SXEU31 DWAV SYNOPTISCHE UEBERSICHT KURZFRIST
SXEU31 DWAV 260800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 26.11.2019 um 08 UTC
GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: SWz
Zunehmend unbeständig und mild; auf den Bergen vor allem Mittwoch und Donnerstag
Sturmböen, exponiert schwere Sturmböen.
Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 24 UTC
Dienstag… vollzieht sich der Übergang hin zu einer milden und zyklonal
geprägten Südwest- bis Westlage, die uns auch im gesamten Kurzfristzeitraum
beschäftigen wird, ehe zum kommenden Wochenende hin mit Winddrehung auf Nordwest
bis Nord tatsächlich etwas kältere Luft zu uns gelangt und für einen ersten
winterlichen „Touch“ zumindest in den höheren Lagen sorgt. Dazu aber später mehr
vom Mittelfristkollegen.
Zunächst, sprich: Am heutigen Dienstag, kommt das zyklonale Geschehen über dem
Vorhersagegebiet nur sehr schleppend in Gang. Über dem nahen Ostatlantik
befindet sich ein hochreichendes, aus dem ehemaligen Tropensturm „SEBASTIEN“
resultierendes Tiefdruckgebiet mit Drehzentrum in 500 hPa westlich von Irland,
während das korrespondierende Sturmtief im Bodenfeld – aktuell noch
entwicklungstechnisch günstig auf der Vorderseite des Höhentiefs gelegen – in
den kommenden Stunden von Süden her auf die „grüne Insel“ übergreift. Bis zum
Abend befindet es sich mehr oder weniger achsensenkrecht unterhalb des
Höhentiefs und beginnt sich bereits ab den Mittagsstunden aufzufüllen. Dem
ganzen System vorlaufend hat heute Früh ein flacher kurzwelliger Randtrog auf
den Westen bzw. Nordwesten Deutschlands übergegriffen, kommt bis zum Abend zur
Osthälfte voran und füllt sich aufgrund der Blockadewirkung des sich nur langsam
Richtung Ural zurückziehenden Hochdruckgebietes über Russland allmählich auf.
Rückseitig schwenkt ein flacher, durch WLA auf der Vorderseite des
westeuropäischen Höhentroges gestützter Höhenrücken ins Vorhersagegebiet.
Im Bodenfeld hat zwar von Westen her großräumig Druckfall eingesetzt, der sich
auch im Tagesverlauf fortsetzt, so dass der nach Süddeutschland reichende flache
Hochkeil abgebaut wird, dennoch nimmt der Gradient nur zögernd zu, so dass
tagsüber – mal abgesehen vielleicht vom Brocken (Bft 8, maximal 9 aus Süd bis
Südwest) – auch auf den meisten Gipfeln noch nicht mit warnrelevanten Böen zu
rechnen ist.
Ansonsten verläuft der Tag im Vorhersagegebiet wettertechnisch ruhig. Vielerorts
hält sich Hochnebel oder Nebel, lediglich an den Nordrändern einiger
Mittelgebirge sowie direkt an den Alpen vermag der etwas auflebende Südost- bis
Südwind Lücken in die Hochnebeldecke zu reißen, allerdings zeigt sich auch dort
die Sonne kaum, da aufgrund der WLA die Tendenz zu hohen und mittelhohen
Wolkenfeldern zunimmt. Hier und da fällt auch etwas Regen oder Nieselregen
(aktuell vor allem induziert durch trogvorderseitige Hebung in einem Streifen
von Schleswig-Holstein bis nach Ostbayern, nachmittags und abends dann bevorzugt
im Westen). Nach einer überwiegend frostfreien (mal abgesehen von einigen
Erzgebirgstälern) und vor allem im Westen milden Nacht steigen die Temperaturen
auf Höchstwerte zwischen 6 Grad in Teilen Ostbayerns und 13, vielleicht 14 Grad
gebietsweise entlang des Rheins.
In der Nacht zum Mittwoch kommt nun endgültig Bewegung ins Wettergeschehen
hierzulande. Der Höhenrücken zieht rasch ostwärts ab und wir gelangen auf die
Vorderseite von „Ex-SEBASTIEN“, dessen Drehzentrum sich in 500 hPa morgens vor
der walisischen Küste befindet. An dessen Südflanke schwenkt ein markanter
kurzwelliger Randtrog rasch über die Biskaya hinweg nach Frankreich, so dass die
Höhenströmung über dem Vorhersagegebiet auf Südwest bis Süd dreht und sich
deutlich verschärft. Vor allem über dem Westen und Südwesten Deutschlands setzt
recht markante, hauptsächlich durch PVA im diffluent konturierten Höhenfeld
resultierende Hebung ein.
Im Bodenfeld kommt das okkludierende Frontensystem von „Ex-SEBASTIEN“ rasch über
Frankreich und Benelux hinweg nach Osten voran und greift morgens auf
Deutschland über. Vorderseitig verstärken sich die schauerartigen Regenfälle im
Laufe der zweiten Nachthälfte vor allem im Westen des Landes, wo gebietsweise
mehr als 5 mm (nach ICON-EU im Südschwarzwald auch mehr als 10 mm) innerhalb von
6 Stunden fallen. In der Osthälfte und im Südosten bleibt es dagegen noch
überwiegend trocken, vor allem am Alpenrand kann es mit einsetzendem leichten
Föhn auch größere Wolkenlücken geben, leichter Frost in einigen Alpen- und
vielleicht auch Bayerwaldtälern nicht ausgeschlossen.
In den Fokus der Warntätigkeit rückt aber mit dem sich verschärfenden Gradienten
in allen Höhenlagen mehr und mehr der Wind. Neben dem Brocken kann es vor allem
ab der zweiten Nachthälfte auch auf den höheren Alpen- und Schwarzwaldgipfeln
erste Böen Bft 8 bis 9 aus südlichen Richtungen geben, ansonsten sind zunächst
wohl nur exponierte Gipfel betroffen. Ob es in einigen Lee-Lagen ganz im Westen
(Aachener Raum) oder am Erzgebirge („Böhmischer Wind“ für Böen Bft 7 bis ganz
nach unten reicht, ist noch fraglich.
Nebel dürfte warntechnisch dagegen in der kommenden Nacht kaum mehr eine Rolle
spielen.
Mittwoch… verlagert sich der Kurzwellentrog rasch über Deutschland hinweg
nordostwärts. Das Drehzentrum des Höhentiefs erreicht abends die südwestliche
Nordsee, das korrespondierende Bodentief befindet sich dann knapp nördlich
davon. Dessen Okklusion kommt über dem Vorhersagegebiet ebenfalls flott nach
Nordosten voran, wird aber zunehmend von KLA überlaufen und verliert an
Wetterwirksamkeit. Dabei werden nur von Südbaden bis Mittelfranken gebietsweise
mehr als 5 mm simuliert, ansonsten fallen maximal wenige mm Niederschlag.
Mit Annäherung des Höhentroges gelangt vor allem in den Westen und Nordwesten
des Vorhersagegebiet eine zunehmend höhenkalte Luftmasse. In 500 hPa sinkt die
Temperatur auf -22 bis -24 Grad, in 850 hPa auf etwa +3 Grad. Allerdings ist
nach Abzug des Kurzwellentroges zunächst kaum dynamischer Hebungsantrieb
auszumachen, erst mit Annäherung des Höhentiefs kann zum Abend hin aufgrund von
PVA wieder etwas Hebung generiert werden. Für einzelne Schauer dürfte das vor
allem ab den Nachmittagsstunden reichen, Gewitter stehen mangels Labilität und
daraus generierter Cape aber voraussichtlich nicht auf der Agenda (wobei man
ganz vereinzelte Entladungen nie ganz ausschließen sollte).
Der Wind legt insgesamt noch etwas zu und dreht im Westen später von Südost bis
Süd auf Süd bis Südwest. Auf den Bergen gibt es vielerorts stürmische Böen oder
Sturmböen, auf exponierten Gipfeln (Brocken und Co.) auch schwere Sturmböen. Im
Westen und Südwesten reicht der Gradient wohl zumindest in freien Lagen und in
Schauernähe für Böen Bft 7, eventuell auch Bft 8 (bei bis zu 40 kn in 850 hPa
durchaus denkbar) bis nach ganz unten, auch in den Leelagen einzelner
Mittelgebirge weiter östlich, vor allem am Erzgebirge, Harz sowie im Ostelbtal
kann es steife Böen geben.
Die Sonne zeigt sich am ehesten nach Abzug der Okklusion im Südwesten und in der
Mitte des Landes vorübergehend mal, ansonsten bleibt es aber überwiegend stark
bewölkt, oft auch bedeckt, im Südosten vermag der Gradient auch noch nicht
ausreichend sein, um den Hochnebel aufzulösen. Ganz anders im Westen: Dort ist
die Luftmasse gut durchmischt. Und damit wird es im Einflussbereich subpolarer
Meeresluft dort mit 11 bis 15 Grad auch am mildesten, während es im Nordosten
und Südosten nur für Höchstwerte zwischen 5 und 10 Grad reicht.
In der Nacht zum Donnerstag verlagert sich das Tief von der westlichen Nordsee
ohne wesentliche Intensitätsänderung (Kerndruck knapp über 980 hPa) allmählich
zur nördlichen Deutschen Bucht, wo sich morgens in etwa auch das Drehzentrum des
Höhentroges befindet. Damit wird das gesamte Vorhersagegebiet von höhenkälterer
Luft geflutet, die Temperatur in 500 hPa sinkt auf -25 bis -30 Grad. In der
unteren Troposphäre fällt der Temperaturrückgang moderater aus (2 bis 4 Grad in
850 hPa), so dass die Luftmasse weiter labilisiert. Flache kurzwellige
Troganteile an der Südflanke des Höhentiefs bieten vor allem im Westen und
Norden auch immer wieder etwas dynamischen Hebungsantrieb, so dass es vor allem
dort auch die Nacht über hinweg weitere Schauer gibt, wobei die
Gewitterwahrscheinlichkeit etwas zunimmt. Im Südosten bleibt es dagegen
vielerorts trocken.
Der Wind legt an der Südflanke des Bodentiefs noch etwas zu, wobei der schärfste
Gradient nach Lesart des IFS und vor allem des GFS weiter nach Norden und
Nordosten reichend simuliert wird als nach ICON, auch in den Niederungen steigt
zumindest im Westen und in der Mitte (nach IFS auch im Nordwesten, nach GFS im
gesamten Norden) für Böen Bft 7 aus Südwest, in Schauernähe auch für stürmische
Böen (vor allem im Bereich organisierter Schauertätigkeit). In den Kamm- und
Gipfellagen der Mittelgebirge gibt es weiterhin Böen Bft 8 bis 9, exponiert auch
Bft 10, auf den Alpengipfeln nimmt der Wind hingegen insgesamt zwar ein wenig
ab, bleibt aber wohl noch warnrelevant.
Aufgrund der dichten Bewölkung und der milden Luftmassen dürfte die Nacht
überwiegend frostfrei verlaufen.
Donnerstag… schwenkt die Trogachse über Deutschland hinweg ostwärts, das
Drehzentrum des Höhentiefs und das Bodentief ziehen bis zum Abend nach
Südschweden. Von Norden her erreicht ein weiterer Randtrog abends die mittlere
Nordsee.
Das Bodentief füllt sich kaum auf, somit bleibt der Gradient über weiten Teilen
des Vorhersagegebietes scharf ausgeprägt, erst zum Abend hin beginnt er mit
Abzug des Tiefs allmählich aufzufächern. Nach wie vor gibt es noch kleine
Modelldifferenzen, was die Ausweitung des Windfeldes nach Norden angeht. Nach
Lesart des GFS und IFS reicht es auch in Norddeutschland zumindest in
Schauernähe für Böen Bft 7 (oder 8), ICON simuliert den stärksten Gradienten
nach wie vor etwas weiter südlich. Auf den Bergen gibt es weiterhin Böen Bft 8
bis 10, orkanartige Böen auf exponierten Gipfeln (Brocken) nicht ausgeschlossen.
An der höhenkalten Luftmasse ändert sich nur wenig, somit gibt es recht
verbreitet Schauer und auch einzelne kurze Graupelgewitter mit Böen Bft 7 bis 8.
Die meisten Niederschläge werden mit über 10 mm knapp vorderseitig der recht
scharf konturierten Trogspitze simuliert, nach ICON und GFS vor allem vom
Bergischen Land bis zum Harz, nach IFS weiter nördlich, im nördlichen
Niedersachsen.
Die Sonne zeigt sich wohl nur sporadisch, am ehesten im Südosten sowie im Lee
einiger Mittelgebirge, im Einflussbereich der gut durchmischten subpolaren
Meeresluft wird es aber mit Höchstwerten zwischen 8 und 14 Grad wieder sehr
mild.
In der Nacht zum Freitag schwenkt der weiter oben angesprochene kurzwellige
Randtrog von der mittleren Nordsee zum Kattegat, dahinter dreht die Strömung
über der Nordsee zwischen dem nun ausgeprägten Langwellentrog über Skandinavien
und einem Höhenrücken bzw. einem Höhenhoch über dem Ostatlantik auf Nord bis
Nordwest. Damit ist der Weg bereitet für die bereits zu Beginn apostrophierte
Advektion kälterer Luftmassen (maritime Polarluft) Richtung Mitteleuropa ab
Freitag bzw. am Wochenende.
Das Bodentief zieht weiter zur mittleren Ostsee. Ausgangs der Nacht greift eine
mit dem Kurzwellentrog korrespondierende Kaltfront auf den Nordwesten des Landes
über. Im Vorfeld verlagert sich die markanteste Schauertätigkeit allmählich in
die mittleren und südlichen Landesteile, vereinzelt sind auch noch kurze
Gewitter mit am Start. Mit Kaltfrontpassage klingen die Schauer im Nordwesten
und Norden ab.
Der Wind nimmt insgesamt ebenfalls ab, auf den Bergen muss aber weiterhin mit
stürmischen Böen, exponiert Sturmböen aus Südwest bis West gerechnet werden. Mit
Kaltfrontpassage dreht der Wind im Norden auf Nordwest, an den Küsten kann es
einzelne steife Böen geben. Zwar sinkt die 850 hPa-Temperatur postfrontal über
Norddeutschland auf -3 bis -4 Grad, dennoch sollte es aufgrund des Windes nicht
für Frost reichen, auch im übrigen Land verläuft die Nacht überwiegend
frostfrei.
Modellvergleich und -einschätzung
Alle vorliegenden Modelle simulieren im Kurzfristzeitraum eine ähnliche
Wetterentwicklung. Im Detail ergeben sich vor allem bzgl. der Windentwicklung
marginale Unterschiede, in erster Linie, was die Ausweitung des Windfeldes am
Donnerstag nach Norden angeht. Diese Differenzen wurden bereits im Text
besprochen.
Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff