S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Montag, den 09.03.2020 um 10.30 UTC

Zunächst unbeständig mit häufigen Niederschlägen, windig und anfangs mild. Ab
Freitag kühler, am Wochenende zumindest vorübergehende Wetterberuhigung.

Synoptische Entwicklung bis zum Montag, den 16.03.2020

Auch, wenn es sich inzwischen sicherlich viele wünschen und am Wochenende auch
eine gewisse Wetterberuhigung ins Haus steht – ob diese nachhaltig sein wird
oder nicht, bleibt abzuwarten.
Aber der Reihe nach: Zu Beginn des Mittelfristzeitraumes, am Donnerstag,
befindet sich Deutschland ziemlich genau unterhalb der recht kräftigen und nur
leicht mäandrierenden Frontalzone. Ein darin eingebetteter Kurzwellentrog
verlagert sich samt korrespondierenden Bodentiefs auf dessen Vorderseite rasch
von der Nordsee über Südskandinavien bis Freitag, 00 UTC ins Baltikum. Die
Kaltfront des Tiefs erreicht vormittags Nordwestdeutschland und kommt bis
Mitternacht zu den Alpen voran. Während in den Warmsektor sehr milde Biskayaluft
gesteuert wird (über +5 Grad in 850 hPa am Alpenrand) folgt der Kaltfront polare
Meeresluft mit 850 hPa-Temperaturen um -4 Grad. Mit Frontpassage sind vor allem
in der Nordhälfte neben einzelnen Gewittern stürmische Böen oder Sturmböen zu
erwarten, an den Küsten und auf den Bergen eventuell auch schwere Sturmböen.
Postfrontal fällt in den Mittelgebirgen und am Alpenrand etwas Schnee.

Freitag folgen ein weiterer Kurzwellentrog samt Bodentrog, auf deren Rückseite
ein Schwall Höhenkaltluft mit unter -30 Grad in 500 hPa vor allem in den Norden
und in die Mitte des Landes advehiert wird. Somit gibt es weitere Schauer und
Gewitter, bei -4 Grad in 850 hPa fällt in den Mittelgebirgen und an den Alpen
etwas Schnee, im Südwesten stellt sich mit Annäherung eines Bodenhochkeils
Wetterberuhigung ein. Vor allem im Norden und Osten bleibt es windig, vor allem
mit Trogdurchgang kann es stürmische Böen, an den Küsten und auf den Bergen
Sturmböen geben.

Am Samstag schwenkt der Höhentrog nach Osten ab. Ihm folgt ein zunächst nur
flacher Höhenrücken, der sich Samstagabend bereits über dem Vorhersagebiet
befindet und rasch nach Osten vorankommt, von Westen her aufgrund kräftiger WLA
vorderseitig eines westlich der Britischen Inseln gelegenen markanten
Höhentroges regeneriert wird.
Im Bodenfeld verlagert sich ein flaches Hochdruckgebiet rasch über den Süden und
Osten des Landes hinweg nordostwärts. Das Frontensystem eines
nordwesteuropäischen Tiefdruckkomplexes überquert die Britischen Inseln und
greift nachts auf die Nordsee über, schwächt sich dabei aber aufgrund des sich
verstärkenden Rückens rasch ab. Somit steht ein wettertechnisch ruhiger Tag ins
Haus. Einzelne kurze Schauer gibt es am ehesten noch im Norden und Osten,
ansonsten setzt sich auch mal die Sonne durch. Im Nordwesten werden die Wolken
mit Annäherung des oben erwähnten Frontensystems aber wieder dichter und es kann
dort später bei auffrischendem Südwestwind eventuell etwas regnen.
Am Sonntag greift der Höhentrog auf die Britischen Inseln über und weitet sich
nach Süden aus. Dadurch wölbt sich der vorgelagerte Höhenrücken weiter nach
Norden auf und schwenkt allmählich über das Vorhersagegebiet hinweg ostwärts.
Das Frontensystem über der Nordsee bzw. Nordwestdeutschland zieht nordwärts ab
und löst sich mehr und mehr auf. Ein mit dem Trog korrespondierendes Bodentief
über den Britischen Inseln kommt nur zögernd zur westlichen Nordsee voran.
Zwischen diesem Tief und einem sich verstärkenden Hochdruckgebiet über Osteuropa
gelangen von Südsüdwesten her zunehmend milde Luftmassen ins Vorhersagegebiet,
ehe zum Abend oder in der Nacht zum Sonntag die Kaltfront des Tiefs in
abgeschwächter Form auf den Westen/Nordwesten des Landes übergreift. Vor allem
in der Südhälfte scheint bei frühlingshaften Temperaturen häufig die Sonne, im
Nordwesten bleibt es bewölkter, aber wohl meist trocken.

Zu Beginn kommender Woche tropft der Höhentrog über Südwesteuropa ab. Dadurch
kann sich der Höhenrücken über Osteuropa unter Verstärkung wieder mehr nach
Mitteleuropa ausweiten, ein weiterer Rücken erstreckt sich vom Seegebiet
nordwestlich der Britischen Inseln bis weit ins Nordmeer.
Das Bodentief über der Nordsee füllt sich auf, übrig bleibt eins
schwachgradientiges, leicht zyklonal konturiertes Druckfeld über weiten Teilen
Mittel- und Südwesteuropa. Von Süden her gelangen dabei weiterhin milde
Luftmassen ins Vorhersagegebiet, vor allem in der Westhälfte bleibt es im Zuge
des Abtropfprozesses leicht unbeständig.
In der erweiterten Mittelfrist simuliert das IFS dann ein recht kräftiges und
halbwegs stabiles Hoch über Skandinavien, an dessen Südflanke von Südosten her
recht trockene und einigermaßen milde Luftmassen ins Vorhersagegebiet gelangen.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Auch, wenn es vom Timing her, was den Durchzug der Kurzwellentröge angeht,
kleinere Differenzen gibt, kann dem aktuellen IFS-Lauf zunächst eine gute
Konsistenz zu den beiden Vorläufen bescheinigt werden. Das Frontensystem am
Samstag über der Nordsee bzw. Südwestdeutschland wurde im gestrigen 00 UTC-Lauf
etwas wetterwirksamer und weiter nach Osten ausgreifend simuliert.
Erst zu Beginn der erweiterten Mittelfrist treten dann substantiellere
Unterschiede auf: Der Abtropfprozess ist im Vorlauf gar nicht im Programm,
stattdessen soll der Trog rasch über das Vorhersagegebiet hinweg ostwärts ziehen
und erneut eine zyklonale Westlage einleiten. Der gestrige 00 UTC-Lauf lässt den
Trog dagegen weiter südwestlich abtropfen, wodurch sich ein zu den Britischen
Inseln gerichteter Höhenrücken deutlich verstärken kann. Vorderseitig des
Rückens dreht die Höhenströmung über dem Nordmeer und Skandinavien auf Nordwest,
wobei sich durch kräftige KLA der vom Abtropfprozess übrig gebliebene „Resttrog“
im Lee des Norwegischen Küstengebirges deutlich verstärken kann. Dieser
überquert am Dienstag das Vorhersagegebiet südostwärts und leitet eine kalte
Nordlage ein.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Bei Betrachtung der synoptischen Basisfelder ergeben sich für den Donnerstag und
Freitag keine größeren Modellunterschiede. Bezüglich der Passage des
Kurzwellentroges am Freitag hat IFS die progressivste und auch markanteste
Entwicklung auf der Agenda.
Am Samstag simuliert GFS eine dem IFS sehr ähnliche Entwicklung, während sich im
GEM der nach Osten abziehende Trog als etwas hartnäckiger erweist. Eine
Außenseiterlösung fährt das ICON mit einer weiteren Trogpassage im Tagesverlauf.

Am Sonntag und zu Beginn der kommenden Woche bekommen die Modelle dann
offensichtlich Probleme, was den Abtropfprozess des Troges über den Britischen
Inseln angeht. ICON ähnelt dabei dem IFS mit einem markanten Höhenrücken über
Ost- und Mitteleuropa, das den Trog blockiert und bereits über West- bzw.
Südwesteuropa austropfen lässt. Dadurch stellt sich über dem Vorhersagegebiet
eine milde und wohl recht trockene Südsüdwest-, später eher Südostlage ein.
GFS und ähnlich auch GEM simulieren einen ins Nordmeer gerichteten Höhenrücken
stärker als ICON bzw. IFS, wodurch der Abtropfprozess erst über Mitteleuropa
eingeleitet wird. Das verbliebene Trogresiduum kann dann Mitteleuropa zögernd
südostwärts überqueren und an der Südostflanke des eben erwähnten Höhenrückens
stellt sich dann eine recht kalte, aber im wohl eher antizyklonal konturierte
Nordlage ein. Beide Modelle lassen den Höhenrücken dann im Laufe der erweiterten
Mittelfrist allmählich nach Mitteleuropa bzw. Skandinavien vorankommen.
Wettertechnisch freundliche Tage, aber frostige Nächte wären die Folge.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Die 49 Ensembleläufe, Haupt- und Kontrolllauf verteilen sich im Zeitraum T+72-96
Stunden auf 4 Cluster, die sich bzgl. der Wetterentwicklung in Mitteleuropa aber
kaum unterscheiden.
Im Zeitraum T+120-168 Stunden tauchen drei Cluster auf (jeweils 18, 17, 16
Member, Hauptlauf in Cluster 1). Cluster 1 und 2 unterscheiden sich für
Mitteleuropa nicht signifikant. Cluster 3 hat dagegen den Abtropfprozess am
Sonntag/Montag nicht auf der Agenda.
Dieser Abtropfprozess erweist sich, was die weitere Wetterentwicklung zu Beginn
kommender Woche angeht, als „Zünglein an der Waage“. Die große Unsicherheit
diesbezüglich manifestiert sich an sechs Clustern (jeweils 15, 13, 9, 7, 5, 2
Member, Hauptlauf in Cluster 3), die für den Zeitraum T+192-240 Stunden
generiert werden. Cluster 1 und 2 lassen den Trog gar nicht abtropfen und
markieren den Übergang zu einer eher antizyklonal geprägten Südwest- bis
Westlage. Auch Cluster 4 und 5 zeigen keinen Abtropfprozess, tendieren zu
Wochenmitte aber eher Richtung Hoch Mitteleuropa (Cluster 3) bzw.
Skandinavienhoch (Cluster 4).
Übrig bleiben Cluster 3 und 5. Cluster 3 ähnelt dem Hauptlauf (welcher sich ja
auch in diesem befindet), ist aber noch antizyklonaler aufgestellt. Nach Cluster
5 findet der Abtropfprozess über Mitteleuropa statt, so dass sich am Südrand
eines sich verstärkenden Skandinavienhochs eher die Großwetterlage „Tief
Mitteleuropa“ oder „Südost zyklonal“ einstellen dürfte.
Die Kurvenschar der 850 hPa-Temperatur in den Rauchfahnen für verschiedene Orte
in Deutschland verläuft bis Samstag in einem relativ engen Spread, am Freitag
und Samstag mit Werten zwischen -3 und -6 Grad auch unterhalb des Klimamittels.
Mit den weiter oben beschriebenen Unsicherheiten ab Sonntag bzw. zu Beginn der
kommenden Woche wird der Spread deutlich größer. Die „warme“ Variante des
Hauptlaufs teilen zwar einige Läufe, dennoch bewegt er sich ab Montag im
obersten Bereich der Kurvenschar, ist zeitweise auch der wärmste Lauf (bis +7
Grad in 850 hPa am Dienstag in der Mitte des Landes). Die meisten Läufe liegen
zu Wochenbeginn zwischen -1 und +4 Grad, es gibt aber auch „kalte Ausreißer“ bis
-6 Grad (ein Einzellauf am Dienstag gar bis -10 Grad). GFS-ENS zeigt bzgl. der
850 hPa-Temperatur einen ähnlichen Verlauf, der Hauptlauf ist allerdings eher um
den Median angesiedelt.
Die Niederschlagssignale gehen am kommenden Wochenende zwar zurück, aber bereits
zu Beginn kommender Woche nehmen sie wieder zu.

FAZIT:
Bis Sonntag steht die Wetterentwicklung im Groben mehr oder weniger fest – sieht
man mal von der Außenseiterlösung des ICON (weiterer Trogdurchgang am Samstag)
ab.
Danach werden die Unsicherheiten deutlich größer, wobei der Abtropfprozess am
Sonntag/Montag eine entscheidende Rolle spielt. Der aktuelle IFS-Lauf lässt
natürlich die Herzen der Märzfrühling-Freunde höherschlagen, während GFS und GEM

  • aber auch einige Ensemble-Mitglieder des IFS durchaus auch Varianten mit
    verbreitetem Nachtfrost auf der Agenda haben.
    Detaillierte Aussagen, was die Wetterentwicklung ab Montag betrifft, sind somit
    (noch) nicht wirklich sinnvoll.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

EFI hat für den Donnerstag durchaus Signale für eine markante Windentwicklung in
der Nordhälfte Deutschlands auf der Agenda. Auch die Probabilistik „springt an“,
vor allem ECMWF-EPS mit hohen Wahrscheinlichkeiten für Sturmböen im Nordwesten
und Norden. COSMO-LEPS und ICON-EU-EPS haben dafür teils deutlich geringere
Wahrscheinlichkeiten auf der Agenda. Offensichtlich zeigen viele IFS-Member eine
recht markante Windentwicklung.
Am Freitag gehen die EFI-Signale bzgl. Sturmböen deutlich zurück. Die höchsten
Wahrscheinlichkeiten für Böen Bft 8 und 9 zeigt die Probabilisitk (mit
geringeren Werten als am Vortag) im Norden und Osten Deutschlands, wobei jetzt
ICON-EU-EPS ein wenig die Nase vorn hat.
Am Wochenende sind dann wohl – außer auf einigen Mittelgebirgsgipfeln – keine
markanten Böen mehr zu erwarten.
Am Freitag/Nacht zum Samstag könnte es in exponierten Alpenstaulagen markante
Schneefälle geben, diesbezüglich gehen die Modelle aber noch etwas auseinander.

Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, IFS-ENS, MOSMIX

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Winninghoff