SXEU31 DWAV SYNOPTISCHE UEBERSICHT KURZFRIST
SXEU31 DWAV 030800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 03.02.2020 um 08 UTC
GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Übergang von Wz (West zyklonal) über NWz (Nordwest zyklonal) bis hin zu HM
(Hoch Mitteleuropa)
Heute im Süden weiterer Dauerregen und Tauwetter, teils Unwetter. Kommende Nacht
im Süden Wellenpassage mit Sturm/Orkan und markantem Luftmassenwechsel. Morgen
Schauerwetter, an den Alpen teils kräftiger Schneefall (Stau).
Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 24 UTC
Montag… präsentiert sich das Wetter in Mitteleuropa respektive Deutschland
einmal mehr sehr facettenreich und spannend. Ein wesentlicher Mitgrund dafür ist
die Lage der Frontalzone, die in gut ausgeprägter Form vom nahen Ostatlantik bis
fast zum Schwarzen Meer reicht und dabei mitten über dem Vorhersageraum
verläuft. Dabei trennt sie sehr milde und sehr feuchte, subtropisch angehauchte
Meeresluft im Süden von subpolarer Meeresluft weiter nördlich. Der
Temperaturgradient zwischen Nord und Süd wächst dabei immer weiter an, weil im
Norden die Luftmasse auf immer direkterem Weg aus hohen Breiten angezapft wird,
während im Süden vorübergehend noch mildere Luftmassen aus Südwesteuropa in den
äußersten Süden gespült werden. Beträgt der Temperaturunterschied in 850 hPa
heute Mittag gerade mal 5 Grad zwischen Küste und Alpenrand (0 bis 5°C), sind es
um Mitternacht satte 12 Grad (-4 bis +8°C), bevor sich bis Dienstagfrüh fast
überall die maritime Kaltluft durchsetzt (zuletzt in Südostbayern).
Wie nicht anders zu erwarten korreliert die Frontalzone mit flotten, wenn auch
nicht überbordend stürmischen west-südwestlichen Bodenwinden, die zwischen hohem
Luftdruck über Südwesteuropa/Mittelmeerraum und tiefem Luftdruck über Nordeuropa
angefacht werden. Als Protagonistin entpuppt sich dabei heute das Sturmtief
OTTILIA, das heute früh mit etwa 980 hPa im Kern knapp westlich der Färöers
anzutreffen ist, von wo aus die südnorwegische Westküste angesteuert wird. Die
zugehörige Warmfront ist gerade dabei, Ost- und Nordostdeutschland mit frontalem
zu überqueren, bevor im Tagesverlauf von der Nordsee her die nachfolgende
Kaltfront übergreift. Sie zeigt sich zunächst relativ wetterunwirksam, was an
der Stabilität der gehobenen Luftmasse liegt. Während es in der unteren
Troposphäre sukzessive immer kälter wird, bleibt die mittlere Troposphäre noch
längere Zeit konstant temperiert. So dürften Schauer oder örtlich etwas Regen
auf den Warmsektor beschränkt bleiben, wobei die von einigen Modellen
simulierten Gewitter doch übertrieben zu sein scheinen.
Gehen wir in den Süden, wo eine zonal exponierte Luftmassengrenze nördlich der
Alpen verläuft, die die sehr milde Luftmasse im Süden von der der deutlich
erwärmten Meeresluft weiter nördlich trennt. Bedingt durch leichtes Schleifen
sowie frontale Querzirkulation kommt es zu andauernden Hebungsprozessen, die die
hochreichend gesättigte Luft (PPW 18 bis 24 mm) ordentlich ausquetschen. Hinzu
kommen noch Staueffekte, so dass bis heute Abend im Süden Bayerns und BWs
gebietsweise noch mal 10 bis 20, in Staulagen 30 bis 60, am Alpenrand lokal
sogar über 60 mm innert 12 h Regen fallen. Aufsummiert über 24 h können im
Schwarzwald und an den Alpen mit Schmelzwasser lokal noch mal bis zu 100 mm
abflussrelevantes Wasser – die Schneefallgrenze liegt bei rund 2000 m –
zusammenkommen. Wenn´s kommt, dann kommt´s meist gleich richtig dicke.
Thema Wind, der aus West bis Südwest kommend heute vorübergehend gebietsweise
auffrischt mit Böen 7 Bft, in exponierten Lagen (z.B. im Lee) 8 Bft. In Kamm-,
Kuppen- und Gipfellagen geht es hoch auf Windstärke 9 bis 12 Bft, wobei die
Orkanböen 11-12 Bft auf dem Feldberg, einigen Alpengipfeln und dem Brocken
auftreten. Relativ windschwach bleibt es in Teilen Nord- sowie in tiefen Lagen
Süddeutschlands. An der Nordsee und im küstennahen Binnenland nimmt der Wind in
den nächsten Stunden allerdings zu mit Spitzen 7-8 Bft. Die Tageshöchstwerte
liegen im Norden und Osten bei 6 bis 11°C, sonst zwischen 10 und 16°C.
In der Nacht zum Dienstag erfährt die Wetterlage noch eine Steigerung. Dabei
gibt es mehrere antreibende Kräfte, die das Geschehen nachhaltig beeinflussen
und schlussendlich das Ende der windigen, nassen und milden Witterungsphase
einleiten. Im Süden läuft von Frankreich her eine flache, im Druckfeld aber sehr
gut ausgeprägte und sich im Verlauf auf unter 1000 hPa vertiefende Welle (PETRA)
an der bis dato sehr trägen und quasistationären Luftmassengrenze nach
Süddeutschland rein, die um 06 UTC den Vorhersageraum wahrscheinlich schon
wieder verlassen hat. Der Niederschlag verstärkt sich vorübergehend noch mal und
verschiebt sich ein Stück nach Norden. Das Maximum soll modellübergreifend in
einem schmalen Streifen zwischen Saarland und dem nördlich BW liegen, wo 20 bis
30 mm/12 h fallen sollen. Bedingt durch die starke Hebungs- und
Verdunstungsabkühlung im Bereich des windschwachen Wellenkopfbereichs sowie der
zunehmenden Einmischung polarer Meeresluft kann es in der Mitte vorübergehend
mal bis ganz unten nass schneien, bevor der nachfolgend auffrischende
Nordwestwind für ausreichend Durchmischung sorgt. Oberhalb etwa 400 bis 600 m
hingegen reicht es wahrscheinlich für eine dünne Schneedecke von 1 bis 3 cm oder
zumindest Glätte durch Schneematsch. Im Süden sinkt die Schneefallgrenze erst im
Laufe der zweiten Nachthälfte auf 1000 bis 600 m (im Südosten noch später), so
dass dort noch nicht allzu viel Neuschnee fällt.
Am interessantesten dürfte allerdings die Windentwicklung im Schlepptau der
Welle werden, wenn nicht nur die nachfolgende Kaltfront auf die Alpen zurast
(ja, man kann es durchaus so martialisch ausdrücken), sondern zudem eine
Mordsdruckwelle nachfolgt. Höhenwinde von bis zu 80 Kt in 850 hPa und bis zu 60
Kt in 950 hPa runden das Gesamtbild ab, so dass es im Süden Bayerns und BWS
trotz mäßiger Labilität (die kommt erst mit der später nachstoßenden
Höhenkaltluft) ordentlich zur Sache geht (die hochauflösenden Modelle zeigen
eine gut definierte Linie in den Pseudoreflektivitäten, was angesichts
LLS-Werten bis zu 30 m/s!! und DLS-Werten von rund 40 m/s bei guter
niedertroposphärischer Richtungsscherung nicht verwundert). In Worten
ausgedrückt bedeutet das in Hochlagen volle Orkanstärke 12 Bft, teils sogar
extrem (> 140 km/h) und in tieferen Lagen mindestens mal schwere Sturmböen (10
Bft). Aufgrund der orografischen Struktur (Leitplankeneffekt) sind aber auch
dort Böen von mindestens 11 Bft nicht ausgeschlossen, vor allem, wenn sich auch
noch Gewitter entwickeln sollten, was gut möglich ist. Die Ausgabe einer hohen
Grundwarnung gegen Mittag ist ebenso geplant wie eine Vorabinformation, nicht
zuletzt auch vor dem vor dem Hintergrund des Impact-Gedankens.
Gemessen an der Entwicklung im Süden wird im Norden Kindergeburtstag gefeiert.
Zwar greift von Nordwesten der Höhentrog mit hochreichend polarer Meereskaltluft
über (T500 um -35°C, T850 bei -5°C), trotzdem halten sich konvektive
Umlagerungen an die tageszeitbedingten Spielregeln, des Nachts nicht zu aktiv zu
agieren. Ein paar Regen- oder Graupelschauer, oberhalb 300/400 m Schneeschauer
mit etwas Glätte, vielleicht mal ein kurzes Gewitter und an der Küste ein
frischer westlicher Wind mit Böen 7 Bft, an der Nordsee exponiert 8 Bft – das
geht noch!
Dienstag… greift der Höhentrog unter Intensivierung auf den gesamten
Vorhersageraum über, was ganz Deutschland in den Genuss hochreichender polarer
Meeresluft bringt (T500 um -35°C, T850 um -5°C). Hinter der abziehenden Welle
und dem sich über dem nahen Ostatlantik aufbauenden Hoch FRANK stellt sich eine
lebhafte Nordwestströmung ein, die für wechselhaftes Schauerwetter mit Schnee-,
Graupel- und Regenschauern sowie kurzen, aber markanten Graupelgewittern (8-9
Bft) sorgt. Die Schneefallgrenze liegt bei 300/400 m, bei intensiven Schauern
auch mal darunter. Am Alpenrand und in abgeschwächter Form auch am
Erzgebirgsnordrand stellt sich eine Staulage ein. Während im Erzgebirge bis
Mittwoch etwa 10 bis 25 cm fallen, sind es am Alpenrand 20 bis 40 cm, in
exponierten Staulagen rund ein halber Meter. Ansonsten kommt man in den
Mittelgebirgen mit „kleinen“ Schneefallwarnungen (1 bis 5 cm, Schwarzwald und
Bayerischer Wald z.T. etwas mehr) oder sogar Glättewarnungen aus.
Der mäßige bis frische Nordwestwind lebt kaltlufttypisch und tagesgangbedingt
böig auf mit Maxima 7-8 Bft, in exponierten Hochlagen 9 Bft, auf den
Alpengipfeln 10 bis 11 Bft. Die Höchsttemperatur liegt zwischen 2 und 7°C, im
äußersten Süden nur am frühen Morgen präfrontal noch etwas darüber. Im höheren
Bergland stellt sich leichter Dauerfrost ein.
In der Nacht zum Mittwoch geraten wir zunehmend unter eine glatt nördliche
Höhenströmung, die sich zwischen den langsam ostwärts abziehenden Trog und einem
substanziellen Rücken über dem nahen Ostatlantik einstellt. Das
korrespondierende Bodenhoch verlagert seinen Schwerpunkt (etwas über 1035 hPa)
sukzessive vom Seegebiet südwestlich Irlands in Richtung Südengland, was auch
bei uns weiteren Druckanstieg bewirkt. Dabei fächert der Druckgradient von
Westen her allmählich auf, was mit Unterstützung der dunklen Nacht eine
Windabnahme zur Folge hat. Im Bergland sowie an der Ostsee bleibt es aber noch
windig mit Böen 7 Bft, in anfälligen Hochlagen 8 bis 11 Bft.
Im Osten und Südwesten sowie im zentralen Mittelgebirgsraum fallen noch ein paar
Schnee- oder Schneeregenschauer, an den Alpen und am Erzgebirge dauert die
Staulage an. Im Bergland reicht es durchweg, im Tiefland gebietsweise für
leichten Frost, Glätte durch geringen Schneefall oder gefrierende Nässe
Mittwoch… weitet sich das Bodenhoch weiter nach Osten aus und auch der nach
Westen versetzte Rücken arbeitet sich noch etwas ostwärts voran. Damit nimmt das
Absinken bei uns zu, was im Westen nicht nur eine Inversion bei rund 900 hPa,
sondern auch Auflockerungen und eine nachlassende Niederschlagsneigung zur Folge
hat. Vom Erzgebirge über die fränkischen Mittelgebirge und den Bayerischen Wald
bis zu den Alpen schneit es zwar noch zeitweise, Tendenz nachlassend bzw. ganz
aufhörend. Genau in diesen Gebieten zeigt sich auch der Nordwest- bis Nordwind
am muntersten mit Böen 7 Bft, im Bergland darüber. Sonst stehen nur an der Küste
noch ein paar 7er-Böen auf der Karte. Die Höchstwerte liegen zwischen 0°C am
Alpenrand und bis zu 8°C im Westen und Nordwesten.
Modellvergleich und -einschätzung
Die Grundausrichtung wird von den Modellen sehr ähnlich gesehen. Bei der
Entwicklung im Süden kommende Nacht wird es auf das Zusammenspiel vieler
Faktoren (Labilität, Organisation, Intensität und Zugbahn der Welle etc.)
ankommen, wie stark letztlich der Wind ausfällt. Dieser Unsicherheit wird u.a.
durch die Ausgabe einer Vorabinformation Unwetter vor orkanartigen Böen oder
Orkanböen Rechnung getragen.
Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann