S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Montag, den 29.06.2020 um 10.30 UTC

Unbeständiger, zu Schauern und Gewittern neigender und teils windiger
Wettercharakter, mäßig warm bis warm.

Synoptische Entwicklung bis zum Montag, den 06.07.2020

Was ist ein typischer mitteleuropäischer Sommer? Die letzten Jahre ließen an
diesem zunehmenden Zweifel aufkommen. Hitze und Trockenheit bestimmten die
Wetterküche. Doch zumindest der Start in den Sommer 2020 zeigt einen Rückfall in
alte Strukturen. Bis in die erweiterte Mittelfrist hinein ist, ganz nach den
Regeln des Siebenschläfers, mäßig warmes bis warmes und wiederholt unbeständiges
Wetter Trumpf. Doch was produziert die Wetterküche nun im Detail?

Am Donnerstag, zu Beginn des mittelfristigen Zeitraums, liegt Deutschland im
östlichen Bereich eines Langwellentroges, der sich vom Nordatlantik und
Skandinavien bis nach Südwesteuropa erstreckt. Darin eingebunden sind mehrere,
teils markante kurzwellige Anteile, die sich mit der Strömung ostwärts verlagern
und auch den Norden und die Mitte Deutschlands überqueren. Am Boden korreliert
der Langwellentrog mit einer großräumigen Tiefdruckzone, die sich von
Skandinavien südwärts bis in den Alpenraum erstreckt. Ausgehend von dem
Haupttief über Schweden und einem Randtief über Polen zieht sich ein Frontenzug
über Süddeutschland hinweg bis zu den Pyrenäen, der hierzulande eine intensive
Kaltfront aufweist. Der Kurzwellentrog, der Norddeutschland überquert, steht
bodennah mit einer zweiten Kaltfront in Verbindung. Beide frontalen Ereignisse
sorgen gepaart mit dynamischen Prozessen auf der Vorderseite der jeweiligen
Tröge für Hebung, sodass sie mit schauerartig verstärkten, teils gewittrigen
Niederschlägen mit Unwetterpotential einhergehen. Zwischen den beiden frontalen
Strukturen kann schwaches, kompensierendes Absinken einsetzen, was zu
Wolkenauflockerungen führen kann.

Am Freitag ist der Kurzwellentrog ostwärts abgezogen. Gleichzeitig nähert sich
die Achse des Langwellentroges, der seine Wellenlänge zunehmend verkürzt und
erreicht das Land wohl am Nachmittag. Dabei zeichnet sich im Bereich der Schweiz
ein Abkopplungsprozess ab, dessen Höhentief sich im weiteren Verlauf Richtung
Italien verlagert. Bodennah kann sich durch den Abschnürungsprozess südwestlich
von Deutschland, der einen Rücken über Westfrankreich stützt, vorübergehend
Zwischenhocheinfluss durchsetzen. Schwache Niederschlagssignale sind dabei noch
an der an den Alpen schleifenden ersten Kaltfront sowie an der nachfolgenden
zweiten Kaltfront über der Mitte des Landes zu verzeichnen.

Ab Samstag zieht das Höhentief über Italien hinweg in die Regionen des Ionischen
Meeres, wo es sich einnistet und seine Kreise zieht. Dabei kann es seinen
Einflussbereich weiter ausbauen und wird schließlich Teil eines Langwellentroges
werden, der sich von Osteuropa über das Ionische Meer hinweg bis nach Libyen
erstreckt. Einhergehend muss im Umfeld der südlichen Adria sowie des Ionischen
Meeres mit kräftigen, konvektiven Niederschlägen gerechnet werden. Potentielle
Urlauber von Süditalien, Sizilien, der Balkanstaaten sowie auch Griechenlands
müssen sich neben den Corona bedingten Einschränkungen auch beim Wetter auf
widrige Bedingungen einstellen. In Deutschland dagegen geht es nicht so hoch
her. Das Höhentief über Südosteuropa stützt weiter einen Rücken über West- und
Südwesteuropa, dessen Achse sich von den Pyrenäen über Süddeutschland Richtung
Polen zieht. Allenfalls der Norden liegt im Bereich der Frontalzone, die am
Samstag eine Warmfront und am Sonntag eine Kaltfront auf die Agenda ruft. Beide
Systeme stehen dabei in Verbindung von teils schauerartigen Niederschlägen, die
bevorzugt den Norden und Nordwesten des Landes heimsuchen sollen. Der größte
Teil des Landes profitiert weiter von hochreichend hohem Luftdruck, der
allmählich auch die Reste der schleifenden Kaltfront an den Alpen auflösen. Die
nach Leseart des aktuellen 00 UTC-Laufes des IFS aufgezeigten Prozesse am
Wochenende zeigen allerdings keine oder nur eine mäßige Konsistenz zu den
Vorläufen, sodass die Messe in der Wetterküche wohl noch nicht endgültig gelesen
ist.

Ab Montag schwankt das IFS mit den Läufen so stark, dass keine Konsistenz mehr
zu erkennen ist. Entsprechend unsicher sind auch die Prognosen des Modells unter
Berücksichtigung des deterministischen Laufes. Ob das Ensemble eindeutiger ist
oder ebenfalls große Unsicherheiten in der Prognosegüte aufweist, wird später
geklärt. Nach den neusten Berechnungen des det. IFS Laufes soll Deutschland am
Montag auf der Vorderseite eines von den Britischen Inseln ostwärts schwenkenden
Kurzwellentroges geraten, während der Rücken mit seiner Achse das Land
südostwärts verlässt und über Österreich liegt. Bodennah korreliert der Trog mit
einer Tiefdruckrinne, die sich von Frankreich und der Nordsee ostwärts nach
Deutschland und ins südliche Skandinavien schiebt. In diese eingebettet ist ein
Bodentief, das sich mit Kern von England nach Ostdeutschland verlagert und
erneut mit einem Frontenzug einhergeht. Die Kombination von Trog vorderseitiger
und frontaler Hebung würde erneut für teils kräftige, häufig konvektive
Niederschläge sorgen. Am Dienstag soll dann der markante Kurzwellentrog über das
Land hinwegsteuern, was nach aktuellem Stand erneut zu einer Intensivierung der
Niederschläge möglicherweise bis in den Unwetterbereich führt.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Die Konsistenz des aktuellen 00 UTC Laufes des IFS ist bis einschließlich
Freitag als gut zu bezeichnen. Ab Samstag nehmen die Abweichungen besonders im
Vergleich zum gestrigen 00 UTC Laufes signifikant zu. Bis einschließlich Sonntag
stützt ein kräftiger gerechneter Langwellentrog über dem östlichen
Mittelmeerraum mit Drehzentrum über Griechenland nun einen Rücken über
Südwesteuropa intensiver, dessen Achse sich bis nach Deutschland schiebt.
Entsprechend stellen sich nach den neusten Berechnungen entgegen denen des
Vortages am Samstag und Sonntag über West- und Teilen Mitteleuropas zonalere und
leicht antizyklonale Verhältnisse ein. Erst am Montag soll sich über den
Britischen Inseln und Westeuropa ein neuer Kurzwellentrog soweit amplifizieren,
dass Deutschland auf dessen Vorderseite gerät. Nach dem gestrigen 00 UTC Lauf
des IFS würden dagegen von Westen schon wieder antizyklonale
Strömungsverhältnisse an Einfluss gewinnen. Eine Konsistenz ist demnach ab
Montag nicht mehr vorhanden. Eine Vorhersage auf Basis des deterministischen
IFS-Laufes also ab spätestens Montag nicht mehr möglich.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Auch die anderen betrachteten Globalmodelle (ICON, GFS, UKMO, GEM) zeigen bis
einschließlich Freitag zum IFS zunächst vergleichbare Strukturen des
Geopotential- und Luftdruckfeldes. Das ICON prescht dabei schon etwas vor und
zeigt den Abschnürungsprozess des Kurzwellentroges etwas früher und etwas nach
Osten verschoben. Das GEM ist dagegen etwas später dran und zeigt insgesamt auch
keine komplette Abkopplung.

Ab Samstag sind ICON und GFS weiter auf den Spuren des gestrigen IFS-Laufes. Das
Höhentief macht bei den genannten Modellen nicht wie beim IFS über dem Ionischen
Meer halt, sondern kreist schließlich entweder über Griechenland (GFS) oder über
der Ägäis (ICON). Aufgrund der etwas östlicheren Lage und teils auch schwächeren
Ausprägung wird der rückseitige Rücken nicht ausreichend gestützt, sodass dieser
etwas schwach auf der Brust rasch südostwärts dem Höhentief folgt. Dafür kann
sich ein folgender Trog aufplustern und von Skandinavien und der Nordsee bis ins
nördliche Mittelmeer ausbreiten. Demnach wäre in Deutschland auch am Wochenende
eine zyklonale Troglage Trumpf. Ab Montag geht auch unter den anderen
betrachteten Modellen vieles durcheinander. Potentielle Tröge weisen
verschiedene Phasen und Amplituden auf. Sicher ist dann nur, dass wohl keine
längere anhaltende trockene und heiße Wetterlage ansteht, sondern dass es eher
unbeständig und mäßig warm bis warm weitergeht.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Die Rauchfahnen ausgewählter Städte in Deutschland zeigen mit Ausnahme
einzelner, alleinstehender Ausreißer bis einschließlich Samstag eine hohe
Vorhersagegüte. Ab Sonntag beginnt sich der Spread bei der Temperatur leicht,
beim Geopotential jedoch schon signifikant zu vergrößern. Spätestens ab Montag
sind sogar kaum noch Verdichtungen innerhalb des Ensembles auszumachen, sodass
keine seriöse Vorhersage mehr möglich ist. Festzuhalten bleibt, dass sich sowohl
der Haupt- als auch der Kontrolllauf ab Sonntag im oberen Bereich des Ensembles
befinden und erst in der erweiterten Mittelfrist wieder in Medianbereiche
abfallen. Die Meteogramme stützen die Aussagen der Rauchfahnen mit einer
deutlichen Aufspannung der Box-Plots ab Sonntag.

Die gute Übereinstimmung des Geopotential- und Luftdruckfeldes bis
einschließlich Freitag (Zeitraum +72 bis +96h) innerhalb des IFS-Modells sowie
auch im Vergleich zu anderen Globalmodellen macht sich auch in der
Clusteranalyse bemerkbar, indem nur ein Cluster benötigt wird, die
Unsicherheiten ausreichend zu beschreiben.

Im Zeitraum von +120 bis +168h müssen dann schon drei Cluster die Abweichungen
der großskaligen Felder beschreiben. Vor allem Cluster 1 mit 20 Member und
inklusive Haupt- und Kontrolllauf zeigt bis einschließlich Sonntag überwiegend
zonale Strukturen, die sich auch im Schema einer durchweg positiven NAO
wiederspiegeln. Das Cluster 2 beschreibt dagegen die Geopotential- und
Luftdruckverteilung des gestrigen det. 00-UTC-Laufes und der aktuellen GFS- und
ICON-Simulationen. Das schwächere und östlich verschobene Höhentief über
Südosteuropa stützt keinen ausgeprägten Rücken, sodass ein nachstoßender Trog
die Kontrolle über Mitteleuropa übernimmt. Diese Lösungsvariante wird im IFS-ENS
von insgesamt 17 Mitgliedern bevorzugt. Das dritte Cluster zeigt konträr zu
Cluster 2 den Rücken über West- und Südwesteuropa noch stärker und vor allem
nach Norden ausgedehnt, sodass über Mitteleuropa und somit auch Deutschland
ausgehend von der Höhe eine antizyklonale Nordwestlage zu verzeichnen wäre.
Diese Lösung wird von 14 Member gestützt und findet auch beim GEM am ehesten
Anklang.

In der erweiterten Mitelfrist im Zeitraum von +192 bis +240h werden schließlich
schon vier Cluster benötigt um die Unsicherheiten der Strukturen ausreichend zu
erklären. Cluster 1 ist dabei mit 17 Member die logische Fortführung von Cluster
1 des vorangegangenen Zeitraums. Aus einer recht zonalen Strömung würde sich von
Westeuropa ausgehend wieder ein Langwellentrog über Mitteleuropa ausbilden, der
südwärts bis ins nördliche Mittelmeer reicht. Aber auch Cluster 2 und 3 mit dem
Kontrolllauf (Cluster 2) und weiteren 14 bzw. 10 Stützen beschreiben eine
Entwicklungsmöglichkeit des ersten vorangegangenen Clusters. Hierbei würde
gestützt von dem Höhentief über Südosteuropa ein schwacher Rücken über
Westeuropa dominant bleiben und über Deutschland mehr oder weniger stark
ausgeprägt antizyklonale Verhältnisse bedeuten. Das vierte Cluster mit dem
Hauptlauf und 10 Member könnte dagegen als Weiterentwicklung von Cluster 3 des
letzten Zeitraums angesehen werden. Bei dieser Lösung würde sich ein Rücken über
Westeuropa und den Britischen Inseln weiter stärken. In Kombination mit dem
Langwellentrog samt Höhentief über Osteuropa würde Deutschland in einer
nordwestlichen Grundströmung verbleiben.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Der EFI gibt am Donnerstag am Alpenrand geringe Hinweise für länger anhaltende
und zum Modellklima überdurchschnittliche Niederschläge. Gleichzeitig werden im
Südwesten kleinräumig geringe Signale für markante Windspitzen gegeben. Des
Weiteren gibt es am Samstag im Nordwesten und Norden Hinweise für
überdurchschnittliche Windgeschwindigkeiten im Vergleich zum Referenzklima.

Die Probabilsitik stützt die Hinweise des EFI bezüglich der intensiveren
Niederschläge an den Alpen mit 5 bis 25% für Mengen größer 25 l/qm/12h beim
C-Leps und um 5% beim EZ-EPS. Für starke bis stürmische Böen gibt es von der
Probabilistik der verschiedenen Modelle kein eindeutiges Bild. Während ICON eher
schwach ausfällt und allenfalls geringe Werte unter 25% für Windböen Bft 7
aufweist, zeigen C-Leps und EZ-EPS für die nördliche Mitte mit
Wahrscheinlichkeiten bis 15% sogar markante Böen Bft 8 bis 9. Für Windböen Bft 7
werden verbreitet 20 bis 60% bezeigt.
Am Samstag stützt die Probabilistik (EZ-EPS) stürmische Böen oder Sturmböen im
Nordwesten und an den Küsten mit Wahrscheinlichkeiten 5 bis 15%, an der
nordfriesischen Küste mit bis zu 65%.

Neben den betrachteten von den ENS der Globalmodelle eher skaligen Komponenten
muss am Donnerstag sowie am Wochenende aber auch mit starken konvektiven
Ereignissen gerechnet werden. Am Donnerstag muss sowohl im Nordwesten als auch
im Südosten und Osten bei PPW zwischen 20 und 35 mm mit Starkregen über 15
l/qm/1h, teils auch mit Mengen über 25 l/qm/1h gerechnet werden. Auch
mehrstündig können die Unwetterschwellen vor allem im Südosten erreicht werden.
Cape-Werte von 500 bis 1000, lokal auch darüber lassen zudem Hagel um 2 cm zu.
Zudem sind aufgrund der Höhenwinde stürmische Böen oder Sturmböen bevorzugt im
Osten und Südosten wahrscheinlich.

Basis für Mittelfristvorhersage
EZ-EPS, ICON-EPS, bis Samstag bedingt auch det. EZ/GFS

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Lars Kirchhübel