SYNOPTISCHE UEBERSICHT MITTELFRIST
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 19.04.2020 um 10.30 UTC
Zunächst trockenes und meist sonniges Hochdruckwetter bei zwar
überdurchschnittlichen, aber nicht übermäßig hohen Temperaturen. Am Wochenende
Hoffnung auf Regen.
Synoptische Entwicklung bis zum Sonntag, den 26.04.2020
Aufgrund technischer Probleme am Standort in Reading (UK) ist der heutige
00-UTC-Lauf von IFS (ECMF) auf unbestimmte Zeit verspätet. Da der Verfasser fest
vorhat, am frühen Nachmittag in den – wohlverdienten – Feierabend zu gehen, hat
er sich entschieden, den gestrigen 12-UTC-Lauf als Basis seiner nun folgenden
Ausführungen zu nehmen. Ob 00- oder 12-UTC-Lauf, im Grunde stellt sich
mittelfristig genau eine einzige Frage: wann regnet es mal wieder substanziell
und nicht nur wie an diesem Wochenende konvektiv-regional mit – von wenigen
Ausnahmen abgesehen – eher kläglichen Mengen? Nun, so viel sei an dieser Stelle
schon mal verraten, der 12-UTC-Lauf zeigt sich diesbezüglich für das kommende
Wochenende optimistischer als die jüngsten Vorläufe, aber was heißt das schon?
Für das laufende Wochenende sahen die Regenprognosen mittelfristig auch besser
aus als letztlich eingetroffen, aber gut, beim Wetter muss jeder Fall
individuell untersucht werden.
Steigen wir ein in die Materie am kommenden Mittwoch, der den offiziellen Beginn
des mittelfristigen Vorhersagezeitraums markiert. „H-o-L“ heißt die Kurzformel,
mit der im Grunde schon alles gesagt ist. „High-over-Low“ oder von mir aus auch
eingedeutscht „Hoch-über-Tief“ ist die für weite Teile Mitteleuropas und damit
auch für Deutschland die bestimmende Großwetterlage. Dabei stehen sich ein
großräumiges uns bis in große Höhen reichendes Hochdruckgebiet (es handelt sich
um den bereits jetzt existierenden ODILO) mit Schwerpunkt über Norwegen (etwas
über 1035 hPa) und ein nicht minder hochreichendes Tief über dem westlichen
Mittelmeer gegenüber. Dazwischen wird eine östliche Strömung generiert, mit der
zwar nicht überbordend warme (in 850 hPa taucht im Osten sogar mal die
0°C-Isotherme auf, sonst 2 bis 8°C), vor allem aber trockene Kontinentalluft in
den Vorhersageraum gelangt. Einzig im äußersten Süden, unweit einer
Tiefdruckrinne über Frankreich, ist die Luft etwas feuchter, daraus eine erhöhte
Regenwahrscheinlichkeit zu schlussfolgern wäre allerdings ein Fehler.
Ab Donnerstag verlagert sich das Zentrum des Hochs unter Abschwächung zum
Europäischen Nordmeer respektive zur Nordsee, während es das mediterrane Tief
ebenfalls unter Substanzverlust eher nach Osten zieht. Viel ändert sich bei uns
zunächst aber nicht, wenn man mal davon absieht, dass der anfangs noch ruppige
und böige Ostwind komplett einknickt. Außerdem wird der Höhenrücken von einem
kleinen Höhentief der Marke Kaltlufttropfen unterlaufen, der über Süddeutschland
von Ost nach West zieht, ohne dabei aber größere Aufmerksamkeit zu erregen
(Wolken ja, Regen nein).
Erst zum Wochenende hin, wenn sich – ähnlich wie an diesem Wochenende – die
Luftmassenunterschiede vergrößern (im Norden relativ kühle und trockene
Skandinavienluft bei leichtem Hochdruckeinfluss, sonst feuchte-warme und labil
geschichtete Subtropikluft in einer Tiefdruckrinne) – nehmen Regen- und
Gewitterwahrscheinlichkeit im Süden und in der Mitte deutlich zu.
So, liebe Leute, soeben ist nun auch der heutige 00-UTC-Lauf eingetroffen,
herzlich willkommen auch von dieser Stelle. Er unterscheidet sich zu Beginn der
Mittelfrist kaum von den anderen Läufen. Was fehlt ist das kleine Höhentief
(KLT), das aber ohnehin als zahnloser Tiger simuliert wurde. Richtig interessant
wird es eigentlich erst am kommenden Wochenende, denn auch die brandneue Version
wartet mit erhöhten Regenwahrscheinlichkeiten auf. Allerdings ist die Entstehung
etwas anders: keine Frontogenese mit Luftmassenunterschied, stattdessen von
Westen her ein knackiger Kurzwellentrog, der es – lest, lest – in ganz
Deutschland regnen lassen würde. Schön wärŽs…
Abschließend noch ein letzter Blick auf die erweiterte Mittelfrist ab Montag
(jetzt auf Basis vom 00-UTC-Lauf), die eine zweite, markantere Trogpassage mit
weiteren Regenfällen und vorübergehender Abkühlung auf der Karte hat.
Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs
Abgesehen von der Geschichte mit dem Höhentief respektive Kaltlufttropfen sind
sich die jüngsten Modellläufe zunächst ziemlich einig (abnehmender Ostwind,
trocken). Erst am Wochenende nehmen die Unterschiede zu, wobei man konstatieren
kann, dass sich die Regenwahrscheinlichkeit von Lauf zu Lauf erhöht hat. Wie
viel davon letztlich übrigbleibt, welche Regionen getroffen werden (alle oder
doch nur Mitte/Süden), wie viel Regen überhaupt fällt und wo sich auch noch
Gewitter dazugesellen – who knowŽs? Bleibt zu hoffen, dass die Numerik wie
häufig bei vergleichbaren Fällen (erst trocken, zum Ende des Prognosezeitraums
Übergang zu wechselhaftem und nassem Wetter) in den nächsten Tagen nicht abkackt
und schlussendlich nur ein paar schlaffe Schauer übrigbleiben.
Vergleich mit anderen globalen Modellen
High-over-Low mit allmählich abbauender Tendenz lautet auch das Motto bei allen
anderen vom Verfasser begutachteten Globalmodellen. Und alle werden sie zum
nächsten Wochenende unruhig. Okay, UKMO (das Modell des britischen
Wetterdienstes) steigt bereits bei T+144h (Samstagfrüh) aus, was keine
belastbare Aussage für das Wochenende erlaubt. Aber die andren drei simulieren
alle eine Änderung in Richtung zyklonal. Dabei lassen sich zwei Fraktionen
bilden: Während GFS etwa auf einer Linie mit IFS von 00 UTC liegt, also mit
voller Breitseite Regenfälle und Gewitter aufkommen lässt, agieren das deutsche
ICON und das kanadische GEM deutlich zurückhaltender. Danach würde nur der
äußerste Süden nennenswerte Schauer und Gewitter abbekommen.
FAZIT: Deterministisch steht der Kurs bis Freitag, danach wird es ziemlich
unsicher.
Bewertung der Ensemblevorhersagen
Manchmal lohnt es sich, wenn man etwas wartet – soeben sind die neuesten
EPS-Prognosen von IFS eingetroffen. Betrachtet man die Rauchfahnen verschiedener
deutscher Städte, fallen drei Dinge ins Auge: a) hohes Potenzial mit sehr enger
Bündelung bis Donnerstag, danach absteigende Tendenz bei zunehmender Streuung,
b) mäßig hohes, leicht ansteigendes Temperaturniveau bis Freitag/Samstag bei
nicht ganz so enger Bündelung, danach Abkühlung unterschiedlicher Intensität, c)
absolute Trockenheit bis Freitag (nur im Süden erste zaghafte Peaks), danach
allgemein zunehmende RR-Signaldichte. Die Rauchzeichen vom befreundeten Stamm
der GFS-EPSe sehen übrigens fast genauso aus.
Etwas überraschend tauchen für den Zeitraum T+72…96h (Mittwoch auf Donnerstag)
drei Cluster auf, in denen ohne Makrolupe oder Mikroskop für den Vorhersageraum
aber keine Unterschiede rauszuholen sind. Überraschend auch, dass die
Clusterzahl von Freitag bis Sonntag (T+120…168h) auf eins sinkt, wo doch die
Streuung der Kurven (Rauchfahnen) zunimmt. Auf alle Fälle ist deutlich die
Umstellung auf eine zyklonale Zonalströmung mit kurzen Wellen erkennbar.
Schließlich hat auch die Clusterung für die erweiterte Mittelfrist ab Montag
(T+192…240h) noch eine Überraschung parat. So setzt das einzige Cluster rasch
wieder auf eine Blockierung mit einem signifikanten Höhenrücken, der sich genau
über Mitteleuropa platziert. Das mutet insofern merkwürdig an, als dass der
Hauptlauf mit seinem Trogdurchgang Montag/Dienstag überhaupt gar nicht in dieses
Schema passt. Im Umkehrschluss müssen die in den Rauchfahnen nicht selten
auftretenden RR-Signale offensichtlich als konvektiv geprägte Peaks
interpretiert werden.
FAZIT: Nach anfänglichem Hochdruckeinfluss mit trockener östlicher Strömung
spricht am kommenden Wochenenden Vieles für eine Umstellung hin zu
wechselhafterem Wetter mit Niederschlägen (+Gewitter) – vorübergehend! Danach
deutet sich bereits wieder Hochdruckeinfluss an, was gut in die bisherigen
Abläufe des Aprils passen würde.
Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen
Für den kommenden Mittwoch liefern sowohl die Modelle als auch die
probabilistischen Anschlussverfahren Hinweise auf stürmische Böen 8 Bft,
vereinzelt Sturmböen 9 Bft in den Kamm- und Kuppenlagen der Mittelgebirge.
Allerdings sind die Signale nicht mehr ganz so deutlich wie die beiden Tage
zuvor, außerdem ist eine abnehmende Tendenz im Tagesverlauf erkennbar.
Ansonsten ist aus der Lage zunächst nicht viel rauszuholen, wenn man mal von der
andauernden Trockenheit absieht. Erst am nächsten Wochenende könnte sich das
ändern (siehe oben), wobei konkrete Ansagen über potenzielle Gewitter heute
freilich noch nicht möglich sind.
Basis für Mittelfristvorhersage
MOS-IFS (weil etwas regenlastiger und damit GFS-näher als MOS-Mix) mit IFS-EPS.
VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann