SXEU31 DWAV 160800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 16.02.2020 um 08 UTC

GWL und markante Wettererscheinungen:
SWz

Mit Ausnahme des Südostens sehr kräftiger Wind mit Sturmböen, lokal orkanartige
Böen nicht ausgeschlossen. Heute noch sehr mild, ab Montag deutlicher
Temperaturrückgang, in den Nächten zum Dienstag und zum Mittwoch in Hochlagen
und im Süden wieder leichter Frost, etwas Schnee und Glätte. In der Nacht zum
Dienstag im Norden einzelne kurze Gewitter nicht ausgeschlossen.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 24 UTC

Sonntag… Heute liegt Deutschland im Einflussbereich des hoch reichenden,
großflächigen und kräftigen Tiefdrucksystems VICTORIA, das sich aktuell mit
einem Kerndruck von etwas unter 925 hPa südlich von Island befindet und im
Tagesverlauf zögerlich nach Südosten wandert. Dabei bilden sich aufgrund der
amorphen Struktur des Geopotentialfeldes mit mehreren kurzwelligen Trögen und
Rücken mehrere kleinräumige Kerne aus. Einer soll zum Morgen in etwa auf der
ursprünglichen Position des Haupttiefs liegen, während dieses sich dann nördlich
von Schottland aufhält. Weitere Kerne sind zum Montagmorgen über dem Nordmeer
sowie über Lappland auszumachen. Während das Haupttief einen nach Südwesten
weisenden kleinen Appendix aufweist, der sich im Theta-Feld als warme Schliere
und somit als Okklusion zu erkennen gibt, verläuft die Hauptfront in einem
weiten Bogen von Island über das Nordmeer nach Osten. Vor der norwegischen Küste
biegt diese nach Süden, über der Nordsee dann nach Südwesten ab, um dann den
zentralen Atlantik zu erreichen. Bis zum heutigen Mittag ist von den Modellen
angedacht, dass die Front, deren Warmsektor schon zum jetzigen Zeitpunkt recht
schmal geschnitten ist und somit einer weiteren Okkludierung nur noch wenig
entgegenzusetzen hat, als Okklusion die Deutsche Bucht, das Ijsselmeer und den
Ärmelkanal erreicht. Auch präfrontal zeigt sich der Gradient recht stramm, was
schon zum jetzigen Zeitpunkt über dem Nordwesten, aber auch in den Hochlagen der
Mittelgebirge zu Windböen und Sturmböen führt, auf dem Brocken reicht es schon
jetzt für die volle Orkanstärke. Durch eine flache Welle im Bereich der
südlichen Nordsee und des Nordausgangs des Ärmelkanals wird die südostwärtige
Verlagerung der Front etwas verzögert, so dass diese erst im Laufe späten
nachmittags auf Deutschland übergreift. Während postfrontal der Gradient recht
schnell auffächert und die Windsituation sich entspannt, muss im Vorfeld und an
der Front verbreitet mit Sturmböen bis ins Flachland gerechnet werden. Bis in
den Bereich der schweren Sturmböen gehen die Modelle recht unisono auf den
Bergen, wo auf dem Brocken in der Spitze Böen über 140 km/h angesetzt werden.
Als Schwerpunkt im Flachland arbeiten die Modelle einen Streifen vom Niederrhein
bis zur Eifel heraus. Hier wird, an der Südflanke der schwachen Welle, der
Gradient zusätzlich etwas zusammengedrückt. So zeigen dort COSMO-D2, aber auch
ICON, ICON-EU und auch MOSMIX Böen zwischen 100 und 120 km/h (Bft 11) und damit
Unwetter an. Zwar deuten die Oberwinde, die beispielsweise bei ICON-EU in 850
hPa bei 85 kt liegen und auch die hohen Scherungswerte Potential für noch höhere
Windgeschwindigkeiten an, allerdings ist auch im Frontbereich die Schichtung
recht stabil, was ein heruntermischen der Höhenwinde verhindert. Der kurze Spuk
im Westen sollte darüber hinaus nur am späten Nachmittag und frühen Abend
andauern, dann fächert dort der Gradient wieder auf.

Die Front selbst erreicht zum Montagmorgen etwa die Donau, wobei sich dann auch
dort wieder eine schwache Welle an der Front bildet. Dies führt dazu, dass der
Gradient dort so wie auseinandergezogen wird, dass südlich der Donau nach
COSMO-D2, aber auch nach ICON oder IFS noch nicht einmal warnwürdige Böen der
Stärke 7 auftreten sollen. Bis nach Franken und zum Bodensee kommen die
kräftigen Böen aber immerhin voran, sodass dort steife und stürmische Böen auf
der Tages- respektive Nachtordnung stehen. In den übrigen Gebieten sind in die
Nacht hinein weiter Sturmböen und schwere Sturmböen zu erwarten, die aber von
Nordwesten nachlassen. Stürmisch geht es bis zum Morgen an der Ostsee, mit Sturm
an der Nordsee weiter. Niedertroposphärisch bringt die Front eine deutliche
Abkühlung. Liegen die 850er-Temperaturwerte heute Mittag noch bei 6 bis 12 Grad,
so sinken sie bis zum Montagmorgen im Nordwesten auf -3 Grad, im Südosten sollen
sie dann etwa bei 7 Grad liegen. Damit geht die Nacht frostfrei über die Bühne,
und die an die Front gekoppelten Niederschläge fallen durchweg in der flüssigen
Phase.

Montag… greift von Westen eine zum großräumigen Höhentiefkomplex über dem
Nordmeer und Skandinavien gehörender langwelliger Troganteil von Westen her auf
das europäische Festland über. Bemerkenswert sind dabei die Temperaturen in 500
hPa, die um -34 Grad liegen sollen. Somit stellt sich bei Übergreifen des Troges
nach Osten eine deutliche Labilisierung der Schichtung ein. Die Trogachse
erreicht bis zum Abend die Loire, in der Nacht greift sie auf Deutschland über
und soll bis zum Morgen des Dienstags etwa bis nach Schleswig-Holstein und nach
Bayern vorankommen. Im Bodendruckfeld nimmt der über Lappland liegende Tiefkern
zunehmend die dominierende Rolle im nordeuropäisch-nordatlantischen Tiefkomplex
ein, während der zum Morgen nördlich von Schottland liegende allmählich an Kraft
verliert und nach Osten bis zur zentralen Ostsee zieht. Für uns ist dies aber
letztlich unerheblich. Wie liegen weiter auf der Süd- bzw. Südostflanke des
Tiefkomplexes in einer strammen, zumeist westlichen Strömung. Die über dem Süden
weiterhin wellende Front wird durch den Trog nur sehr zögerlich nach Südosten
geschoben, bis zum Abend soll sie noch über dem Südosten Bayerns auszumachen
sein. Damit halten über dem Südosten auch die Niederschläge bis in die Nacht zum
Dienstag an, deren etwas breiter auseinanderlaufende, zunehmend flächige
Signatur bildet ebenfalls das Wellen der Front ab. Die nunmehr länger
andauernden Niederschläge erreichen im 24-stündigen Intervall bis Dienstagfrüh
zwar keine Warnschwellen, laut ICON sind aber im Schwarzwald knapp unter 30 l/qm
drin, GFS und IFS zeigen dort mit knapp über 20 l/qm etwas schwächere Signale.
Allerdings sinken die 850er-Temperaturen bis zum Morgen überall auf Werte um -5
Grad, so dass im Süden die Niederschläge wieder mehr und mehr in Schnee
übergehen. Dabei kann sich in den Hochlagen der Mittelgebirge mitunter eine
dünne Neuschneedecke ausbilden, ICON etwa denkt bis zum Morgen dort an 1-2 cm
Neuschnee, nach jetzigem Stand soll es allenfalls punktuell etwas mehr werden.
Da die Höhenkaltluft des Troges sich vor allem im Norden bemerkbar macht, ist
dort die thermische Labilität am höchsten, was u.U. zu dem einen oder anderen
kurzen Gewitter führen könnte. Bezüglich des Windes sollten sich die Abläufe wie
folgt darstellen: Der Langwellentrog in 500 hPa wird von einem weitgehend
senkrecht unter ihr befindlichen Bodentrog begleitet. Dieser erreicht bis zum
Abend Zentralfrankreich und bis zum Dienstagmorgen ist er schon bis nach Polen
durchgelaufen. Während sich der Gradient auf der Vorderseite des Bodentroges
noch leicht aufgefächert präsentiert, zieht er rückseitig des Troges wieder
etwas an. Die dadurch zu erwartende Windzunahme wird allerdings dadurch
kompensiert, dass die Strömung gleichzeitig durchglättet, im Süden sogar einen
etwas antizyklonalen Touch bekommt und damit ihren zyklonalen Charakter
verliert. Für den Tag und auch für die Nacht zum Dienstag heißt dies im
Mittelgebirgsraum steife bis stürmische Böen, exponiert sind auch Sturmböen zu
erwarten. Im Nordwesten, wo der Gradient bis zum Morgen etwas schärfer und auch
weiter leicht zyklonal ist, muss im Binnenland mit steifen, am Tage durch die
etwas bessere Durchmischung auch mit stürmischen Böen gerechnet werden. Am den
Küsten bleiben wir am Tage im Sturmbereich, in der Nacht lässt auch dort der
Wind nach, so das zum Morgen nur noch an der Nordsee steife Böen zu erwarten
sind.

Dienstag… schiebt sich in den Süden der schwache Keil eines Azorenhochs,
während im Norden tiefer Luftdruck über Nordeuropa und dem Nordatlantik
wetterbestimmend bleibt. Im Geopotentialfeld wandert der Trog, der in der Nacht
zu Dienstag noch für eine gewisse Gewitteraffinität gesorgt hat, nach Osten aus,
wodurch die Höhenströmung vorübergehend durchglättet bzw. einen leicht
antizyklonalen Charakter bekommt, bevor in der Nacht zum Mittwoch erneut ein
Trog auf den Vorhersagebereich übergreift. Bei alldem ist vom Norden bis in die
Mitte der Gradient weiterhin recht kräftig ausgeprägt, und in diesen Gebieten
ist die Schichtung auch labiler, so dass steife Böen laut ICON bis in den
Kraichgau und nach Franken zu erwarten sein sollten; laut IFS sollen die Böen
noch etwas weiter nach Süden bis ins Alpenvorland ausgreifen. Im
Mittelgebirgsraum und in der Norddeutschen Tiefebene werden steife bis
stürmische, exponiert dort auch Sturmböen erwartet, was die Modelle nunmehr
recht einheitlich so einschätzen. In der Nacht schwächt sich der Wind
vorübergehend ab, um in der zweiten Nachthälfte ein vorübergehendes Maximum
anzusteuern, das einem Kurzwellentrog (bodennah und in 500 hPa erkennbar)
geschuldet ist. In Verbindung mit diesem sind vorübergehend erneut Windböen und
stürmische Böen zu erwarten, und dieser Trog wird auch von ICON und IFS, aber
beispielsweise auch von GFS gezeigt. Mit dem Trog nimmt in der Nacht zu Mittwoch
auch die Labilität zu, so dass sich die Schauertätigkeit intensiviert. Die
Tatsache, dass die 850er Temperaturen, die am Tage um -5 Grad liegen sollen, in
der Nacht auf -4 Grad ansteigen, ändert nichts daran, dass die Niederschläge in
den Hochlagen als Schnee fallen können. Einige cm Neuschnee sind dabei möglich.
Dazu wird es im Süden, wo es windschwach und zum Teil klar ist, aber auch in
höheren Mittelgebirgslagen Tiefstwerten etwas unter null Grad geben.

Modellvergleich und -einschätzung

Die Modelle simulieren die Abläufe recht einheitlich. Unterschiede in der
genauen Positionierung der Boden- und Geopotentialtiefs über Nordeuropa und dem
Nordatlantik sind für uns unerheblich, da wir so oder so im betrachteten
Vorhersagezeitraum auf der Süd- bis Südostflanke des großräumigen Tiefkomplexes
liegen. Die Trog- und Rückenstrukturen, die um diesen Komplex herumgesteuert
werden, sehen bei ICON, IFS und GFS sehr ähnlich aus. Dies gilt bis in die Nacht
zum Mittwoch, wo die genannten Modelle alle einen von Westen auf uns
übergreifenden Trog berechnen.

Im Detail ergeben sich Unterschiede in den Niederschlags- oder Windfeldern,
Unterschiede in der Warnstrategie haben diese aber nicht zur Folge.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas