S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 25.09.2019 um 10.30 UTC

Wechselhaft und windig, zu Wochenbeginn Gefahr einer schweren Sturmlage. Dabei
vorerst noch mild.

Synoptische Entwicklung bis zum Mittwoch, den 02.10.2019

Deutschland liegt unter einer zonal ausgerichteten Frontalzone, in der in
rascher Folge Frontensysteme Mitteleuropa ostwärts überqueren. So kommt am
Samstag nach Passage einer Kaltfront aufgrund der lebhaften zyklonalen Strömung
eine Zwischenhocheinfluss nicht so recht im Zuge, so dass vor allem im Norden
und in der Mitte weitere Schauer bei böigem West- bis Südwestwind zu erwarten
sind. An der Küste und auf höheren Berggipfeln können Böen bis Sturmstärke
auftreten. In nordseenähe sind auch kurze Gewitter nicht auszuschließen. Am
Sonntag gelangt Deutschland unter die Vorderseite eines entwicklungsgünstig
liegenden Tiefs, das bis zum Abend die Nordsee erreicht. Die meisten, wenn auch
nicht warnrelevanten Niederschläge sind dann im Norden und Westen zu erwarten,
wogegen nach Süden hin Auflockerungen und an den Alpen leichter Föhn wirksam
werden kann, so dass bis ins nördliche Alpenvorland hinein bei entsprechender
Einstrahlung noch einmal ein Sommertag vorstellbar ist.
In der Nacht zum Montag überquert das Sturmtief den Norden Deutschlands, wird
aber von dem nachfolgenden Trog überlaufen und schwächt sich nachfolgend rasch
ab. In Verbindung mit diesem Tief sind im Norden und im Bergland teils schwere
Sturmböen, an der Nordsee und in Hochlagen sowie in freien Lagen auch
orkanartige Böen möglich, allerdings bestehen hierbei noch Unsicherheiten. Zudem
ist in Nordseenähe Starkregen nicht auszuschließen. Nachfolgend setzt von
Südwesten und Westen her im Bereich von einem Zwischenhochkeil Wetterberuhigung
ein, wobei ein wechselhafter Wettercharakter gewahrt bleibt.
Am Dienstag nähert sich auf einer etwas südlicher liegenden Zugbahn ein weiteres
Tief, das bis zum Abend den Nordwesten Deutschlands erreicht. Allerdings ist
hier die Entwicklung zu einem Sturmtief aufgrund der Lage zum nachfolgenden Trog
eher weniger wahrscheinlich. Dennoch sollte der erneut anziehende Gradient für
Böen bis Sturmstärke auf höheren Berggipfeln hinreichend sein. Dieses Tief
stellt wahrscheinlich das letzte Glied der Zyklonenfamilie dar. Nachfolgend
entwickelt sich ein Keil, der Anschluss zu einem über Grönland liegenden Hoch
findet. Massive Warmluftadvektion, die durch den in den mittleren Nordatlantik
ziehenden Hurrican „Lorenzo“ bedingt ist, führt stromab, d.h. über dem nahen
Ostatlantik, zu Geopotentialgewinn, was diesen Keil auf eine breitere Basis
stellt. Zwischen diesem Keil und einem über Nord- und Nordosteuropa liegenden
Tiefdruckkomplex gelang mit einer auf Nordwest drehenden Strömung kühlere Luft
in das Vorhersagegebiet.
Im erweiterten mittelfristigen Vorhersagezeitraum wandelt sich „Lorenzo“ in ein
außertropisches Tief um und bezieht weitere Tiefs in seine Zirkulation ein, so
das sich südwestlich von Island ein Tiefdruckkomplex ergibt. Der stromab
liegende Höhenkeil rückt nach Osten vor und stützt eine meridional ausgerichtete
Hochdruckzone, wobei der über Nordeuropa liegende und nach Südosteuropa
austropfende Trog blockierend wirkt. Während zunächst noch Schauerwetter zu
erwarten ist, dürfte sich zum Wochenende hin eine schwachgradientige Lage im
Bereich eines ausgedehnten Bodenhochs einstellen. Das Temperaturniveau ist dabei
etwas niedriger als bisher. In den Nächten kann dann bei längerem Aufklaren
leichter Frost oder zumindest Bodenfrost auftreten.

Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs

Bis einschließlich Sonntag ist der aktuelle Lauf gegenüber weiter
zurückliegenden Modellläufen noch einigermaßen konsistent. Unterschiede ergeben
sich bereits am Sonntag hinsichtlich der Lage des sich annähernden Sturmtiefs,
das vom aktuellsten Lauf etwa 800 km weiter östlich gesehen wird als dies bei
den beiden gestrigen Modelläufen der Fall war. Die oben beschriebene
Sturmtiefentwicklung ist auch nur beim aktuellsten Lauf zu finden.
Genauso unsicher ist die Verlagerung des nachfolgenden Tiefs, das am Dienstag
den Norden Deutschlands überqueren soll. Hier ergibt sich nach der aktuellsten
Simulation eher eine etwas verzögerte Variante. Unstrittig ist aber das
Vordringen der kühleren Luft mit einer mehr oder weniger steilen nordwestlichen
Strömung etwa ab der Wochenmitte.
Im erweiterten mittelfristigen Vorhersagezeitraum wird die nachfolgende
Wetterberuhigung gegenüber den Modellrechnungen des Vortages hinausgezögert.

Vergleich mit anderen globalen Modellen

Bis einschließlich Sonntag ergeben sich keine prognoserelevanten Unterschiede
zwischen den verfügbaren Vorhersagemodellen. Danach wird die
Sturmtiefentwicklung unterschiedlich simuliert. ICON lässt eine flache Welle
über den Norden Deutschlands hinweg nach Osten ziehen, so dass allenfalls im
höheren Bergland Sturmböen auftreten dürften. GFS zeigt eine weiter nördlich,
d.h. über den Kattegat und Südschweden hinweg, nach Osten gerichtete Zugbahn,
aber eine deutlich kräftigere Entwicklung als EZMW (mit einem um 15 hPa tieferen
Kerndruck), was die Lage nicht weniger gefährlich macht und sogar ein
ausgedehnteres Sturmfeld verspricht. Das Modell des kanadischen Wetterdienstes
stützt hingegen die Version des ICON.
Die sich bis Mittwoch einstellende nordwestliche Strömung wird vom ICON noch
nicht erwartet. Das deutsche Modell lässt hingegen ein weiteres Tief auf
ähnlicher Zugbahn folgen und weist damit Alleinstellungsmerkmal auf.
Im erweiterten mittelfristigen Vorhersagezeitraum ergeben sich markante
Unterschiede hinsichtlich der weiteren Lebensgeschichte von „Lorenzo“. Vom
kanadischen Modell wird dieser als außertropisches Tief in den Ärmelkanal
verlagert, nach GFS wäre die Entwicklung zu einem Orkantief vorstellbar, dessen
Kern sich von der südlichen Nordsee über Schleswig-Holstein hinweg nordostwärts
verlagert und somit das insgesamt gefährlichste Szenario darstellt.

Bewertung der Ensemblevorhersagen

Das EPS des GFS folgt der oben beschriebene Entwicklung. Im erweiterten
mittelfristigen Vorhersagezeitraum divergieren die Einzellösungen derartig
stark, so dass keine Aussage mehr möglich ist. In der Nacht zum Montag wird eine
Sturmlage ähnlich dem deterministischen Modell von der übergroßen Mehrheit der
Einzellösungen gesehen. Dagegen wird die deterministische Version mit der
Orkanlage am Ende des erweiterten mittelfristigen Vorhersagezeitraumes nur von
einem Ensemblemember gestützt. Versucht man das EPS zu mitteln, ergibt sich
ausgangs der erweiterten Mittelfrist eine zusehends antizyklonaler werdende
Nordwestlage.
Beim EPS des EZMW ergibt sich ein ähnliches Bild, d.h. in der zweiten
Wochenhälfte der kommenden Woche nähert sich ein mehr oder weniger kräftig
ausgeprägter Rücken, der sich nur mit geringer Wahrscheinlichkeit (4 EPS-Member)
in ein blockierendes Höhenhoch umwandelt. Auch hier ergibt sich eine
Nordwestlage mit der Zufuhr kühlerer Luft, wobei eine ganze Reihe von
EPS-Membern (mehr als 5) die Abkühlung nicht bringen. Ein ausgewachsener
Kälteeinbruch ist aber weder nach dem EPS des EZMW noch nach dem GFS in Sicht.
Die Gefahr einer Sturmlage ergibt sich anhand von mehr als der Hälfte der
Einzelmember. Die Gefahr, dass „Lorenzo“ in Form von einem Orkantief über
Mitteleuropa wirksam wird (det. GFS-Variante), zeigt sich nur anhand von
(weniger als 5) Einzellösungen.

Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen

Am Samstag sind im Nordwesten, an der Nordsee sowie im Bergland verbreitet
stürmische Böen zu erwarten, exponiert können Sturmböen bis Bft 9 nicht
ausgeschlossen. Außerdem muss vor allem in Nordseenähe mit einzelnen kurzen
Gewittern gerechnet werden.
Am Sonntag treten mit geringer Wahrscheinlichkeit auf höheren Berggipfeln noch
einzelne Sturmböen auf. An den Alpen wird es föhnig, dort sind Sturmböen in
exponierten Lagen nicht auszuschließen.
In der Nacht zum Montag besteht die Gefahr einer schweren Sturmlage. Von
Nordwesten und Westen auf die Mitte und den Norden übergreifend kommen
wahrscheinlich Sturm- und schwere Sturmböen bis Bft 10 (um 100 km/h) auf, in
freien Lagen sowie im Bergland können orkanartige Böen auftreten.
Am Montag bleibt im Nordosten und anfangs auch in der Mitte die Sturmlage noch
bestehen, so dass dort zumindest anfangs Sturm- und mit zunehmend geringer
werdender Wahrscheinlichkeit schwere Sturmböen, in exponierten Berglagen
zunächst noch orkanartige Böen, auftreten. Dabei flaut der Wind weiter ab. Am
Dienstag frischt der Wind erneut auf, wahrscheinlich aber nicht so stark wie in
der Nacht zum Montag, aber in höheren Berglagen muss dann wieder mit Sturmböen
bis Bft 9 gerechnet werden.

Basis für Mittelfristvorhersage
EPS(EZMW), anfangs noch MOS

VBZ Offenbach / Dipl. Met. Thomas Schumann