SXEU31 DWAV 200800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 20.11.2019 um 08 UTC

GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: SEz (Südost zyklonal)

Ruhiges, aber nicht ganz ungestörtes Novemberwetter ohne besondere Vorkommnisse.
Ab Freitag in den Alpen zum x-ten Mal innert kurzer Zeit aufkommender Föhnsturm.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 24 UTC

Mittwoch… befindet sich Deutschland fest verankert zwischen einem
Langwellentrog über dem nahen Ostatlantik und einem vom östlichen Mittelmeer bis
zur Barentssee reichenden Höhenrücken. Vor allem der Trog ist mittlerweile schon
so lange auf den Wetterkarten zu finden, dass man fast auf den Gedanken kommen
könnte, er stehe unter Denkmalschutz. So werden immer wieder
„Restaurierungsarbeiten“ durchgeführt (ausgediente kurzwellige Anteile werden
nach Mitteleuropa oder – sehr wirkungsvoll – in den Mittelmeerraum abgeschoben
und durch frisches Geopotenzial aus dem Raum Grönland bzw. dem Nordwestatlantik
ersetzt), um dem Trog eine möglichst lange Lebensdauer zu ermöglichen. Der
flüchtige Blick auf die Vorhersagekarten zeigt allerdings, dass es dem guten
Stück ab Sonntag, vielleicht auch erst zur neuen Woche an den Kragen gehen
könnte, noch aber steht das Ganze im Konjunktiv.
Zurück zur Gegenwart, und die lässt sich weitgehend ohne Wenn und Aber
beschreiben. Zwischen dem Trog und dem Rücken liegen wir aktuell in einer Art
„gradientschwaches Niemandsland“, das im Grunde für typisches Novemberwetter
verantwortlich zeichnet. Das Maximum der südlichen Höhenströmung hat sich zum
östlichen Mitteleuropa zurückgezogen, weshalb auch der Südföhn in den Alpen eine
Pause macht. Dafür hat sich ein kleines Höhentief (HT) bei uns eingenistet, das
genau genommen sogar den Status eines Kaltlufttropfens (KLT) hat. Es befindet
sich heute früh mit seinem Drehzentrum über dem Norden des Landes etwa zwischen
St. Pauli und Finkenwerder (oder zumindest in der Nähe), wo es sich
offensichtlich so wohl fühlt (wer tut das nicht dort oben?), dass es im
Tagesverlauf nur sehr zögerlich in Richtung Jütland weiterzieht. Um das HT herum
wird von der Ost- zur Nordflanke WLA herumgeführt, die zum Teil mit leichter PVA
überlappt und dabei einen Hebungsimpuls auslöst. Dieser erklärt den leichten
Regen/Nieselregen, der heute früh zwischen Sachsen und Ostsee beobachtet werden
konnte. Er wird sich im Tagesverlauf mehr und mehr nach SH sowie hinaus auf die
Nordsee verlagern. Dort können – akkumuliert über 12 h – durchaus mal 5 mm oder
etwas mehr in die Töpfe fallen, was aber keinen aus dem Sattel holt.
Ansonsten gilt es zu konstatieren, dass das Potenzial im Schlepptau des HTs von
Süden her ansteigt. Es bildet sich ein zonal orientierter kurzwelliger Rücken,
der von Osten her bis nach Ostfrankreich und später auch Benelux reicht. Er
stützt den leichten Hochdruckeinfluss am Boden (Druckniveau zwischen 1015 und
1020 hPa), der natürlich nichts gegen das westrussische Monumentalhoch (QUINCY)
ist, das heute über 1050 hPa im Zentrum auf die Waage bringt. Sollte sich QUINCY
nicht bald mal dazu entschließen, eine Diät zu machen, wird es nichts mit einem
Ende der Blockade respektive einer Änderung der Großwetterlage. Wie auch immer,
die aus den nächtlichen Soundings ermittelte Absinkinversion (700 hPa in der
Mitte und 800 hPa im Süden) wird weiter nach unten gedrückt auf 800 bis 900 hPa,
im Süden vielleicht sogar noch etwas darunter. Dadurch wird die Grenzschicht
soweit gestaucht, dass einige höhere Lagen der Mittelgebirge Hoffnung auf ein
Entkommen aus dem lästigen Nebel oder Hochnebel haben können. Diese Hoffnung
besteht übrigens auch in den westlichen Landesteilen, insbesondere dort, wo die
Leewirkung der allerdings nur schwachen östlichen Bodenströmung mithilft, das
Novembergrau zu tilgen. Unter dem Strich wird ein Großteil der Bundesbürgerinnen
und -bürger die Sonne heute aber nicht zu Gesicht bekommen. Temperaturmäßig
liegen wir etwa im Bereich des saisonalen Normwerts, meint um oder etwas über
0°C bei zähem Nebel und bis zu 7 oder 8°C in der Spitze.

In der Nacht zum Donnerstag verabschiedet sich das HT endgültig in Richtung
Norden und mit ihm auch der zugehörige Regen/Nieselregen. Von Österreich und
Tschechien deutet sich aber Nachschub an, der zunächst den Südosten,
insbesondere Teile Bayerns erfasst. Ursache ist ein schwacher Randtrog, der –
zonal exponiert – von Süden her dem langsam nach Norden wandernden kleinen
Rücken folgt. Viel Hebung ist nicht dran, es reicht aber, aus der in dieser
Region gut gesättigten unteren und mittleren Troposphäre ein paar Tropfen zu
extrahieren, auch wenn es nur wenige Millimeter (häufig reicht es nicht mal für
einen) sein werden. Schnee ist aufgrund der hohen Temperaturen (T850 um 2-3°C)
kein Thema.
Sehr wohl ein Thema sind einmal mehr die Parameter „Frost und Nebel“ und das
natürlich dort – sieht man beim Nebel mal von aufliegenden Wolken ab -, wo es
aufreißt. Tendenziell soll das vor allem in der Westhälfte sowie am Alpenrand
passieren, wo die Temperatur vielerorts in den leichten Frostbereich sinkt.
Zudem bildet sich gebietsweise z.T. dichter Nebel. In der Osthälfte kann es hier
und da zwar auch neblig werden (man beachte den bei solchen Wetterlagen gratis
kredenzten Grenzschicht-Lotterie-Faktor), die Frostwahrscheinlichkeit ist aber
sehr gering. Dort, wo noch Restnässe vom Tag vorhanden ist und Temperaturen um
den Gefrierpunkt Schnittstellen produzieren (z.B. im westlichen
Norddeutschland), besteht die Gefahr gefrierender Nässe (muss warntechnisch in
situ gelöst werden).

Donnerstag… verbleibt Deutschland auf der Vorderseite des „Denkmals“ über dem
nahen Ostatlantik. In seinem Südteil zeigt der Trog eine leichte Progression in
Richtung westliches Mittelmeer, was für diese in letzter Zeit teils arg
gebeutelte Region keine gute Nachricht ist. Die nächste richtige Zyklogenese
scheint aber erst zum Samstag hin in Gang zu kommen, wo dann allerdings ein
echter Oschi auf der Wetterkarte erscheint, der nichts Gutes verheißt.
Ganz anders die Lage bei uns, wo Power, Extremwetter oder ähnliche Begriffe
derzeit das Aufschlagen eines Fremdwörterlexikons erforderlich machen. So
schwenkt am morgigen Donnerstag der o.e. Randtrog sutsche piano nordwärts über
den Vorhersageraum hinweg, wobei der vorderseitig etwas Hebung generiert wird.
Darüber hinaus soll sich im Südosten ein flaches Bodentief bilden, das ebenfalls
langsam nord-nordwestwärts zieht. Damit breiten sich die weiterhin nur leichten
Regenfälle über die mittleren Landesteile hinweg bis in den Osten und Norden
aus, wobei die Tagesraten mit Ausnahme einiger weniger orografisch
„begünstigter“ Orte unterhalb der 5mm-Schwelle bleiben.
Der Rest des Landes muss sich weiterhin mit den Unbilden novemberlicher
Grenzschichtmeteorologie herumschlagen, will heißen, höhere Lagen (vor allem im
Südwesten und Süden) haben gute Chancen auf Sonnenschein, tiefe Lagen nur
bedingt. Wenn, dann reißt es am ehesten im Westen und Südwesten auf (z.T. mit
Hilfe des mittelgebirgsüberströmenden Ostwinds, obwohl der nicht gerade flott
unterwegs ist). Kleines Detail am Rande: Die deutsche Modellkette simuliert am
Nachmittag und Abend im Südwesten (etwa zwischen Pfalz und Zülpicher Börde) ein
paar Schauer, die offensichtlich auf einen weiteren, ganz flachen Tertiärtrog
zurückzuführen sind, der von der Westschweiz her übergreift. Unterstützung
bekommen ICON und Co. vom taufrisch auf den Markt gekommenen IFS von 00 UTC.
Andere Modelle wiederum wie z.B. EURO4 oder GFS wollen von diesen Schauern nix
wissen und lassen es in den genannten Gebieten zumindest tagsüber noch trocken.
Bliebe abschließend Wind und Temperatur, die im Osten gebietsweise 9/10°C
anpeilt, während sonst die Spanne zwischen 2 und 8°C liegt. Wie bereits
angedeutet, kocht der Wind deutschlandweit weiterhin auf Sparflamme. Einzig in
den Alpen deutet sich der abermalige Aufbau einer Föhnlage an mit ersten Böen
7-8 Bft aus Süd bis Südost in prädestinierten Kamm- und Gipfellagen.

In der Nacht zum Freitag erreicht der Randtrog die Nord- und Ostsee. Dadurch
zieht sich auch der zugehörige Regen in den Nordosten zurück. Im Westen und
Südwesten bleibt eine latente Schauerneigung vorhanden, wobei nun auch EURO4 und
GFS ein gewisses Interesse aufbringen, dieses Szenario zu unterstützen. Für
einen Haufen Wolken sollte es auf alle Fälle reichen, was die
Frostwahrscheinlichkeit kleinhält. Allerdings könnte es im höheren Bergland für
Tiefstwerte um den Gefrierpunkt reichen, Glätte durch gefrierende Nässe
inclusive. Ansonsten stehen negative Tiefstwerte am ehesten im Süden und
Südwesten auf der Karte, wo es teilweise auflockert. Dann kann es selbstredend
wieder Nebel geben, was aber auch in der Mitte und im wahrscheinlich vom Regen
nicht betroffenen Nordwesten der Fall sein kann.

Freitag… nimmt der Höhentrog über Westeuropa respektive dem nahen Ostatlantik
eine etwas komplexere Struktur an. Ausgehend von einem sich bei Irland
einnistenden Höhentief erstreckt sich eine Potenzialausbuchtung bis nach
Mitteleuropa. Erneut zieht ein Sekundärtrog über den Westen und Nordwesten des
Vorhersageraums von Süd nach Nord, verursacht dort aber nur wenige Schauer
(etwas Höhenkaltluft mit T500 um oder etwas unter -25°C ist vorhanden). Zurück
noch mal in den Westen Europas, wo ein markanter zur Biscaya schwenkt und dabei
ein veritables Bodentief auf wahrscheinlich nahe 975 hPa auspumpt. Zwar zeigt
das Russlandhoch QUINCY um 12 UTC keine abgeschlossene 1050-hPa-Isobare mehr,
trotzdem dürfte der Luftdruckunterschied zwischen den beiden Extrema noch gut 70
hPa auf einer Distanz von rund 3500 km ausmachen, was durchaus bemerkenswert
ist.
Trotz dieses enormen Gradienten bleibt das Geschehen vor Ort strömungstechnisch
auf sehr beschaulichem Niveau. Einzig der Föhn in den Alpen nimmt weiter Formen
an, so dass im Laufe des Tages, spätestens in der Nacht zum Samstag mit einem
Durchbruch bis in föhnaffine Täler gerechnet werden muss (Böen 7-8 Bft, lokal
evtl. 9 Bft). In exponierten Kamm- und Gipfellagen sind dann (schwere) Sturmböen
9-10 Bft zu erwarten.
Wettertechnisch wurde die latente Schauerneigung im Westen bereits erwähnt. Im
Norden verabschiedet sich der Regen in Richtung Ostsee bzw. Südskandinavien. Im
größten Teil des Landes bleibt es niederschlagsfrei bei
„Teils-teils-Bedingungen“, meint, in tiefen Lagen häufig trüb oder bedeckt durch
Nebel/Hochnebel, in höheren Lagen teils sonnig. Chancen auf Auflockerungen oder
gar sonnige Abschnitte gibt es bei etwas zunehmender ost-südöstlicher
Grundströmung auch an den West- und Nordwesthängen der Mittelgebirge.
Niedertroposphärisch wird es mit 850-hPa-Temperaturen von +1 oder 2°C an der
Nordsee und bis zu 8°C im Süden ziemlich mild, was sich trotz fortgeschrittener
Jahreszeit und limitierter Durchmischung sogar auf die 2m-Temperatur
niederschlägt. So werden im Osten und am Alpenrand, punktuell aber auch im
Westen 10°C oder etwas mehr anvisiert, aber auch sonst hat man mit Höchstwerten
zwischen 3 und 9°C schon kältere Novembertage in der letzten Monatsdekade
erlebt.

Die Nacht zum Samstag bringt einmal mehr gebietsweise Nebel (vor allem im Süden
und in der Mitte) und vergleichsweise wenig Frost.

Modellvergleich und -einschätzung

Die geschilderte Entwicklung der Großwetterlage ist unstrittig. Kleinere
Diskrepanzen wurden im Text angerissen (z.B. morgige Schauer im Südwesten), sind
in der Regel aber warnirrelevant.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann