S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 30.06.2020 um 10.30 UTC

Westwetterlage, anfangs antizyklonal, ab Anfang der neuen Woche erhöhte
Wahrscheinlichkeit für einen Kaltlufteinbruch.

Synoptische Entwicklung bis zum Dienstag, den 07.07.2020

betrachtet man die nordhemisphärische Zirkulation, so fällt ein ausgeprägter
Keil auf, der sich von Alaska und den Nordwesten Kanadas über den Nordpol
erstreckt und Verbindung zu einem Keil über Sibirien aufbaut, der über die
Karasee nordwärts aufsteilt. Das tiefe Geopotiential wird dadurch nach Grönland,
ins Nordmeer und bis nach Nordeuropa verdrängt. Dadurch stellt sich über dem
Atlantik und über Europa eine zonal geprägte Wetterlage ein.

Zum Beginn der Mittelfrist herrscht also am Freitag eine antizyklonale Westlage
vor. Ein steuerndes Zentraltiefs liegen über Skandinavien und das nachfolgende
zwischen der Südspitze Grönlands und Island. Dabei schiebt das Azorenhoch einen
Bodenkeil Richtung südliches Mitteleuropa. In der Höhe ist über Mitteleuropa
noch ein schwacher Trog wirksam, der ostwärts zieht. Dabei ist mit einer
westlichen bis nordwestlichen Strömung erwärmte Polarluft eingeflossen
(850-hPa-Temperatur ~ 8°C). Im Trogbereich werden besonders im Nordosten Schauer
simuliert, die im Tagesverlauf von Westen her nachlassen, da sich von der Höhe
her Absinken bemerkbar macht.

Am Samstag spaltet sich ein Teiltief vom steuernde Atlantiktief ab, das sich
rasch über die Nordsee nach Skandinavien verlagert. Während der Trog nach Osten
abzieht, erfasst die Warmfront des Tiefs den Nordwesten Deutschlands mit dichter
Aufgleitbewölkung und etwas Regen. Ansonsten setzt sich unter dem nachrückenden
Azorenhochkeil stärkeres Absinken durch, wobei sich die Luft wieder auf über 10
°C auf 850 hPa erwärmt.

Am Sonntag verlagert sich das steuernde Tief unter Verstärkung in das Seegebiet
nördlich von Schottland. An seiner Südflanke liegt eine Jet-Streak über
Groß-Britannien und der Nordsee. Weiter südlich scheibt sich ein Höhenkeil mit
zonal gereichter Achse über Mitteleuropa. Dadurch verstärkt sich das Absinken
bei uns weiter. Mit einer westlichen Strömung wird bodennah feuchte Meeresluft
herangeführt. In herrscht dichtere Grenzschichtbewölkung vor, die sich an der
Absinkinversion auf etwa 800 hPa ausbreitet.

Am Montag zieht das steuernde Zentraltief weiter Richtung Skandinavien. Auf
seiner Rückseite wird maritime Arktikluft angezapft, die über das Nordmeer
südwärts in die Nordsee vordringt. Stromabwärts kommt es zur Austrogung über
Groß-Britannien. Die Kaltfront des Tiefs wird dadurch langsam südwärts
beschleunigt und greift auf den Nordwesten Deutschlands über. Trotz des starken
Temperaturgradienten von +15 °C über dem Süden Deutschlands und 3 °C über der
Nordsee auf 850 hPa, bleibt die Wetteraktivität der Kaltfront gering, da die
Kaltluft flach einfließt und die Front von starkem Absinken überlagert wird.

Am Dienstag kommt es zur Austrogung über Westeuropa, wodurch die Front über der
Mitte Deutschlands ins schleifen gerät und durch die Trogvorderseitioge Hebung
immer mehr aktiviert wird. Somit kommt es im Frontbereich zu länger anhaltenden
Regen, der wahrscheinlich an der Südseite der Front konvektiv durchsetzt ist. Im
Nordosten stellt sich unterdessen im Trogeinfluss kühles Schauerwetter ein.

Am Mittwoch überquert der Trog dann Mitteleuropa, wobei die Kaltfront ostwärts
abzieht und Deutschland von maritimer Arktikluft geflutet wird. Bei kühlem
Schauerwetter liegt die 850-hPa-Temperatur im Norden nur noch bei etwa 3 °C.

Im weiteren Verlauf zieht der Trog nach Osteuropa ab. Die zonale Strömung bleibt
allerdings mit einem schnell wechselnden Trog-Keil-Muster erhalten.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Die Simulation des 0z-Laufs ähnelt stark den Vorläufen.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Auch andere Modelle sind im Wesentlichen gleich. Unterschiede bestehen nur
darin, wie schnell die Kaltfront zu Beginn der neuen Woche Deutschland überquert
und wie weit die Kaltluft südwärts voran
kommt.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Die Ensembles bestätigen die Entwicklung im Hauptlauf weitestgehend. Dabei sind
die Vorhersagen bis Samstag relativ stark gebündelt. Am Sonntag nimmt der Spread
in den Rauchfahnen deutlich zu. Das liegt einerseits an der Phasenverschiebung
des Troges in einigen Läufen, sodass der genaue Zeitpunkt des
Kaltfrontdurchgangs unsicher ist und bis zu 36 Stunden variiert. Zum anderen
gibt es einige wenige Rechnungen, die einen massiven Trogeinbruch bereits am
Sonntag sehen, anstatt die ostwärts Ausbreitung des Azorenhochkeils, der von den
übrigen ENS-Mitgliedern gestützt wird. Auch zur Mitte der neuen Woche bleibt der
Spread bei den 850-hPa-Temperaturen erheblich. Während im Norden der
überwiegende Teil auf einem niedrigen Temperaturniveau liegt, ist in
Süddeutschland diesbezüglich kein eindeutiges Signal mehr auszumachen.

Als Fazit lässt sich festhalten, dass es nahezu gesichert scheint, dass sich die
Westwetterlage weiter fortsetzt. Als sehr Wahrscheinlich gilt die Erwärmung am
Wochenende. Darauf folgt mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Kaltlufteinbruch zu
Beginn der neuen Woche im Norden und in der Mitte. In wie weit sich dieser bis
in den Süden durchsetzen kann, bleibt noch unsicher.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Die Wetterlage bietet wenig Potenzial für signifikantes Wetter. Da in der Höhe
die überwiegende Zeit Absinken und WLA vorherrscht, wird die Schichtung
weitestgehend stabilisiert. Erst zum Montag steigt auf der warmen Seite der
Luftmassengrenze das Gewitterrisiko.

Basis für Mittelfristvorhersage
MOSMIX, ECMWF-Hauptlauf, ab Montag ENS-Mittel

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Christian Herold