SXEU31 DWAV 191800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 19.08.2020 um 18 UTC

Markante Wettererscheinungen:
In den nächsten beiden Tagen Zufuhr potenziell instabiler, aber (stark)
gedeckelter Subtropikluft. Dabei sehr warm bis heiß. Ab Samstag
Temperaturrückgang.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 12 UTC

Aktuell … fällt der Blick des interessierten Betrachters einer Wetterkarte
zunächst mal auf ein umfangreiches und hochreichendes Zentraltief über dem nahen
Ostatlantik, das wiederum von kleinen Randtiefs umkreiselt wird. Diese weisen
meist warme Kerne auf, was auf eine (sub)tropische Herkunft deutet. Das ist
insofern von Interesse, als dass die Randtiefs im Laufe der Nacht weitgehend vom
eigentlichen Zentraltief JANTRA „aufgesaugt“ werden, wobei eine Menge latenter
Wärme freigesetzt wird. Von daher verwundert es nicht, dass sich das Tief, das
heute Mittag noch mit etwas unter 990 hPa gelistet wurde, bis Donnerstagfrüh auf
knapp unter 975 hPa vertieft.
Vorderseitige WLA hat zum Aufbau eines Höhenrückens geführt, der sich in der
Nacht über den gesamten Vorhersageraum legt und dabei trotz Druckfalls (der
korrespondierende Bodenkeil wird bereits wieder nach Osten abgedrängt) für
Zwischenhocheinfluss sorgt. So ganz ungestört ist der Zwischenhocheinfluss
allerdings nicht, was der sich nähernden Warmfront eines der Randtiefs
geschuldet ist. Diese befördert von Westen her nicht nur mehrschichtige und
immer dichtere Bewölkung in weite Teile des Landes, sondern lässt es im Westen
auch etwas regnen. Ob am Ende auch ein Warmlufteinschubgewitter an den Start
geht, wie von COSMO-D2 gewünscht ist nicht nur aufgrund der defensiven
Simulation anderer hochaufgelöster Modelle mehr als fraglich. Zwar ist aufgrund
der soliden WLA ausreichend Hebung vorhanden, es hapert wohl aber an der
Labilität der zu hebenden Luftmasse, die nur wenig MU-CAPE aufweist. Kurzum, das
Auftreten vereinzelter Gewitter ist eher unwahrscheinlich, aber eben auch nicht
gänzlich ausgeschlossen.
Nach Osten und Südosten hin gestaltet sich die Nacht gering bewölkt oder klar,
wobei sich ein paar Nebelfelder bilden können. Darüber hinaus lohnt sich
angesichts apostrophierter Tiefstwerte zwischen 15 und 9°C (in einigen
Mittelgebirgssenken noch etwas darunter) das Öffnen von Schlafzimmerfenstern,
während in den übrigen Regionen 19 bis 14°C, lokal sogar um 20°C auf der Karte
stehen.

Donnerstag … verlagert sich das Drehzentrum des hochreichenden Zentraltiefs
JANTRA nur wenig. Stattdessen wird noch etwas in die Vertiefung investiert, so
dass der Kerndruck der 970-hPa-Marke sehr nahekommt – nicht schlecht für ein
Augusttief über dem nahen Ostatlantik. Die zugehörige Warmfront jedenfalls
überquert Norddeutschland im Laufe des Tages mit leichten Regenfällen
ost-nordostwärts, wohingegen die nachfolgende Kaltfront aufgrund chronischer
Lustlosigkeit und Lethargie den Vorhersageraum zunächst noch negiert. Sie
operiert vergleichsweise wetterunwirksam, was im Wesentlichen auf mangelnden
Support aus der Höhe zurückzuführen ist. Außerdem kommt sie aufgrund ihrer
höhenströmungsparallelen Exposition (trogvorderseitige Südwestströmung) über
Benelux und Frankreich ins Schleifen respektive neigt zur Wellenbildung.
Somit gelangt Deutschland am morgigen Donnerstag größtenteils in den Warmsektor
von JANTRA, in dem eine Portion zunehmend potenziell instabiler, auf der anderen
Seite aber auch stark gedeckelter Subtropikluft südwesteuropäischen Ursprungs
advehiert wird. So steigt die 850-hPa-Temperatur von 11 bis 17°C am Morgen auf
14 (MV) bis 21°C (Oberrhein/Mosel) am Abend. Auch wenn sich der Höhenrücken mehr
und mehr in Richtung östliches Mitteleuropa verabschiedet, ist der Warmsektor im
Süden und in der Mitte noch weitgehend antizyklonal geprägt. Über dem Alpenraum
findet man sogar eine kleine eigenständige Hochparzelle namens FREDERIK. So
scheint nicht nur vielerorts die Sonne von einem gering bewölkten, in der Mitte
vorübergehend auch mal wolkigen Himmel, mit 27 bis 33°C, im Südwesten lokal bis
nahe 35°C wird es auch noch mal sehr warm bis heiß mit einer vor allem zwischen
Rheinland und Hochrhein zunehmend starken Wärmebelastung.
Warm bzw. heiß und teilweise schwül mit 26 bis 30°C wird es auch im Norden
(lediglich in Küstennähe etwas weniger), allerdings müssen erst mal die
Warmfrontbewölkung und der Regen durchziehen, bevor es von Südwesten her wieder
auflockert und die Sonne zum Zuge kommt.

In der Nacht zum Freitag zieht das Zentraltief in das Seegebiet knapp
nordwestlich von Irland. Boden- und Höhentief überdecken sich zunehmend, was auf
eine senkrechte Achse und somit auf den Höhepunkt seiner Entwicklung hindeutet.
Wesentlich unter 970 hPa sollte der Luftdruck im Kernbereich nicht mehr fallen.

Interessanter für das Wetter bei uns sind weniger das Geschehen um den Tiefkern
herum als vielmehr die Kaltfront sowie die Höhenströmung. Von diesen Seiten gilt
es zu berichten, dass die Front weiterhin extrem langsam „auf den Beinen ist“
und kaum nach Osten vorankommt. Auch hält sich ihre Wetterwirksamkeit nach wie
vor in Grenzen. Zwar löst sich aus dem Höhentief ein markanter Randtrog, der
über England hinweg zur nördlichen Nordsee zieht. Offensichtlich ist seine
Zugbahn aber zu weit weg von der Front, um diese nachhaltig in Szene zu setzen
bzw. nennenswerte Aktivität zu verleihen. So deutet sich Stand heute Abend ein
Szenario an, wonach in den Westen und Norden zwar hohe und mittelhohe Wolken
driften, sich das Niederschlagsgeschehen aber sehr in Grenzen hält. So
simulieren die meisten Modelle entweder gar keinen Regen oder nur ein paar
schwache Schauer im Westen und Nordwesten. Es ist aber durchaus möglich, dass
sich in Verbindung mit dem o.e. Randtrog über der südwestlichen Nordsee oder
Umgebung ein Gewittercluster entwickelt, der auf seinem Weg nach Nordosten auch
deutsches Küstenterrain tangiert.
Garantiert von nichts (wenn man einige lockere Wolken sowie etwas Nebel
ausklammert) tangiert werden der Osten und Süden sowie weite Teile der Mitte des
Landes. Insbesondere im Südosten sinkt die Temperatur verbreitet auf erträgliche
16 bis 11°C, während unter den Wolken im Westen und Norden die 20°C-Marke häufig
nicht unterschritten wird. In einigen Ballungszentren kühlt es nicht unter
22/23, vielleicht sogar 24°C ab, was der nächtlichen Erholung wenig zuträglich
ist. Tapfer bleiben…

Freitag … steuert das Zentraltief westlich an den Hebriden vorbei in Richtung
Norden. Dabei beginnt es sich allmählich aufzufüllen, so dass am Ende des Tages
wohl nur noch wenige Hektopascal unter 985 hPa im Lebenslauf von JANTRA stehen.
Der anfangs nach Südwesten zurückhängende Haupttrog des Tiefs schwenkt ostwärts
und erreicht bis zum Abend mit seiner Achse den Westrand der Biskaya. Derweil
wird der kontinentale Höhenrücken endgültig zum östlichen Mitteleuropa bzw. nach
Nordosteuropa abgedrängt, was Deutschland unter eine recht glatte, aber leicht
diffluent angeordnete südwestliche Höhenströmung bringt.
Diese Konstellation ist wenig dazu geeignet, die Progression der Kaltfront zu
fördern. Zwar attackiert sie im Tagesverlauf den Nordwesten des Landes, von
einem flotten Durchschwenken bleibt sie aber weiterhin meilenweit entfernt.
Immerhin verbessert sich ihre Interaktion mit der diffluenten Höhenströmung, so
dass im Westen und Norden in einem relativ schmalen Korridor gebietsweise
schauerartiger Regen herausspringt.
Präfrontal wird weiterhin potenziell instabile und noch etwas heißere
Subtropikluft angezapft (T850 am Nachmittag im äußersten Süden und Südosten bei
23°C), in der ein reges konvektives Geschehen vermutet werden könnte. Das umso
mehr, als dass sich im gradientschwachen Bodendruckfeld eine Rinne mit
konfluenter Windverteilung (O-SO vs. W-NW) etabliert, die einen ernstzunehmenden
Hebungsbeitrag liefern könnte. Dass die Modelle durch die Bank weg kaum oder
überhaupt keine konvektiven Umlagerungen simulieren, geht offensichtlich auf die
Tatsache zurück, dass die Luftmasse weiterhin stark gedeckelt ist. Sollte der
Deckel doch irgendwo gesprengt werden, was nicht völlig aus der Luft gegriffen
ist, sind trotz moderater ML-CAPE-Werte (meist unter 500 J/kg), dafür aber hoher
PPWs (bis zu 40 mm) und gut gescherter Umgebung (DLS teils über 20 m/s, dazu
eine gute bodennahe Richtungsscherung) einzelne rotierende Zellen möglich, die
bis in den Unwetterbereich gehen können (Hagel, Sturm, Starkregen trotz
ziehender Zellen sowieso).
Vom Konjunktiv zurück zum Indikativ, der für den Süden und Osten viel
Sonnenschein und hohe Temperaturen vorsieht. So steigt die Temperatur verbreitet
über 30°C, gebietsweise sogar auf 35°C oder etwas darüber (bis zu 37°C, was –
Freunde gemäßigter Temperaturen aufgepasst – den Höhepunkt des kurzen
Hitzeintermezzos darstellt. Weniger heiß, dafür umso wolkiger gibt sich der
Nordwesten, wo es bei allmählich einsickernder erwärmter Meeresluft subpolaren
Ursprungs „nur“ noch für 24 bis 29°C reicht. Erst postfrontal lockert die
Wolkendecke im Tagesverlauf von der Nordsee und den Niederlanden her allmählich
auf. Dabei werden von ICON an der Deutschen Bucht vereinzelte Schauer angeboten.

In der Nacht zum Samstag kommt der Höhentrog bis nach Westfrankreich voran. Die
auf seiner Vorderseite generierte PVA tut der nach wie vor nur langsam
südostwärts vorankommenden Kaltfront so gut, dass diese mit einer erhöhten
Niederschlagsaktivität reagiert. Laut ICON könnte in der zweiten Nachthälfte mit
Hilfe konvektiver Verstärkungen im Südwesten und in der Mitte (schwerpunktmäßig
Saarland, PR, Hessen) gebietsweise sogar mehrstündiger Starkregen auftreten, was
von externen Modellen derzeit aber nicht geteilt wird. Laut Numerik bleibt die
Gewitterwahrscheinlichkeit weiterhin gering.
Während sich im Westen und Nordwesten langsam erwärmte Meeresluft ausbreitet
(T850 11/12°C; Wolkenauflockerungen), hält sich im Südosten noch Subtropikluft
mit T850 bis zu 22°C. Dort sinkt die Temperatur ebenso wie im Osten sowie im
unmittelbar präfrontalen Bereich z.T. nicht unter 20°C. Außerdem können sich in
der Warmluft ein paar flache Nebelfelder bilden.

Samstag … macht der Höhentrog zwar weiter Boden nach Osten hin gut, der
Vorhersageraum verbleibt aber trotzdem weiterhin auf seiner Vorderseite unter
einer südwestlichen Höhenströmung. Entsprechend pomadig bewegt sich auch die
Kaltfront, die zur Mittagszeit diagonal von Südwest nach Nordost orientiert über
Deutschland liegt. Sie ist immer noch an das Tief JANTRA angebunden, das um 12
UTC mit einem Kerndruck von etwas unter 990 hPa vor der schottischen Nordküste
ankert.
Die schauerartigen und evtl. mit einzelnen Gewittern durchsetzen frontalen
Regenfälle verlagern sich langsam südostwärts und erreichen zuletzt Nieder- und
Oberbayern. Akkumuliert über 12 h können im Süden und in der Mitte gebietsweise
10 bis 15, in konvektiven Peaks lokal vielleicht auch mal 20 l/qm
zusammenkommen. Die große Frage aus heutiger Sicht lautet: Was geht noch vor der
Front im Südosten, wo die Luftmasse zuletzt ausgetauscht wird? Reicht es mit
Hilfe präfrontaler Einstrahlung und entsprechender CAPE-Bildung noch für schwere
Gewitter oder sorgt eine vorlaufende Druckwelle (ggf. auch weit nach Südosten
ausgreifende starke Bewölkung) mit nachfolgender Winddrehung auf West/Nordwest
möglicherweise für eine frühzeitige Reduktion des konvektiven Potenzials? Wenn
es reicht, sind Unwetter wahrscheinlich, aber eine wirklich belastbare Antwort
muss noch etwas nach vorne verschoben werden.
Fakt ist, dass sich postfrontal erwärmte Meeresluft subpolaren Ursprungs weiter
ausbreitet (T850 13 bis 10°C). Darin lockert die Wolkendecke mitunter auf und es
bleibt für längere Zeit trocken. Etwa ab Mittag können dann ein paar Schauer und
vielleicht auch ein Kaltluftgewitter (wirklich kalt ist die Luft freilich nicht,
aber der Begriff ist eingebürgert für postfrontale Gewitter dieser Art) von der
Nordsee und den Niederlanden her in den Nordwesten driften. Temperaturmäßig
reicht es „nur noch“ zu Höchstwerten von 23/24°C an der Nordsee bzw. im
nordseenahen Binnenland und rund 30°C von der Lausitz bis hinunter in den
Südosten Bayerns.
Ach ja, fast vergessen, der Südwestwind frischt über und an der Deutschen Bucht
soweit auf, dass die eine oder andere steife Böe 7 Bft auf den Plan gerufen
wird.

Modellvergleich und -einschätzung

Die Basisfelder werden von den diversen Modellen sehr ähnlich simuliert. So
gesehen bestehen an dem bevorstehenden kurzen Hitzepeak keine Zweifel.
Auffallend ist die von der Numerik insgesamt sehr defensive Herangehensweise in
Bezug auf Konvektion. Anfangs dürfte das auch angemessen sein, auch wenn z.B.
COSMO-D2 (teils auch AROME) für kommende Nacht (Westen und Südwesten) und morgen
früh bzw. am Vormittag (Nordsee/Norddeutschland) einzelne Gewitter simuliert.
Die Gründe, warum diese eher unwahrscheinlich sind, werden im Text geliefert. Je
dichter die Kaltfront an den Vorhersageraum heranrückt bzw. auf diesen
übergreift, desto interessanter wird die Frage nach präfrontaler, vielleicht
auch frontaler Konvektion. Man darf gespannt sein, wie die nächsten Läufe der
konvektionserlaubenden Modelle ausfallen werden.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann