SXEU31 DWAV SYNOPTISCHE UEBERSICHT KURZFRIST
SXEU31 DWAV 011800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 01.08.2020 um 18 UTC
Markante Wettererscheinungen:
Kaltfrontpassage am Wochenende mit reger konvektiver Aktivität, am Sonntag vor
allem im Osten und Süden. Ab Sonntagabend im äußersten Süden bis Dienstag
Dauerregen, am Alpenrand WU.
Synoptische Entwicklung bis Dienstag 12 UTC
Aktuell … lautet die synoptisch-skalige Anordnung über Deutschland von Ost
nach West: Höhenrücken (korrespondierendes Bodenhoch bereits über Polen sowie
dem Ostseeraum), dann Tiefdruckrinne mit eingelagerter Konvergenz, dahinter die
Kaltfront eines recht üppig ausgeformten Zentraltiefs bei Island (ELLEN;
Kerndruck zwischen 985 und 980 hPa) und schlussendlich der übliche Höhentrog.
Das gesamte Strömungsmuster weist nur eine geringe Wellengeschwindigkeit auf,
sprich, das Ganze kommt nur langsam nach Osten voran.
Ab Mittag haben im Süden einige kräftige Gewitter gebildet (los ging es im
südöstlichen BW im Grenzbereich zu bayerisch Schwaben), die auch jetzt noch
Präsenz zeigen und auf ihrem Weg nach Osten warntechnisch abgewickelt werden
müssen, bevor sie sich wahrscheinlich noch vor Mitternacht mehr und mehr
abschwächen. Weiter nördlich zieht der schauerartige und weitgehend ungewittrige
Regen, der sich zwischen Rinne und davon abgesetzter Kaltfront gebildet hat,
ebenfalls gen Osten, wobei er sich tendenziell abschwächt.
Der Fokus richtet sich eindeutig auf die im Laufe der Nacht von Westen her
übergreifenden Kaltfront, die durch einen kleinen, aber wirkungsvollen
Sekundärtrog in der Höhe aktiviert wird. Die Luftmasse ist über eine abgehobene
durchmischte Schicht (EML) noch ausreichend labil geschichtet (MU-CAPE zwischen
500 und 1000 J/kg), was insbesondere in einem vom Saarland und der Pfalz über
Teile von NRW und Hessen bis hoch nach Südniedersachen reichenden Korridor für
stärkeren schauerartigen Regen sowie einige kräftige Gewitter reicht, wie man
aktuell bereits erkennen kann. Zwar ist die Scherung nicht übertrieben
ausgeprägt, gerade in den unteren 2,5 bis 3 km ist aber eine gewisse
Richtungsscherung vorhanden, die für etwas Rotation (und somit
Superzellenpotenzial) hinreichend wäre. Auf alle Fälle steht Starkregen ganz
oben auf der Agenda, nicht nur in unmittelbarer Verbindung mit Gewittern,
sondern möglicherweise auch mehrstündig und nicht zwingend gewittrig. Laut
COSMO-D2-EPS jedenfalls können gebietsweise mehr als 35 l/qm Regen binnen 6 h
fallen (Unwetter).
Während der genannte Korridor noch mit einer gewissen Varianz hinsichtlich der
räumlichen Verteilung der Regenfälle und Gewitter ausgestattet ist – so ist z.B.
noch offen, was genau in BW passiert -, lässt sich im Nordwesten in der
postfrontal einfließenden subpolaren Meeresluft (Rückgang T850 auf etwa 10°C am
Morgen) nicht nur eine Stabilisierung, sondern auch eine Abtrocknung der
Luftmasse konstatieren.
Sonntag … macht das Strömungsmuster kleine, aber doch erkennbare Fortschritte
in Richtung Osten. Somit heißt es Abschied nehmen vom Höhenrücken, dessen Platz
zunehmend vom nachfolgenden Trog eingenommen werden soll. Tut er auch,
allerdings zunächst nur halbherzig, weil er durch in die Rückseite
hineinlaufende kurzwellige Anteile seine Amplitude vergrößert, was auf Kosten
der Progression geht. Kurzum, es stellt sich eine landesweite südwestliche
Höhenströmung ein, in der ein kurzwelliger Anteil nach Nordosten abläuft,
während der eigentliche Haupttrog erst noch außen vor bleibt.
Von der Höhe auf den Boden, wo die Tiefdruckrinne mehr und mehr ihre Kontur
verliert. Von Westen her setzt Druckanstieg ein, der einen schwachen, bis nach
Süddeutschland vorstoßenden Azorenhochkeil formt. Wichtiger ist aber die
Tatsache, dass die Kaltfront des weiterhin unweit von Island positionierten,
sich allmählich auffüllenden Tiefs ELLEN etwas Boden nach Osten und Südosten hin
gutmacht- etwas, denn die höhenströmungsparallele Exposition verhindert
weiterhin große Sprünge. Auf alle Fälle trennt die Kaltfront potenziell
instabile und ziemlich feuchte, allerdings nicht mehr so heiße Subtropikluft auf
seiner Vorderseite (T850 12 bis 15°C am Mittag) von postfrontal stabilerer und
trockenerer Subpolarluft im Nordwesten (T850 11 bis 8°C am Mittag).
Wettermäßig gilt es zunächst mal die „Altlasten“ aus der Nacht zu tilgen, sprich
die schauerartigen (Stark)Regenfälle und Gewitter abzuarbeiten, die sehr
wahrscheinlich noch stark genug sein werden, uns warntechnisch einige Zeit zu
beschäftigen. Betroffen davon sind vor allem die mittleren Landesteile mit
leichten Ambitionen bis in den Nordosten (Modellunsicherheiten) sowie der
Südwesten. Erste Unwetterwarnungen durch Starkregen sind am Morgen bzw.
Vormittag durchaus möglich.
Im weiteren Tagesverlauf kommt es dann nach der „(vor)mittäglichen Depression“
zu einem mehr oder weniger nahtlosen Übergang in weitere konvektive
Umlagerungen, die schwerpunktmäßig den Süden und Osten sowie die östliche Mitte
des Landes treffen. Gewöhnlich tut man sich schwer bei derartigen Wetterlagen
mit der Regionalisierung der Gewitter, wobei hier noch die Vorgeschichte
(nächtlicher bzw. vormittäglicher Regen/Gewitter bzw. die zugehörige Bewölkung,
die die Einstrahlung entscheidend dämpfen kann) erschwerend hinzukommt. Aufgrund
der Rahmenbedingungen (allenfalls mäßige DLS bis zu 15 m/s, PPWs von 35 bis 40
mm sowie ML-CAPE von gebietsweise 500 bis 800 J/kg) ist von pulsierenden Zellen
auszugehen, die teilweise aber zu Multizellen zusammenwachsen können. Lokale
Unwettergefahr besteht vornehmlich durch Starkregen von mehr als 25 l/qm innert
kurzer Zeit, aber auch Hagel im Bereich um 2 cm kann nicht ausgeschlossen
werden. Ausgeschlossen sind auch (schwere) Sturmböen nicht, auch wenn die
Grundschicht mit Ausnahme des Ostens nicht mehr so trocken ist wie heute
(verminderte Downburstgefahr) und die Höhenwinde sehr limitiert sind.
Noch ein Blick in die postfrontale Area, in der sich insbesondere im
Nordseeumfeld, in SH und HH sowie im westlichen und nördlichen NDS (incl. HB)
ein paar Schauer entwickeln können (evtl. klinkt sich auch noch NRW ein). In
einem vom Saarland und der Pfalz bis hoch nach Mecklenburg reichenden Streifen
dürfte es am Nachmittag weitgehend trocken bleiben. Die Temperatur erreicht
keine 30°C mehr und pendelt sich zwischen 22 und 28°C ein
(Südost-Nordwest-Gefälle), an der Nordsee um 20°C.
In der Nacht zum Montag überquert die Kaltfront den Norden und die Mitte
vollständig nach Osten, während sie sich im Süden ganz geschmeidig den Alpen
nähert und dabei Fühlung zu einem sich über Norditalien bildenden flachen Tief
aufnimmt. Noch wichtiger als das scheint aber die Tatsache, dass der
Azorenhochkeil im Süden wegerodiert wird und nun sein Glück weiter nördlich
versucht. Dadurch dreht die zwar schwache, aber vorhandene niedertroposphärische
Strömung auf Nordwest bis Nord, während weiter oben nach wie vor Südwest (der
Trog bleibt noch immer außen vor) Trumpf ist. Kurzum, an den Alpen sowie im
südlichen Alpenvorland stellt sich eine Gegenstromlage ein, die dort weitere
schauerartig verstärke, zunehmend wohl aber nicht-gewittrige Regenfälle
garantiert. Noch divergieren die Modelle zwar hinsichtlich der erwarteten
Regenmengen (grob 20 bis 50 l/qm/12 h), was sicherlich ein Stück weit der
anfänglich noch aktiven Gewitterei geschuldet ist, vor dem Hintergrund weiterer
Regenfälle am Montag und Teilen des Dienstags wird damit aber die
Weichenstellung in Richtung einer etwa 36 h anhaltenden Dauerregenwarnung im
Unwetterbereich gelegt.
Ansonsten gilt es zu konstatieren, dass Schauer und Gewitter im Osten und Süden
mehr und mehr „die Grätsche“ machen, sprich an Intensität einbüßen respektive
ganz ihr Wirken einstellen. In der postfrontal einsickernden subpolaren
Meeresluft macht sich leichtes Absinken bemerkbar (Ansätze einer Inversion bei
700 hPa), was zumindest gebietsweise auflockernde Bewölkung und weitgehend
trockene Verhältnisse zur Folge hat. Netter Nebeneffekt: vor allem im Nesten und
Norden sinkt die Temperatur verbreitet auf unter 15°C, stellenweise in die Nähe
von 10°C, was das Öffnen der Schlafzimmerfenster wieder deutlich attraktiver
macht als z.B. in der kommenden Nacht.
Montag … schleicht sich der Höhentrog langsam aber sicher an den
Vorhersageraum heran. Nach wie vor ist er aber mit schönheitschirugischen
Aktivitäten beschäftigt, im Klartext, die Vergrößerung seiner Amplitude ist ihm
weiterhin ein Anliegen. Wahrscheinlich übertreibt er es am Ende, was zum
Tagesausklang zu einer Abtropfung über Südfrankreich führt. Wie auch immer, Fakt
ist, dass bei gradientschwachen Druckverhältnissen wenn auch in abgeschwächter
Form etwas höhenkalte Luft in den Westen und Nordwesten gelangt, die für eine
gewisse Labilisierung ergo einzelne Schauer und vielleicht sogar mal ein kurzes
Gewitter sorgt.
Kräftiger fallen die Niederschläge in Süddeutschland aus, wo nicht nur weiterhin
mit Gegenstrom gearbeitet wird, sondern auch noch konvektive Komponenten an der
Gestaltung des Montagswetters mitwirken. Kurzum, am Alpenrand sowie im
angrenzenden Vorland regnet es munter weiter (10-25 l/qm innert 12 h, mit
konvektiven Einlagerungen lokal auch darüber), sonst stehen Schauer und einzelne
kräftige Gewitter (Starkregen) auf der Karte. Zwischen den Schauern im
Nordwesten und dem Niederschlag im Süden greift das berühmt-berüchtigte
kompensatorische Absinken, was in einem breiten, vom Saarland und RP bis hoch
zur Ostsee reichenden Streifen zwar keinen Affenhochglanz im Sinne von „Sonne
pur“, wohl aber weitgehend trockene Verhältnisse verspricht – wobei noch zu
diskutieren wäre, ob Letzteres gut oder schlecht ist.
Gut hin, schlecht her, die Temperatur legt in der eingeflossenen subpolaren
Meeresluft eine Kunstpause ein, mehr als 18 bis 24°C, bei Dauerregen im Süden
eher noch etwas weniger, sind nicht zu erwarten.
In der Nacht zum Dienstag kommt es nördlich des abgetropften Höhentiefs zu
weiteren, über die Alpen nach Norden ausgreifenden synoptisch-skaligen
Hebungsprozessen (die Prognosesoundings zeigen von unten bis oben eine
kontinuierliche Rechtsdrehung des Windes von Nord über Nordost und Ost bis auf
Süd, was den Tatbestand der WLA erfüllt), welche die Regenfälle in
Süddeutschland am Leben halten. Dabei fällt an den Alpen nach wie vor der meiste
Niederschlag, der dort je nach Modell mit 10 bis 25 l/qm/12 h, lokal bis etwa 40
l/qm veranschlagt ist.
Im großen Rest des Landes tut sich trotz des überlagerten Trogresiduums nicht
viel (ein paar schlappe Schauer, okay) bei Temperazurminima zwischen 14 und 8°C.
Dienstag … schwenkt das nördliche Trogresiduum langsam ostwärts durch, gefolgt
von einem recht flachen Rücken, der im Nordwesten von WLA überlaufen wird. Zwar
kündigt die WLA die Annäherung einer Warmfront an, die zu einem sich zwischen
Irland und Island etablierenden Tief gehört, es dürfte tagsüber im Nordwesten
aber bei hohen Wolkenfeldern bleiben. Auch sonst zeigt sich im Norden und Westen
des Vorhersageraums häufiger die Sonne, was u.a. auch dem sich erneut
kräftigenden, von Frankreich bis in die deutsche Küstenregion reichenden
Azorenhochkeil zu verdanken ist. Mit jedem Kilometer weiter gen Südosten
schwinden aber die Chancen auf Sonnenschein, auch wenn sich das Höhentief peu a
peu entfernt. Es sind die Reste des Troges, die och für etwas Hebung gut sind,
wobei sich aber die Regenfälle immer weiter abschwächen bzw. in die Alpen
zurückziehen. Den meisten Regen simuliert IFS von 00 UTC mit 10 bis 20 l/qm
zwischen Werdenfelser und Berchtesgadener Land, was für ein mögliches Ende der
Dauerregenwarnung erst am Mittag oder Nachmittag sprechen würde. Andere Modelle
sind aber zurückhaltender, was für ein früheres Ende spräche. Mit Ausnahme des
Südostens (Tmax meist unter 20°C) erholt sich die Temperatur ganz langsam wieder
auf bis zu 25°C am Mittelrhein und seinen Nebenflüssen.
Modellvergleich und -einschätzung
Wie so oft bei vergleichbaren Wetterlagen simulieren die Modelle die Basisfelder
weitgehend kongruent. Wenn es dann aber ans Eingemachte, konkret um Niederschlag
und Gewitter geht, wird´s diffizil. Das betrifft schon die Entwicklung in der
kommenden Nacht, aber auch der morgige Sonntag ist von den Details her noch
längst nicht abgefrühstückt. Einmal mehr gilt es, die Werkzeuge des Nowcastings
so gut einzusetzen, dass noch eine einigermaßen brauchbare Vorwarnzeit dabei
herauskommt, ohne auf der anderen Seite aber eine zu hohe FAR zu produzieren.
Hinsichtlich des Dauerregens ab Sonntagabend im äußersten Süden ist zwar auch
noch nicht das letzte Wort gesprochen, es deutet sich aber für den unmittelbaren
Alpenrand eine Unwetterwarnung vor markantem Dauerregen mit mehr als 60 l/qm
innert 48 h an. Die Signale der EPS-Verfahren für den Zeitraum bis Dienstag, 12
UTC (48 h) sind erdrückend, auch wenn einem bewusst sein sollte, dass auch
einzelne (und somit isoliert bewarnte) Gewitter einen Beitrag leisten können.
Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann