SYNOPTISCHE UEBERSICHT MITTELFRIST
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 26.09.2019 um 10.30 UTC
Wechselhaft und zeitweise windig, von Sonntag zu Montag Gefahr einer schweren
Sturmlage. Im Laufe der nächsten Woche zurückgehende Temperaturen.
Synoptische Entwicklung bis zum Donnerstag, den 03.10.2019
Zu Beginn des mittelfristigen Prognosezeitraums am kommenden Sonntag steht
gleich mal ein echter Kracher auf dem Spielplan – nein, bei allem Respekt, weder
das Spiel von F95 vs. StreichŽs Breisgau-Brasilianer noch die Abendpartie
zwischen dem EffZeh und der „alten Dame“ aus der Bundeshauptstadt sind an dieser
Stelle gemeint. Die Rede ist – und so sollte es in diesem Bulletin ja auch sein
- vom Wetter. Doch der Reihe nach.
Am Sonntag liegt Deutschland auf der warmen Seite der leicht mäandrierenden
Frontalzone, die vom mittleren Nordatlantik kommend bis weit in den Osten des
europäischen Kontinents reicht. Die anfangs bei uns noch gegebene antizyklonale
Kontur der westlichen Höhenströmung ist alsbald Geschichte, was einem sich von
Westeuropa und der Nordsee nähernden, sich intensivierenden KW-Trog geschuldet
ist. Er korrespondiert mit einem veritablen Sturmtief, das aus dem aktuell noch
weit westlich auf dem Atlantik liegenden Tief MORTIMER hervorgeht (ob es am
Sonntag noch so heißt, hängt von an dieser Stelle nicht wichtigen Details ab,
die noch nicht final geklärt sind). Nach IFS von heute 00 UTC zieht das Tief im
Laufe des Sonntags von Mittelengland über die Nordsee gen Jütland, das es zum
Datumswechsel knapp hinter sich gelassen haben soll. Aufgrund seiner
entwicklungsgünstigen Exposition soll sich das Tief auf seinem Weg dorthin von
anfangs knapp unter 990 hPa Kerndruck auf fast 980 hPa vertiefen, was es zu
einem mehr als soliden Schnellläufer macht. Ob es dabei die klassische
norwegische Schule vertritt oder eher in Richtung „Shapiro-Keyser“ tendiert, ist
noch nicht ganz klar. Wichtiger als das ist, ob es überhaupt aus dem Quark
kommt, was keinesfalls von allen Modellen so gesehen wird (siehe Kapitel
„Modellvergleich“).
Bleiben wir beim IFS, wonach dem Norden und Westen sowie Teilen der Mitte ein
regnerischer Tag ins Haus steht. Dabei strömt vorübergehend milde, im Süden
sogar warme (und trockene) Luft in den Vorhersageraum (um 12 UTC 8 bis 14°C, nur
im Nordosten etwas darunter), bevor die Kaltfront im weiteren Verlauf des Tages
erwärmte (kein direkter Weg) Meeresluft (um 24 UTC 10 bis 6°C) heranführt. Am
spannendsten ist freilich die Wind- respektive Sturmentwicklung, die einen von
West nach Ost auffrischenden, in Böen starken bis stürmischen Südwestwind
bringt. Der Höhepunkt wird für den Abend bzw. die Nacht zum Montag
prognostiziert, wenn im Norden auf der Süd-Südwestflanke des Tiefs das
Gradientmaximum durchschwenkt und entsprechend schweren Sturm mit orkanartigen
oder gar Orkanböen (11-12 Bft) generiert. Der Wind dreht dabei von Südwest auf
West bis Nordwest.
Am Montag zieht es das Sturmtief recht zügig nach Finnland, während der
korrespondierende KW-Trog den Vorhersageraum nicht minder flott gen Osten
verlässt. Rückseitig gelangt mit lebhafter, im Tagesverlauf von West-Südwest
aber nachlassender West- bis Nordwestströmung (am längsten stürmisch bleibt es
an der Ostsee) auf nun direkterem Weg polare Meeresluft bis an die Alpen
(Rückgang T850 auf 6 bis 0°C), die zwar unter leichten Zwischenhocheinfluss
gelangt, trotzdem aber noch einige schauerartige Regengüsse parat hält.
Bereits am Dienstag ist es mit der „Herrlichkeit“ des Zwischenhochs schon wieder
vorbei, wenn nämlich die Warmfront des nächsten Tiefs auf Deutschland
übergreift. Genau genommen handelt es sich um eine mehrkernige, vergleichsweise
schmale Tiefdruckzone, die sich zonal von UK/Irland bis in die Nordhälfte des
Vorhersageraums ausweitet und vielerorts Regen bringt. Je nach Intensität könnte
der Südwestwind vor allem in der Mitte und im Süden stärker auffrischen, nach
einer wiederholten Sturmlage sieht es derzeit aber nicht aus.
Zum Mittwoch hin zieht dann der Hauptkern der Tiefdruckzone quasi als Rand- oder
Teiltief ostwärts durch. Gleichzeitig steigen Luftdruck und Potenzial über dem
nahen Ostatlantik respektive Westeuropa, so dass die Zufuhr weiterer Tiefs
zunächst mal abgeschnitten wird (einen wesentlichen Beitrag zur Bildung des
Höhenrückens leiste übrigens der ehemalige Tropensturm LORENZO, der auf seiner
Vorderseite nicht unerhebliche Mengen Warmluft nordwärts verfrachtet). Zurück
nach Germany, wo die zum Randtief gehörige Kaltfront von Norden her zu den Alpen
schwenkt, die sie bis Mittwochmittag erreicht haben soll. Auf der Rückseite wird
mit nordwestlicher Strömung auf noch direkterem Weg als am Montag maritime und
hochreichende Polarluft arktischen Ursprungs (klingt martialisch, aber keine
Angst, das öffentliche Leben wird nicht zum Stillstand kommen) herangeführt, in
der die 850-hPa-Temperatur auf Werte um 0°C zurückgeht. Durch die postfrontale
Austrogung wird die Luftmasse vorübergehend labilisiert, was zu Schauern und
kurzen Gewittern führt. An den Alpen stellt sich eine Staulage ein, wobei die
Schneefallgrenze auf rund 1000 m absinkt.
Am Donnerstag baut sich kräftiger Zwischenhocheinfluss auf, der mit einer
eigenständigen 1025-hPa-Zelle gewürdigt wird. Gestützt wird diese durch den nach
Osten vorankommenden Höhenrücken, der aber nach Lesart des aktuellen Modelllaufs
nicht in eine Blockierung mündet. Vielmehr deutet sich für die erweiterte
Mittelfrist ab Freitag eine Progression von Bodenhoch und Rücken an
(überlaufende WLA), was wieder zyklonalere und mildere Verhältnisse zur Folge
hätte.
Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs
Fokussiert man sich bei der Konsistenzbetrachtung einzig auf die grobe
Verteilung der Basisfelder (z.B. Geopotenzial 500 hPa, Temperatur 850 hPa,
relative Feuchte 700 hPa, Luftdruck), so findet man von Modelllauf zu Modelllauf
ähnliche Muster. Von daher ist der grundsätzliche Werdegang des Wetters zum
Monatswechsel bzw. für die ersten Tage des Oktobers vorgezeichnet (weitgehend
zyklonal geprägt mit wiederholten Niederschlägen und zurückgehenden Temperaturen
im Laufe der nächsten Woche).
In den Details gibt es freilich noch Unterschiede, die nicht ganz ohne sind.
Besonders ins Auge fällt die Sturmtiefentwicklung Sonntag/Montag, die IFS (ECMF)
weiterhin sehr prominent im Katalog hat, allerdings jeweils mit leicht
variierenden Größen wie Intensität, Zugbahn und Timing. So zeigt die aktuelle
Version von heute 00 UTC eine forschere Gangart als die Vorgängerlösungen,
sprich, das Tief zieht schneller von der Nord- zur Ostsee als bisher gerechnet.
So oder so würde Norddeutschland in der Nacht zum Montag aber einen schweren
Sturm mit Orkanböen bekommen, der aber nicht zuletzt wegen vorhandener
Modellunterschiede noch auf einem tönernden Sockel steht.
Ob sich im weiteren Verlauf der Woche eine Blockierungslage (weitgehend trocken,
recht frisch mit Nachtfrost) durchsetzt, wie gestern angedeutet, wird von der
heutigen Version bereits wieder angezweifelt.
Vergleich mit anderen globalen Modellen
Im Großen und Ganzen simulieren die gängigen Globalmodelle die Entwicklung
ähnlich. Auch die Zugbahn des für Sonntag avisierten Sturmtiefs weicht gar nicht
mal so stark voneinander ab. Allerdings ist hinsichtlich Stärke und Timing das
letzte Wort noch nicht gesprochen. IFS bietet mit UKMO die krasseste Lösung an,
gefolgt von GFS, welches allerdings etwas später dran ist. Bei ICON hingegen
wird der stärkste Gradient in der Südhälfte gesehen (Montag), was dort
stürmische Bedingungen, aber keinen schweren Sturm zur Folge hätte.
Nach hinten raus (die Kaltluftzufuhr Mitte der Woche haben alle auf dem Plan)
stellt sich noch die Frage nach der vermeintlichen Blockierung. Während UKMO und
ICON aus der Vorhersage aussteigen, lassen GFS und das kanadische GEM den
Höhenrücken auf alle Fälle langsamer durchwandern als IFS. GEM kommt dabei einer
möglichen Blockierung am nächsten.
FAZIT: Der Generalkurs steht, die Feinheiten noch nicht. Spannend bleibt vor
allem die Frage nach dem Sturm am Sonntag/Montag.
Bewertung der Ensemblevorhersagen
Die IFS-EPS-Rauchfahnen verschiedener deutscher Städte zeigen bis Mitte nächster
Woche sowohl beim Potenzial (500 hPa) als auch bei der Temperatur (850 hPa)
einen gutmütigen Verlauf ohne größeren Spread. Einzig im Norden (Referenz
Hamburg) nimmt die Streuung bei T850 schon zum Dienstag hin zu, was auf die
räumliche Unsicherheit der o.e. zonalen Tiefdruckzone hindeutet. Beginnend am
Mittwoch, vor allem aber ab Donnerstag laufen die Kurven deutlich auseinander,
tendenziell geht es bei beiden Parametern aber wieder bergauf. Der Haupt- und
Kontrolllauf markieren dabei den oberen Rand der Lösungen.
Bei GFS-EPS sieht die Angelegenheit sehr ähnlich aus, allerdings verzögert sich
der Aufwärtstrend am Ende des Vorhersagezeitraums etwas nach hinten, was der
Version des Hauptlaufs entspricht.
Von den Kurven zu den Clustern, die für die Zeit von Sonntag zu Montag
(T+72…96h) vier Schubladen aufmachen, ohne dass sich für unseren Raum
nennenswerte Unterschiede herausarbeiten ließen (was im Umkehrschluss für die
Sturmvariante spricht). Von Dienstag bis Donnerstag (T+120…168h) bleibt uns die
Zahl Vier treu (18 Fälle, 17 + HL/KL, 9, 7). Alle vier Cluster schlittern in das
Klimaszenario „Atlantic Ridge“, sehen also den bereits zitierten Rücken bzw. den
Hochkeil über dem nahen Ostatlantik. Am schwächsten, dafür aber auch am
progressivsten ist dieser Rücken in CL 2 aufgestellt, während wir sonst eine
mehr oder weniger stark ausgeprägte, weitgehend zyklonal konturierte
Trogrückseite angeboten bekommen.
Ab Freitag (T+192…240h) erhöht sich die Zahl der Cluster auf sechs, wobei von
einer antizyklonalen Südwest-Lage über glatte West-Nordwestlagen bis hin zu TrM
(Trog Mitteleuropa) so ziemlich alles auf der Speisekarte steht.
FAZIT: Die Statistik stützt im Wesentlichen den Hauptlauf, die Unschärfen im
Detail können allerdings nicht ausgeräumt werden.
Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen
Der Schwerpunkt hinsichtlich signifikanter Wettererscheinungen liegt eindeutig
auf dem Wind. Zwar wird es wiederholt regnen, was nebenbei gesagt in den meisten
Regionen mehr Segen als Fluch darstellt, die Überschreitung von Warnschwellen
wird derzeit aber nicht oder nur mal hauchzart angedeutet.
Anders sieht es beim Wind aus, wo – wie gestern auch schon – von Sonntag zu
Montag im Norden (und evtl. bis in die Mitte ausgreifend) weiterhin eine
(schwere) Sturmlage möglich ist. Zwar ist noch immer nicht das letzte Wort
gesprochen, auch liegen der Haupt- und Kontrolllauf von IFS ziemlich weit oben
im Ensemble, trotzdem gibt es genügend Hinweise, die eine solche Entwicklung
nicht als Hirngespinst dastehen lassen. Wie bereits weiter oben schon
geschrieben, am Ende hängt alles von der genauen Zugbahn und der Intensität des
Sturmtiefs ab, so dass man mit Spannung auf die weiteren Modellläufe und deren
statistische Anschlussprodukte schauen wird.
Bliebe abschließend noch zu sagen, dass es auch nach dem Sturmtief ziemlich
windig bleibt (vielleicht sogar über die Wochenmitte hinaus), eine weitere
ausgewachsene Sturmlage deutet sich derzeit aber nicht an.
Basis für Mittelfristvorhersage
IFS-EPS mit IFS-MOS und Modellmix.
VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Hoffmann