SXEU31 DWAV SYNOPTISCHE UEBERSICHT KURZFRIST
SXEU31 DWAV 300800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 30.01.2020 um 08 UTC
GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Wz (West zyklonal)
Januar geht, Frühling kommt – wechselhaftes und windiges Wetter geprägt von
milder bis sehr milder Meeresluft und einer eher mauen Rückseite im Laufe des
Samstags.
Synoptische Entwicklung bis Samstag 24 UTC
Donnerstag… Tag 1 nach einem kurzen winterlichen Intermezzo, das keinesfalls
das ganze Land, sondern von einigen Ausnahmen abgesehen vor allem das Bergland
erwischt hat. Höchste Zeit für die Atmosphäre also, wieder umzuswitchen und auf
Vorfrühling zu stellen, schließlich steuern wir ja auf den klassischen
Frühlingsmonat Februar zu. Man, man, man, was ein „Hochwinter“. Die
Weichenstellung des Wechsels ist bereits erfolgt, indem der zuständige Höhentrog
nebst hochreichender maritimer Kaltluft nach Osten verabschiedet wurde und wir
nun wieder auf die warme Seite der Frontalzone rücken.
Dabei wandert heute ein breiter, aber extrem flacher Rücken über Deutschland
hinweg ostwärts, der – wen wundert´s – von kräftiger WLA überlaufen wird. Diese
sorgt zwar für allmählichen Potenzialgewinn, insgesamt bleibt die
west-nordwestliche Höhenströmung aber relativ glatt. Im Bodendruckfeld stellt
sich die Situation so dar, dass sich vom mittleren Nordatlantik über Nordeuropa
bis zum nahen Osteuropa eine ganze Armada von Tiefdruckgebieten formiert hat,
von denen einige im Laufe dieses Bulletins noch Erwähnung finden werden. Dieser
femininen Übermacht – zur Erinnerung, Tiefs haben in diesem Jahr weibliche Namen
– steht ein eher schlappes Hoch über Südwesteuropa und Nordwestafrika sowie dem
Mittelmeerraum gegenüber, das noch nicht mal einen Namen trägt. Von Emanzipation
also keine Spur, aber das ist ein anderes Thema. Fakt ist, dass Deutschland
genau dazwischenliegt, wo eine relativ lebhafte, wenn auch nicht überborden
stürmische Südwestströmung generiert wird, mit der bodennah und auch
niedertroposphärisch milde Biscayaluft advehiert wird, in der die
850-hPa-Temperatur bis zum Abend auf 0°C in Vorpommern und bis zu 6°C an der
Grenze zu BeLux steigt. Das reicht, um bei guter Durchmischung unabhängig von
Einstrahlung oder nicht die 2m-Temperatur auf Werte zwischen 7°C (Nordosten) und
13°C (lokal Oberrhein) hochzupushen, was – so viel vorab – noch nicht das Ende
der thermischen Fahnenstange darstellt.
Wettermäßig gestaltet sich der heutige Tag recht unterschiedlich
deutschlandweit. Der Nordosten hat zunächst noch für einige Stunden mit
Dauerregen zu kämpfen, der auf eine nur langsam von Jütland zur Ostsee ziehende
Welle und die o.e. WLA zurückzuführen ist. Hinzu kommt ein flacher, den Rücken
umkurvender KW-Trog, der auch noch einen kleinen Beitrag zur synoptisch-skaligen
Hebung leistet. Zwar zieht sich der Regen immer weiter in Richtung Ostsee und
Nordwestpolen zurück, in Vorpommer kann es aber bis in die Abendstunden dauern,
bis die letzten Tropfen gefallen sind.
Kaum ist die eine Welle im Nordosten weg, gibt sich im Westen und Südwesten
schon die nächst die Ehre. Sie befindet sich heute früh unweit der Keltischen
See und damit unterhalb des kleinen Sturmtiefs MAREILE, das im Tagesverlauf mit
einem Kerndruck zwischen 975 und 970 hPa vom Seegebiet nordwestlich Schottlands
zum Südrand der Norwegischen See knapp östlich der Färöers zieht. Die Welle
nimmt mit der zugehörigen Warmfront derweil Kurs auf Frankreich, der präfrontale
skalige Regen erfasst im Laufe des späten Nachmittags/frühen Abends die Gebiete
westlich des Rheins und Teile BWs. Die Schneefallgrenze steigt rasch an auf über
1500 m, so dass es dem mühsam erwirtschafteten Schnee der vergangenen Tage
bereits wieder an die Wäsche geht.
Wetterzone Numero drei liegt zwischen den beiden Wellen und beschreibt einen
Streifen, der von den Niederlanden und Nordwestdeutschland bis hinunter zu den
Alpen reicht. Dort greift ein kleines Zwischenhoch, das sich in Form einer
leichten Isobarenaufwölbung widerspiegelt. Abgesehen von anfänglichen Regen-
oder Nieselresten im Schlepptau der abziehenden „Ostseewelle“ (nicht zu
verwechseln mit der im gleichnamigen Lied „Wo die Ostseewellen trecken an den
Strand“ vorkommenden Ostseewelle) bleibt es in dem breiten Korridor nicht nur
trocken, z.T. lockert sogar die Wolkendecke mal auf. Auf die meiste Sonne dürfen
dabei Oberbayern und Schwaben hoffen, aber auch sonst ist der Süden gegenüber
dem Nordwesten in der Vorhand.
Aus warntechnischer Perspektive ist heute einmal mehr der südwestliche Wind das
Maß der Dinge. Er frischt am Südrand der Welle insbesondere im Norden und in der
Mitte vorübergehend auf mit Böen 7 Bft, im Lee von Harz, Thüringer Wald und
Erzgebirge sowie an der Küste (Nordsee eher als Ostsee) 8 Bft. Im höheren
Bergland reicht es je nach Exposition für ein Böenspektrum zwischen 8 und 11
Bft, was auch für den ansonsten windschwächeren Süden gilt. Am Nachmittag und
Abend beruhigt sich der Wind mit Ausnahme der Berge von Westen her –
vorübergehend.
In der Nacht zum Freitag ändert sich an der Höhenkonstellation vergleichsweise
wenig. Vorderseitig eines weiteren, sich westlich von uns aufwölbenden Rückens
behält der Höhenwind seine west-nordwestliche Komponente bei. Allerdings nimmt
die WLA bis zum Morgen von Westen her ab. Ansonsten wird der Norden von der
Warmfront des Tiefs MAREILE gestreift, die dort gebietsweise aber nur schwachen
Regen/Nieselregen auf die Platte bringt.
Dagegen fällt der sich ostwärts ausbreitende Regen der „Frankreichwelle“
insbesondere im Süden intensiver aus. Neben der gegenüber Norddeutschland
deutlich strukturierteren Orografie, die Staueffekte fördert, kommt noch die
Unterstützung eines breiten KW-Troges dazu, der von Frankreich ost-südostwärts
schwenkt. Zwar splittet sich das gute Stück in einen südlich der Alpen
(stärkeren) und einen weiter nördlich ablaufenden Teil, der Hebungsimpuls reicht
aber, um den Niederschlag für einige Stunden zu intensivieren. Am meisten fällt
dabei im Schwarzwald und im Allgäu, wo je nach Modell 10-25, lokal sogar um oder
etwas über 30 mm innert 12 h bis in Lagen um 1800 m fallen sollen. Das bedeutet
natürlich Tauwetter und mit leichter Verzögerung simuliert SNOW4 auch ein
entsprechendes Niederschlagsdargebot, das einen in erster Näherung an eine
Tauwetterwarnung denken lässt. Schaut man sich die Zahlen allerdings mal genauer
an, findet man im Modell sowohl eine unrealistische Schneehöhe (zu hoch) als
auch ein unrealistisch hohes Wasseräquivalent. Beides sind möglicherweise die
Folge – mit Verlaub – der inzwischen nur noch rudimentären und häufig nicht der
Wirklichkeit entsprechenden Schneehöhenmessung. Grundsätzlich gehört das Modell
mal auf den Prüfstand.
Prominent unterwegs bleibt der südwestliche, vorübergehend mal auf Süd
rückdrehende Wind, der im Laufe der Nacht landesweit wieder zulegt mit
Spitzenböen 6-8 Bft im Tiefland (an der Küste vermehrt stürmische Böen) und im
Bergland je nach Höhenlage und Ausrichtung 9 bis 12 Bft. Leichter Frost ist
anfangs lediglich am östlichen Alpenrand sowie im Bayerischen Wald ein Thema,
allerdings erfolgt in diesen Regionen ebenso wie in weiten Teilen der gesamten
Republik bis zum Morgen ein Temperaturanstieg.
Freitag… wird Mitteleuropa von dem o.e. Rücken erfasst, der etwas kräftiger
ausfällt als sein heute durchwandernder Vorgänger. Er sorgt für leichten
Druckanstieg, so dass sich auch im Bodendruckfeld eine leichte Aufwölbung der
Marke „schwaches Zwischenhoch“ zeigt. Dieses ist aber, anders als sonst häufig
bei Zwischenhochs, nur wenig geneigt, eine substanzielle Wetterberuhigung bei
uns zu installieren. So bleibt der Gradient auf einem Level, der mittags rund 15
hPa zwischen deutsch-dänischer Grenze und Alpenrand beträgt. Folgerichtig bleibt
der Südwestwind mäßig, mitunter auch frisch unterwegs mit Böen 6-7 Bft, im
Bergland je nach Exposition bis zu 11 Bft, Tendenz zum Nachmittag und Abend hin
von Westen her abnehmend. Etwas anders als im Binnenland läuft es an der Küste,
wo der Wind über den Vormittag und Mittag hinweg vorübergehend schwächer wird,
um danach zunächst an der Nordsee wieder an Intensität zuzunehmen (7-8 Bft).
Abgesehen vom Wind bringt uns der letzte Januartag einen sehr wolkenreichen
Himmel (einige Aufhellungen oder Auflockerungen am ehesten am Alpenrand sowie im
südlichen Alpenvorland) und Wärme, ja fast frühlingshafte Wärme. Mit Fug und
Recht kann man von einer subtropischen Luftmasse sprechen, die ordentlich
durchmischt ist und keine Unterstützung durch etwaige Einstrahlung benötigt, um
die Temperatur auf 10 bis 15°C, im Süden und Südwesten punktuell auf 16 oder gar
17°C hochzujagen (selbst das eher konservative MOS-Verfahren bietet im Süden
einen lokal „Siebzehn“ an). Einzig zwischen SH und MV bleibt die Temperatur
gebietsweise unter der 10°C-Marke, aber 8 oder 9°C sind Ende Januar alles andere
als kalt. Im Süden und in der Mitte fällt insbesondere im Stau noch etwas Regen
oder Nieselregen mit im Tagesverlauf abnehmender Tendenz. Der äußerste Norden
hingegen wird von der Warmfront eines neuen Sturmtiefs NAIMA) erfasst, das mit
ähnlicher Intensität fast 1:1 auf den Spuren ihrer Vorgängerin MAREILE wandelt.
So müssen ich die Regionen vom nördlichen NDS und SH bis hinüber nach MV
(vielleicht auch noch das nördliche BB) auf nachmittäglichen und abendlichen
Regen einstellen, der sich von der Nordsee her ausbreitet.
In der Nacht zum Samstag wandert der breite Höhenrücken zügig nach Osten aus,
was den Höhenwind auf West-Südwest rückdrehen lässt. Über UK/Irland respektive
dem nahen Ostatlantik zeichnet sich ein flacher Trog ab, der uns aber erst
tagsüber beehren wird. Zunächst mal gelangen wir in den breiten Warmsektor des
zum Sturmtief NAIMA gehörigen Frontensystems. Darin dauert die Zufuhr
feuchtmilder und wolkenreicher Luftmassen an, was dem größten Teil des Landes
einen außergewöhnlich warmen Monatswechsel mit Tiefstwerten zwischen 11 und 7°C
beschert (außer in höheren Lagen sowie in den windschwächeren Teilen
Süddeutschlands). Arrivederci Januar, warst ein knackiger Wintermonat .
Die Nacht wird nicht nur mild, sie wird im Norden und Westen auch regnerisch,
was zum einen der scheidenden Warmfront und der nur träge (schleifend) sich
nähernden Kaltfront geschuldet ist. Ein treuer Begleiter bleibt auch der
Südwestwind, auch wenn er im Tiefland eine warntechnische Pause einlegt. An der
Nordsee reicht es für Böen 7 Bft, was dort allerdings niemanden aus dem Bett
holt. Im Bergland stehen je nach Höhe und Exposition Böen 8-11 Bft auf der
Karte.
Samstag… steht weiten Teilen des Landes echtes „Sauwetter“ ins Haus. Nicht nur
dass der angesprochene flache Höhentrog Zugriff auf den Vorhersageraum bekommt.
Auch die Kaltfront des vor die Westküste Südnorwegens unter Abschwächung
ziehende Tief NAIMA kämpft sich langsam von Nordwesten her landeinwärts voran.
Entsprechend verlagert sich der Regen über die mittleren Landesteile hinweg
südostwärts, wobei das anfänglich durchweg stratiforme Niederschlagsgebiet mehr
und mehr konvektiven Charakter bekommt. Im Zuge kurzzeitig einfließender
Höhenkaltluft (T500 -25 bis -30°C) sind auch kurze Gewitter mit Böen 8 Bft mit
von der Partie, wobei die Regionalisierung noch mit Fragezeichen versehen ist.
Rückseitig der Kaltfront gelangt ein Schluck subpolarer Meereskaltluft nach
Deutschland (Rückgang T850 außer im Süden auf -1 bis -5°C), in der
Schneefallgrenze auf unter 1000 m, in der Nacht z.T. sogar auf rund 600 m sinkt.
Das Problem dabei: wenn die „Kaltluft“ da ist, fällt kaum noch Niederschlag, so
dass Schneefreaks keine allzu großen Hoffnungen hegen sollten. Etwas Sonne gibt
es anfangs noch am Alpenrand sowie im Alpenvorland, später lockert die
Wolkendecke auch im Nordwesten postfrontal etwas auf.
Der südwestliche bis westliche Wind nimmt im Tagesverlauf kontinuierlich zu,
wobei zunehmend auch die konvektive Komponente (Stichwort Impulstransport von
oben) ins Spiel kommt. Am Abend sind mit Ausnahme des Ostens sowie einiger
tieferer Lagen Süddeutschlands verbreitet Böen 7-8 Bft am Start, im höheren
Bergland entsprechend mehr.
Die Nacht zum Sonntag – das noch kurz zum Ende dieser epischen
Wetterbeschreibung – scheint synoptisch hochinteressant zu werden. So greift ein
veritabler Bodentrog von der Nordsee auf den Norden über, um bis zum Morgen
ostwärts durchzuschwenken. Er stellt den Fortsatz des sich weiter auffüllenden
Sturmtiefs NAIMA dar, der im Norden eine solide Sturmlage entfachen könnte.
Konjunktiv deswegen, weil noch ein paar Details offen sind. So simulieren z.B.
GFS und IFS den Trog etwas flacher, was Auswirkungen auf die
Windendgeschwindigkeit haben kann. Warten wir also noch ein, zwei Modellläufe
ab.
Sonst bringt die Nacht noch ein paar Schauer (anfänglich gewittrig), in höheren
Lagen als Schnee ohne nennenswerten Neuschneezuwachs.
Modellvergleich und -einschätzung
Es liegen keine substanziellen Modellunterschiede vor, was erfreulich ist.
Vorhandene Unschärfen liegen im Toleranzbereich und wurden im Text angerissen.
Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann