SXEU31 DWAV 011800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 01.07.2020 um 18 UTC

Markante Wettererscheinungen:
Nachts in der Mitte und im Süden, am Donnerstag im Südosten kräftige Gewitter
mit Unwetterpotenzial. Ansonsten am Donnerstag noch einzelne markante Gewitter.
Freitag vorübergehende Wetterberuhigung, mäßig warm.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 12 UTC

Aktuell … befindet sich Deutschland an der Südflanke eines umfangreichen
Höhentroges mit Drehzentren über dem Nordmeer bzw. über der Nordküste
Skandinaviens unterhalb einer leicht zyklonal konturierten westsüdwestlichen
Höhenströmung. Ein an der Südwestflanke des Trogkomplexes eingebetteter
kurzwelliger Randtrog verlagert sich im Laufe der Nacht von Irland nach England,
wodurch die Höhenströmung über dem Vorhersagegebiet etwas aufsteilt.
Im Bodenfeld erstreckt sich eine frontale Welle aktuell von der Norddeutschen
Tiefebene südwestwärts nach Belgien und Frankreich. Im Bereich der Welle fällt
aktuell schauerartiger Regen, eingelagert sind auch einzelne Gewitter mit
Starkregen. Sie trennt eine sehr warme und potenziell instabile Luftmasse
subtropischen Ursprungs über der Mitte und dem Süden des Landes (PPW-Werte bis
35 mm, 300 bis 1000 J/kg, im Südosten auch gebietsweise über 1500 J/kg MU-Cape)
von subpolarer Meeresluft über dem Norden und Nordwesten. Innerhalb dieser
Luftmasse haben sich – hauptsächlich orographisch getriggert – aus den Alpen
heraus und vom südwestdeutschen Mittelgebirgsraum ausgehend im Laufe des
Nachmittags einzelne Gewitter entwickelt, die lokal eng begrenzt auch
Unwetterpotenzial, vor allem bzgl. Starkregens, am Abend vielleicht auch noch
bzgl. Hagels aufweisen. Diese Gewitter dürften als Multizellensysteme oder gar
als MCS die dafür verantwortlichen Kollegen im Warndienst an den Außenstellen in
München und anfangs auch in Stuttgart noch bis weit in die Nacht hinein
beschäftigen.
Ein weiterer Fokus der Gewitteraktivität dürfte sich – wenn noch nicht geschehen

  • in den kommenden Stunden am Südrand der Frontalwelle, also in den mittleren
    Landesteilen, etablieren. Am Nachmittag verhinderte vor allem nach Westen zu
    noch ein recht ausgeprägter Deckel (TEMP Idar-Oberstein mit Inversion in 850
    hPa, TEMP Meiningen dagegen nur noch mit schwachem Deckel) jegliche konvektive
    Aktivität.
    Hebungsinput, die den Deckel zumindest gebietsweise sprengen könnte, dürften ab
    dem Abend und in der kommenden Nacht eine oder mehrere, in die ansonsten recht
    glatte westsüdwestliche Höhenströmung eingebettete flache kurzwellige Störungen
    (am besten vielleicht noch in hoher Auflösung des Geopotenzialfeldes erkennbar)
    liefern, vielleicht nach Osten zu aufgrund des schwächeren Deckels eher als im
    Westen.
    Eine solche Kurzwelle soll nach Lesart des ICON-EU in den späteren Abendstunden
    auf den Westen bzw. Nordwesten Deutschlands übergreifen und sich rasch ostwärts
    verlagern. Spätestens diese Welle könnte mit Unterstützung durch die Orographie
    als Trigger für Auslöse dienen. Die Outputs der Konvektion erlaubenden Modelle
    sind diesbezüglich noch sehr diffus und unterscheiden sich nicht nur
    untereinander, sondern auch noch von Lauf zu Lauf. Auffällig ist aber, dass C-D2
    defensiver agiert als SuperHD bzw. AROME.
    In gut gescherter Umgebung (DLS um 25 m/s 0 bis 6 km, LLS um 15 m/s 0 bis 2 km)
    ist aufgrund des Deckels von diskreten Entwicklungen (Superzellen oder kleinere
    organisierte Multizellensysteme) auszugehen, die trotz nicht allzu hoher MU-Cape
    in dieser Region vor allem in den Abendstunden und eingangs der Nacht rasch
    Unwetterpotenzial erreichen dürften. Schwere Sturmböen, im Zuge bogenförmiger
    Echos auch mehr, Starkregen und Hagel bis etwa 3 cm Korngröße wären dann lokal
    eng begrenzt das Resultat, kurzlebige Tornados nicht ausgeschlossen.
    Im Laufe der Nacht kommt die Frontalwelle bzw. die Kaltfront aufgrund des
    Aufsteilen der Strömung nur langsam nach Südosten voran und entsprechend
    arbeitet sich die Gewittertätigkeit unter zögernder Abschwächung (Unwetter sind
    auch in der zweiten nachthälfte durchaus noch denkbar) auch allmählich nach
    Süden vor.
    Mit Durchschwenken der Kurzwelle dauert auch im Norden die Schauer- und
    Gewittertätigkeit zunächst noch an, wenn auch in anderer Luftmasse. Dort sind
    allerhöchstens markante Entwicklungen zu erwarten mit kleinkörnigem Hagel und
    stürmischen Böen, vereinzelt Sturmböen. Später klingen die Schauer und Gewitter
    dort ab und vor allem in der Norddeutschen Tiefebene können die Wolken auch mal
    auflockern. Der Wind weht an den Küsten lebhaft aus West bis Südwest, an
    exponierten Abschnitten der Ostseeküste kann es einzelne Böen Bft 7 geben. Auf
    dem Brocken sind stürmische Böen möglich.

Donnerstag … verlagert sich der Kurzwellentrog über dem Süden der Britischen
Inseln bis zum Abend nach Benelux. Eingebettet in die recht glatte südwestliche
Höhenströmung kommt die Kaltfront über Süddeutschland weiterhin nur zögernd
südostwärts voran und erreicht erst in den Abendstunden bzw. in der ersten
nachthälfte die Alpen. Somit verbleibt der Südosten des Landes (weite Teile
Bayerns, östliches und südöstliches BaWü) noch im Einflussbereich der instabilen
Luftmasse. Die PPW-Werte bleiben mit 30 bis 35 mm hoch, die Frage stellt sich,
wieviel Cape mit Hilfe der Einstrahlung nach Abzug bzw. Abschwächung der
nächtlichen Gewittersysteme generiert werden kann. Für die Südhälfte Bayerns
simulieren die Konvektion erlaubenden Modelle etwa 500 bis gebietsweise 1000
J/kg ML-Cape (AROME etwas mehr). Allerdings dreht der Wind zumindest nach Lesart
der Modelle bereits im Vorfeld der Kaltfront auf westliche Richtungen, so dass
die sturmrelative Helizität im Inflowbereich der Zellen nicht allzu hohe Werte
erreichen dürfte. Bei hochreichender Scherung von etwa 15 m/s ist der
Organisationsgrad der Zellen zudem nicht allzu hoch. Die Auslöse innerhalb der
nur mit einem relativ schwachen Deckel versehenen Troposphäre dürfte nach
Erreichen der Auslösetemperatur wohl an die Orographie bzw. an Outflow
Boundaries ehemaliger Gewitter gekoppelt sein, dabei ist sich rasch zu
Multizellen organisierenden Einzelzellen auszugehen, Superzellen können zwar
nicht ausgeschlossen werden (vor allem dort, wo das lokale Windfeld durch die
Orographie modifiziert wird) stellen aber wohl die Ausnahme dar. Trotz nicht
optimaler Zutaten sind die vor allem bzgl. des Starkregens niedrig angesetzten
Kriterien für Unwetter angesichts der hohen PPW-Werte wohl rasch erreicht. Auch
größere Hagelansammlungen und Sturm- bzw. schwere Sturmböen sind möglich.
Postfrontal strömt subpolare Meeresluft in den Vorhersagebereich, die Temperatur
in 850 hPa sinkt von Nordwesten her auf 6 bis 10 Grad. Diese Luftmasse ist vor
allem im Norden und Nordwesten bis etwa 400 bis 300 hPa labil geschichtet und es
können mit etwas Einstrahlung mehrere 100 J/kg ML-Cape generiert werden. Etwas
Hebungsinput aufgrund von PVA liefert der sich annähernde Trog, so dass wohl mit
Schauern, vereinzelt auch kurze Gewittern, begleitet von Starkregen,
kleinkörnigem Hagel und Böen Bft 7 bis 9 zu rechnen ist. Die meisten dürfte es
im Norden und Nordwesten geben, aber auch im Westen sowie in den mittleren
Landesteilen sollte es hier und da für kurze Gewitter reichen und wird auch so
von den konvektiven Modellen simuliert.
Vor allem im Südwesten und in der Osthälfte kann sich auch zeitweise die Sonne
durchsetzen. Dabei werden Höchstwerte zwischen 20 und 25 Grad erreicht, in der
Lausitz, im Südwesten und in Teilen Bayerns mit Sonne bis zu 27 Grad.

In der Nacht zum Freitag schwenkt der weiterhin recht scharf ausgeprägte
Kurzwellentrog allmählich über das Vorhersagegebiet hinweg ostwärts, wobei er
sich splittet und ein Teil nach Südwesten zurückhängt. Die Kaltfront überquert
die Alpen, dabei kann es im Südosten anfangs noch kräftige Gewitter geben, vor
allem eingangs der Nacht – vielleicht schon am Abend – ist ein aus den Alpen
über Südostbayern hinweg ziehendes MCS nicht ausgeschlossen, wobei in dem Fall
der Starkregen (bis in den Unwetterbereich) in den Fokus rückt.
Ansonsten gibt es noch einzelne Schauer und Gewitter, nach Osten zu kann es auf
der scharf konturierten Vorderseite des Troges aufgrund markanter,
PVA-induzierter Hebung auch längere Zeit schauerartig regnen. Mit Durchschwenken
des Troges klingen die Niederschläge aber rasch ab. Von Westen her weitet sich
ein Bodenhochkeil bis in den Nordosten des Landes aus, vor allem im Südwesten
und in den mittleren Landesteilen lockern die Wolken auch mal stärker auf,
örtlich kann sich Nebel bilden. In den Nordwesten ziehen von Westen her bereits
wieder dichtere Wolkenfelder, die der WLA an der Südflanke eines Troges mit
Drehzentrum vor Kap Svinöy geschuldet sind. Es bleibt aber wohl noch trocken.
Im ganzen Land kann sich subpolare Meeresluft mit 850 hPa-Temperaturen zwischen
5 und 8 Grad breitmachen und somit steht mit Tiefstwerten zwischen 14 und 8 Grad
eine recht frische Nacht ins Haus.

Freitag … schwenkt der Nordteil des gesplitteten Kurzwellentroges rasch nach
Polen, der südliche Teil verlagert sich allmählich nach Norditalien. Damit
befindet sich Süddeutschland unterhalb eines zunehmend gradientarmen
Geopotenzialbereichs, während sich über Norddeutschland eine glatte westliche
Höhenströmung einstellt.
Im Bodenfeld verstärkt sich der von Südwesteuropa nach Deutschland gerichtete
Hochkeil und sorgt im Großen und Ganzen für einen wettertechnisch ruhigen Tag.
Im äußersten Osten und an den Alpen fällt anfangs noch schauerartiger Regen, der
aber bis mittags rasch nachlässt, eventuell entwickeln sich über den Alpen am
Nachmittag noch einzelne Schauer und Gewitter. Der Norden und Nordwesten werden
im späteren Tagesverlauf von der Warmfront eines Tiefs nordwestlich von
Schottland gestreift, so dass es dort meist stark bewölkt bleibt, gebietsweise
fällt auch etwas Regen, am ehesten im Nordseeumfeld. Dazu frischt der
Südwestwind auf, eventuell mit Böen Bft 7 auf Amrum, Föhr und Sylt.
Ansonsten setzt sich aber zeitweise die Sonne durch, vor allem in einem breiten
Streifen vom Südwesten des Landes bis nach Brandenburg bzw. Ostvorpommern.
Die eingeflossene Meeresluft kann sich vor allem in der Mitte und im Süden
wieder etwas erwärmen; bei 850 hPa-Temperaturen zwischen 7 und 11 Grad reicht
das für Höchstwerte zwischen 20 und 25 Grad, mit Sonne im Südwesten auch etwas
darüber, im Nordseeumfeld werden dagegen meist nur etwa 18 Grad erreicht.

In der Nacht zum Samstag bleibt das Vorhersagegebiet an der Südflanke der
Frontalzone, wobei die Höhenströmung etwas auf Westsüdwest zurückdreht und auch
in der Nordhälfte weiter auffächert.
Im Bodenfeld weitet sich – ausgehend vom Tiefdruckgebiet nordwestlich von
Schottland – eine Tiefdruckrinne bis Samstagfrüh nach Südwestnorwegen aus. Die
oben erwähnte Warmfront zieht nordostwärts ab, ein weiteres, okkludiertes
Frontensystem greift im Laufe der Nacht von Nordwesten auf die Nordsee über. Im
Vorfeld kann es vor allem im Nordseeumfeld etwas regnen oder nieseln, ohne das
nennenswerte Mengen zusammenkommen.
Mit Annäherung der Tiefdruckrinne verschärft sich im Norden der Gradient und der
Wind frischt weiter aus Südwest auf. Im Nordseeumfeld gibt es verbreitet steife,
entlang der nordfriesischen Inseln und auf Helgoland auch stürmische Böen, auf
dem Brocken kann es ausgangs der Nacht eventuell auch Sturmböen geben.
Im Rest des Landes verläuft die Nacht ruhig und vor allem im Süden und Osten oft
auch gering bewölkt oder wolkenlos. Stellenweise kann sich Nebel bilden. Die
Tiefstwerte liegen im Norden und Nordwesten unter den dichten Wolken zwischen 15
und 12 Grad, sonst zwischen 13 und 8 Grad.

Samstag … verlagert sich ein Höhentrog vom Seegebiet südlich Islands
allmählich zu den Färöer-Inseln. An dessen Südostflanke verschärft sich die
wieder mehr auf Südwest zurückdrehende Höhenströmung über Nordwestdeutschland
wieder etwas, während Süddeutschland in den Einflussbereich eines sich von
Frankreich her dorthin ausweitenden Höhenkeil gerät.
Im Bodenfeld weitet sich die Tiefdruckrinne weiter bis nach Schweden aus. Die an
ein im aktuellen ICON-EU-Lauf bis zum Abend in den Großraum Oslo ziehendes
Tiefdruckgebiet gekoppelte Okklusion über der Nordsee kommt mangels
Schubkomponente nur langsam nach Südosten voran und erreicht abends in etwa die
Deutsche Bucht bzw. Dänemark. Im Vorfeld frischt der Wind weiter auf und es gibt
im Nordwesten bzw. Norden zumindest Richtung Küsten einzelne steife Böen, im
Nordseeumfeld dagegen wohl recht verbreitet stürmische Böen, exponiert
(Helgoland, Sylt) eventuell auch Sturmböen aus Südwest.
Mit Annäherung eines in die südwestliche Höhenströmung eingebetteten
kurzwelligen Anteils wird die frontale Hebung entlang der Okklusion dynamisch
gestützt bzw. verstärkt, so dass sich die Niederschläge im frontalen Bereich
bzw. präfrontal verstärken. Im Tagesverlauf greifen sie auch auf den Nordwesten
des Vorhersagegebiets über und erreichen nach Lesart des aktuellen
ICON-EU-Laufes bis zum Abend in etwa eine Linie Niederrhein-Westmecklenburg.
Entlang der Nordseeküste Schleswig-Holsteins hat das ICON-EU dabei verbreitet 10
bis 15 mm in 6 Stunden auf der Agenda und damit höhere Mengen als die anderen
vorliegenden Globalmodelle.
Die Mitte, der Südosten und der Süden bleiben im Einflussbereich des dorthin
reichenden Hochkeiles. Dort scheint häufig die Sonne und es bleibt trocken.
Während unter den dichten Wolken im Norden und Nordwesten nur Höchstwerte
zwischen 18 und 23 Grad erreicht werden, liegen die Maxima ansonsten bei
sommerlichen 23 bis 28 Grad.

Modellvergleich und -einschätzung

Die synoptischen Basisfelder werden im Kurzfristzeitraum von allen Modellen sehr
ähnlich simuliert, der grobe Ablauf steht einigermaßen fest.
Im Detail ergeben sich natürlich auch sehr kurzfristig bereits Unterschiede. So
werden die kurzwelligen Störungen von Modell zu Modell leicht modifiziert
simuliert, was direkte Auswirkungen hat auf die von den konvektiven Modellen
simulierte konvektive Aktivität, schon in den kommenden Stunden. Die Differenzen
wurden im Text besprochen, generell lässt sich konstatieren, dass C-D2 heute
sehr defensiv aufgestellt ist und damit keine schlechte Linie fährt. Andere
Modelle dagegen gehen konvektionstechnisch recht offensiv zu Werke, wie z.B. das
SuperHD. Momentan will die „Natur“ dem aber noch nicht so wirklich Folge
leisten.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff