S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Montag, den 30.09.2019 um 10.30 UTC

Unbeständig, teils sehr nass und zeitweise windig. Kühl. Wetterberuhigung im
Laufe der kommenden Woche?

Synoptische Entwicklung bis zum Montag, den 07.10.2019

In der Mittelfrist nistet sich über Ostgrönland und dem Nordmeer eine positive
Geopotenzialanomalie ein, gestützt durch WLA auf der Vorderseite eines sich
immer wieder regenerierenden Höhentiefkomplexes über dem Nordwestatlantik vor
Neufundland. Diese Höhenantizyklone blockiert die Westdrift zwar insofern, dass
die „großen Wellen“ (also die Langwellentröge oder großräumigen
Höhentiefkomplexe) wenig effektive Progression aufweisen. Jedoch „rutschen“
südlich der Antizyklone, begünstigt durch eine gut ausgeprägte Fontalzone mit
kräftigen Jet, immer wieder Kurzwellen über den Atlantik bis nach Europa durch.
Entsprechend setzt sich das unbeständige Wetter in Deutschland fort. Nasse und
windige bis stürmische Phasen wechseln sich mit kurzen ruhigen, vor allem nach
Süden zu mitunter freundlichen Phasen ab. An dieser Stelle muss allerdings
vehement betont werden, dass die extratropische Umwandlung von Hurrikan LORENZO,
die zum Ende der Kurzfrist beginnt und zu Beginn der Mittelfrist endet, für
große Unschärfen hinsichtlich des genauen Wetterablaufs sorgt!

Zu Beginn der Mittelfrist am Donnerstag befindet sich Deutschland zwischen einem
Trog, der ausgehend von einem Höhentief über nördlichen Ostsee bis nach Tunesien
reicht, und einem sich zusehends abflachenden Rücken, der mit seiner Achse nach
Frankreich und zur Nordsee schwenkt, in einer nordwestlichen Höhenströmung. Im
Bodenniveau schiebt sich durch NVA auf der Vorderseite des Rückens ein Hochkeil
von Westen nach Süddeutschland. Wenn die letzten Stauniederschläge an den Alpen
abgeklungen, sorgt der Hochdruckeinfluss im Süden für trockenes, mitunter
freundliches Wetter. Ansonsten herrscht unter Trogeinfluss noch mehr oder
weniger rege Schauertätigkeit, für Gewitter reicht die Labilität aber
voraussichtlich nicht mehr aus. Zwischen dem Keil und dem mit dem Trog
korrespondierenden Tiefdruckkomplex über dem Baltikum und Nordwestrussland
fließt aus West bis Nordwest erwärmte, maritime Polarluft nach Deutschland (0
bis 2 Grad auf 850 hPa), sodass das Quecksilber bei maximal 15 oder 16 Grad
hängen bleibt.

Am Freitag schwenkt der Rücken unter fortschreitendem Konturverlust ostwärts
über Deutschland hinweg. Im folgt zum Tagesende eine Kurzwelle, die sich aus
Resten von Ex-Hurrikan LORENZO speist. Im Bodenniveau löst sich Ex-LORENZO über
Schottland derweil auf, allerdings wird am Okklusionspunkt des
korrespondierenden Frontensystems ein Teiltief über der Nordsee gebildet, das in
der Nacht zum Samstag nach Norddeutschland zieht. Die Wetterwirksamkeit des
Rückens hält sich sehr in Grenzen, denn die verbleibenden Schauer über der
Nordhälfte gehen durch aufkommende WLA im Vorfeld der okkludierten Front von
Nordwesten alsbald in Regen. Bis zum Abend sowie in der Nacht zum Samstag regnet
es mit Übergreifen der Front schließlich verbreitet leicht bis mäßig, am
längsten trocken und teils freundlich bleibt es noch im Südosten. Mit der auf
Südwest drehenden Strömung wird zwar etwas mildere Biskayaluft herangeführt (auf
850 hpa 1 bis 5 Grad), was sich aber kaum im Temperaturniveau in 2 Meter Höhe
bemerkbar macht.

Am Samstag schwenkt die Kurzwelle rasch südostwärts durch, gefolgt vom nächsten
Rücken, der mit seiner Achse bis zum Abend Westdeutschland erreicht. LORENZOs
Teiltief (nach Nomenklatur der FU Berlin wäre das LORENZO II), zieht weiter ins
östliche Mitteleuropa und hinterlässt uns seine Front, die durch fehlende
Schubkomponente in der nordwestlichen Höhenströmung über der Mitte quasi
stationär wird. Im Verlauf geht sie sogar wieder in die Warmfront eines
Sturmtiefs über der Irmingersee über und wird folglich rückläufig. Die
Regenfälle quer über der Mitte Deutschlands halten daher an. Ob es für
warnwürdige Mengen reicht bleibt abzuwarten. Zumindest in Staulagen der
Mittelgebirge ist das aber nach diesem Szenario sicherlich nicht auszuschließen.
Während es nordöstlich des „Regenstreifens“ unter Trogeinfluss zu Schauern
kommt, stehen die Chancen weiter südwestlich nicht schlecht, dass es unter
Hochdruckeinfluss trocken bleibt und sich auch die Sonne längere Zeit zeigen
kann. Die niedertroposphärische Erwärmung macht in der Südwesthälfte weitere
Fortschritte (5 bis 8 Grad in 850 hPa, Tmax mit Sonne knapp 20 Grad am
Oberrhein), in der Nordosthälfte kaum bis gar keine (0 bis 5 Grad in 850 hPa,
Tmax <15 Grad).

Am Sonntag tropft ein neuer Trog über den Britischen Inseln ab, das
resultierende Cut-Off verlagert sich über Benelux und die Westalpen nach
Oberitalien. Über Großbritannien vollzieht sich auf der Trogvorderseite eine
Okklusionspunkt-Zyklogenese, das daraus folgende Teiltief zieht über die Nordsee
nach Deutschland. Südlich er Alpen forciert das Cut-Off eine weitere
Zyklogenese. Summa Summarum verstärkt sich der zyklonale Einfluss am Sonntag
sogar nochmal, es regnet verbreitet, mitunter schauerartig verstärkt. Vor allem
nahe des Cut-Offs im Westen sind auch die ein oder anderen kurzen Gewitter mit
von der Partie. Ansonsten drängen sich warnwürdige Niederschlagsmengen aber
nicht auf, am ehesten an den Alpen könnten staubedingt Warnschwellen gerissen
werden. Die temperaturtechnische Qualität der Luftmasse ändert sich kaum,
allerdings bleiben die Höchsttemperaturen durch die zeitweiligen Regenfälle
häufig hinter denen des Vortages zurück.

Bleibt als warnwürdiges Wetterelement noch der Wind, der Freitag bis Sonntag im
Umfeld der Teiltiefs zeitweise auffrischt. Eine größere Sturmlage scheint
allerdings nach jetzigem Stand nicht mehr ins Haus zu stehen, einzelne Sturmböen
sind am ehesten an der Küste sowie auf exponierten Berggipfeln zu erwarten.

Am Montag und in der erweiterten Mittelfrist deutet sich der Vorstoß eines
umfangreicheren Azorenhochkeils an. Vor allem die Südhälfte würde von
freundlicherem und trockenem Wetter profitieren, während die Nordhälfte
insgesamt anfällig gegenüber „frontaler Streifschüsse“ bleiben würde.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Die Konsistenz der neusten IFS-Modellläufe ist schon zu Beginn der Mittelfrist
als eher schlecht zu bezeichnen. Großer Unsicherheitsfaktor ist und bleibt
Hurrikan LORENZO und dessen Umwandlung zu einem außertropischen Tief. Die
Entwicklung (Ausprägung und Zugbahn) des tropischen Sturms und dessen Einfluss
auf unser Wetter ist nach dessen Umwandlung hochgradig unsicher. In den
IFS-Simulationen von gestern sollte LORENZO noch nach Westeuropa gesteuert
werden und sich über Frankreich auflösen. Im neusten Modelllauf von heute 00UTC
dreht LORENZO als Orkantief schon vor Irland auf einen Nordkurs, um im weiteren
Verlauf nach Schottland abzudrehen, wo er sich schließlich auflöst.
Prognoserelevante Unterschiede ergeben sich für Deutschland dahingehend, dass
nach dem neuen Lauf ein Teiltief von LORENZO über die Nordsee nach
Norddeutschland zieht und bis in den Samstag gebietsweise zu kräftigen
Regenfällen (bis knapp an die Dauerregenwarnschwellen) führt. Die nach den
beiden Vorläufen angedachte Wetterberuhigung zum Wochenende würde nur Rudimentär
ausfallen, dafür läge das Temperaturniveau im jüngsten Lauf über dem der
Vorläufe (geringere Frost-/Bodenfrostgefahr).
Auch danach zeigen sich Unterschiede in Timing und Ausprägung der weiteren von
Westen übergreifenden atlantischen Frontensysteme, wenngleich die Fortsetzung
des wechselhaften Witterungsabschnittes offensichtlich recht sicher ist.
In der erweiterten Mittelfrist fahren die beiden neusten IFS-Läufe im Gegensatz
zum gestrigen 00UTC-Lauf eine etwas antizyklonalere Schiene (trockener +
wärmer).

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Erwartungsgemäß haben auch die anderen großen Globalmodell so ihre Probleme mit
der Entwicklung von (Ex-)Hurrikan LORENZO. Erstaunlicherweise simulieren sowohl
GFS als auch ICON ein von den Britischen Inseln nach Deutschland ziehendes
Teiltief von LORENZO und ähneln sich in ihren Simulationen für das Wochenende
damit sehr. Zugegebenermaßen gibt es aber im Detail durchaus Differenzen. So
rechnet IFS(00UTC) sowohl das Teiltief als auch die korrespondierende Kurzwelle
etwas stärker als GFS und ICON, entsprechend stärker fallen auch die
Wettererscheinungen im IFS-Lauf aus (GFS und ICON mit weniger Regen am Freitag
und Samstag).
Auch danach sind sich die Modelle zumindest dahingehend einig, dass weitere
zyklonale „Angriffe“ von Westen in Form von Trögen und Fronten erfolgen und sich
das wechselhafte, teils sehr nasse Wetter fortsetzt. Dass weder ICON noch GFS am
Sonntag ein Cut-Off simulieren, sondern die Tröge „glatt“ über Deutschland
hinwegschwenken lassen, hat keine großen prognoserelevanten Unterschiede zur
Folge.
Allerdings bleibt zu betonen, dass die Prognosegüte der deterministischen
Modelle trügen kann, solange die extratropische Umwandlung von LORENZO nicht
abgeschlossen ist.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Die Ensemblevorhersagen bestätigen die alleine schon aus der
Konsistenzbetrachtung der deterministischen IFS-Vorhersagen abgeleiteten
Unsicherheiten in der Mittelfrist. So nimmt der Spread des Geopotentials und der
850-hPa-Temperaturen schon zu Beginn der Mittelfrist signifikant zu. Allerdings
zeigen die meisten Ensemblemitglieder des IFS-EPS ein für eine zyklonale
Westwetterlage typisches Auf- und Abschwingen des Geopotentials bei
regelmäßigen, teilweise deutlichen Niederschlagssignalen bis mindestens
Wochenbeginn. Der Spread ergibt sich vornehmlich aus Phasenverschiebungen des
Trog-Rücken-Musters sowie Unterschieden in den Wellenlängen. Bei der
850-hPa-Temperatur zeigt die Mehrheit der Member ein tendenzielles langsames
Ansteigen der Temperatur (von rund 0 auf rund 5 Grad bei seichtem Auf- und
Abwippen), einige wenige „stürzen“ ab Samstag aber auch in ein größeres
Temperaturtal (<0 Grad).

Für den Zeitraum +72-96h liefert das EPS-Clustering 3 Cluster (21[Det.], 16, 14
Member), die sich nur in der Simulation des ehemaligen Hurrikans LORENZO
signifikant unterscheiden. Die ersten beiden Cluster lassen LORENZO nach
Großbritannien ziehen (siehe oben), der letzte Cluster in Richtung Biskaya
(entspricht in etwa dem gestrigen IFS-00UTC-Lauf.

Für den Zeitraum +120-168h werden 4 Cluster (18[Det.], 16, 10, 7 Member)
angeboten. In den ersten beiden Clustern erfolgt ein Trogvorstoß nach
West-/Mitteleuropa in Form eines Cut-Offs, in den anderen beiden Clustern in
Form eines an die Frontalzone angebundenen Kurzwellentroges (ICON/GFS-Variante)

Für die erweiterte Mittelfrist bläht sich das Clustering auf 5 Cluster auf (20,
11[Det.], 8, 7, 5 Member). Die ersten beiden Cluster (31 Member!) lassen einen
Rücken ausgehend von Südwesteuropa nach Mitteleuropa ausgreifen
(antizyklonaleres Wetter). Der dritte Cluster simuliert ein ausgeprägtes
Höhentief (Ostlage, im Süden zyklonal), die letzten beiden (12 Member) eine
Fortdauer der zyklonalen Westlage.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Die Wahrscheinlichkeiten für markante Wetterscheinung ist über die gesamten
Mittelfristzeitraum eher gering.

Allerdings sollte man bei dieser dann doch recht nassen Witterung die
Niederschlagsmengen im Auge behalten. Gerade in Staulagen der Mittelgebirge (vor
allem Freitag/Samstag) und der Alpen (Sonntag/Montag) könnten Warnschwellen
gerissen werden.

Der Wind frischt im Umfeld der o. e. Teiltiefs zwar zeitweise auf, Sturmböen
sollten aber auf Berggipfel und exponierten Küstenabschnitte beschränkt bleiben.

Basis für Mittelfristvorhersage
IFS (00UTC), IFS-EPS.

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Adrian Leyser