriert.
Rückseitig der Front fließt erwärmte Meeresluft ein (um 5 Grad in 850 hPa, mPs)
in der noch rund 20 Graderreicht werden.
In Odernähe, vor allem aber im Laufe des Nachmittags über Polen gibt es auch
Hinweise auf konvergente Strukturen im Bodendruckfeld, die linienhafte
Konvektion nicht ausschließen. Die Wahrscheinlichkeit für Gewitter bleibt
hierzulande jedoch eher gering, da die bodennahen Luftschichten und die mittlere
Troposphäre doch recht trocken sind. Zudem liegt die 0 Grad Grenze im Osten mit
teils über Fl100 (rund 3 km) noch sehr hoch und aufsteigende Luftpakete stoßen
kaum einmal bis -10 Grad vor.
Der Südwestwind weht lebhaft und aufgrund der Nähe zur Frontalzone vor allem an
der Nordsee und auf den Bergen zeitweise in Böen stürmisch.

Am Freitag sorgt recht effektive Kaltluftadvektion auf der Rückseite des Troges
für eine Ausweitung nach Süden. So stößt er bis zum Mittag bis zu den Pyrenäen
vor und die Strömung über Deutschland steilt etwas auf. Auf der Vorderseite
laufen nun (auch orographisch bedingt) zunehmend kurzwellige Troganteile
nordwärts ab und sorgen entsprechend für Hebungsimpulse. In der Konsequenz kommt
die über Deutschland liegende Kaltfront dadurch ins Wellen und kaum noch weiter
ostwärts voran. Damit sind die grundlegenden Zutaten für flächendeckende und
länger anhaltende Regenfälle gegeben, wobei die räumlichen Schwerpunkte aktuell
noch etwas „unscharf“ sind. Am wahrscheinlichsten ist wohl ein Streifen von
Mecklenburg über das Vogtland bis zu den Alpen, in dem man gut und gerne mit 10
bis 20, lokal auch mehr Litern pro Quadratmetern rechnen darf. Ein Segen nach
der langen Trockenheit! Im äußersten Osten und auch westlich der Weser sind
dagegen wohl nur vereinzelte Schauer unterwegs. Die Höchstwerte liegen zwischen
14 Grad auf den Bergen und im Dauerregen und bis 20 Grad an der polnischen
Grenze.

Am kommenden Wochenende verlagert sich der Trog nach Korsika und tropft dabei
ab. Ein schwächerer Dipol verbleibt als Residuum über Süddeutschland. Dieser
stützt ein Bodentief über Schlesien, das Vb-artige Züge trägt.
Aufgleitniederschläge (rumgeholte Warmluft von der Ägäis über die Karpaten bis
zur Oder) sorgen im Osten und Süden des Landes für langanhaltende und teils
ergiebige Regenfälle. Warmlufteinschubgewitter sind voraussichtlich erst weiter
östlich unserer Landesgrenzen möglich. Insofern sind es mehrheitlich
Niederschläge der Marke „Landregen“. Dabei fließt rückseitig von Nordsee
Meeresluft polaren Ursprungs ein, in der die 850 hPa Temperaturen nur noch wenig
über dem Gefrierpunkt liegen. Entsprechend sinkt die Schneefallgrenze in den
Alpen gerade im Bereich der Dauerniederschläge (Niederschlagsabkühlung) auf etwa
1000 Meter. Sonst werden 14 bis 18, im Dauerregen rund 10 Grad erreicht.

Zum Wochenwechsel füllt sich das Trogresiduum langsam auf und die Luftmasse
trocknet ab. Damit regnet es bei einem Wechsel aus Sonne und Wolken kaum noch
und die Temperaturen steigen mit 15 bis 20 Grad wieder etwas an.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

In seinen Grundzügen stimmt der deterministische 00z Lauf vom EZMW mit seinen
Vorgängern überein. Aufgrund der Komplexität des Abtropfens nebst Residuum über
Deutschland mit durchschwenkenden Randtrögen und herumgeholter Warmluft sind die
Unsicherheiten im Detail – speziell was die Niederschlagsschwerpunkte betrifft –
noch entsprechend groß.

Auffällig ist, dass sich die 00z Läufe sehr ähneln, wohingegen der gestrige 12z
Lauf das schlesische Tief nach Südschwenden verfrachtet hat. Damit wäre das
Aufgleiten weniger effektiv, die Niederschläge somit weniger stark und weiter
westlich gerechnet.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Eine bunte Vielfalt zeigt sich auch beim Vergleich mit anderen Globalmodellen.
Während die Unterschiede der synoptischen Basisfelder bis zum Wochenende
lediglich marginaler Natur sind, werden sie im Anschluss umso eklatanter.
Offenbar bereitet gerade der Abtropfprozess – wie so häufig – die größten
Probleme. Der Einfluss der aktiven tropischen (Ex) Stürme ist bis dahin noch
zweitrangig.

Während ICON den Abtropfvorgang am schnellsten für beendet erklärt und ein
nahezu kreisrundes Höhentief über dem Elsass simuliert, neigen die sonstigen
„Verdächtigen“ eher zur elliptischen Dipolvariante (Gesamtausdehnung Südnorwegen
bis Norditalien). So richtig kommt das Aufgleiten mitsamt der skaligen und teils
intensiven Regenfällen eigentlich nur beim EZ in Gang, während GFS und GEM
beispielsweise die Niederschläge schwerpunktmäßig eher auf polnischer Seite
erwarten. Demnach bestünde eher die „Gefahr“, dass von Westen der nächste
Randtrog hineinschwenken würde und somit in ganz anderen Landesteilen als
ursprünglich vermutet „die Musik spielt“.
Im Großen und Ganzen eine sehr komplexe Wetterlage mit hohem
Überraschungspotential selbst in der Kurzfrist!

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Die Temperaturscharen sind in der heutigen Betrachtung zwar eher zweitrangig,
weisen aber der Vollständigkeit halber landesweit einen Rückgang in 850 hPa bis
zum Wochenende auf wenig über 0 Grad auf. Der Spread ist dabei zwar recht hoch,
die Mehrheit der Member orientiert sich aber an den Lösungen des Haupt- und
Kontrolllaufes. Ebenso zeigt sich im Trendbereich die abermalige Tendenz, dass
sich Temperatur und Geopotential langsam wieder erholen, sprich ansteigen, dabei
aber wohl nicht mehr ganz das Ausgangs(Spätsommer)-Niveau erreichen.
EPS-Lösungen für warnwürdigen Dauerniederschlag findet man nur sehr punktuell.

Wenn schon die Deterministik ihre liebe Mühe mit dem Abtropfvorgang hat, so ist
es nicht verwunderlich, dass im EZ-EPS satte 6 Cluster im Zeitraum 120-168h,
Sa-Mo) zu finden sind. Fast alle sind dabei anteilsmäßig homogen repräsentiert,
lediglich das erste Cluster mit Det. und Cont. Hat mit 13 Membern eine kleine
Mehrheit. Die kreisrunde ICON-Lösung zeigen dabei die Cluster 3 und 6 mit
insgesamt 15 von 51 Membern, insofern keine unrealistische Option.

FAZIT:
Über Langeweile kann man sich in der Mittelfrist nun wahrhaftig nicht
beschweren. Der Übergang zu wechselhaftem und relativ kühlem Herbstwetter
erfolgt mit Sicherheit, wer wann und wieviel Regen abbekommt, ist aber noch sehr
unsicher. Potential für eine Dauerregenlage im Süden und Osten ist allemal
vorhanden, in den Alpen könnte es signifikante Neuschneemengen geben. Eine
Wetterberuhigung zum Wochenwechsel erscheint wahrscheinlich.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

STURMBÖEN:
Am Donnerstag treten an auf den Nordseeinseln und in höheren Berglagen mit hoher
Wahrscheinlichkeit einzelne Sturmböen (8 bis 9 Bft) aus Südwest auf (COSMO-LEPS
und EZ-EPS bei 50-60%).

GEWITTER:
Präfrontal sind am Donnerstag und Freitag vereinzelte Gewitter im Süden und
Osten nicht ausgeschlossen. Damit können lokal Starkregen um 20 l/qm binnen
einer Stunde und stürmische Böen (8 Bft) verbunden sein.

Etwas wahrscheinlicher sind kurze Gewitter jedoch postfrontal über dem noch
warmen Nordseewasser am Freitag und Samstag.

DAUERREGEN:
Am Freitag legen Synoptik, Deterministik und auch Probabilistik eine markante
Dauerregenlage im Allgäu nahe mit 30-50 l/qm (EPS um die 50%, was ein deutliches
Signal ist)
Am Wochenende verschwimmen die Signale dann zunehmend, da noch große Unschärfen
bezüglich der Niederschlagsintensität und der räumlichen Verteilung bestehen.
Auch wenn sich bis dato noch keine Region besonders stark herauskristallisiert,
so deutet die synoptische Situation potentiell eine Dauerregenlage vor allem für
die Gebiete von den Alpen bis zum Erzgebirge und eventuell sogar bis in die
Lausitz hinein an. Im Niederschlags EFI sieht man im Osten und Süden zwar eine
hohe SOT (>0), aber im EFI selbst meist Werte unter 0.5 – getreu dem Motto:
„Alles kann, nichts muss!“

SCHNEEFALL:
Am Wochenende sinkt die Schneefallgrenze in den Alpen auf rund 1000 Meter ab.
Aufgrund der noch großen Unsicherheit der Niederschlagsschwerpunkte (siehe Text)
variieren die Mengen jedoch noch sehr stark. 10 bis 20, in Staulagen um 30 cm
sind aber realistisch. Im „Worst-Case“ ist mit etwa einem halben Meter Neuschnee
zu rechnen (EZ-EPS für Staulagen 10-20%)

Basis für Mittelfristvorhersage
EZ, EZ-EPS, Mos-Mix

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Robert Hausen