S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 20.10.2019 um 10.30 UTC

Bestes Bergwetter! Ansonsten Nebellotterie und meist trocken.

Synoptische Entwicklung bis zum Sonntag, den 27.10.2019

Zunächst soll ein Blick auf den stratosphärischen Polarwirbel geworfen werden,
der aktuell für diese Jahreszeit zonale Windgeschwindigkeiten aufweist, die nahe
am oberen Ende des bisher beobachteten liegen. Allerdings deuten u.a. die GEFS
Member recht einheitlich Ende Oktober eine Abschwächung auf normale bis leicht
unterdurchschnittliche Werte an (besonders vom Nordostpazifik über Kanada bis
nach Grönland). Davon abgesehen liegt das Zentrum des Wirbels in der
Stratosphäre aktuell recht zentriert über dem Pol und „flattert“ in der Folge in
Richtung Ostsibirische See bzw. Laptewsee (ein in der Findung des Wirbels nicht
ungewöhnlicher dynamischer Prozess). Daran gekoppelt fällt auch in der
mittleren/oberen Troposphäre das Geopotential zwischen der Karasee und der
Laptewsee. Peripher erhöhte Baroklinität sorgt von Island über Nordskandinavien
bis nach Russland die Mittelfrist über für eine rege Tiefdruckaktivität. Mit dem
Abdriften des Wirbels und einer absinkenden AO/NAO in negative Gefilde deutet
sich ein stark mäandrierendes Strömungsmuster im nordamerikanisch/kanadischen
und teils auch europäischen Raum an.
Komplexer wird das Bild durch die erneut in der Mittelfrist vorhandenen
„high-latitude“ Blockadelagen und der daraus resultierenden positiven
Geopotentialanomalien über Grönland und zum Ende der Mittelfrist besonders über
dem Nordostpazifik/Alaska („phase locked“ mit dem Bereich höchster SST Anomalie
von teils deutlich mehr als 2 Kelvin über dem Nordostpazifik bis zur
Tschuktschensee). Daher verwundert es nicht, dass das Wort „Retrogression“ über
dem Nordatlantik und auch über dem westlichen Europa die Mittelfrist über eine
zunehmende Bedeutung erlangt und das Geopotentialfeld teils sehr komplexe
Vorgänge unterläuft – u.a. zwei versetzte Blockadelagen („Omega“ über Kanada und
Grönland sowie „Hoch-über-Tief“ über Süd- und Mitteleuropa). Zudem etabliert
sich dank zyklonal brechenden Rossby-Wellen über dem Nordatlantik stromab eine
typische Blockadelage, die jedoch den Randbereich dieser Mittelfrist und somit
eher die erweiterte Mittelfrist betrifft.
Zusammengefasst springt einem die Komplexität der zu erwartenden Vorgänge ins
Auge und daher (so viel sei schon mal erwähnt) verwundert eine stetige
Diskrepanz der Modelle innerhalb der Mittelfrist nicht. Das Gute aber zuletzt:
so komplex das Wetter auf dieser Skala erscheint, so ruhig verläuft es in
Deutschland.

Zum Beginn der Mittelfrist, am Mittwoch, etablieren sich die bereits
angesprochenen Druck- und Geopotentialverteilungen über dem Nordatlantik und
über Europa. Ein markanter Höhentrog erstreckt sich von Island bis zu den
Azoren, kommt insgesamt mit seiner Achse kaum nach Osten voran, weist jedoch in
den PV-Feldern einen agilen kurzwelligen Anteil an seiner Südspitze auf, der mit
den subtropischen Luftmassen interagierend in der Folge noch von Interesse sein
wird. Stromab liegt ein Tiefdruckgebiet über Spanien und dem westlichen
Mittelmeer, was jedoch keinen Anschluss an die über Nordwesteuropa liegende
Frontalzone findet und vor Ort „herumirrt“ (dabei jedoch ein „high-impact“
Wetter über Südwesteuropa in Form unwetterartiger Regenfälle/Gewitter bringend).
Wiederum stromab wölbt sich ein Keil dank hochreichender WLA nordwärts in
Richtung Mitteleuropa und östliches Europa auf.
Deutschland befindet sich dabei am westlichen Rand dieses Rückens sowie in einem
breiten Warmsektor (aufgespannt durch die Zyklone über Südwesteuropa). Eine zur
Deutschen Bucht und Benelux abziehende Warmfront dürfte dem Nordwesten noch
dichtere Wolken bringen, bevor sich auch hier die Sonne wie im übrigen Land
durchsetzt. Dank höhenmilder Luft und angedeuteter Absinkinversion werden sich
Feuchtefelder in Form von Nebel/Hochnebel entlang der Flüsse Süddeutschlands
lange bis in den Tag halten (teils bis zum Abend). Die leicht föhnige
Südströmung macht sich auf Alpengipfeln mit Sturmböen bemerkbar, ansonsten weht
der Südostwind nur schwach (und verstärkt nur die hochnebelhaltende Inversion
über Süddeutschland). Die Höchstwerte werden sich im Norden um 17 Grad, im Süden
um 20 Grad einpendeln mit deutlichen (negativen) Abweichungen im Nebel.
In der Nacht zum Donnerstag gibt es keine wesentlichen Änderungen. Vielerorts
bildet sich dichter Nebel (über dem Norden mit einsickernder Nordseeluft gar
eine ausgedehnte Hochnebeldecke) und über der Deutschen Bucht frischt der
Südwind dank der Nähe zur Frontalzone etwas stärker auf. Die Tiefstwerte liegen
zwischen 13 und 6 Grad.

Am Donnerstag und in der Nacht zum Freitag ändert sich bei dem genannten
Geopotentialmuster wenig. Erwähnenswert ist, dass sich der kurzwellige Anteil am
Südrand des Troges dank hervorragender barokliner Umgebung zu einem ungewöhnlich
heftigen Azorensturmtief aufbläht. Sein diabatischer Input baut einen Keil
Richtung Portugal auf, was das Tief über Spanien in der Folge etwas nach
Ost/Nordost und somit in Richtung Deutschland drückt. Die östliche
Höhenkeilachse verbleibt über dem östlichen Mitteleuropa bzw. Osteuropa. Seine
Westflanke kann als Schwachstelle angesehen werden und mit der regen
Tiefdruckaktivität über Nordeuropa stehen die Chancen nicht schlecht, dass sich
im Tagesverlauf eine erste Front nach Deutschland „mogeln“ kann.
Somit erwartet Deutschland vielerorts erneut ein ruhiger und vielerorts sonniger
„Goldener Oktobertag“. Achtung, Einschränkung: Dichte Nebelfelder aus der Nacht
müssen sich erst einmal auflösen (bleiben teils bis zum Abend bestehen) und auch
der Hochnebel im Norden braucht bis weit in den Tag, um sich zu lichten. In der
Nacht verdichten sich die Nebelfelder dann erneut. Auch sonst driften abseits
der Nebelfelder teils ausgedehnte Wolkenfelder vorüber, die an eine Front
gebunden sind, die unter Abschwächung in den Keil reinläuft (große
Modelldiskrepanzen, wie ausgeprägt die frontale Hebung bzw. Bewölkung noch ist).
Ganz im Südwesten könnte es mit etwas Labilisierung und Hebung des
Mittelmeertiefs gar zu einzelnen Schauern reichen. Nach Höchstwerte von 17 bis
23 Grad (mit Föhn lokal auch mehr) werden Tiefstwerte von 13 bis 7 Grad
erwartet. Der Südwind weht auf Alpengipfeln weiterhin föhnig mit Sturmböen,
sonst aber nur schwach bis mäßig aus Süd bis Südost.

Am Freitag wird das Sturmtief über den Azoren zur treibenden Kraft. Dank seiner
kräftigen WLA wird einerseits das Tief über dem westlichen Mittelmeer zunehmend
aufgefüllt (bringt aber dort weiterhin hohes Unwetterpotential), andererseits
findet eine Retrogression des Keils in Richtung zentrales Mitteleuropa statt.
Grundsätzlich beste Voraussetzungen für einen goldenen Oktobertag, wenn nicht
die Frontpassage aus der Nacht wäre. Deren Feuchteeintrag, überlaufen von
höhenmilder Luft und zunehmendem synoptisch-skaligem Absinken könnte vielerorts
eine dichte Hochnebeldecke zur Folge haben, die sich besonders im Nordosten zäh
bis weit in den Tag hälft. IFS ist noch zurückhaltend mit der Frontpassage und
somit mit dem Feuchteinput aus der Nacht heraus, sodass demnach der Freitag
vielerorts sonnig verläuft, aber diese Ausgangslage birgt grundsätzlich
Potential für „negative“ Überraschungen mit Blick auf die Sonnenausbeute.
Abseits des Nebels/Hochnebels wird ein freundlicher bis sonniger Tag erwartet.
In der Nacht verdichtet sich die Nebelfelder, sonst ändert sich an dem
hochdrucklastigen Wetter wenig. Nach Höchstwerte von 16 bis 20 Grad (im
Dauernebel deutlich kälter) liegen die Tiefstwerte bei rund 12 bis 6 Grad mit
den mildesten Werten entlang der Küsten. Der aus überwiegend südlicher Richtung
wehende Wind spielt deutschlandweit keine Rolle.

Am Samstag wandert das Hochdruckgebiet mit seinem Zentrum weiter in Richtung
südliche Nordsee und bildet eine schwache Hochdruckbrücke mit der positiven
Geopotentialanomalie über Grönland aus. Mit dieser Entwicklung würden wir aus
heutiger Sicht im Tagesverlauf auf die Ostflanke des Hochs gelangen und
grundsätzlich wäre dieser Schritt einer in Richtung „peripher Nordwest“,
„kälter“ und „wechselhafter“. Allerdings liegen hier noch erhebliche
Diskrepanzen vor bezüglich der Druckverteilung über dem Nordatlantik und der
daraus resultierenden Entwicklung stromab, sodass dieser Vorhersagezeitraum noch
als unsicher einzustufen ist.
Folgen wir dem Fahrplan des letzten IFS-Laufs, dann würde auch der Samstag und
die Nacht zum Sonntag zumeist störungsfrei verlaufen, wenngleich im Verlauf der
Nacht mit Annäherung einer Kaltfront aus Nord mit zunehmender Bewölkung und
einzelnen Schauern zu rechnen wäre. Ansonsten dauert sowohl am Tag wie auch in
der Nacht das Wechselspiel aus Sonne/Sternen und Nebel-/Hochnebelfeldern an. Die
Höchstwerte liegen zwischen 14 und 20 Grad, die Tiefstwerte zwischen 12 und 5
Grad (das „im Nebel kälter“ spare ich mir in der Folge) und der allmählich auf
Südwest drehende Wind spielt abseits einzelner Böen im Küstenumfeld keine große
Rolle.

Bleibt noch kurz der Sonntag zu erwähnen, wo sich KLA gestützt ein üppiges
Bodenhoch vor Südnorwegen aufblähen und seine Fühler bis nach Deutschland
strecken soll. Der Süden und Westen werden zudem noch vom Höhenkeil tangiert,
während der Nordosten eher zyklonal geprägt daherkommt. Die Kaltfront aus der
Nacht kommt nur noch mit Mühe südwärts voran, bringt im Osten einzelne Schauer,
sonst aber vor allem viel Hochnebel, während präfrontal im Süden die
Nebel-/Sonnenlotterie weitergeht. Postfrontal gehen die Höchstwerte auf rund 13
Grad zurück und liegen sonst weiterhin im milden Bereich zwischen 15 und 19
Grad. Einzelne postfrontale Windböen im Küstenumfeld vernachlässigend ist
weiterhin mit keinem nennenswerten Wind zu rechnen.

Fazit: Bestes Wetter in den Bergen, lästige Nebellotterie im Tiefland und
durchweg trocken (abgesehen von einzelnen Schauern).

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Eine blockierende Wetterlage wird durch eine recht homogene
Geopotentialverteilung innerhalb der vergangenen IFS-Läufe gestützt.
Erwähnenswert ist vielleicht, dass die westliche Peripherie des Keils über
Deutschland bis Freitag von Lauf zu Lauf etwas schwächer gerechnet wird, was die
Wahrscheinlichkeit für schwache Frontpassagen (besonders in Form von Bewölkung
und Hochnebel) erhöht. Mit einer retrograden Keilverlagerung vom östlichen
Mitteleuropa nach Deutschland nimmt die Unsicherheit zum kommenden Wochenende
wieder ab.

Die Mittelfrist über muss weder mit einem erhöhten Sturmpotential noch mit
nennenswertem Niederschlag gerechnet werden.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Bis einschließlich Freitag stimmt die Numerik recht gut mit der von IFS
gezeigten Entwicklung überein.
Diese Aussage beschränkt sich jedoch nur auf Mitteleuropa, denn über dem
Nordatlantik sieht es aus wie „Kraut und Rüben“. Die Modelle scheinen mit der
Retrogression der Rossby-Welle vor Grönland/Island ihre Probleme zu haben.
Erschwert wird das Ganze noch durch die Interaktion dieses Troges mit
subtropischen Luftmassen, sodass die daraus hervorgehende Zyklogenese
unterschiedlich berechnet wird. Da stromab gelegen, erreichen uns diese
Modelldiskrepanzen per „downstream development“ am Wochenende. U.a. wird die von
IFS proklamierte Höhenhochlage über Deutschland weder von ICON noch von GFS
gestützt (dort eher im Randbereich gelegen). Entsprechend zyklonaler wäre das
Wetter, entsprechend weniger nordwestanfällig wäre dann allerdings auch die
erweiterte Mittelfrist (eher Fortdauer mit einer Trogvorderseite).

Die Unsicherheiten nehmen also besonders zum Wochenende deutlich zu und erlauben
einem nur eine grobe Tendenz bezüglich der Entwicklung zu äußern.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Die Meteogramme in Deutschland zeigen ein stabiles Temperaturniveau mit einer
engen Memberschar (die in Nebelgebieten wie der Donau naturgemäß zunimmt) und
deuten im Norden zum Ende mit einer größeren Streuung die mögliche
Kaltfrontpassage an.
Eine ähnlich enge Bündelung findet bei den 850 hPa und 500 hPa Rauchfahnen (T
und p) statt, wobei besonders im Norden eine schwache Frontpassage mit einer
vorübergehenden Spreizung der Memberschar angedeutet wird.

Die Clusteranalyse zeigt zum Beginn der Mittelfrist am Mittwoch drei Cluster
(noch positive NAO) mit unbedeutenden Diskrepanzen für Deutschland.
In der Folge wechseln mehr und mehr Cluster in das klimat. Regime „Blockade“ und
bei maximaler Anzahl wird die Komplexität der Entwicklung der Geopotentialfelder
hervorgehoben. Bis Freitag bleiben wir dank der direkten Nähe zum Höhenhoch von
den meisten Unsicherheiten noch verschont, doch spätestens zum Wochenende wirken
sich die Unsicherheiten über dem Nordatlantik auch auf die Lage des
blockierenden Hochs über Mittel-/Westeuropa aus. Mit dem Kontroll- und det. Lauf
im ersten und zweiten Cluster verwundert die Tendenz zu einer nordwestlichen
Strömung wenig, doch zeigen das die restlichen Cluster nicht. Die geometrischen
Diskrepanzen wirken sich auch auf mögliche Frontpassagen über Deutschland aus,
die zwar aus dynamischer Sicht nicht „die Bringer“ sein werden, aber
entscheidend bei der Nebellotterie eingreifen können.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Abgesehen von einem leicht positiven Ausschlag bei den Temperaturwerten deuten
auch der EFI sowie alle weiteren probabilistischen Verfahren eine ruhige
Mittelfrist an.

STURMBÖEN:
Bis Donnerstag treten auf Alpengipfeln wiederholt föhnbedingt Sturmböen aus Süd
auf.

Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, IFS-EPS und (modifizierte) MOSMIX

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Helge Tuschy