SXEU31 DWAV 110800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 11.10.2019 um 08 UTC

GWL und markante Wettererscheinungen:
Wz
An der Nordsee heute Abend schwere Sturmböen, auch in Gipfellagen stürmisch.
Dazu im Norden Schleswig-Holsteins Dauerregen. Zum Wochenende im Norden leicht
wechselhaft, sonst „Goldener Oktober“ mit teils spätsommerlichen Temperaturen.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC

Freitag… liegt Deutschland auf der warmen Seite der Frontalzone, die sich
relativ zonal vom Westausgang des englischen Kanals über Norddeutschland hinweg
bis zum Baltikum erstreckt. Die Höhenströmung ist dabei indifferent, im Süden
leicht antizyklonal konturiert und quasi über den ganzen Tag hinweg ist schwache
positive Schichtdickenadvektion wirksam. Der rechte Jetausgang (Jetstreak zum
Abend mit Maximum von 150 Knoten an der Grenze Schottland-England) erfasst dabei
neben Dänemark auch das Nordseeumfeld. In der Summe wird dadurch Hebung über der
am Boden befindlichen Kaltfront gestützt, die aktuell strömungsparallel (und
damit anfällig für Wellenbildungen) von Nordfriesland bis zur Bretagne reicht.
Die vorgelagerte Warmfront greift aktuell Mecklenburg-Vorpommern, Brandburg und
Sachsenanhalt über. Effektiv kommt es tagsüber so etwa nördlich einer Linie
Ruhrgebiet – Berliner Raum wiederholt zu Regenfällen (ja, so weit südlich.
Stichwort: „Es regnet doch im Warmsektor!“), die in Nordseenähe aufgrund der
o.e. dynamischen Voraussetzungen am stärksten ausgeprägt sind. Aus der Nacht
heraus wurden für die Gebiete nördlich des Nord-Ostseekanals bereits
Dauerregenwarnungen mit Regensummen um 30 Liter pro Quadratmeter bis Samstag
Früh herausgegeben. Neben aktuellen Beobachtungen mit rund 1 l/qm pro Stunde und
nach Durchsicht der deterministischen Läufe (verbreitet 20 bis 30 l/qm,
punktuell darüber) und probabilistischen Verfahren (Cosmo-Leps bis zu 40% für
mehr als 30 l/qm nahe der Dänischen Grenze) lässt sich konstatieren, dass
zumindest punktuelle Überschreitungen der Kriterien wahrscheinlich sind. Sonst
fallen meist Mengen im einstelligen Bereich binnen 12 Stunden.

Südlich der Mittelgebirgsschwelle ist eher schwacher Hochdruckeinfluss –
ausgehen vom 1025 hPa Hoch über Slowenien – wetterwirksam, das sich bis zum
Abend langsam zur Donaumündung verlagern wird. Die schwache WLA und feuchte
Grundschicht durch die Regenfälle der letzten Tage sorgt aber zumindest für das
ein oder andere kompakte Wolkenfeld in sämtlichen Höhenniveaus. Von tiefer
Bewölkung – aufgrund der schon zu stark abgetrockneten Luftmasse – ausgenommen,
sind lediglich die Gebiete südlich der Donau. Von Auslösetemperaturen jenseits
der 25 Grad-Marke (die, um es vorweg zu nehmen, erst in den nächsten Tagen
geknackt wird) sind wir heute zumindest noch mit Höchstwerten um 20 Grad ein
Stück weit entfernt.

Mit der strammen südwestlichen Strömung (in der Höhe wegen WLA eher West) wird
niedertroposphärisch allmählich wärmere Subtropikluft herangeführt, die mit 850
hPa Temperaturen über 10 Grad heute schon den äußersten Süden und Südwesten
erreicht. Weiter nördlich bleibt es in der erwärmten Atlantikluft (T850 hPa um
die 7 Grad, Theta 850hPa über 35 Grad) mit 14 bis 18 Grad aber auch
vergleichsweise mild für Mitte Oktober.

A propos stramme Strömung: In der stabilen Schichtung macht sich die Nähe zur
Frontalzone vor allem auf den Bergen, in deren Lee und direkt an der Südflanke
des schleifenden Ausläufers bemerkbar. Dabei treten in der Nordwesthälfte
gebietsweise Windböen Bft 7, auf den Bergen und an der Nordsee vermehrt
Sturmböen 8 bis 9 Bft aus Südwest auf.

In der Nacht zum Samstag erreicht ein Wellenscheitel Dänemark, womit der Wind an
der Nordsee sein Maximum erfährt. Auflandig (Nordfriesland, Dithmarschen)
sollten dann schwere Sturmböen bis an die Grenze zum (roten) orkanartigen
Bereich auftreten – betragen doch die Oberwinde in 850 hPa immerhin 55 Knoten.
Cosmo-D2-EPS rudert im Vergleich zum Vorlauf etwas zurück, simuliert aber
immerhin noch 30 bis 40% für Böen größer Bft 10. Aufgrund der Erfahrung bei
vergangenen Lagen kann man diesbezüglich aber erstmal entspannt sein, eine
Unwettersituation zeichnet sich nicht ab. Im Bereich der Kaltfront ist eine
schwache Labilisierung mit geringfügigem CAPE gerechnet, für mehr fehlt es an
der nötigen Höhenkaltluft. Gleichwohl sind diese low Cape – high Shear-Lagen (um
die 30 m/s zwischen 0 und 6 km) aber nie zu unterschätzen, zumal auch diabatisch
vom noch 15 Grad warmen Nordseewasser ein gewisser Input kommt. Die
Wolkenobergrenzen liegen auf Grundlage der Prognosesoundings im Frontbereich um
die -10 Grad, weshalb auch mal ein kurzes Gewitter eingelagert sein kann – was
letztlich der „Bringer“ für die bestehende Dauerregenwarnung wäre. Bis
Samstagfrüh schwenkt die Kaltfront vorübergehend mal etwas landeinwärts durch
und erreicht etwa eine Linie Ostfriesland-Hamburg-Rügen, bevor sich im Vorfeld
einer neuen Welle westlich der Biskaya wieder als Warmfront rückläufig wird.

Fernab des frontalen Geschehens im Norden klart es teilweise auf. An den
Flussläufen in der Mitte und im Süden des Landes bilden sich lokale Nebelfelder.
Im Bereich der trockensten Luft mit Taupunkten nur wenig über dem Gefrierpunkt
und nur schwacher Luftbewegung besteht vor allem südlich der Donau eine erhöhte
Neigung zu leichtem Frost in Bodennähe.

Samstag… führt südwärts gerichtete KLA über dem nahen Ostatlantik zu einer
Austrogung Richtung Azoren. Dadurch steilt die Strömung über Mitteleuropa auf
und im Zuge der bereits erwähnten Welle westlich der Biskaya wird die über
Norddeutschland liegen Front als Warmfront rückläufig. Aufgrund des immer noch
recht frontenparallelen Windes bleibt signifikante WLA aus, die Strömung relativ
glatt mit einer noch immer starken Westkomponente. In der Konsequenz wird die
Front dadurch nur sehr zögernd nordwärts gedrückt. Das überlagerte schwache
Absinken (resultierend aus schwacher NVA in der Höhe) sorgt letztlich aber
dafür, dass die Regenfälle nicht mehr sonderlich ergiebig sind und das
Wolkenband immer schmaler wird.

Interessant könnte es am Nachmittag über Eifel, Hunsrück und Westerwald werden,
wenn die schwach-labil geschichtete (Lapse Rates um die -0.6 K pro 100m) und
ordentlich gescherte Luftmasse mit PPW’s um 30 mm orographisch gehoben wird oder
ein sich abzeichnender flacher Randtrog (ausgelöst am Nordrand der Pyrenäen)
hineinläuft. Die Auslöse bleibt aber mit 25 Grad recht hoch und auch der
Sonnenstand zu dieser fortgeschrittenen Jahreszeit sprechen eher nur für
vereinzelte Schauer.

Die 10 Grad-Isotherme in 850 hPa erreicht unterdessen auch die Mitte, weshalb
auch Berlin, Magdeburg und Köln die 20 Grad Marke in 2m knacken. Leicht föhnig
begünstigt ist das Alpenvorland (trotz tiefem Ausgangsniveaus aus der Nacht
heraus) begünstigt für nahezu ungestörten Sonnenschein und mit 850 hPa
Temperaturen nahe 15 Grad rückt auch bei nicht mehr kompletter Durchmischung ein
nochmaliger Sommertag mit mehr als 25 Grad in Reichweite.

Der Gradient fächert nach Abzug des nächtlichen Wellenscheitels schon etwas auf.
Die anhaltende Nähe zur Frontalzone verdeutlichen aber weiterhin die Sturmböen
auf den Bergen (Brocken anfangs auch noch orkanartig), sowie Windböen an der See
und in Leelagen an der Südflanke der Front (Weserbergland, Harz, Thüringer Wald,
etc.).

In der Nacht zum Sonntag amplifiziert sich ein Kurzwellentrog über der Nordsee,
was sich vorderseitig über dem Nordwesten und Norden Deutschland in einem WLA
Maximum niederschlägt. Somit intensivieren sich die Regenfälle unmittelbar an
der Nordsee zum Morgen hin wieder etwas. Die südwestliche Strömung über der
Mitte des Landes kommt immer noch ziemlich „flattrig“ daher, weshalb einzelne
kurzwellige Anteile noch immer einzelne Schauer über den Bergen auslösen können.
In der subtropischen Luftmasse bleibt es mit Tiefstwerten von 15 bis 10 Grad
ungewöhnlich mild. Dort, wo der Wind komplett entkoppelt und die Luftmasse nach
wie vor sehr trocken ist (Schwaben bis Niederbayern) kühlt es markanter auf 10
bis 5 Grad ab. Auf den Bergen bleibt es windig.

Sonntag… kommt die Achse des ostatlantischen Troges kaum ostwärts voran, da
sie durch einen neuen kurzwelligen Anteil regeneriert wird. Entlang des
nächtlichen Randtroges über der Nordsee ist eine (erneute) Wellenbildung
gekoppelt, die zum Abend vor der Westküste Dänemarks liegt. In der südwestlichen
Strömung (bodennah inzwischen meist Süd) hält die Zufuhr warmer Subtropikluft
aus dem westlichen Mittelmeerraum an und nahezu das ganze Land liegt im weit
aufgespannten Warmsektor. Vor 3 Monaten hätte das eine veritable Unwetterlage im
Nordwesten zur Folge gehabt. Inzwischen ist aufgrund des limitierten
Sonnenstands erneut die Frage nach der Auslöse das Zünglein an der Waage.
Dynamische Hebungsantriebe bleiben ebenfalls schwach, die
Luftmasseneigenschaften mit PPW’s zwischen 30 und 35 mm, bei einer DLS jenseits
von 20 m/s ließen organisierte Konvektion zu. Es bleibt abzuwarten, eine flache
Inversion in 900 hPa unterbindet aber wohl großflächigere Entwicklungen und auch
die südliche Grundströmung ohne erkennbare konvergente Strukturen spricht aus
Erfahrung eher gegen die Auslöse von Schauern und Gewittern.

In weiten Teilen des Landes wird im Freien ein reges Treiben herrschen bei
spätsommerlichen 23 bis 27 Grad. Nur an der Küste bleibt es mit 17 bi 20 Grad
etwas kühler. Der Wind bleibt in Gipfellagen der Mittelgebirge und an der
Nordsee warnrelevant – aber letztlich im Gegensatz zum Temperaturniveau
jahreszeitentypisch.

Modellvergleich und -einschätzung

Im Kurzfristzeitraum ergeben sich keine markanten Prognoseunterschiede. Die über
die Nacht zum Sonntag hinweg anhaltenden Niederschlagssignale über den zentralen
Mittelgebirgen – gerade vom IFS – überraschen in der Stärke etwas. Bis zum
Thüringer Wald etwa sind diese plausibel, östlich davon im sich immer weiter
abflachenden Randtrog aber wahrscheinlich überschätzt. ICON und Euro4 schauen da
plausibler aus.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Robert Hausen