S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 21.03.2020 um 10.30 UTC

Meist trocken und mäßig-kalt, verbreitet unnötige Nachtfröste! In der zweiten
Wochenhälfte langsam unbeständiger, aber wenigstens etwas milder.

Synoptische Entwicklung bis zum Samstag, den 28.03.2020

Als chronisch desillusionierter Fan eines waschechten Winters, fühlt man sich
dieser Tage beim Blick auf die kurz- und mittelfristige Wetterentwicklung
ziemlich veräppelt. Die nordhemisphärische Zirkulation zeigt sich nachhaltig
blockiert, frei ist der Weg für Kontinentalluft polaren Ursprungs und damit
Temperaturen, die hierzulande mittelfristig im Schnitt 2 bis 5 Grad unter dem
vieljährigen Mittel liegen werden. So etwas hatten wir den ganzen Winter nicht,
dafür jetzt im meteorologischen Frühling! Nüchtern betrachtet sind derartige
Kaltlufteinbrüche im März zwar nichts Ungewöhnliches. In Zeiten des Klimawandels
und des statistisch immer früheren Vegetationsbeginns (die 200-Kelvin-Marke der
Grünlandtemperatur als Beginn nachhaltigen Vegetationswachstumes wurde regional
schon Anfang/Mitte Februar erreicht) sind die zu erwartenden „knackigen“
Nachtfröste aber sehr wohl problematisch.

Zu Beginn der Mittelfrist am kommenden Dienstag befindet sich Deutschland
zwischen einem durch kräftige WLA der weit nördlich verlaufenden Frontalzone
gestützten Rücken, der sich von den Azoren bis nach Karelien erstreckt, und
einem Höhentief der Marke Kaltlufttropfen mit Kern über der Adria unter einer
ost-nordöstlichen Höhenströmung. Der Rücken stützt ein umfangreiches
Hochdruckgebiet mit Schwerpunkt über dem Baltikum, an dessen Südwestflanke
bodennah in einer östlichen Strömung kalte Kontinentalluft nach Deutschland
gelangt. T850 liegt von Nordwest nach Südost immerhin zwischen 0 und -10 Grad.
In der trockenen Luft (Taupunkte verbreitet zwischen -8 und -15 Grad) wird es
ein oft sonniger, aber mäßig kalter Tag (allenfalls im Westen niedrige
zweistellige Tmax). Im Südwesten besteht eine „Bisenlage“, sodass der Wind in
Böen stark, teils stürmisch aus ONO weht. Die Nacht zum Mittwoch wird fast
ausnahmslos frostig. Von der Norddeutschen Tiefebene abgesehen tritt verbreitet
mäßiger, an den Alpen vereinzelt sogar strenger Frost auf. „Blümchenalarm!“

Am Mittwoch wird der Rücken über den Britischen Inseln durch einen
hineinstoßenden Trog abgebaut und bildet folglich eine abgeschlossene
Höhenantizyklone über dem Baltikum. Das korrespondierende Hoch zieht mit seinem
Schwerpunkt nach Weißrussland. Der Kaltlufttropfen zieht sich derweil in die
Länge und nimmt eine Dipol-Form an. Die beiden Kerne „eiern“ um ein gedachtes
Drehzentrum, dass sich über Norditalien etwa zum Löwengolf verlagert. Ein
kurzwelliger Troganteil schwenkt dabei westwärts über Deutschland hinweg. Mit
Durchschwenken der Kurzwelle wird die untere und mittlere Troposphäre etwas
„angefeuchtet“ und durch PVA gehoben. Das betrifft vor allem die Südosthälfte,
wo es im Tagesverlauf wolkiger und gebietsweise (bevorzugt südlich der Donau)
auch geringfügige Niederschläge fallen. Bei T850 zwischen -5 und -8 Grad dürfte
die feste Phase überwiegen, die Neuschneemengen sind voraussichtlich aber sehr
gering. Bei weiterhin gebietsweisem stark böigem Wind bleiben zweistellige Tmax
die absolute Ausnahme, im Südosten und im höheren Bergland schafft es das
Quecksilber nur mit Mühe auf niedrige einstellige Werte. Die Nacht zum
Donnerstag wird wieder frostig, allerdings nicht mehr ganz so kalt wie die
Vornacht.

In der zweiten Wochenhälfte bis Samstag wandert die Höhenantizyklone und das
korrespondierende Bodenhoch nach Nordwestrussland ab. Der nördliche Kern des
Höhentiefkomlexes löst sich ab und gliedert sich dem zu den Britischen Inseln
und zur Nordsee schwenkenden Trog an. Der Rest des Komplexes zieht zum östlichen
Mittelmeer. Über Deutschland dreht die zunächst antizyklonal konturierte
Höhenströmung auf Südost, im weiteren Verlauf auf der Vorderseite des Troges bei
zunehmend zyklonaler Konturierung auf Süd bis Südwest. Auch am Boden dreht die
Strömung auf Südost bis Süd, sodass nicht nur mittel-, sondern auch
niedertroposphärisch WLA einsetzt. Erst mit Durchschwenken einer dem Trog
vorgelagerten Tiefdruckrinne dreht die Strömung weiter auf West bis Nordwest,
sodass ein Schwall maritimer, aber gut durchmischter Polarluft ins Land gelangt.
Summa Summarum werden bis Samstag wieder verbreiteter niedrige zweistellige Tmax
erwartet, auch die Nachtfröste schwächen sich weiter ab. Dazu stellt sich ab
Freitag leicht zyklonales Wettergeschehen ein, in den höheren Lagen der
Mittelgebirge und an den Alpen kann etwas Schnee fallen.

In der erweiterten Mittelfrist ab Sonntag baut sich über dem Nordatlantik ein
blockierender Rücken auf, der vorgelagerte Trog tropft über dem nördlichen
Mittel- bzw. Westeuropa ab und sorgt bei uns für unbeständiges Wetter. An der
Nordflanke eines Mittelmeer-Tiefkomplexes bleibt dabei maritime Polarluft
wetterbestimmend, sodass es im Bergland zeitweise winterlich ist. Ob es an den
Alpen (WLA- bzw. Gegenstrom-bedingt) zu markanten Schneefällen kommt, wie es
IFS00Z andeutet, bleibt aber abzuwarten.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Die jüngsten Modellläufe des IFS weisen eine zunächst eine gute Konsistenz auf.
Geringe Unterschiede in der Simulation des von Osteuropa vorstoßenden
Kaltlufttropfens haben keine nennenswerte Prognoserelevanz für Deutschland mehr.

Etwas stärker divergieren die Läufe zum Ende der Mittelfrist (zweite
Wochenhälfte, kommendes Wochenende). Der von Nordwesten übergreifende Trog bzw.
die Integration des Kaltlufttropfens in diesen wird unterschiedlich gerechnet.
Im Gegensatz zum gestrigen IFS00Z-Lauf soll der Trog weiter westlich über dem
nördlichen bzw. westlichen Mitteleuropa abtropfen. Vorderseitig des Troges bzw.
des resultierenden Cut-Offs würde sich zum ein etwas zyklonaleres
Wettergeschehen durchsetzen, zum anderen käme keine hochreichende Nordströmung
in Gang, sodass das Temperaturniveau nach vorübergehender Erholung nicht wieder
so stark „Absacken“ würde wie im gestrigen IFS00Z. Nichtsdestotrotz würde es in
höheren Lagen sowie im Süden im Einflussbereich eines Mittelmeertiefs für
Schneefälle, ansonsten verbreitet für weitere (leichte) Nachtfröste reichen.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Über weite Strecken der Mittelfrist zeigen sich zwischen den vorliegenden
deterministischen Globalmodellen keine nennenswerten Unterschiede.
Erst der zum Ende der Mittelfrist scheint Prognose des von Nordwesten
vorstoßenden Troges sowie die Anbindung des Höhentiefs an diesen mit gewissen
Unsicherheiten behaftet. Alle betrachteten Modelle sehen allerdings eine
Trogkonfiguration westlich mit Einfluss auf Deutschland, womit die Nordlage des
IFS00Z von gestern keine Unterstützung mehr erfährt. Bei GFS00Z allerdings
befindet sich die Trogachse deutlich weiter westlich als bei IFS00Z, womit auch
die Bodentiefs mit Kern westlich bleiben und wir in den „Genuss“ deutlich
wärmerer Luftmassen kämen.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Im IFS-EPS ist der Spread in T850 und H500 bereits zu Beginn der Mittelfrist
relativ groß, was aber alleine dadurch begründet ist, dass einige wenige Member
den Kaltlufttropfen doch noch etwas stärker abweichend simulieren
(Kaltlufttropfen zieht direkt über Deutschland). Prinzipiell ist der IFS00Z-Lauf
aber mittlerweile gut in die Memberschar eingebettet, sodass es keinen Grund
gibt, das oben beschriebene, an IFS00Z angelehnte Szenario zu relativieren. So
rechnet die Mehrheit der IFS-EPS-Member eine Erholung von T850 bis Freitag
(Rechtdrehung des Windes und einsetzende WLA) – von dem kleinen „Knick“ nach
unten am Mi/Do natürlich abgesehen (kurzwelliger Anteil des Kaltlufttropfens).
Ab Samstag und in der erweiterten Mittelfrist weiten sie die Rauchfahnen noch
weiter auf, wobei es nun immer schwerer fällt, einen Fokus in der Memberschar
auszumachen. IFS00Z befindet sich sowohl bei T850 als auch bei H500 eher am
unteren Rand der Range, was darauf hindeutet, dass der neue Trog von Nordwesten
doch weiter westlich liegen bzw. abtropfen könnte (GFS00Z-Szenario).
Bis Donnerstag sind die Niederschlagssignale verschwindend gering (nur die o.e.
Member mit dem Kaltlufttropfen über Deutschland rechnen verbreitet mit geringen
Niederschlägen). Ab Freitag nehmen die Signale deutlich zu (zyklonaleres Wetter
durch den sich von Nordwesten nähernden Trog).

Die GFS-ENS zeigen sich insgesamt, was die mittelfristige Entwicklung angeht,
kongruenter. Hier setzt sich die Erholung der Temperaturen auch in der
erweiterten Mittelfrist bei fast allen Membern fort, auch fallen die
Niederschlagssignale insgesamt geringer aus.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

EFI:
Der EFI des EZMWF unterstreicht die ungewöhnlich kalten Nächte zu Wochenmitte
(EFI Tmin zwischen -0.5 und -0.7). Darüber hinaus liefert der EFI keine Signale
für ungewöhnliches oder gar extremes Wetter in Deutschland.

FROST:
Strengen Frost (um -10 Grad) wird es zwar allenfalls nur lokal an den Alpen
geben (Nacht zum Mittwoch), der verbreitet auftretende leichte bis mäßige Frost
(bis mindestens zur Nacht zum Donnerstag, danach deutlich abschwächend) ist
aufgrund der bereits fortgeschrittenen Vegetationsperiode aber durchaus auch als
markant zu bezeichnen, auch wenn es sich nicht in entsprechender ocker-farbener
Warnung niederschlägt.

WIND:
Am Dienstag im Südwesten durch „Bise“ vor allem in freien Lagen stürmische Böen
(Bft 8) aus Ost bis Nordost wahrscheinlich, in exponierten Gipfellagen des
Schwarzwaldes und in den Alpen Sturmböen (Bft 9).

Basis für Mittelfristvorhersage
IFS00Z (det.+EPS), IFS-MIX

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Adrian Leyser