SXEU31 DWAV 170800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 17.09.2019 um 08 UTC

GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: N bis NWz, Donnerstag zunehmend antizyklonal
Heute an den Küsten erster Herbststurm (Bft 8 bis 10), im Nordosten in Schauer-
und Gewitternähe auch im Binnenland schwere Sturmböen nicht ausgeschlossen.
Mittwoch und Donnerstag wieder zunehmender Hochdruckeinfluss.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 24 UTC

Dienstag… Mitte September – und der erste (kleine) Herbststurm, zumindest für
die Küsten, steht ins Haus. Dass es vor allem im Nordosten auch weiter im
Binnenland durchaus turbulent zugehen kann, dazu später. Zunächst wagen wir mal
einen Blick auf die vor allem heute durchaus zyklonal geprägte Großwetterlage:
Deutschland befindet sich nämlich an der Südwestflanke eines umfangreichen
Langwellentrogkomplexes über Nord- und Nordwesteuropa. Dieser Trog ist dabei,
sich durch einen markanten, von Nordwesten hereinlaufenden Kurzwellentrog zu
regenerieren, dessen Drehzentrum heute im Tagesverlauf über Südschweden hinweg
Richtung Baltikum schwenkt. Dabei kann sich die kräftige nordwestliche
Höhenströmung über Nord- und Ostdeutschland vorübergehend deutlich verschärfen,
mit Windgeschwindigkeiten von über 125 kn in 300 hPa greift der Jetstream auf
das Vorhersagegebiet über. Ein entwicklungstechnisch günstig am linken
Jetausgang sowie unmittelbar vorderseitig des Trogzentrums gelegenes, aktuell
noch sehr flaches Bodentief über Südschweden kann sich im Tagesverlauf vertiefen
und zieht bis zum Abend ins Baltikum. Dessen Sturmfeld an der Südwestflanke
erfasst heute Vormittag den Norden und vor allem Nordosten des Landes. Im
Vorfeld hat zumindest niedertroposphärisch maritime Polarluft weite Teile
Deutschlands geflutet, die Vordergrenze dieser Luftmasse markiert eine
Kaltfront, die sich aktuell über dem Alpenvorland befindet. Allerdings weitet
sich ein vom kräftigen Hochdruckgebiet ausgehender Keil nach Süd- und
Südwestdeutschland aus, was frontolytisch wirkt, mit entsprechend geringer
Wetterwirksamkeit kommt sie somit kaum weiter nach Süden voran und löst sich
mehr und mehr auf. Hier und da fällt noch etwas Regen, die Mengen sind aber
nicht nennenswert.
Nahe am Drehzentrum des Troges gelegen gelangt in den Nordosten ein Schwall
höhenkalter Polarluft. Die Temperatur in 500 hPa sinkt auf -25 bis nahe -30
Grad, in 850 hPa schwankt sie um oder knapp unter 0 Grad. Die Vordergrenze zu
dieser dann hochreichend labil geschichteten Luftmasse markiert eine weitere
Kaltfront, die aktuell mit ersten Schauern den Küstenbereich erreicht hat. Diese
Schauer breiten sich vor allem nach Osten zu noch etwas landeinwärts aus. Da die
Luftmasse bis etwa 500 hPa labil geschichtet ist und im Tagesverlauf vor allem
im Nordosten auch etwas Cape generiert werden kann (etwa 200 bis nahe 400 J/kg),
sind auch einzelne kurze Graupelgewitter am Start. Damit kommen wir zum
warntechnisch großen Thema am heutigem Dienstag: Der Wind. Alleine der Gradient
gibt im Norden und Nordosten des Landes schon verbreitet auftretende stürmische
Böen, exponiert Sturmböen (Bft 8 bis 9) aus West bis Nordwest her. Entlang der
vorpommerschen Ostseeküste sowie auf einigen exponierten Mittelgebirgsgipfeln
(Brocken) reicht es auch für einzelne schwere Sturmböen (Bft 10). Dazu kommt
dann noch die konvektive Komponente mit ins Spiel. Bevorzugt im Nordosten
simulieren die konvektiven Modelle bis weit ins Binnenland ziehende und teils
auch als Linien organisierte Schauer, vereinzelt sind kurze Gewitter dabei (in
erster Linie AROME, aber auch SuperHD und Euro4; C-D2 agiert ein wenig
zurückhaltender). Unterhalb des Jets gelegen ist die Geschwindigkeitsscherung
sehr hoch, selbst in 850 hPa werden etwa 45 bis 50 kn erreicht. Diese Böen
können innerhalb der Konvektion bis ganz nach unten gemischt werden, etwas
verstärkt noch durch die mit der Verdunstungsabkühlung generierten
Downdraft-Cape. Somit sind vor allem in Mecklenburg-Vorpommern und in
Nordbrandenburg in Schauer- und Gewitternähe durchaus auch mal schwere Sturmböen
ins Kalkül zu ziehen, eine vereinzelt und kleinräumig auftretende orkanartige
Böe nicht ausgeschlossen. C-D2-EPS zeigt Wahrscheinlichkeiten zwischen 5 und 15%
dafür (allerdings wirklich nur punktuell auftretend), auch AROME hat einzelne
Bft 11-Böen auf der Karte, am ehesten noch an der vorpommerschen Küste.
Im Westen und Süden bekommt man von der Windentwicklung wenig bis gar nichts
mit. Mit Annäherung des Hochkeils bleibt der Gradient dort aufgefächert, für
warnrelevante Böen (Bft 8 bis 9) reicht es nur auf den Gipfeln der Alpen und der
ostbayerischen Mittelgebirge. Vor allem im Südwesten scheint auch häufig die
Sonne. Da die Kaltfront den äußersten Südwesten und auch den Alpenrand nicht
wirklich erreicht, verharren dort die Temperaturen in 850 hPa zwischen 8 und 10
Grad, postfrontal sinken sie im Norden und in der Mitte auf -1 bis 5 Grad. Das
mündet in Höchstwerten zwischen 13 Grad im Nordosten und knapp 24 Grad am
Hochrhein.

In der Nacht zum Mittwoch zieht unser kurzwelliger Höhentrog Richtung
Weißrussland, unterhalb des Jetstreams gelegen, fächert die glatte nordwestliche
Höhenströmung über dem Vorhersagegebiet aber nur zögernd auf. Mit Abzug des
Troges stabilisiert die Luftmasse allmählich wieder und die Schauer klingen –
auch tagesgangbedingt – rasch ab. Lediglich an den Küsten, vor allem der Ostsee,
kann es bis in die Frühstunden noch einzelne geben.
Im Bodenfeld können sich das knapp vorderseitig einer kräftigen Höhenantizyklone
gelegene Bodenhoch über den Britischen Inseln, ebenso, wie der nach Mitteleuropa
gerichtete Hochkeil noch etwas verstärken. Das Tief über dem Baltikum zieht
allmählich Richtung Russland, der Gradient über dem Nordosten des Landes fächert
aber nur allmählich auf. Somit nimmt der Wind im Binnenland – nicht zuletzt auch
tagesgangbedingt mit der zusammenfallenden Konvektion – zwar rasch ab, an den
Küsten bleibt es aber noch längere Zeit windig mit stürmischen Böen, an der
Ostsee bis weit in die Nacht hinein auch noch einzelnen schweren Sturmböen,
morgens reicht es aber auch dort nur noch für die Bft 8 an exponierten
Küstenabschnitten. Auf dem Brocken und dem Fichtelberg gibt es ebenfalls noch
Böen Bft 8, vereinzelt 9.
Während sich im Norden und Osten die Quellwolken gebietsweise an der sich mit
Annäherung des Hochkeils allmählich ausbildenden Absinkinversion horizontal
ausbreiten und es bewölkt bleibt, ist der Himmel im Westen und – mit Ausnahme
des Alpenrandes, wo sich die Wolkenreste der aufgelösten Kaltfront noch stauen –
teilweise gering bewölkt. Nebelfelder treten innerhalb der frisch eingeflossenen
trockenen Polarluft nur vereinzelt auf. Somit sacken die Temperaturen rasch in
den Keller. Die Tiefstwerte liegen zwischen 10 Grad in Küstennähe und 2 Grad in
den westlichen und zentralen Mittelgebirgen, wo es gebietsweise Bodenfrost geben
kann.

Mittwoch… ändert sich an der großräumigen Konstellation der Potenzialgebilde
nur wenig, auch, wenn der Höhentrog allmählich weiter nach Osten schwenkt. Die
nordwestliche Höhenströmung über dem Vorhersagegebiet bleibt kräftig ausgeprägt,
der Jetstream kommt nur zögernd nach Osten voran und verläuft noch mit teils
über 100 kn in 300 hPa über dem Nordosten des Landes. Allerdings bleibt die
Höhenströmung glatt konturiert und bei schwacher KLA dominiert leichtes
Absinken. Bis etwa 600 hPa, also bis in etwa 3 bis 4 km Höhe hinreichend labil
geschichtet ist die Luftmasse nur noch im Nordosten des Landes, dort reicht es
im Tagesverlauf mit Unterstützung durch die diabatische Komponente vielleicht
noch für den ein oder anderen kurzen Schauer. Der Gradient fächert nur zögernd
auf, das Bodentief zieht nur langsam nach Osten und der nach wie vor über West-
nach Süddeutschland gerichtete Hochkeil kann sich noch ein wenig verstärken.
Somit frischt der Wind mit Unterstützung durch den Tagesgang im Nordosten erneut
etwas aus Nordwest auf, vor allem nordöstlich der Elbe reicht es auch im
Binnenland noch für steife Böen (Bft 7), im Ostseeumfeld kann vor allem in
Schauernähe auch die Bft 8 auftreten, ebenso anfangs noch eventuell auf dem
Brocken und dem Fichtelberg.
Im Rest des Landes dominiert aber Hochdruckeinfluss, dabei gelangt nordöstlich
der Keilachse niedertroposphärisch etwas feuchtere Nordseeluft in den Norden und
Osten. Die sich bildenden Quellwolken können sich vor allem im Nordwesten an der
sich verstärkenden Absinkinversion (dort auf etwa 800 hPa sinkend) gebietsweise
horizontal ausbreiten, so dass es dort teilweise stärker bewölkt bleibt. Im
Südwesten und Süden scheint hingegen wieder vielerorts bei nur flachen
Quellwolken die Sonne. Niedertroposphärisch kann die maritime Polarluft nun auch
nach Südwestdeutschland sickern, die Temperaturen in 850 hPa bewegen sich
zwischen 0 Grad im Norden und 6 Grad im Südwesten. Die Höchstwerte liegen somit
zwischen 14 und 18 Grad, an Ober- und Hochrhein bei knapp 20 Grad.

In der Nacht zum Donnerstag streckt das Höhenhoch über Westeuropa seine Fühler
allmählich etwas nach Südosten, Richtung Frankreich aus. Es wird gestützt durch
kräftige WLA, die um die Rückenachse innerhalb der nordwestlichen Höhenströmung
von der Nordsee her auch zunehmend über Norddeutschland wirksam werden kann. Im
Bodenfeld ist sie markiert durch eine langgestreckte Warmfront, die, ausgehend
von einem Tief knapp westlich von Island über die Nordsee hinweg bis zur
Deutschen Bucht reicht. Vorderseitig der Warmfront breiten sich dichte
Wolkenfelder bis nach Nordwestdeutschland aus, im Nordseeumfeld kann es auch
etwas nieseln, am ehesten Richtung Ostfriesland. Der Bodenhochkeil über Süd- und
Westdeutschland kann sich noch etwas verstärken, kommt mit seiner Achse aber
kaum nach Nordosten voran. Somit bleibt es auch im Nordosten eher bewölkt, an
der vorpommerschen Ostseeküste reicht es mit der dort vorhandenen Restlabilität
vielleicht noch für einen kurzen Schauer. Der Gradient fächert weiter auf, so
dass der Wind im Laufe der Nacht warntechnisch keine Rolle mehr spielen dürfte.
In der Mitte und im Süden verläuft die Nacht dagegen oft gering bewölkt oder
wolkenlos, wobei die Nebelwahrscheinlichkeit in Süddeutschland etwas zunimmt.
Während es im Norden und Nordosten bei oft bewölktem Himmel mit Tiefstwerten
zwischen 10 und 6 Grad nicht allzu kalt wird, kühlt es in der Südhälfte auf 6
bis nahe 0 Grad ab, in ungünstigen Lagen kann auch leichter Frost nicht
ausgeschlossen werden.

Donnerstag… weitet sich der vom inzwischen bei den Britischen Inseln
angelangten Höhenhoch ausgehende Keil Richtung Westalpenraum aus, ansonsten
ändert sich an der glatten, zögernd etwas auffächernden nordwestlichen
Höhenströmung über dem Vorhersagegebiet kaum etwas. Der Schwerpunkt des
Bodenhochs verlagert sich von den Britischen Inseln allmählich Richtung
Mitteleuropa, dessen Achse kommt aber über der Mitte Deutschlands kaum weiter
nach Norden voran. Somit bleiben Nord- und Nordostdeutschland nördlich der Achse
gelegen weiterhin im Zustrom niedertropos- und mit der sich noch etwas
verstärkenden WLA zunehmend auch mitteltroposphärisch recht feuchter Luftmassen.
Die Warmfront kommt über der Nordsee nur sehr zögernd nach Nordosten voran. Die
dichten Wolkenfelder weiten sich entsprechend von Nordwestdeutschland noch etwas
ostsüdostwärts bis in den nördlichen zentralen und östlichen Mittelgebirgsraum
aus, wobei der Nordosten allerdings vom Skandenlee profitieren könnte, so dass
dort zumindest zeitweise die Sonne zum Zuge kommt. Vor allem im Nordseeumfeld
kann es nach wie vor etwas regnen oder nieseln.
Im Südwesten und Süden scheint dagegen die Sonne, teilweise von einem
wolkenlosen Himmel. Die WLA setzt sich niedertroposphärisch noch nicht wirklich
durch, so dass sich die Höchstwerte erneut zwischen 14 und 18 Grad, im Südwesten
um 20 Grad bewegen.

In der Nacht zum Freitag kommt die Achse des Bodenhochs über der Mitte
Deutschlands weiterhin so gut wie gar nicht nach Norden voran, so dass in die
Nordhälfte von Nordwesten her weiterhin eine recht hochreichend feuchte
Luftmasse advehiert wird und die Nacht überwiegend wolkig bis stark bewölkt,
gebietsweise auch bedeckt bleibt, allerdings ohne nennenswerte Niederschläge. Im
Süden und Südwesten verläuft die Nacht dagegen erneut gering bewölkt, örtlich
bildet sich Nebel. Vor allem in Bayern und im südlichen Baden-Württemberg kann
es in ungünstigen Lagen erneut leichten Frost, zumindest aber Bodenfrost geben.

Modellvergleich und -einschätzung

Alle vorliegenden Modelle simulieren im Kurzfristzeitraum eine sehr ähnliche
Entwicklung, warn- und prognoserelevante Unterschiede sind kaum auszumachen.
Erneut unterschätzt ICON-EU heute die Konvektion im Nordwesten Deutschlands,
auch C-D2 zeigt nur schwache Signale.
Die WLA am Donnerstag simuliert ICON dagegen etwas stärker und weiter nach Süden
reichend als GFS und IFS.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff