S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 21.04.2020 um 10.30 UTC

Geringe Niederschlagswahrscheinlichkeit und anfangs im Süden noch sehr mild. In
den Nächten regional erhöhte Wahrscheinlichkeit für leichten Frost in Bodennähe.

Synoptische Entwicklung bis zum Dienstag, den 28.04.2020

Der stratosphärische Polarwirbel (sPW) will einfach nicht aufgeben und zögert
sein dynamisches „final warming“ gegenläufig der Erwartung von vor einer Woche
nun bis in die letzten Apriltage/Anfang Mai hinaus, wobei IFS-EPS und GEFS bei
ihren Vorhersagen mittlerweile gut übereinstimmen. Von der Abschwächung am
stärksten betroffen sind vorerst die höheren Bereiche des sPw (10 hPa und
höher), während sonst noch meist leicht positive Zonalwindanomalien
vorherrschend bleiben. Dabei bricht die Konfiguration mit zwei Zentren (Kanada
und Sibirien) und der die Blockierung über dem Europäischen Nordmeer
unterstützenden Höhenantizyklone zusammen, da sich die beiden Zentren die
Mittelfrist über noch einmal über dem Nordpol vereinen. Somit wird die stark
mäandrierende Konfiguration im Sektor „Kanadisch-Arktisches Archipel, Grönland
und Skandinavien“ vorübergehend geglättet. Zusammengefasst gewinnt der Wirbel
also vorübergehend etwas an Kraft, wird symmetrischer und kontrahiert
vorübergehend.

Ähnliches zeigt sich beim aktuell dipolartig strukturierten troposphärischen
Polarwirbel (tPw), dessen bisher dominantes Zentrum über Kanada sich mit einem
zweiten und sich vorübergehend intensivierenden Zentrum über dem Weißen
Meer/Barentssee vereint. Der daraus entstehende eigenständige Wirbel weist dann
ebenfalls ein Zentrum über dem Nordpol auf. Der fortgeschrittenen Jahreszeit
entsprechend bleibt der direkte Einflussbereich des tPw überschaubar und
beschränkt sich besonders auf die Bereiche wir Nordgrönland, Franz-Jose-Land
oder die nördliche Kara/Laptewsee. In der Folge zonalisiert die Höhenströmung
über dem Nordatlantik im Zuge dieser Umstellung und schwenkt von „blockierend“
zu „schwach progressiv“. Allerdings bleibt als Residuum der zusammenbrechenden
Blockade ein insgesamt gradientarmer Bereich im Geopotentialfeld über dem
Nordostatlantik und über dem westlichen Europa zurück, der sich durch einen
anormal schwachen Polarfrontjet (verbreitet unterhalb des klimatologischen
Mittels) und einen dominanten Subtropenjet über Nordafrika auszeichnet. Im
IFS-ENS kann sogar über dem Nordostatlantik von einer transienten
Hoch-über-Tief-Blockierung gesprochen werden.

Die Folge dieser Entwicklung ist, dass das Geopotential über Nordeuropa
allgemein fällt und durch die Blockierung von Westen „noch“ keine Tröge auf
Europa übergreifen können. Derweilen werden Wellen/Tröge mit geringerer
Amplitude an den Subtropenjet gekoppelt zügig von West nach Ost über das
Mittelmeer gesteuert. NAO (neutral) und AO (vorübergehend positiv) reflektieren
diese Entwicklung teilweise, wobei aus den tropischen Gefilden mit keiner
(indirekt) Unterstützung zu rechnen ist (ENSO neutral und MJO in Phase 2-3
wandernd, grundsätzlich förderlich für NAO +, jedoch mit nur geringer Amplitude
versehen).

Somit läuft die Rossby-Welle über Skandinavien nach Abzug des tPw „breit“ und
zerfällt unter Amplitudengewinn in zahlreiche eingebettete Höhentiefs. Folglich
muss mit einer komplexen Interaktion von kurzwelligen Trögen, Höhentiefs und
Kaltlufttropfen über weiten Bereichen Europas gerechnet werden. Rein aus der
Sicht der Dynamik fehlen zunächst entsprechende Antriebe (wie z.B. ein markanter
Jetstreak) und auch größere Geopotentialgradienten, sodass die Mittelfrist über
eine markante Zyklogenese über West- und Mitteleuropa als unwahrscheinlich
angesehen werden kann. Das wird auch durch geringe normalisierte
Standardabweichungen beim Ensemblemittel und ebenfalls überschaubare
Abweichungen beim Hauptlauf hervorgehoben.

Was bedeutet das für das Wetter in Deutschland die Mittelfrist über?
Es ziehen zwar wiederholt schwache synoptisch-skalige Hebungsantriebe in Form
von kurzwelligen Troganteilen von Nordwest nach Südost besonders über den Norden
und Osten von Deutschland hinweg, diese sollten jedoch keine größeren
Niederschlagsmengen hervorrufen. Die angesprochenen Trogpassagen werden in der
Nacht zum Samstag/Sonnabend für den Osten und am Montag/Dienstag für den Norden
erwartet. Wohlgemerkt, es wird sich hier auf den Haupt- und Kontrolllauf
berufen, da jedoch beide Trogpassagen auch im ENS-Mittel mit geringen
Unsicherheiten gezeigt werden, können diese Zeiträume mit gutem Gewissen
hervorgehoben werden. Ansonsten verläuft die Mittelfrist meist trocken, sieht
man von geringen konvektiven Signalen am Alpenrand im Einflussbereich einer
etwas labiler geschichteten Luftmasse ab. Die 7-tätige Prognose deutet summa
summarum nur strichweise auf wenige Liter Niederschlag auf den Quadratmeter hin.

Mit dem „Ausfließen“ der modifizierten polaren Luftmasse aus dem abziehenden tPw
gehen die Temperaturwerte im Verlauf der Mittelfrist von Nordosten her wieder
zurück. Liegt die Spanne der Höchstwerte zum Beginn der Mittelfrist am Freitag
den 24.04. noch zwischen 16 Grad im Ostseeumfeld und 27 Grad am Oberrhein, so
gehen diese bis zum Ende der Mittelfrist (Beginn kommender Woche) auf 11 Grad im
Küstenumfeld und 19 Grad am Oberrhein zurück. In den Nächten bleibt regional
leichter Frost in Bodennähe weiterhin ein Thema, wenngleich mit mehr Wolken
nicht mehr so verbreitet wie aktuell. Allerdings muss noch abgewartet werden,
wie weit die kältere Luftmasse nach Süden vorankommt, denn deren Advektion hängt
maßgeblich von den kurzwelligen peripheren Troganteilen im Umfeld der
Rossby-Welle über Skandinavien ab. Fakt ist auch, dass die vorhandene trockene
Luftmasse durch eine nur unwesentlich feuchtere Luftmasse ersetzt wird und somit
die Themen „Trockenheit und Waldbrand“ aus heutiger Sicht weiter akut bleiben.
Von der tagaus tagein vorherrschenden ungehinderten Sonneneinstrahlung aktuell
müssen wir uns verabschieden, denn insgesamt nimmt der Bewölkungsanteil
besonders bei den Randtrogpassagen deutlich zu. Dazwischen aber bleibt der
überwiegend freundliche Gesamteindruck mit viel Sonnenschein bestehen.

Windtechnisch verläuft die Mittelfrist ruhig, sieht man von geringen
Wahrscheinlichkeiten zum Wochenbeginn über der Deutschen Bucht ab.

Bleibt noch ein kurzer Blick in die erweiterte Mittelfrist zu werfen, wo sich
der tPw über dem Nordpol tendenziell wieder in zwei Äste aufteilen soll. Einer
davon könnte erneut in Richtung Grönland/Kanada steuern. Dies würde allgemein
für eine Abnahme des Geopotentials über dem Nordatlantik sprechen mit höherem
Geopotential über Teilen Europas und somit einem deutlichen Erwärmungstrend über
Mittel-Süd-und Osteuropa. Dies wird bereits in aktuellen Modellrechnungen
angedeutet.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Die letzten drei IFS Läufe zeigen die Lage der bestimmenden Rossby-Wellen
zunächst beständig gut. Deren Positionen verschwimmen in den einzelnen Läufen
erst zum Ende der Mittelfrist deutlicher. Größere Fragezeichen gibt es bei
mehreren Wellen/Trögen mit geringer Amplitude, die die Rossby-Wellen umrunden.
Deren Lage und Intensität werden weiterhin mit zeitlicher Unschärfe berechnet.
Für Deutschland bedeutet das besonders zum kommenden Wochenbeginn noch größere
Unsicherheiten, wann und mit welcher Intensität Niederschläge auf die
Bundesrepublik übergreifen. Viel Niederschlag zum Wochenbeginn wird jedoch mit
keinem der Läufe gerechnet.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Ähnliches kann beim Blick auf die restliche Modellwelt gesagt werden. Bis zum
Sonntag stimmen die Modelle (mit Blick auf Mitteleuropa!) gut überein (und somit
auch bei der ersten Trogpassage in der Nacht zum Samstag). Erst zum Beginn der
kommenden Woche ist IFS einen Tick offensiver/schneller mit dem zeitlichen
Ausgreifen des nächsten Randtroges und bringt diesen nach Deutschland, während
GFS diesen abschwächend über England und der Nordsee belässt. ICON zeigt mal
wieder einen Mittelweg mit einem breiten Trog, der ebenfalls nördlich von
Deutschland zum Liegen kommen soll. An diesen Unsicherheiten mit Schuld ist ein
Trog/Höhentief vor der Biskaya, der/das früh innerhalb der Numerik mit
erheblichen Abweichungen bezüglich Lage und Intensität behaftet ist, was
wiederum stromab die Ausprägung eines Höhenkeils nach Mitteleuropa und die
Interaktion mit dem zweiten Randtrog zum Wochenbeginn beeinflusst.
Zusammengefasst nehmen also die Unsicherheiten zum Wochenbeginn deutlich zu.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Bei den IFS-Clustern beginnt die Mittelfrist einstimmig mit nur einem Cluster
(klimat. Regime „Atlantikrücken“). Das verwundert nicht, wirken hier doch noch
die Reste der aufbrechenden „Omegastruktur“ über Skandinavien und dem
Nordatlantik beruhigend auf die Memberschar.

Erwartungsgemäß nehmen nachfolgend jedoch die Unsicherheiten bis zum
Wochenbeginn zu und es ergeben sich drei Cluster, die wiederum recht einheitlich
besetzt sind (Kontroll- und det. Lauf im ersten Cluster). Alle Cluster deuten
eine schwache positive Geopotentialanomalie über dem Europäischen Nordmeer an,
flankiert von Trögen, die entweder intakt oder aufgebrochen in zahlreiche
Höhentiefs das Wetter in West-, Mittel- und Nordeuropa beeinflussen. Das klimat.
Regime wechselt von „Atlantikrücken“ zunehmend zu „negative NAO“ mit weiteren
Einzellösungen. Für Deutschland bedeutet das bis zum Wochenende eine periphere
Lage zur Rossby-Welle, die sich vom Weißen Meer südwestwärts erstreckt, wobei
deren Einfluss noch unterschiedlich gehandhabt wird.
Zum Wochenanfang und darüber hinaus nehmen die Unsicherheiten weiter zu, was
besonders den zahlreichen Höhentiefs geschuldet ist. Eine exakte Aussage über
die Wetterentwicklung ist dann nur noch schwer möglich. Einzig die Dynamik nimmt
von Westen etwas zu, was auch etwas „regenlastigere“ Einzellösungen in der
erweiterten Mittelfrist erklärt.

Die Meteogramme in Deutschland stützen die insgesamt unaufgeregte Mittelfrist
mit hohen Amplituden der Temperatur und meist trockenen Verhältnissen. Erst zum
Beginn der kommenden Woche ergeben sich im Norden und Osten erwähnenswerte
Niederschlagssignale. Die Rauchfahnen „Geopotential in 500 hPa“ und „Temperatur
in 850 hPa“ gehen im Norden etwas stärker als im Süden zurück und mit Blick auf
die Temperatur in 850 hPa werden klimatologisch normale Werte erwartet
(Bezugszeitraum 1981 bis 2010).

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Der EFI zeigt zum Beginn der Mittelfrist im Südwesten noch leicht positive
Temperaturanomalien, bevor in der Folge keine Abweichungen mehr auftreten.
EZ-ENS zeigt zum Wochenbeginn Wahrscheinlichkeiten von unter 5% für stürmische
Böen (Bft 8) im Umfeld der Deutschen Bucht, aber das war es auch schon.
Natürlich bleiben die Trockenheit/Waldbrandgefahr auch weiterhin ein Thema.

Basis für Mittelfristvorhersage

GEFS/IFS-ENS für die Zustandsbeschreibung, danach durchweg IFS, IFS-ENS und
MOSMIX

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Helge Tuschy