S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 12.09.2020 um 10.30 UTC

Ruhiges, anfangs noch spätsommerlich warmes Wetter. Ab Donnerstag kühler, im
Süden zuvor mit der Möglichkeit einzelner Gewitter.

Synoptische Entwicklung bis zum Samstag, den 19.09.2020

Am Dienstag, zu Beginn des mittelfristigen Prognosezeitraumes, befindet sich
Deutschland im Einflussbereich eines kräftigen Höhenrückens, dessen Schwerpunkt
(mehr als 592 gpdam) sich allmählich von Südpolen in die Westukraine verlagert.
Als Gegenspieler findet sich auf dem Atlantik ein umfangreicher Langwellentrog,
dessen Südteil (mit Drehzentrum in etwa bei N 45°, W 20°) zum Abtropfen neigt.
Am Boden herrschen nur geringe Luftdruckgegensätze. Dabei befinden wir uns ein
wenig zwischen den Stühlen, namentlich einem Hoch mit Schwerpunkt über den
Äußeren Ostkarpaten (korrespondierend mit o.e. Höhenhoch) und einem Hoch, dessen
Schwerpunkt sich von der Bretagne nach Land’s End verlagert. Zwar herrscht
relativ gesehen bei uns tiefer Luftdruck in einer schwachen Rinne, auf das
Wettergeschehen hat das aber keine Auswirkung. Bei Temperaturen von 16 bis 19 °C
im 850 hPa-Druckniveau dauert das warme bis heiße Spätsommerwetter noch an. Nur
im nördlichen Schleswig-Holstein sickert bereits etwas kühlere Luft ein und die
T850 fällt etwas unter die 15 °C ab.

Am Mittwoch verlagert das Höhenhoch seinen Schwerpunkt zur Republik Moldau, das
korrespondierende Bodenhoch wandert etwas weiter ostwärts zum Donaudelta bzw.
Dnepr. Das Höhentief über dem Atlantik tropft schließlich ab, das Trogresiduum
zieht unter Intensivierung ins mittlere Skandinavien. In der sich über
Deutschland deutlicher ausprägenden Rinne können sich einzelne Gewitter
entwickeln, die mangels Forcing aus der Höhe am ehesten über dem Bergland
entstehen. Zwar herrscht auch keine große Zuggeschwindigkeit vor, da aber die
Luft so trocken ist, werden Gewitter eher wegtrocknen, als dass sie die
Warnschwellen für Starkregen erreichen. Das o.e. Trogresiduum korrespondiert mit
einem Tief im Raum Vaasa, dessen Kaltfront am späten Abend Schleswig-Holstein
erreicht. Da sich zwischen dem abgetropften Höhentief und dem Trogresiduum ein
neues Höhenhoch und – damit korrespondierend – ein Bodenhoch aufbaut, dreht die
Strömung deutlich auf nördlichen Richtungen. Somit kommt die Kaltfront bis zum
Donnerstagmorgen bis zur Mitte Deutschlands voran. Auch wenn sie vor allem in
ihrem Westteil niederschlagstechnisch eher schwach auf der Brust ist und es
gebietsweise komplett trocken bleibt (das soll nicht heißen, dass es bei der
eher antizyklonal hereinziehenden Front sonst viel regnet…), ist sie thermisch
ordentlich ausgeprägt. Herrschten zum Mittagstermin noch verbreitet um 15 °C in
850 hPa, geht die T850 bis Donnerstagmorgen auf Werte zwischen knapp unter 4 °C
in Südschleswig und 15 °C im Südwesten zurück, wobei die 10 °C-Isotherme in etwa
mittig über Deutschland verläuft.

Am Donnerstag verlagert sich das Tief zum Finnischen Meerbusen, die Kaltfront
erreicht den Süden Deutschlands, gerät dort aber zunehmend ins Schleifen.
Kurzwellige Troganteile könnten das Niederschlagsgeschehen im Süden etwas
befeuern, was zumindest der aktuelle IFS-Lauf zeigt. Ob dies dann tatsächlich so
kommt, bleibt angesichts des relativ antizyklonalen Bodenregimes abzuwarten.
Durch das Schleifen bleibt unserem Vorhersagebereich auch die 10 °C-Isotherme
erhalten, im äußersten Südwesten werden sogar noch 14 °C in 850 hPa erreicht.
Hingegen sind es im Osten und Nordosten nur um 4 °C. Schaut man sich die
Modellinterpretation an, sollen sich auch einige Gewitter entwickeln. Das
Setting ist aber insgesamt nicht optimal. Sollte es in der präfrontal, doch
etwas dampfigen Luftmasse dennoch reichen, stehen Starkregen, Hagel und ggf.
Sturmböen als Begleiterscheinungen auf dem Programm. Abgesehen vom
(prä-)frontalen Geschehen sorgt der Einfluss des auch nach Deutschland
vorstoßenden Hochs über der Nord- und Norwegischen See für verbreitet
Sonnenschein.

Am Freitag verlagert das Hoch seinen Schwerpunkt zur mitteljütischen
Nordseeküste. Dadurch wird die wärmste Luft noch etwas stärker abgedrängt, 10 °C
in 850 hPa findet man nur noch im alleräußersten Süden und Südwesten. Meist sind
es zwischen 1 und 9 °C, wobei die kälteste Luft an der Grenze zu Polen zu finden
ist. Gepaart mit dem vom westlichen Mittelmeer über den Westen Deutschlands und
Skandinaviens bis weit in polare Breiten aufwölbenden Höhenrücken sorgt das Hoch
hierzulande für reichlich Sonnenschein. Ob es an den Alpen tatsächlich, wie vom
IFS angedeutet, an den Frontresten tatsächlich noch für ein paar Tropfen reicht,
darf angezweifelt werden.

Am Samstag verlagert sich die Achse des Höhenrückens ostwärts nach
Finnland/Nordwestrussland und macht damit einem Trogvorstoß nach
Westskandinavien Platz. Für das Wettergeschehen hierzulande spielt das aber
keine entscheidende Rolle. Vor allem über Norddeutschland steigt der Druck an,
das einst abgeschlossene Hoch wird Teil eines Keils westlich des Archipels der
sogenannten Britischen Inseln. In der Südwesthälfte kommt die 10 °C-Isotherme
durch die etwas modifizierte Strömung wieder ein kleines Stück in Richtung
Nordosten voran. Am Bodensee werden 14 °C erreicht, an der deutsch-polnischen
Grenze knapp 5 °C. Im frontalen Bereich im Süden gibt es ein paar mittelhohe
Wolken, Niederschlag fällt hingegen bundesweit nicht.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Insgesamt gesehen ist der neueste Lauf des IFS konsistent zu seinen Vorgängern.
Die Abkühlung kommt weiterhin ab Donnerstag, fällt insgesamt gesehen etwas
milder aus als in den gestrigen beiden Läufen. Leichte Inkonsistenzen gibt es
auch noch bei den Niederschlägen. Inwieweit am Donnerstag wo wieviel oder auch
gar nichts fällt, bleibt ohnehin abzuwarten.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Im Setup ähneln sich ICON, IFS, GFS und auch GEM sehr stark. Ab Mittwoch
differiert die Simulation des GFS deutlich von den Lösungen des ICON und IFS.
Während letztere nämlich den Trog über Skandinavien bis weit in Richtung
Mitteleuropa vorstoßen lassen, bleibt beim GFS eine genau über Deutschland
verlaufende Geopotenzialbrücke vom osteuropäischen Höhenhoch zum Rücken auf dem
nahen Ostatlantik erhalten. Dadurch kommt die Kaltfront am Donnerstag beim GFS
auch nicht so schnell voran und die 10 °C-Isotherme liegt noch im äußersten
Norden. ICON und IFS sehen die Situation sehr ähnlich. Jedoch ist bei ICON der
antizyklonale Einfluss über den Britischen Inseln schon stärker, weshalb
wahrscheinlich die Niederschlagsaktivität im Vergleich mit dem IFS deutlich
reduziert ist. Auch in der Folge sind ICON und IFS weiter ähnlich mit der
Simulation eines Hochs westlich der Britischen Inseln mit hierzulande annähernd
gleichen Temperaturniveau. GFS zeigt hingegen ein Hoch über Südschweden, wodurch
es hierzulande etwa 4 K wärmer in 850 hPa wäre. Zudem nimmt das abgetropfte
Höhentief (mit korrespondierendem Bodentief) beim GFS Kurs auf die Biskaya,
wodurch in den Süden Deutschlands feuchtere Luftmassen geführt und erste
Niederschläge simuliert werden. Das GEM nimmt bei allem in etwa eine mittlere
Stelle ein.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Die Rauchfahnen für eine repräsentative Auswahl deutscher Städte zeigt bis zum
Mittwoch einen stark gebündelten Verlauf von 850 hPa-Temperatur und 500
hPa-Geopotenzial. Ab Mittwochabend oder der Nacht zum Donnerstag gehen die
einzelnen Ensemblelösungen dann vor allem bei der Temperatur schlagartig
auseinander, wobei bei der T850 ein deutlicher Abwärtstrend zu erkennen ist. Im
Norden und Osten liegen Haupt- und Kontrolllauf im Bereich der
wahrscheinlichsten Lösung oder sogar knapp darüber, im Westen und Süden jedoch
eher darunter. Die wahrscheinlichste Lösung stellt im Süden und Westen nur einen
moderaten Temperaturrückgang dar. Der große Spread zeigt die Unsicherheiten
dafür, wie weit und wie stark die Kaltluft nach Südwesten vorankommt. Beim
Geopotenzial ist eine große Mehrheit für einen Verbleib auf relativ hohem Niveau
(um 580 gpdam), nur einzelne Member zeigen zyklonale Tendenzen. Bei den
Niederschlagssignalen unterstützen die Ensembles den deterministischen Lauf am
ehesten im Osten und Süden. Je weiter nach Westen und Nordwesten man schaut,
desto spärlicher sind auch die Signale.

Beim Clustering gibt es für den Zeitraum von Dienstag bis Mittwoch (T+72…96h)
sechs Cluster, die alle eine Blocking-Lage zeigen. Sie sind mit 20, zehn, neun,
sieben, drei und zwei Membern besetzt, Haupt- und Kontrolllauf korrespondieren
mit dem ersten Cluster. Insgesamt gesehen sind die Unterschiede für Mitteleuropa
aus prognostischer Sicht aber nur marginal.

Im Zeitraum T+120…168h (Donnerstag bis Samstag) dauert das Blocking in allen
vier Clustern an. Sie sind mit 26, elf, acht und sechs Membern besetzt.
Deterministischer und Kontrolllauf korrespondieren dabei mit dem am stärksten
besetzten Cluster. Im zweiten Cluster trogt der Trog von Skandinavien sehr weit
nach Mitteleuropa aus und tropft schließlich über dem östlichen Mitteleuropa ab.
Dies würde die Kaltfront befeuern. Die anderen Cluster zeigen eine solche
Troglage nicht bzw. eben erst sehr weit über Osteuropa. Ansonsten ähneln sich
Cluster I und III, wobei die Achse des Rückens im dritten Cluster am Samstag
schon weiter östlich ist. Cluster IV zeigt einen „fetten“ Höhenrücken über den
Britischen Inseln. Am Ostrand des korrespondierenden Bodenhochs würden wir eher
in einer kalten Strömung verbleiben, was vermutlich den wenigen Membern mit
einer noch kälteren Lösung in der Rauchfahne entspricht.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Die Lage gibt hinsichtlich markanter Wettererscheinungen kaum etwas her. Am
Mittwoch evtl. über dem Bergland auftretende Gewitter trocknen eher weg, als
dass sie die Warnschwellen für Starkregen erreichen. Am ehesten kann das am
Donnerstag präfrontal im Süden passieren, überbordend wahrscheinlich ist aber
auch das nicht (ebenso wie Hagel und Sturmböen).
Beim Wind reicht’s im Mittelfristzeitraum auch nicht für mehr als ein paar
steife Böen an den Küsten. Stürmische Böen treten allenfalls mal an exponierten
Stationen auf. Markant ist jedoch die Trockenheit, die auch von etwas Regen am
Donnerstag nicht wirklich unterbrochen wird. In einigen oder auch vielen
Regionen (je nachdem, welchem Modell man denn nun Glauben schenken mag) bleibt
es ohnehin trocken.

Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, IFS-EPS, MOSMix

VBZ Offenbach / M.Sc. Met. Stefan Bach