S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 09.09.2020 um 10.30 UTC

An den Alpen am Samstag einzelne Gewitter. Im Norden zeitweise windig.
Nachfolgend ruhiges, spätsommerlich warmes und trockenes Wetter. Ab Dienstag
unsichere Prognose.

Synoptische Entwicklung bis zum Mittwoch, den 16.09.2020

Am Samstag, zu Beginn des mittelfristigen Prognosezeitraumes, befindet sich der
Süden Deutschlands unter Einfluss einer Hochdruckbrücke zwischen dem leicht nach
Norden verschobenen Azorenhoch und einem Hoch mit Schwerpunkt über der südlichen
Mittelrussischen Platte. Die westliche Höhenströmung weist dort jedoch
zeitweilig ablaufende kurzwellige Anteile auf, die in der dort befindlichen
feuchtwarmen Luftmasse von der Schwäbischen Alb bis zu den Alpen örtlich Schauer
und Gewitter auslösen können. Diese haben das Potenzial für lokalen Starkregen
und Hagel, wobei räumlich eng begrenzt ein Überschreiten der
Unwetterschwellenwerte nicht ausgeschlossen ist. Sturmböen stehen wegen der
fehlenden Organisation weniger auf dem Programm. Der Norden befindet sich
hingegen auf der Vorderseite eines Langwellentroges, dessen Achse vom
Drehzentrum südwestlich von Jan Mayen bis in die Nordsee weist. Auf seiner
Vorderseite greift die Kaltfrontcharakter aufweisende Okklusion des
korrespondierenden Tiefs auf den Nordwesten über. Sie bringt zunächst
Südschleswig, in der zweiten Tageshälfte auch bis auf eine Linie
Emsland-Wagrien/Fehmarn ausgreifend etwas Regen. Sie wird aber durch das
nachrückende Hochdruckgebiet (abends gibt es schon einen Schwerpunkt über der
niederländischen Provinz Limburg) zunehmend wetterinaktiv. Spürbar bleibt
(zunächst) die eingeflossene, kühlere Meeresluft. Auch im Süden beruhigt sich
das Wetter spätestens in der Nacht zum Sonntag. Die Temperatur im 850 hPa-Niveau
liegt zwischen um 5 °C im Nordwesten und 14 °C an den Alpen, wobei die 10
°C-Isotherme in etwa von der Eifel bis zum Randowbruch verläuft, sodass weiten
Teilen der Mitte und des Südens bei reichlich Sonnenschein ein Sommertag ins
Haus steht. Im Umfeld zieht auch der Wind ein wenig an, sodass vor allem an der
Nordseeküste steife Böen auftreten.

Am Sonntag befindet sich die Schwerpunkte des Hochs über Mitteleuropa (Provinz
Lüttich, Thüringer Wald und Iser-/Riesengebirge). Gestützt wird dieses von einem
Höhenhoch, dessen Schwerpunkt sich mittags in etwa über dem Nordschwarzwald
befinden soll. Somit steht einem sonnigen und bei T850-Werten verbreitet
zwischen 11 und knapp 15 °C (abends sogar über 16 °C) auch sommerlich warmen Tag
eigentlich nichts entgegen. Jetzt kommt ein kleines Aber: Den äußersten Norden
Deutschlands streifen ein paar stärkere Wolkenfelder der Warmfront bzw. des
Warmsektors eines von den Shetlandinseln über Südnorwegen in den Stockholmer
Schärengarten ziehenden Tiefs. Zudem ist der südwestliche Wind recht lebhaft und
kommt an den Küsten und im angrenzenden Binnenland mit steifen Böen, im Norden
Schleswig-Holsteins durchaus auch stürmischen Böen daher. Niederschlag fällt
dabei jedoch nicht.

Am Montag verlagern sowohl das Höhen- als auch das Bodenhoch ihren Schwerpunkt
ins östliche Mitteleuropa, die Bodenantizyklone liegt zum Tageswechsel gar schon
über Belarus. Mit der auf Süd bis Südost drehenden Strömung wird ordentlich
Warmluft nach Deutschland gepumpt, sodass die 850 hPa-Temperatur verbreitet
Werte zwischen 15 und 18 °C erreicht. Bei vielerorts möglicher Ausschöpfung der
astronomischen Sonnenscheindauer (immerhin noch etwas mehr als zwölf Stunden)
kann in den prädestinierten Regionen (entlang des Rhein und seiner Nebenflüsse)
die Schwelle zum heißen Tag (Maximum von 30 °C oder mehr) genommen werden. Mit
Ostverlagerung des Hochs beginnt hierzulande naturgemäß der Druck zu fallen, was
die Fahrtrichtung für die weitere Woche vorgibt.

Am Dienstag verlagert sich die Antizyklone noch etwas weiter nach Osten. Dadurch
gelangen wir immer mehr auf die Vorderseite eines Troges über Westeuropa, dessen
Drehzentrum sich abends westlich von Irland befindet und der eine zu den
Balearen weisende und eine westlich des Kaps Finisterre vorbeiführende Achse
besitzt. Am Boden zeigen sich hierzulande deutlich zyklonale Strukturen.
Besonders hervorzuheben ist dabei eine Rinne, die vom Niederrhein über den
Südwesten bis nach Oberösterreich reicht. Der Niederschlagsoutput reagiert dabei
im Süden/Südwesten schon und zeigt in der zweiten Tageshälfte erste konvektive
Umlagerungen. Angesichts hoher CAPE-Werte (MU-CAPE gebietsweise über 1500 J/kg)
und PPWs in der Größenordnung 25 bis 30 mm können diese vor allem in Bezug auf
Hagel und Starkregen durchaus kräftig ausfallen. Die T850 liegt verbreitet um 17
°C, sodass es verbreitet sommerlich warm, örtlich auch nochmal heiß wird.

Am Mittwoch erreicht der Trog die Iberische Halbinsel, der andere Sekundärtrog
verliert etwas an Kontur. Die südwestliche bis südliche Höhenströmung ist
abgesehen vom äußersten Osten zyklonal konturiert. Im Bodendruckfeld etabliert
sich eine breite Rinne, deren Konvergenzachse abends an der Oder liegen soll.
Dort werden wegen der Advektion trockener Luft von Osten her, keine
Niederschlagssignale gezeigt. Im übrigen Land simuliert das IFS hingegen
verbreitet konvektive Niederschläge. Dabei muss dann gebietsweise mit kräftigen
Gewittern mit Starkregen teils bis in den Unwetterbereich gerechnet werden.
Dabei nähert sich von Westen her auch eine Kaltfront, die die wärmste Luft
peu-à-peu ostwärts abdrängt. Es darf aber angezweifelt werden, ob die
Entwicklung wirklich so vonstattengeht, die gestrigen Läufe waren da nicht ganz
so progressiv. Allerdings bot gestern das GFS eine ähnliche Lösung wie heute das
IFS an. Wir werden sehen…

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Der vorliegende Lauf des EZMW-IFS offenbart im Vergleich mit seinen Vorgängern
zunächst keine grundlegend neuen Ideen. Neu gegenüber der gestrigen Prognose ist
ein deutlicherer Druckfall und eine stärkere Exposition auf der Trogvorderseite
ab Dienstag, sodass nach Lesart des neuesten Laufes das Potenzial für konvektive
Umlagerungen ansteigt. Ob sich dies in nachfolgenden Läufen manifestiert und
schließlich auch so eintrifft, bleibt abzuwarten.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

ICON und GFS simulieren die mittelfristige Entwicklung zunächst sehr ähnlich,
zeigen am Sonntag im Norden aber noch Reste der eingeflossenen kühleren
Meeresluft, während diese beim IFS schon durch deutliche wärmere ersetzt worden
ist. Auch die Entwicklung bis Dienstag wird im Großen und Ganzen ähnlich
gezeigt, wobei allerdings die Position und Stärke der Antizyklone leicht
unterschiedlich gerechnet wird. Während IFS und GFS sehr ähnlich sind, ist ICON
noch antizyklonaler, sodass konvektive Umlagerung im Südwesten noch weitgehend
unterdrückt werden. Am Mittwoch simuliert ICON das Höhenhoch weiter über der
Westukraine, während GFS und IFS weiter östlich gelegene Lösungen haben. Das
Höhenströmungsfeld bliebe damit hierzulande noch antizyklonal konturiert. Damit
wäre konvektiven Entwicklungen weiter der Deckel aufgesetzt. GFS sieht die Lage
hingegen weiterhin ähnlich wie das IFS, auch mit der sich von Westen annähernden
Kaltfront, die beim ICON fernab Deutschlands über dem nahen Ostatlantik zu
finden ist. Allerdings hat GFS keinen langgestreckten Trog im Programm, sondern
einen Trog über der Nordsee sowie ein abgetropftes Höhentief nordwestlich der
Iberischen Halbinsel. Zwischen diesen beiden wölbt sich ein flacher Höhenrücken
auf, der von Hauts-de-France bis zum Archipel der sogenannten Britischen Insel
reicht. Dieser stützt den Aufbau eines Hoch mit Schwerpunkt bei Schottland,
während beim IFS postfrontal nur ein Keil des Azorenhochs nachstößt.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Die Rauchfahnen für eine repräsentative Auswahl deutscher Städte zeigt bis
einschließlich Dienstag einen einigermaßen gut gebündelten Verlauf der
Kurvenschar. Dabei ist der samstägliche Knick bei der 850 hPa-Temperatur vor
allem in der Nordwesthälfte gut zu erkennen, was das postfrontale Einfließen
kühlerer Meeresluft kennzeichnet. Dieser Knick wird auch von den vielen Membern
mitgemacht, allerdings häufig auch weniger deutlich. Danach steigt die T850
überall bis Dienstag an, wobei Haupt- und Kontrolllauf zwar im Bereich der
wahrscheinlichsten Lösung liegen, aber tendenziell eher im oberen Bereich. Zum
Mittwoch divergieren die Lösungen schlagartig sehr schnell, Haupt- und
Kontrolllauf verlassen den Bereich der wahrscheinlichsten Lösung und
repräsentieren eine eher kühlere Variante, wobei es noch einige noch kältere
Lösungen gibt. Die Mehrzahl – und somit auch der Bereich der wahrscheinlichsten
Lösung – bleibt jedoch wärmer. Auch beim 500 hPa-Geopotenzial herrscht bis
einschließlich Dienstag ziemliche Einigkeit (schön zu sehen ist dabei die
Verlagerung des Höhenhochschwerpunktes über Deutschland um den Sonntag herum).
Ab Mittwoch streuen die Kurven stärker, jedoch nicht so stark wie die T850. Auch
hier liegen Haupt- und Kontrolllauf deutlich unterhalb des wahrscheinlichsten
Bereichs. Zwar zeigen sich insbesondere zum Mittwoch eine nicht unbedeutende
Anzahl von Niederschlagssignalen, vor allem der Kontrolllauf zeigt dabei häufig
schon das Maximum an. Kurzum: Was ab Dienstag/Mittwoch passiert, ist keineswegs
sicher.

Beim Clustering gibt es für den Zeitraum von Samstag bis Sonntag (T+72…96h)
fünf Cluster, die mit 18, zwölf, elf und zweimal fünf Membern besetzt sind.
Haupt- und Kontrolllauf korrespondieren dabei mit dem ersten Cluster. Für
Mitteleuropa unterscheiden sie sich in erster Linie in der Amplitude des Troges
und somit, wie weit die Front in den Nordwesten hineingedrückt wird. Das ist
aber eher von akademischem Interesse und verzögert höchstens die Erwärmung, die
dann im Clustering des nachfolgenden Zeitraums von Montag bis Mittwoch
(T+120…168h) gezeigt wird. Dort sind die sechs Cluster mit 16, 13, acht, sechs
und zweimal vier Membern besetzt. Haupt- und Kontrolllauf korrespondieren mit
dem dritten Cluster, sind also relativ gesehen unwahrscheinlich. Allen Clustern
gemein ist der Aufbau eines Rückens, der aber beim vierten Cluster am Montag
noch sehr flach ausfällt und erst zeitverzögert in der Nacht zum Dienstag
stattfindet. Sonst ähneln sich die Cluster am Montag bezogen auf unseren Raum
noch stark. Im Gegensatz zum fünften und dritten (dazu passt ja der
deterministische Lauf), zeigt sich der Rücken als Fels in der Brandung und
zwingt den Trog bei den übrigen vier Clustern am Dienstag zum Abtropfen. Das
erinnert an die GFS- und zum Teil auch an die ICON-Lösung. Es bleibt also
abzuwarten, wie kräftig unser Höhenrücken tatsächlich ausfallen wird und wieviel
Power der Trog über Westeuropa hat.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Am Samstag gibt es an der Nordsee zwar steife Böen, stürmische Böen sind aber
unwahrscheinlich und werden allenfalls an sehr anfälligen Stationen vereinzelt
gemessen. Insbesondere an den Alpen können sich in der feuchtwarmen Luftmasse
einzelne Gewitter mit Starkregen und Hagel entwickeln, unwetterartige
Entwicklungen sind nicht ausgeschlossen.
Am Sonntag ist der Wind im Norden weiter flott unterwegs. An den Küsten und im
angrenzenden Binnenland gibt es steife Böen, im Norden Schleswig-Holsteins auch
stürmische Böen aus Südwest.
Am Montag sind wahrscheinlich keine signifikanten Wettererscheinungen zu
erwarten.
Inwieweit am Dienstag im Süden/Südwesten und am Mittwoch in weiten Teilen des
Landes tatsächlich Gewitter mit Starkregen, Hagel und möglicherweise Sturmböen
(mit Potenzial bis hin zu Unwettern) auftreten, bleibt abzuwarten.

Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, IFS-EPS, MOSMix

VBZ Offenbach / M.Sc. Met. Stefan Bach