SXEU31 DWAV 140800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 14.02.2020 um 08 UTC

GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Übergang von SWa (Südwest antizyklonal) zu Wz (West zyklonal)

Erst Zwischenhocheinfluss, dann wieder windiger bis stürmisch. Am Sonntag im
Westen und Nordwesten sowie Teilen der Mitte Sturm (VICTORIA), aber nicht so
heftig wie bei SABINE. Vor allem am Sonntag landesweit sehr mild bis
frühlingshaft warm.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC

Freitag… zeigt die großräumige Potenzialverteilung ein mäandrierendes Muster
mit einer leicht progressiven Trog-Keil-Struktur über West- und Mitteleuropa.
Über dem mittleren Nordatlantik hingegen setzt bereits wieder die nächste
Glättung der Frontalzone mit Bildung eines veritablen Jets ein, was im Laufe des
Wochenendes sowie zu Beginn der nächsten Woche auch für uns von Interesse sein
wird. Zunächst aber mal zum Hier und Heute, wo sich besagter Trog mit dem
korrespondieren und mittlerweile „in die Jahre“ gekommenen Tief TOMRIS (um 03
UTC konnte keine 1005-hPa-Kernisobare mehr gefunden werden) nach Osten
verabschiedet. Der Luftdruck steigt bereits deutlich und kündigt ein
Zwischenhoch an, das sich in Form eines von Südwest- bis nach Mitteleuropa
gerichteten Hochkeils widerspiegelt. Der FU Berlin war das bisher (Stand
Donnerstag) keinen Namen wert, was der Verfasser aber nicht ganz gerecht findet.
Immerhin beschert genau dieses Zwischenhoch den Süddeutschen ein mildes
(Samstag) bis pipiwarmes (Sonntag) und sonniges Wochenende, da kann man schon
mal Namen und Titel vergeben.
Wie auch immer, Fakt ist, dass nicht nur der Luftdruck steigt, sondern zunehmend
auch ein Höhenrücken den Platz des scheidenden Trogs einnimmt. Heute tagsüber
verbleiben wir aber noch weitgehend auf seiner Vorderseite unter einer immer
antizyklonalere Konturen annehmenden nordwestlichen Höhenströmung. Dabei
verstärkt sich das Absinken und die die anfangs noch labil geschichtete, frisch
eingeflossene erwärmte Meereskaltluft (T850 heute früh -2 bis -5°C) stabilisiert
zusehends – mit einer Ausnahme. Unterhalb der sich etablierenden Absinkinversion
(heute Mittag im Westen z.T. schon bei 900 hPa, im Osten und Südosten noch bei
700 hPa) bleibt eine indifferente bis leicht labil geschichtete und relativ
feuchte Grenzschicht erhalten, in der noch recht viel Bewölkung aus der Nacht
übrigbleibt oder – im Falle durchaus vorhandener Lücken – sich neu zu einem an
der Inversion breitlaufenden ScCugen (Stratocumulus Cumolugenitus) bildet. Doch
nicht nur das, vornehmlich im Osten und Südosten, wo das Absinken etwas zäh in
Gang kommt und die Grenzschicht noch leidlich mächtig bleibt, kann mit
orografischer Hilfe bis weit in den Nachmittag hinein leichter Niederschlag in
Form von Regen/Nieselregen, im Bergland als Schnee fallen. Während die Mengen in
den meisten Mittelgebirgen marginal ausfallen, sind es im Bayerischen Wald
oberhalb 800 bis 1000 m immerhin noch mal bis zu 5 cm, an den Alpen stellenweise
sogar 5 bis 10 cm Neuschnee – perdu, wie wir später noch erfahren werden.
Der im Süden und Südosten zwischen dem abziehenden Tief und dem sich aufbauenden
Hoch vorhandene Druckgradient weicht im Tagesverlauf zunehmend auf, so dass dem
anfänglich noch mäßigen bis frischen westlichen Wind (Böen 7 Bft, exponiert 8
Bft, höhere Lagen bis zu 10 Bft) mehr und mehr der Sprit ausgeht.
Temperaturmäßig gilt es sich auf Höchstwerte zwischen 4 und 9°C im Norden und
Osten sowie 6 bis 12°C (am wärmsten am Oberrhein) in den übrigen Regionen
einzustellen, was gemessen an dem, was da in den nächsten Tagen kommt, als
„bitterkalt“ zu bezeichnen ist.

In der Nacht zum Samstag wandert der Höhenrücken vergleichsweise zügig über den
Vorhersageraum ostwärts hinweg, was aber keinesfalls das Ende des
ZwischenhocheinflussŽ bedeutet. Allerdings ist spätestens jetzt der Zeitpunkt
gekommen, seine Augen mal auf den Atlantik zu richten, wo – weiterhin muss man
sagen – eine extrem rege Tiefdrucktätigkeit zu beobachten ist. Hauptdarstellerin
ist dabei das Monumentaltief UTA unweit von Island, das vor lauter Auspumpen
nicht weiß, wo es mit seinem tiefen Luftdruck (heute früh unter 935 hPa) hinsoll
und folglich einen zweiten Kern bildet. Nicht minder interessant ist eine
zunächst noch offene Welle mit dem Namen VICTORIA, die südlich um das Muttertief
(korrekter wäre freilich Zentraltief) herumgesteuert wird und sich dabei zu
einem echt knackigen Orkantief entwickelt. Um 06 UTC wird VICTORIA mit einem
Kerndruck von unter 935 hPa! süd-südwestlich von Island etwa bei 22°W, 58°N
erwartet. Damit liegt es noch weit genug weg, um bei uns größeren Schaden
anzurichten. Trotzdem, ein erstes Frontensystem erfasst die Deutsche Bucht und
lässt dort nicht nur den südlichen Wind zeitweise auffrischen (7 Bft), sondern
bringt zwischen Ostfriesland und Kieler, vielleicht auch Lübecker Bucht etwas
Regen. Durch den schleifenden Charakter der Kaltfront sind in Nordfriesland
stellenweise sogar zwischen 5 und 10 mm innert 12 h möglich, was dort aber auch
keinen so wirklich beeindruckt.
Für den ganz großen Rest des Landes lässt sich konstatieren, dass – nachdem die
letzten Tropfen oder Flocken im äußersten Südosten gefallen sind – die
Wolkendecke teilweise auflockert. So wird die Inversion durch andauerndes
Absinken immer weiter nach unten gedrückt, was gleichzeitig ein Abtrocknen der
Grenzschicht von oben zur Folge hat. Ganz nebenbei wird es dadurch
niedertroposphärisch immer wärmer, am Morgen liegt T850 zwischen 0°C an der
Grenze zu „danish dynamite“ und bis zu 6°C im Saarland. So ganz lässt sich die
Feuchtigkeit aus der Grundschicht aber nicht tilgen, was gerade im Süden und
Südosten im Falle längeren Aufklarens Nebelfelder mit Sichtweiten von z.T. unter
150 m zur Folge hat. Apropos Aufklaren, im Süden sowie entlang der östlichen
zentralen Mittelgebirge geht die Temperatur auf 0 bis -3°C zurück, örtliche
Glätte durch gefrierende Nässe (offensives Warnmanagement gewünscht) gratis
dazu. Ansonsten dürfte Luftfrost kaum, evtl. aber Bodenfrost auftreten (Mitte,
Osten), wenn die Bewölkung (ein zugegeben unsteter Parameter) mitmacht.
Entsprechende Glättewarnungen, sofern nötig, können leider nur kurzfristig
ausgegeben werden.

Samstag… breiten sich Frontalzone und Jet langsam aber sicher ostwärts aus,
wobei sich auf der kalten Seite eine sehr breite aber flache Trogkonfiguration
ausmachen lässt. Deutschland gelangt damit hinter dem ostwärts abwandernden
Rücken unter eine diffluente südwestliche Höhenströmung, in der schwache WLA
wirksam ist. „Tochter“ VICTORIA nähert sich von Süden her Island, wohingegen
„Mutter“ UTA sich etwas weiter westlich platziert. Beide weisen um 12 UTC
Kernisobaren von 930 bzw. 935 hPa auf, was angesichts des vergleichsweise
geringen Abstands der beiden Tiefs (1000 km sind bei zwei solchen Wuchtbrummen
nicht viel) bemerkenswert ist. Zwei Alphatiere auf so kleinem Raum, das kann
nicht gut gehen, und so kommt es am Ende so wie es kommen muss: Tief UTA fügt
sich ihrem Schicksal und beginnt sich aufzufüllen, um letztlich zu einem
Bodentrog zu mutieren. Gleichzeitig über nimmt VICTORIA die Rolle des
Haupttiefs, das von kleinen Wellen oder kleineren Randtiefs umkreiselt wird.
Zurück nach Deutschland, wo zwar der Luftdruck beginnt zu fallen und sich das
Hoch langsam gen Südosten zurückzieht. Trotzdem hält es weiterhin reichlich
Aktien am Deutschlandwetter, vor allem im Süden, wo über weite Strecken des
Tages die Sonne scheint. Aber auch sonst stehen bei unterschiedlichen
Bewölkungsverhältnissen die Chancen auf zeitweiligen Sonnenschein nicht so
schlecht. Je weiter man sich allerdings Richtung Nordwesten orientiert, desto
zahlreicher und geschlossener werden die Wolken. Insbesondere am Morgen und am
Vormittag regnet es noch an der Küste und im küstennahen Binnenland, während es
am Nachmittag weitgehend trocken bleibt. Der südliche Wind nimmt im Nordwesten
ganz allmählich Fahrt auf, was an und auf der Nordsee sowie im unmittelbar
angrenzenden Binnenland am Nachmittag und Abend erste Böen 7-8 Bft zur Folge
hat. Auch im äußersten Westen an der Grenze zu Benelux, vor allem im Lee von
Eifel und dem Hohen Venn sind dann die ersten „7er“ drin. Ob es in Ostsachsen
durch orografische Triggerung für Böen 7 Bft reicht, wie von MOS-Mix angezeigt,
ist fraglich. Dafür wird es auf den Bergen mit Ausnahme der Alpen sowie der
südöstlichen Mittelgebirge zunehmend stürmisch. Auf alle Fälle wird es
landesweit ziemlich mild mit Höchstwerten zwischen 8 und 14°C, wobei die Maxima
im Westen und Südwesten erwartet werden.

In der Nacht zum Sonntag fällt der Luftdruck weiter und der Gradient nimmt zu.
Südwestlich des über der Nordsee und Westeuropa wellenden Frontenzugs gelangen
wir, wenn man so will, in einen riesigen Warmsektor, in dem subtropische
Luftmassen aus Südwesteuropa relativ problemlos den Weg zu uns finden. Dabei
steigt die 850-hPa-Temperatur bis zum Morgen auf 5 bis 10°C an, was insbesondere
im Norden und Westen bei guter Durchmischung einen Anstieg der nächtlichen
2m-Temperatur zur Folge hat. Entkoppelt bleibt die Grenzschicht eigentlich nur
im Süden und Südosten, wo es gebietsweise sogar noch mal für leichten Frost
reicht.
Der Süd-Südwestwind nimmt im Westen und Nordwesten, an der Ostsee sowie in der
nördlichen Mitte weiter auf mit Böen 7-8 Bft, exponiert 9 Bft, Nordsee 10 Bft,
freie Hochlagen (Norden, Mitte) bis 12 Bft. Obwohl die wellende Kaltfront noch
außen vor bleibt (Nordsee), breiten sich Regenfälle vom äußersten Nordwesten
langsam südostwärts bis zur westlichen Mitte aus, wobei die Modelle in der
Progression der Niederschläge derzeit noch leicht unterschiedlicher Meinung sind
(ICON am offensivsten).

Sonntag… positioniert sich das tonangebende Orkantief VICTORIA südlich von
Island (rund 940 hPa), womit es schon mal ein Stück weiter weg von Deutschland
ist als SABINE am vergangenen Sonntag. Gleichwohl nehmen Gradient und Wind
weiter zu, was vor allem im Norden (NW deutlich mehr als NO), im Westen sowie in
der Mitte zu spüren sein wird. Ja, es gibt Sturm, und ja, es wird z.T. heftig
blasen, aber mit SABINE kann die gute VICTORIA nicht mithalten. Gründe dafür
gibt es genug (kein Anspruch auf Vollständigkeit): Entfernung zu Deutschland
größer, geringerer Druckgradient (unter 30 hPa zwischen List und Reit im Winkl),
weiter nördlich liegender Jet, stabilere Schichtung bei gleichzeitig etwas
geringeren Oberwinden und eine Kaltfront, die der vom vergangenen Sonntag/Montag
auch nicht das Wasser reichen kann. Ohne die Situation zu verharmlosen oder
kleinzureden, kommt nach jetzigem Erkenntnisstand am Sonntag eine
handelsübliche, ganz normale Sturmlage auf uns zu, die in den genannten Gebieten
Sturmböen 8 bis 9 Bft, exponiert (also da, wo die Orografie mithilft) 10 Bft auf
die Platte bringt. An und auf der Nordsee sowie im nördlichen SH sind 10er-Böen
häufiger zu erwarten, auch orkanartige Böen 11 Bft sind dort nicht ganz
ausgeschlossen. Ob es an der Nordsee letztlich für eine Unwetterwarnung reicht,
ist aktuell noch offen. Eventuell kommt man mit einer nach oben ausgereizten
schweren Sturmwarnung plus „Häkchen“ aus. Die höchsten Windgeschwindigkeiten
treten selbstredend in den exponierten Hochlagen der zentralen und nördlichen
Mittelgebirge auf mit voller Orkanstärke 12 Bft.
Im Süden beschränkt sich die Windzunahme im Wesentlichen auf die Hochlagen (8
bis 11 Bft), während im Tiefland nur gebietsweise (Franken, Nordbaden) und mit
Mühe Windstärke 7 Bft erreicht wird.
Während in Süddeutschland noch mal die Sonne scheint und angesichts
apostrophierter Höchstwerte von 14 bis 20°C (Oberrhein) über eine Hitzewarnung
nachgedacht werden sollte, breiten sich mit der nun endlich von der Deutschen
Bucht aufs Festland übergreifenden Kaltfront neue Regenfälle von Nordwesten her
südostwärts aus. Dabei kann es an bzw. kurz vor der Front in Nordwestdeutschland
mitunter auch mal kräftiger regnen, offizieller Starkregen (> 20 mm/6 h) drängt
sich derzeit aber nicht auf. Hinter der Kaltfront gelangt nicht nur ein Schwall
subpolarer Meeresluft (T850 um oder etwas unter 0°C bei gerade mal rund -20°C in
500 hPa, was alles andere als labil ist) in den Norden und Westen, auch der Wind
lässt schlagartig nach (außer wahrscheinlich an der Küste). Trotz des Regens und
des Überangebots an Bewölkung wird auch in der Nordwesthälfte ein hohes
Temperaturniveau mit 13 bis 18°C erreicht – Wahnsinn.

Modellvergleich und -einschätzung

Insgesamt bleiben die Modelle bei ihrer Linie eines geradlinigen (ohne große
Wellen oder kleine Sturmtiefs) Südweststurms am kommenden Sonntag. Dass die
Böenparametrisierung je nach Modell etwas anders ausfällt, wissen wir spätestens
seit letzter Woche. Auch diese Mal simuliert IFS wieder etwas aggressiver als
ICON und auch GFS, aber keinesfalls so hoch wie vergangenen Sonntag/Montag.
Einig ist man sich in dem Punkt, dass sich mit Verlagerung der Kaltfront in den
Süden der Wind/Sturm mehr und mehr abschwächt, so dass in Süddeutschland kaum
noch was ankommt. Diese Aussage steht der Entwicklung von SABINE diametral
gegenüber.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann